CFP: METAMORPHOSEN – Travestien und Transpositionen (Siegen, Okt. 16) Universität Siegen, 13.-15. Oktober 2016 Einsendeschluss: 1. Juni 2016 Interdisziplinäre Tagung im Museum für Gegenwartskunst Siegen, Konzeption von Katrin Weleda und Niels Penke, Universität Siegen (Kunstgeschichte/Germanistik/populäre kulturen). Ovids Metamorphosen haben durch ihre nahezu zweitausendjährige Rezeptions- und Transformationsgeschichte eine integrale Bedeutung für die europäische Kultur. Nicht nur in Literatur, bildenden Künsten und Philosophie, auch in Musik und Film leben ihre Sujets fort. Neben Figuren wie Medusa, Narziss, Pygmalion oder Orpheus und Eurydike, die fester Bestandteil profaner Ikonografie sind, ist es aber auch die Metamorphose an sich, als (allegorische) Verwandlung, die als Thema, Struktur oder Form sowohl in Darstellungs- als auch in Erzählverfahren vielgestaltig aufgegriffen wurde und wird. Tragische antike Schicksalsgespinste, die Metamorphosen als Anlass oder Resultat haben, bleiben fest innerhalb der Repertoires christlicher Deutungen von der Spätantike bis zum Mittelalter bestehen. Programmatisch werden sie in der Renaissance (etwa unter dem Stichwort „Paragone“ sind sie nicht nur im klassischen Sinne, sondern bis hinein in aktuelle foto- und filmtheoretische Debatten präsent) und finden in ästhetischen und naturwissenschaftlichen Diskursen des 18. und 19. Jahrhunderts – u.a. bei Goethe und im Deutschen Idealismus – ihren Nachhall. Aber auch darüber hinaus ist die Metamorphose als ästhetisches Prinzip bis in die Gegenwart relevant geblieben. Einzelne Sujets entfalten im Zuge ihrer Kanonisierung geradezu paradigmatische Schlüsselwirkungen: Weil der für die Metamorphose typische angestrebte Konflikt zwischen dem „körperlichen Äußeren“ und dem „seelischen Innenleben“ des menschlichen oder göttlichen Protagonisten in eine scheinbar zeitlose Metapher überführt wird, dem auch der aufkommende Zweifel an der ‚Seele‘ nichts anhaben konnte, gelingt eine Form des konstanten Wandels. Diese wandelbare Entität bricht sich in der Folge als neu zu besetzende Leerstelle innerhalb der Metamorphose Bahn. Unter den Oberflächen philosophischer Ordnungssysteme, künstlerischer Programmatiken und medialer Revolutionen, verdeckt von bürgerlichen Moralvorstellungen, nimmt sie neue Gestalten des Umwertens und des Offenbarens an. Die in allen sich aktualisierenden Metamorphosen gleichbleibende Signatur ist das Bedürfnis nach der bildlichen Verkörperung kathartischer Stationen, der Degradation (Bestrafung) oder Aszension (Erlösung). Diese zeitlos erscheinenden ästhetischen Phänomene gilt es im Rahmen der Tagung zu untersuchen. Vor allem der Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert war geprägt vom Aufkommen gegensätzlicher geschlechternormativer Strömungen, die auch misogyn, homophob und homosozial gefärbt waren. Analog zur Ausdifferenzierung der Themen und Theorien in dieser Zeit gewannen Tendenzen zu einer verschärften Stereotypisierung der Geschlechterrollen und -normen an Gewicht. So hat die wirkmächtige Einbindung einzelner Metamorphosen-Mythologeme in den psychoanalytischen Deutungskatalog von Sigmund Freud ihre Brisanz und Tragweite noch gesteigert. Als solche ‚Signaturen der Moderne‘ ließen sich besonders die Sphinx, Ödipus und Medusa beleuchten. Es war weder das handwerkliche Können noch das tiefe Sehnen des Bildhauers Pygmalion, das die von ihm erschaffene Elfenbeinfrau, Galatea, zum Leben erweckte, sondern schlicht das Eingreifen der Göttin Aphrodite. Aber dem Sinn des Mythos nach ist es das mimetische, verlebendigende Potenzial der Metamorphose, mit dem der künstlerische Schöpfungsakt zwischen genialischem Schöpfertum und göttlicher Inspiration situiert wird, wie zum Beispiel Arbeiten von Guido Reni, Giovanni Lorenzo Bernini, Giovanni Battista Tiepolo, Michelangelo Merisi da Caravaggio, Jacques-Louis David, Jean-Léon Gérôme, Edward Burne-Jones und Gustav Klimt zeigen. Darüber hinaus sind Metamorphosen in den komplexen Geflechten filmischer und literarischer Travestien im Zeichen queerer Ästhetik zu erfassen. So geht es im 20. und 21. Jahrhundert vermehrt um das Thema der Aufhebung konkreter Zuschreibungen und Unterscheidungen von sex und gender, wofür beispielsweise Virginia Woolfs Roman Orlando. A Biography (1928) und Ulrike Ottingers Film Freak Orlando (1980) stehen, die den geschlechterpolitischen Diskurs der 1990er Jahre antizipieren. Weitere aktuelle Beispiele lassen eine thematische Erweiterung in den Spielraum evolutionärer Möglichkeiten des Post- und Trans-Humanen zu, wie sie beispielsweise in Dietmar Daths Die Abschaffung der Arten (2009) imaginiert werden. Gemeinsam ist vielen dieser Bezugnahmen, dass sie explizit Stoffe und Motive der Metamorphosen aufgreifen – und sich mit Gérard Genette als Hypertexte lesen lassen, die in Form von satirischer Travestie oder ernster Transposition Ovidsche Muster in neuen medialen und theoretischen Zusammenhängen wiederholen. Darüber hinaus sind selbstverständlich auch weitere Themenfelder denkbar, die den hier dargestellten Rahmen erweitern. Bei Interesse senden Sie bitte bis zum 1. Juni 2016 ein Abstract von maximal 300 Wörtern und einen kurzen Lebenslauf an Katrin Weleda ([email protected]) und Niels Penke ([email protected]).
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