Aber lesen Sie selbst!

WINZERSEKT
Ein 17 Jahre alter deutscher Sekt vom exotischen Rieslaner, der
noch auf der Hefe liegt und sich seine Frische ebenso bewahrt
hat wie eine gleichaltrige prickelnde Riesling-Brut-Version. Ein
Riesling aus gefrorenen Trauben, der mit enormer Frucht prunkt.
Sektüberraschungen sind trotz der gewaltigen Dominanz von
Markensekt in Deutschland nach wie vor möglich – wenn man
danach sucht. Text: Rudolf Knoll
Knallen,
spritzen,
trinken…
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VINUM
Foto: Gebrüder Simon
Deutscher Winzersekt
WINZERSEKT
Der deutsche
Sektmarkt
Jährlich trinken die
Deutschen 305 Millionen
Liter Sekt. Der Pro-KopfVerbrauch liegt bei 3,9 Litern (war schon mal etwas
höher). In den Zahlen ist
Auslandssekt inklusive
Champagner enthalten.
Der grösste Teil des in
Deutschland produzierten
Sektes entstammt ausländischen Grundweinen;
die grossen deutschen
Sektkellereien bedienen
sich preiswert in anderen
Ländern. Sekt aus deutschen Grundweinen ist
zahlenmässig im Vergleich
bedeutungslos. Die amtliche Qualitätsprüfung für
Schaumweine passierten
nur 8,5 Millionen Liter. Die
besten dieser Sekte werden nach der klassischen
Methode à la Champagne
hergestellt (mindestens
neun Monate Flaschengärung). Preise: meist
zwischen 12 und 20 Euro.
So lebhaft und feinperlig muss guter Sekt prickeln. Dazu noch ein klares, würziges
oder fruchtiges Aroma und elegante Fülle im Geschmack. Dann kommt Freude auf...
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VINUM
Sekterfahrung lange zittern. 145 Grad Öchsle war
das Ausgangsmostgewicht. Der Wein vergor bis
200 g/l Fruchtzucker und wurde dann mit dem
Zusatz einer gärstarken Hefe in kleine Flaschen
gefüllt, wo die zweite Gärung einsetzte. Die Hefen
waren ob der hohen Konzentration bald mit ihrer
Kraft am Ende. Es blieben 180 g/l Zucker bei 9 g/l
Säure und 10,5 Vol.-% Alkohol übrig. Verkauft wird
er zum Eiswein-Tarif: 38 Euro in der 0,375-l-Flasche. Ebenfalls merklich Fruchtzucker liess eine
andere Spezialität auf der Zunge spüren, nämlich
ein 1998er Rieslaner vom Weingut Schales in
Flörsheim-Dalsheim, einer der wenigen Betriebe, die schon vor Singer-Fischer Eiswein prickeln
liessen. 1996 kam dieser Sekt auf den Markt, aber
Chefin Astrid Schales strebt keine Neuauflage an.
«Die Eiswein-Erzeugung wird durch den Klimawandel von Jahr zu Jahr schwieriger.» Dafür hat
man noch einige Hundert Flaschen vom 17 Jahre alten halbtrockenen Rieslaner-Sekt im Keller.
Grundwein war eine Auslese. Die erstaunliche
Frische des schäumenden Weines erklärt Astrid
Schales so: «Er liegt immer noch auf der Hefe, wir
degorgieren nur nach Bedarf.»
Experimente an der Mosel
Genauso macht es auch Ingo Simon vom Weingut Gebrüder Simon in Lösnich an der Mosel mit
seinem fragilen 1998er Riesling Brut. Der Sekt
wird nicht geschwefelt und sollte deshalb bald
nach dem Kauf getrunken werden. Simon liebt
Experimente; er hat schon Beerenauslesen und
Eiswein versektet. Seine im Weingut integrierte
Sektmanufaktur füllt im Jahr 30 000 Flaschen;
genauso viel wie Wein; nebenbei degorgiert er
für einige Betriebe an der Mosel und in der Pfalz
deren Sekt.
Die Leidenschaft für feine Prickler ist seinem
pazifistischen Gedankengut zu verdanken. 1993
leistete der damals 23-Jährige seinen Zivildienst
beim DRK-Sozialwerk Bernkastel-Wittlich ab. Zu
diesem sozialen Dienstleistungsunternehmen
gehört eine Sektkellerei mit Sitz in Graach. «Mein
Vater machte zu Hause zwar damals schon etwas
Sekt, aber beim Roten Kreuz lernte ich, was hier
möglich ist, und setze das im Weingut heute um»,
erzählt Simon. Weil er ausserdem noch seit 2008
als Flying Winemaker in Georgien tätig ist und er
dort viel Erfahrung mit Amphoren (Qvevri) sammelte, hat er jetzt eine Partie Weissburgunder zu
Hause in Tongefässe gelegt. Vielleicht gibt es in
drei, vier Jahren den ersten Qvevri-Sekt?
Winzer wie Simon, die Sekt als zweites Standbein neben dem Wein betrachten, gibt es einige.
Etwa das Haus Barth in Hattenheim im Rheingau,
das seit rund 20 Jahren mit seinem weissen Pinot
Noir Ultra für Furore sorgt. Er ist auch deshalb
das Flaggschiff in der umfangreichen Sektproduktion, weil er besonders sorgsam hergestellt
Foto: Benedikt Kranz
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ie können ganz schön unkonventionell sein
und haben gelegentlich fast verrückt anmutende Ideen, die Erzeuger von Winzersekt in deutschen Landen. Das war das Fazit einer
Verkostung im Haus der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) in Frankfurt, die speziell für VINUM arrangiert wurde. Gut zwei Dutzend Prickler hatte der Verband der traditionellen
klassischen Flaschengärer aufgeboten. Alle waren
sie bei einem Wettbewerb um die «Goldene Perle»
in verschiedenen Kategorien in der Spitze zu finden gewesen. Unsere Suche galt ungewöhnlichen
Spezialitäten, wie man sie bei einem Profi wie Volker Raumland aus Flörsheim-Dalsheim findet. Er
startete seine Karriere einst mit einem Sekt vom
Müller-Thurgau. Oder Norbert Bardong aus Geisenheim, der sogar mit Rotsekt vom Spätburgunder Furore macht (siehe VINUM 4/2015).
Diese spezialisierten «Platzhirsche» standen
nicht in unserem Fokus. Der wohl ungewöhnlichste Sekt gab wegen seiner extremen Süsse und
seinem Säurebiss zunächst Rätsel auf. Gewonnen
wurde er aus tiefgefrorenen Riesling-Trauben
des Jahrgangs 2012. Die naheliegende Bezeichnung «Eiswein-Sekt» ist rechtlich nicht zulässig.
«Ich habe lange mit den Behörden verhandelt»,
erzählt dazu Winzer Klaus Singer-Fischer aus
Großwinternheim. «Da der Grundwein nicht als
Eiswein geprüft wurde, darf Sekt davon nicht so
heissen.» Der Rheinhesse nahm Anleihe am englischen «Freeze» (einfrieren) und taufte den Sekt
Freezling. Bei der Produktion musste er trotz viel
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wird. Die Pressausbeute liegt bei kaum mehr als
50 Prozent. «Sobald der erste farbige Tropfen zu
sehen ist, hören wir auf», erklärt Mark Barth. Vor
der zweiten Gärung ruht der Wein im grossen
Holzfass und macht hier den biologischen Säureabbau durch. Als Sekt erlebt er noch vier Jahre auf
der Hefe; aktuell ist der 2010er.
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Lange auf der Hefe
Mit Sekt profilieren will sich das kleine Weingut (8,5 Hektar) von Thomas und Theobald Pfaffmann in Nußdorf, das sich nach der Übernahme
von Junior Thomas «wegen der vielen Pfaffmänner in der Pfalz» jetzt Wein.Gut.Pan nennt. Der
33-Jährige kombiniert für seinen Pinot Weissburgunder mit einem Drittel Spätburgunder und
10 Prozent Schwarzriesling. Der Sekt-Grundwein
wird im gebrauchten Holzfass ausgebaut. 40 Monate Hefelager schlagen sich im Preis (15 Euro)
nicht nieder. Im breiten, 22 000 Flaschen umfassenden Sektsortiment von Bernd und Ralf
Schönleber aus Oestrich-Winkel (Weingut F. B.
Schönleber) gibt es einen 2009er Riesling brut,
der nach fünf Jahren auf der Hefe Verkostungsgruppen polarisieren kann. Der goldfarbene
finessenreiche Prickler wird entweder kritisch
beurteilt oder hoch gelobt. Bei VINUM ging der
Daumen nach oben.
Gut gereifter Sekt hat es nicht immer ganz
leicht in der Einschätzung von Geniessern. Das
weiss Ingo Simon mit seinem 1998er Riesling
ebenso wie die 1983 vom damaligen MoselWeinbaupräsidenten Adolf Schmitt gegründete
Vereinigung Saar-Mosel-Winzersekt in Trier. Hier
wird Sekt von Riesling und Elbling extrem lang
zurückgehalten, ehe er in den Verkauf kommt.
Der aktuell älteste Jahrgang ist ein 1990er Elbling,
der 22 Jahre auf der Hefe lag.
Ein seit der Gründung 1981 etwas anders organisiertes Gegenstück zu SMW ist die Erzeugergemeinschaft Winzersekt in Sprendlingen,
die für rund tausend Winzer aus Rheinhessen,
dem Rheingau und von der Nahe die Versektung
übernimmt. Von den jährlich etwa 1,5 Millionen
Flaschen werden via Rüttelpult 1,25 Millionen
nach dem klassischen Verfahren aufbereitet,
wieder an die Grundweinerzeuger geliefert oder
eigenständig vermarktet. Auf Tanksekt entfallen
nur 250 000 Flaschen. Beide Vereinigungen sind
Mitglied im Verband der traditionellen klassischen Flaschengärer, der 1988 gegründet wurde,
als Winzersekt noch «méthode champenoise»
heissen durfte (1994 schoss die EU diese Bezeichnung ab). Über 30 der besten Sekterzeuger
Deutschlands sind in dem Verband organisiert.
Früher konnte jeder Interessent Mitglied werden,
inzwischen sieht man sich nach den Worten
des Vorsitzenden Ingo Simon als nobler «SektVDP» und sortiert vor.
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Feiner Sekt aus deutschen Landen
1 Sektmanufaktur Bardong,
Geisenheim
Chardonnay Brut 2006
www.bardong.de
9 SMW Saar-Mosel-Winzersekt,
Trier, Mosel
Riesling Cremant 2010
www.smw-trier.de
2 Weingut Singer-Fischer,
Großwinternheim, Rheinhessen
Riesling Schlossberg Freezling
www.singer-fischer.de
10 Wein- und Sektgut Barth,
Hattenheim, Rheingau
Pinot Noir Blanc de Noirs
Ultra Brut 2010
www.weingut-barth.de
3 Weingut Schales, FlörsheimDalsheim, Rheinhessen
Rieslaner halbtrocken 1998
www.schales.de
11 Wein.Gut.Pan – Familie Pfaffmann,
Nussdorf, Pfalz
Pinot Brut 2011
www.vinopan.de
4 Weingut Gebrüder Simon,
Lösnich, Mosel
Riesling Brut 1998
www.gebrueder-simon.de
12 Sektmanufaktur Strauch, Osthofen
Rosé Brut
www.strauch-sektmanufaktur.de
5 Wein- und Sektgut F.B. Schönleber,
Oestrich-Winkel, Rheingau
Riesling Brut 2009
www.fb-schoenleber.de
13 Erzeugergemeinschaft Winzersekt,
Sprendlingen
Pinot Noir Rosé Brut 2013
www.winzersekt.com
6 Sekthaus Raumland,
Flörsheim-Dalsheim, Rheinhessen
Blanc de Blancs Brut 2007
www.raumland.de
14 Schloss Wackerbarth, Radebeul,
Sachsen (ausserhalb der Karte)
Pinot Brut Nature 2007
www.schloss-wackerbarth.de
7 Weingut Wilhelmshof,
Siebeldingen, Pfalz
Riesling Extra Brut 2007
www.wilhelmshof.de
15 Kaiserstühler Winzerverein,
Oberrotweil, Baden
Muskateller extra trocken 2013
www.winzerverein-oberrotweil.de
8 Sektkellerei Andres und Mugler,
Ruppertsberg, Pfalz
Riesling Brut 2013
www.andresundmugler.de
16 Wein- und Sektkellerei Stengel,
Gellmersbach, Württemberg
Muskat-Trollinger Rosé trocken
www.wein-und-sektkellerei-stengel.de
VINUM
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