15 / 7621 - Landtag Baden Württemberg

Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 15 / 7621
15. Wahlperiode
28. 10. 2015
Antrag
der Abg. Claus Paal u. a. CDU
und
Stellungnahme
des Ministeriums für Integration
Privatisierung bei der Unterbringung und Registrierung
von Asylbewerbern
Antrag
Der Landtag wolle beschließen,
die Landesregierung zu ersuchen
zu berichten,
1.
welche (über die bereits extern vergebenen hinausgehenden) Bereiche und
Tätigkeiten bei der Unterbringung und Registrierung von Asylbewerbern,
einschließlich der Erbringung von IT-Dienstleistungen in den Verfahren, von
welchen derzeit am Markt tätigen externen Dienstleistern übernommen werden
können;
2.inwieweit sie geprüft hat, ob und in welchem Ausmaß die so erweiterte Privatisierung von in Ziffer 1 genannten Dienstleistungen für Baden-Württemberg
sinnvoll und zielführend erscheint, vor allem in Bezug auf Effizienzen und
eigene Personalkapazitäten;
3.ob sie bereits Gespräche mit externen, privatwirtschaftlichen Dienstleistern
geführt hat (wenn ja, mit Angabe der möglichen Konsequenzen für die Privatisierung von Dienstleistungen im Asylbereich);
4.welche Kosten bzw. welche Kostenersparnisse sich ergeben würden, wenn die
Dienstleistungen extern vergeben werden;
5.welche Vorteile sich dadurch für den Verwaltungsablauf ergeben würden;
6.mit welchem Ergebnis sie sich einen Überblick über den Zustand bzw. die
Eigentumsverhältnisse geeigneten Immobilienleerstands im Land verschafft hat;
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Eingegangen: 28. 10. 2015 / Ausgegeben: 26. 11. 2015
Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet
abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente
Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“.
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Drucksache 15 / 7621
7. wann und mit welchem Ergebnis sie sich einen Überblick über möglicherweise
bei der Planung der Unterbringung beizuziehende, externe Immobilienexperten verschafft und deren Expertise hinzugezogen hat und in Bezug auf die Vorabanalyse, welche Form der Unterkunft Sinn macht (vor allem auch Neubau/
Umbau/Instandsetzung);
8. mit welchem Ergebnis sie sich mit dem Aussetzen von Vergaberichtlinien beschäftigt hat, um Zeit für die Erstellung/Umbau von Asylunterkünften oder den
Abruf von Dienstleistungen zu gewinnen;
9. welche Maßnahmen sie geschaffen hat, um die ordnungsgemäße Dokumentation von Vergabeentscheidungen, insbesondere die freihändige Vergabe, und
deren spätere Belastbarkeit zu gewährleisten;
10. ob es inzwischen prozessgesteuerte, automatisierte und zuverlässige Maßnahmen zur Registrierung der Flüchtlinge gibt (Abkehr vom derzeitigen, händischen Karteikartenerfassungssystem mit hoher Fehleranfälligkeit, Vermeidung
von Medienbrüchen, Vermeidung mehrfacher Datenerhebung).
16. 10. 2015
Paal, Dr. Lasotta, Deuschle, Schreiner, Teufel CDU
Begründung
Die Verwaltung auf kommunaler Ebene und auf Landesebene stößt durch den
starken Zustrom von Asylbewerbern an ihre Grenzen. Gerade bei der Suche nach
geeigneten Unterkünften oder bei der Registrierung von Asylbewerbern ist viel
zu wenig Personal vorhanden. Es verfestigt sich der Eindruck, dass die Verwaltungstätigkeit auf Ebene der zuständigen Task Force unter Beteiligung des Staatsministeriums bzw. der dahinterstehenden Ministerien dauerhaft nicht planerisch
strukturiert erfolgt und damit Kernprinzipien der ordentlichen Erledigung von
Landesaufgaben vernachlässigt werden. Dabei ist auch die Vermeidung bzw. reibungsfreie Abwicklung von IT-Schnittstellen auf den verschiedenen, zuständigen
Verwaltungsebenen zu gewährleisten. Daher stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten es gibt, die Verwaltungen zu unterstützen, sodass ein reibungsloser Ablauf
bei der Unterbringung und Registrierung der Asylbewerber gewährleistet ist. Ein
Ansatzpunkt könnte die Privatisierung solcher Aufgaben sein. Ziel des Antrags
ist zu erfragen, ob solche Überlegungen bereits bedacht wurden und zu welchem
Ergebnis die Landesregierung kam bzw. kommt.
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Drucksache 15 / 7621
Stellungnahme
Mit Schreiben vom 19. November 2015 Nr. 2-0141.5/15/7621 nimmt das Ministerium für Integration zu dem Antrag wie folgt Stellung:
Der Landtag wolle beschließen,
die Landesregierung zu ersuchen
zu berichten,
1.
welche (über die bereits extern vergebenen hinausgehenden) Bereiche und
Tätigkeiten bei der Unterbringung und Registrierung von Asylbewerbern,
einschließlich der Erbringung von IT-Dienstleistungen in den Verfahren, von
welchen derzeit am Markt tätigen externen Dienstleistern übernommen werden
können;
2.inwieweit sie geprüft hat, ob und in welchem Ausmaß die so erweiterte Privatisierung von in Ziffer 1 genannten Dienstleistungen für Baden-Württemberg
sinnvoll und zielführend erscheint, vor allem in Bezug auf Effizienzen und eigene
Personalkapazitäten;
3.ob sie bereits Gespräche mit externen, privatwirtschaftlichen Dienstleistern geführt hat (wenn ja, mit Angabe der möglichen Konsequenzen für die Privatisierung von Dienstleistungen im Asylbereich);
Zu 1. bis 3.:
Das Land setzt beim Betrieb von Erstaufnahmeeinrichtungen bereits in vielen Aufgabenbereichen private Dienstleister ein. So werden alle Landeserstaufnahmeeinrichtungen (LEA) mit Ausnahme der LEA Karlsruhe im sog. „Betreibermodell“
geführt, d. h. das Land übernimmt bei der Aufgabenerfüllung nur Aufgaben im
hoheitsrechtlichen Bereich. Zur Erfüllung dieser Aufgaben wie beispielsweise Einrichtungsleitung sowie ausländer- bzw. leistungsrechtliche Entscheidungen werden
Landesbedienstete eingesetzt. Zur Erfüllung weiterer Aufgaben wie z. B. Catering,
Sicherheits- und Pfortendienst, Facility Management (z. B. Hausverwaltung, Reinigung, medizinische Versorgung, aufenthaltsbegleitende Serviceleistungen etc.)
werden durchgängig qualifizierte Fremdfirmen eingesetzt. Ebenso wird bei der
Ausstattung von Flüchtlingsunterkünften mit einem freien W-LAN zur Versorgung
der untergebrachten Menschen verfahren. Diese Aufteilung entspricht rechtlichen
Vorgaben, ist wirtschaftlich und hat sich bislang in allen Erstaufnahmeeinrichtungen bewährt. Der Betrieb einer LEA kann somit mit ca. 30 Landesbediensteten
erfolgen. Weitere Aufgabenfelder, die einer Privatisierung durch externe Dienstleister zugänglich wären, sieht das Land in den Erstaufnahmeeinrichtungen derzeit
nicht. Insbesondere gehört der Betrieb und Betreuung der IT der Erstaufnahmeeinrichtungen auch unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Aspekte mit zu den
Kernaufgaben, die das Land in eigener Kompetenz zu erledigen hat.
4.welche Kosten bzw. welche Kostenersparnisse sich ergeben würden, wenn die
Dienstleistungen extern vergeben werden;
5.welche Vorteile sich dadurch für den Verwaltungsablauf ergeben würden;
Zu 4. und 5.:
Die Landesregierung kann derzeit keine weiteren Aufgabenbereiche im Betriebsablauf der Erstaufnahmeeinrichtungen identifizieren, die für eine weitere Vergabe an externe Dienstleister zugänglich sind (vgl. auch die Antwort zu Ziffern 1.
bis 3.). Somit können mögliche weitere Kosten bzw. Kosteneinsparungen nicht
angegeben werden. Etwaige Vorteile für die Verwaltungsabläufe könnten sich
allenfalls ergeben, wenn die Aufgabenerledigung durch Fremdfirmen effektiver
wäre und zur Einsparung von eigenem Landespersonal führen könnte. Da das Land
seinen personellen Einsatz bereits auf die hoheitlichen Kernbereiche reduziert hat,
sind weitere Erleichterungen in Verwaltungsabläufen nicht zu erwarten.
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6.mit welchem Ergebnis sie sich einen Überblick über den Zustand bzw. die Eigentumsverhältnisse geeigneten Immobilienleerstands im Land verschafft hat;
7.wann und mit welchem Ergebnis sie sich einen Überblick über möglicherweise
bei der Planung der Unterbringung beizuziehende, externe Immobilienexperten
verschafft und deren Expertise hinzugezogen hat und in Bezug auf die Vorabanalyse, welche Form der Unterkunft Sinn macht (vor allem auch Neubau/Umbau/Instandsetzung);
Zu 6. und 7.:
Mit Ministerratsbeschluss vom 28. Juli 2015 wurde die Lenkungsgruppe Flüchtlingsaufnahme ins Leben gerufen. In der Folge wurde am 10. September 2015 die
„Stabsstelle Flüchtlingsunterbringung“ mit Sitz im Innenministerium eingerichtet,
welche die Vorgaben und Beschlüsse der Lenkungsgruppe umsetzt. Die Stabsstelle hat u. a. die Aufgabe, im Zusammenwirken mit dem Integrationsministerium
und dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft geeignete Immobilien zu akquirieren, die für eine Erstaufnahme von Flüchtlingen geeignet sind. Neben der
Belegung von landeseigenen Immobilien oder ehemaligen militärischen Liegenschaften, die durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) angeboten
werden, wird auch der freie gewerbliche Immobilienmarkt gesichtet. Zusätzlich
erreichen zahlreiche gewerbliche Angebote von Immobilienmaklern oder Hinweise auf leerstehende Objekte wie Klinken, Hallen o. ä. die Stabsstelle.
Sofern ein gewerbliches Objekt in die nähere Auswahl kommt, erfolgt eine fachliche Vor-Ort-Begutachtung durch Experten der Regierungspräsidien und der Ämter
des Landesbetriebes Vermögen und Bau Baden-Württemberg. Sollte hinsichtlich
einer baulichen oder technischen Ertüchtigung der infrage kommenden Liegenschaften weiterer externer Sachverstand notwendig werden, wird dies durch die
Ämter von Vermögen und Bau beauftragt.
8.mit welchem Ergebnis sie sich mit dem Aussetzen von Vergaberichtlinien beschäftigt hat, um Zeit für die Erstellung/Umbau von Asylunterkünften oder den
Abruf von Dienstleistungen zu gewinnen;
Zu 8.:
Bei der Erstellung/Ertüchtigung von Flüchtlingsunterkünften sowie von Dienstleistungen sind die Vorgaben des Vergaberechts durch die zuständigen Dienststellen zu
beachten. Das geltende Vergaberecht sieht Möglichkeiten zur Beschleunigung von
Vergabeverfahren vor. So hat das Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) in einem Rundschreiben vom 24. August 2015 (Az.: IB6-270100/14
„Anwendung des Vergaberechts im Zusammenhang mit der Unterbringung und
Versorgung von Flüchtlingen“) Hinweise zur Anwendung des Vergaberechts, gerade unter dem Aspekt der Dringlichkeit und dem Erfordernis einer schnellen, aber
auch rechtssicheren und effizienten Durchführung von Vergabeverfahren, gegeben.
9.welche Maßnahmen sie geschaffen hat, um die ordnungsgemäße Dokumentation
von Vergabeentscheidungen, insbesondere die freihändige Vergabe, und deren
spätere Belastbarkeit zu gewährleisten;
Zu 9.:
Zur Umsetzung einer einheitlichen Vergabepraxis hat die Landesregierung am
17. März 2015 die Verwaltungsvorschrift der Landesregierung über die Vergabe
öffentlicher Aufträge (VwV Beschaffung) erlassen. Diese ist mit Wirkung vom
1. April 2015 in Kraft getreten und ist von allen Behörden und Betrieben des Landes verbindlich anzuwenden (Nr. 1.2 VwV Beschaffung). Die ordnungsgemäße
Vergabedokumentation ist in Nr. 5 VwV Beschaffung geregelt. Das Vergabeverfahren ist danach von Beginn an fortlaufend zu dokumentieren. Die zeitnahe und
vollständige Dokumentationspflicht der Vergabeverfahren im Baubereich ist in der
VOB/A geregelt.
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10. ob es inzwischen prozessgesteuerte, automatisierte und zuverlässige Maßnahmen zur Registrierung der Flüchtlinge gibt (Abkehr vom derzeitigen, händischen Karteikartenerfassungssystem mit hoher Fehleranfälligkeit, Vermeidung
von Medienbrüchen, Vermeidung mehrfacher Datenerhebung).
Zu 10.:
Vonseiten des Landes Baden-Württemberg wird kein händisches Karteikartenerfassungssystem genutzt. Gearbeitet wird mit „MigVIS“, einem EDV-System zur
Flüchtlingsregistrierung und -verlegung. Die Fehleranfälligkeit bei der Erfassung
und Eingabe liegt bei näherungsweise Null. Das 2008 in Betrieb genommene System weist jedoch eine Anfälligkeit hinsichtlich der Systemstabilität auf. Dies ist
erst infolge des zuletzt starken Flüchtlingszahlenanstiegs der letzten Wochen zum
Vorschein getreten. Hier wurden erfolgreich Maßnahmen in die Wege geleitet, um
dieser Anfälligkeit aktiv entgegenzuwirken.
Flüchtlinge durchlaufen aus rechtlich zwingenden Gründen ein mehrstufiges, prozessgesteuertes Verfahren. Die Vermeidung von Medienbrüchen und mehrfacher
Datenerhebung kann nur in Zusammenarbeit mit dem Bund verbessert werden.
Hier gehört die Landesregierung Baden-Württemberg zu den treibenden Kräften.
Öney
Ministerin für Integration
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