Titel | Politik 6 Mutter der Kompanie Was Vater Staat und den Geschwistern der Selbstverwaltung nicht gelingen will, hat das TraumaNetzwerk der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie zu Wege gebracht: 51 Insellösungen spannen ein flächendeckendes Netz für die Versorgung Schwerverletzter. Ein Projekt mit Lehrbuchcharakter. Von Georg Stamelos So gut abgestimmt die Prozesse in einer Notaufnahme oder einem Rettungswagen auch sind, so ineffizient ist die Notfallversorgung insgesamt organisiert: Mangelhafte Finanzierung und chronisches Zuständigkeitswirrwarr prägen das Bild. Rettungsdienste, ambulanter ärztlicher Bereitschaftsdienst und Notaufnahmen der Krankenhäuser sind oft nur ungenügend miteinander vernetzt. Mit der geplanten Einführung von Portalpraxen hat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zwar einen Reformvorschlag eingereicht, der über die Ansiedlung von Notfallpraxen an die Krankenhäuser zumindest bei der ambulanten Notfallversorgung eine bessere Zusammenarbeit gewährleisten soll. Doch der Ball liegt nun auf unbestimmte Zeit zunächst bei der Selbstverwaltung. Auch innerhalb des stationären Sektors gibt es eine abgestufte Notfallversorgung. Nicht jedes Krankenhaus kann jeden Notfall behandeln. Das zeigt sich besonders am Beispiel der Schwerverletztenversorgung. Hier hat die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) gemeinsam mit der Initiative TraumaNetzwerk in den vergangenen zehn Jahren das geschaffen, was sich Politik und Selbstverwaltung ganz generell für die Notfallversorgung wünschen: ein bundesweit flächendeckendes Netzwerk. Rund 600 Traumazentren erfüllen die Qualitätsvorgaben der DGU und sind in 51 zertifizierten TraumaNetzwerken (TNW) zusammengeschlossen. Um regional eine bestmögliche Versorgung zu sichern, kooperieren Traumazentren verschiedener Versorgungsstufen innerhalb eines TraumaNetzwerkes. Durchschnittlich besteht ein TNW aus 14 Kliniken mit acht lokalen, vier regionalen und zwei überregionalen Traumazentren. Über das Notfallnetz kann der Rettungsdienst den Notfall-Behandlungsraum eines Traumazentrums innerhalb von 30 Minuten in Ballungszentren und in dünn besiedelten Gebieten erreichen. Verbesserte Ausstattung Von der Projektplanung der Initiative lässt sich einiges lernen: Die notwendigen Parameter für die Versorgung von Schwerverletzten wurden bereits 2006, gleich nach der Gründung, im sogenannten „Weißbuch Schwerverletztenversorgung“ festgeschrieben. So konnten die unterschiedlichen Behandlungskonzepte und die Ausstattung an Personal, Geräten und medizinischem Zubehör von deutschen Unfallkliniken standardisiert werden und teilnehmende Kliniken ihre Organisations- und Personalstrukturen anpassen: Schockraumleitlinien wurden etabliert, Dienstpläne hinsichtlich der Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit eines kompetenten Notfallteams verändert, Ärzte im Schockraummanagement geschult. Viele Kliniken haben ihre medizintechnische Ausstattung verbessert, Röntgenanlagen für den Notfall-Behandlungsraum nachgerüstet oder teleradiologische Systeme ein- geführt. Seit 2012 ist das internetbasierte Netzwerk TKmed (Telekooperation in der Medizin) integrativer Bestandteil der Initiative. Unfallchirurgen und Radiologen tauschen darüber lebenswichtige Informationen aus. In Kürze sollen auch Patienten Zugriff auf ihre Daten erhalten. Das System übermittelt bundesweit Röntgenaufnahmen, CT- und MRT-Bilder sowie Patientenbefunde und Arztbriefe schnell und datenschutzkonform. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Notfall- und Akutmedizin (DGINA) und Chefarzt des Notfallzentrums am Münchner Klinikum Bogenhausen, Prof. Dr. Christoph Dodt, sieht in dem Traumanetzwerk der DGU ein bundesweit einzigartiges Projekt. Bedarf bestünde auch für andere schwere Notfälle mit speziellem Versorgungsbedarf, etwa bei Herzinfarkten oder Schlaganfällen. „Für diese schwersten Notfälle wird es immer ein Netzwerk zwischen einem regionalen und einem Maximalversorger geben müssen. Auf regionaler Ebene ist das zum Teil organisiert, aber nicht bundesweit“, sagt Dodt und nennt exemplarisch das bayerische Schlaganfallprojekt TEMPiS. Hier können Ärzte kleinerer Häuser über Teleradiologie die medizinische Strategie etwa mit dem Schlaganfallzentrum des Klinikums Harlaching besprechen und notwendige Schritte wie die Transportlogistik T organisieren. Dodt fordert mehr überregionale Netzwerke, die nicht nach dem Zufallsprinzip funktionieren dürfen. Titel | Politik 7 Flächendeckendes Netzwerk Erreichbarkeit zertifizierter Traumazentren Überregional zertifiziertes Traumazentrum Regional zertifiziertes Traumazentrum Lokal zertifiziertes Traumazentrum Schleswig-Holstein Mecklenburg-Vorpommern Elbe-Weser OldenburgOstfriesland Hamburg Bremen Süd-WestNiedersachsen Brandenburg Nord-West Nord-OstNiedersachsen Berlin Hannover SachsenAnhalt Nord Nord-West Brandenburg Süd-Ost Ostwestfalen Brandenburg Süd Ruhrgebiet Aachen Düsseldorf Göttingen-Kassel SachsenAnhalt Süd Bergisches Land Köln Ostsachsen Bonn Rhein-Sieg Mittelhessen Thüringen Westsachsen Mittelrhein Rheinhessen Osthessen GesundheitsWirtschaft | 9. Jahrgang | 6/15 | Dezember/Januar 2015/2016 Eifel-Mosel NordbayernWürzburg Oberfranken Südhessen Saar-(Lor-)LuxWestpfalz Pfalz Kurpfalz Mittelfranken Nord-Baden Nord-Württemberg Ostbayern Stuttgart Schwaben Süd-Württemberg Oberrhein Ulm Oberschwaben Bodensee Schwarzwald Bodensee Quelle: gemeinsame Transparenzstelle, eigene Berechnungen München OberbayernNord München OberbayernSüd
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