Antworten zu den Vertiefungsfragen im Verfassungsrecht

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FALL 1
1. Wodurch ist der moderne Eingriffsbegriff gekennzeichnet und wie unterscheidet er sich
vom klassischen Eingriffsbegriff?
Der klassische Eingriffsbegriff umfasste nur jedes beabsichtigte (finale) staatliche Handeln durch
Rechtsakt, der mit Zwang und Befehl durchsetzbar ist und das grundrechtlich geschützte Verhalten unmittelbar eingeschränkt. Nur wenn der Staat eingreifen wollte, lag auch ein Eingriff vor (Intention).
Der moderne Eingriffsbegriff ist dagegen deutlich weiter und umfasst jedes staatliche Handeln,
das das grundrechtlich geschützte Verhalten eingeschränkt, gleichgültig, ob es beabsichtigt oder
unbeabsichtigt, rechtlich oder tatsächlich (faktisch), mittelbar oder unmittelbar, mit oder ohne
Zwang durchsetzbar ist. Bei mittelbaren Eingriffen wird nicht auf die Intention, sondern auf die Intensität der Beeinträchtigung abgestellt.
2. Welche Grundrechtsbeschränkungen kennen Sie? Worin besteht ihr wesentlicher Unterschied?
Die Grundrechtsbeschränkungen lassen sich unterscheiden in geschriebene und ungeschriebene
Schranken. Geschriebene Schranken sind dabei die einfachen und qualifizierten Gesetzesvorbehalte. Ungeschriebene Schranken sind ins. die Grundrechte Dritter oder sonstige Rechtsgüter von
Verfassungsrang (z.B. Schutz der FDGO).
3. Nennen Sie sämtliche Prüfungspunkte, die bei der Schranken-Schranken-Prüfung eine
Rolle spielen.
- Grundsatz der VHM (legitimer Zweck, Geeignetheit, Erforderlichkeit, Angemessenheit),
- Wesensgehaltsgarantie, Art. 19 II GG.
Systematische Fragen zu den Grundrechten
1. Gelten die Grundrechte für juristische Personen des öffentlichen Rechts?
Die Grundrechte dienen dem Schutz des Bürgers gegen Eingriffe des Staates. Niemand kann
aber gleichzeitig Träger und Schützer von Grundrechten sein (Konfusionsargument). Daher kann
der Staat selbst keine Grundrechte geltend machen.
Ausnahmen gelten jedoch für
-
-
Verfahrensgrundrechte (arg.: „Waffengleichheit“),
grundrechtsdienende juristische Personen, also solche juristische Personen des öffentlichen
Rechts, die dem Einzelnen zur Verwirklichung seiner Grundrechte dienen und die vom Staat
unabhängig sind (Universität im Hinblick auf Art. 5 I 3 GG, Rundfunkanstalten im Hinblick auf
Art. 5 I 2 GG),
Religionsgemeinschaften (im Hinblick auf Art. 4 GG), da sie nicht vom Staat geschaffen sind
(Verbot der Staatskirche).
RA Dr. Schlömer / RiVG Dr. Thomas Hombert
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Probleme stellen sich bei (S) gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen (privat- und öffentlichrechtlich). Eigentlich bestände keine Grundrechtsgeltung. Zum Schutz der Privaten wird sie dennoch angenommen, soweit die privaten Anteilseigner nicht eine reine Alibi-Funktion ausfüllen.
Das BVerfG hingegen allerdings spricht (noch) solchen gem.-wirtschaftl. jurist. Personen die GRFähigkeit ab, die der Daseinsvorsorge dienen, vgl. Jarass/Pieroth Art. 19 Rn. 15 m.w.N.
2. Wie lassen sich die Gesetzesvorbehalte unterteilen und wo ist die Unterscheidung relevant?
Zunächst lassen sich einfache Gesetzesvorbehalte (durch Gesetz oder aufgrund Gesetz) und
qualifizierte Gesetzesvorbehalte (Gesetzesvorbehalt mit näher spezifizierten Anforderungen,
bspw. Art. 5 II (allgemeine Gesetze)) unterscheiden.
Außerdem ist eine Differenzierung in Einschränkungsvorbehalt, Regelungsvorbehalt (Art. 12 I 2
GG) und Ausgestaltungsvorbehalt (Art. 14 I GG) möglich.
Wichtig ist die Unterscheidung allein für das Zitiergebot, Art.19 I 2 GG, das nach h.M. nur bei
Grundrechten mit Einschränkungsvorbehalt gilt.
3. Welche ungeschriebenen Grundrechtsbegrenzungen sind ihnen bekannt?
Verfassungsimmanente Schranken sind:
- Grundrechte Dritter,
- sonstige Rechtsgüter von Verfassungsrang.
4. Welche Theorien werden zu Art. 19 II GG vertreten?
Der Wesensgehalt bezeichnet die Mindestgrenze des subjektiven Schutzes. Die Bestimmung des
Wesensgehaltes ist allerdings strittig.
Nach der Theorie vom relativen Wesensgehalt bleibt der Wesensgehalt eines Grundrechts unberührt, solange der Eingriff verhältnismäßig ist. Abgestellt wird auf den Einzelfall. Dagegen spricht
jedoch, dass sich die Verhältnismäßigkeitsprüfung bereits aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art.
20 III GG ergibt. Art. 19 II GG wäre dann aber überflüssig.
Nach der Theorie vom absoluten Wesensgehalt ist der Wesensgehalt eines Grundrechts eine von
Grundrechtskollisionen unabhängige, bestimmte Größe. Wie diese Größe bestimmt wird, wird
nicht einheitlich beantwortet. Teilweise wird vertreten, dass noch eine Bedeutung des Grundrechts für das soziale Leben erhalten bleiben muss, d.h. es wird auf die Bedeutung des RestGrundrechts für die Allgemeinheit abgestellt. Contra: Grundrechte sind Abwehrrechte des Einzelnen. Nach der Gegenansicht muss noch eine Bedeutung des Grundrechts für den Betroffenen erhalten bleiben.
5. Wo spielt die objektiv-rechtliche Verstärkung des Grundrechtsschutzes eine Rolle?
Die objektiv-rechtliche Seite der Grundrechte spielt insbesondere bei der Auslegung des einfachen Rechts, gerade auch des Privatrechts eine Rolle. Aus der objektiven Wertordnung können
sich Schutzpflichten des Staates ebenso entwickeln wie Verfahrens-, Teilhabe- und Leistungsrechte. Sie kann zudem Maßstäbe für die Gestaltung staatlicher Einrichtungen und Verfahren setzen.
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FALL 2
1. Kann ein Grundrecht mit Gesetzesvorbehalt ohne jede weitere Grenze eingeschränkt
werden?
Nein, die Einschränkungsmöglichkeit (Schranke) selbst, wird ihrerseits beschränkt (SchrankenSchranke) durch den Wesensgehalt und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (bei Art. 12 GG
auch durch die 3-Stufen-Lehre, bei Art. 5 I GG durch die Wechselwirkungslehre als besondere
Ausprägung des VHM-Grundsatzes).
2. Wie unterscheiden sich verfassungsunmittelbare Grenzen und verfassungsimmanente
Schranken?
Verfassungsunmittelbare Grenzen sind unmittelbar im Grundrecht selbst enthalten (bspw. „friedlich“, Art. 8 GG), während die verfassungsimmanente Schranken sich aus der Systematik des
Verfassungsrechts ergeben. Dazu gehören insb. die Grundrechte Dritter und sonstige Rechtsgüter von Verfassungsrang.
3. Kann man auf Grundrechte verzichten?
Nach dem klassischen Grundrechtsverständnis war ein Grundrechtsverzicht problemlos möglich,
da die Grundrechte als reine Abwehrrechte gegen den Staat verstanden wurden. Das neuere
Grundrechtsverständnis sieht in den Grundrechten nicht nur ein Abwehrrecht, sondern auch eine
objektive Wertentscheidung, so dass die Grundrechte nicht immer zur Disposition des Betroffenen
stehen. Ein Verzicht ist danach unproblematisch möglich, wenn eine gesetzliche Regelung besteht. Ansonsten ist abzustellen auf die Schutzrichtung der Grundrechte, die abstrakte Wertigkeit
des geschützten Rechtsgutes und die Frage, ob ein vollständiger oder nur ein teilweiser, dauerhafter oder kurzfristiger Verzicht erfolgen soll. Der Verzicht muss dabei freiwillig und für den betroffenen überschaubar erfolgen.
Problemfälle: Zwergen-Weitwurf, Peep-Show, Laserdrome
4. Skizzieren Sie die herrschende Meinung und die Gegenmeinung zu Art. 2 I GG! Welche Folge haben beide Positionen jeweils für das Verhältnis von Art. 2 I GG zu anderen
Grundrechten des Grundgesetzes?
Nach h.M. schützt Art. 2 I GG die allgemeine Handlungsfreiheit umfassend: „Jeder kann tun und
lassen, was er will“. Art. 2 I GG stellt dabei ein Auffanggrundrecht dar und ist subsidiär. Eine Mindermeinung (Persönlichkeitskerntheorie) will nur die Tätigkeiten unter Art. 2 I fallen lassen, die
zum Kern der Persönlichkeitsentfaltung gehören. Eine weitere Ansicht will aus (S) „Furcht vor der
Banalisierung der Grundrechte“ Art. 2 I GG nur greifen lassen, wenn die Maßnahme vergleichbar
einem Eingriff in ein benanntes Freiheitsrecht ist. Der Grundrechtsschutz soll nicht überdehnt und
ausgehöhlt werden. Art. 2 I GG soll nur soweit schützen, wie die anderen Grundrechte auch. So
ist das „Reiten im Walde“ ebensowenig wie das „Taubenfüttern“ von Art. 2 I GG umfasst, da es
nicht zum Kernbereich der Persönlichkeit gehört. Gegen diese Ansicht spricht, dass der KernbeRA Dr. Schlömer / RiVG Dr. Thomas Hombert
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reich kaum bestimmbar ist, vor allem nicht abstrakt, vgl. zum Ganzen: Jarass/Pieroth Art. 2 Rn. 3
ff.
Systematische Fragen zu den Grundrechten
1. Nennen Sie die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Verfassungsbeschwerde.
vgl. Übersicht 2.
2. Sind privatrechtliche juristische Personen antragsberechtigt, wenn die öffentliche Hand
beteiligt ist?
Bei sog. (S) gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen ist die GR-Berechtigung problematisch. Zum
Schutz der Privaten wird sie von der h.L. angenommen. Streitig ist jedoch, ob eine GR-Fähigkeit
dann abzulehnen ist, wenn der Staat einen beherrschenden Anteil hat oder ob dies erst dann der
Fall ist wenn die privaten Anteilseigner eine reine Alibi-Funktion ausfüllen. Das BVerfG spricht
(noch) solchen gem.-wirtschaftl. jurist. Personen die GR-Fähigkeit ab, die der Daseinsvorsorge
dienen, vgl. Jarass/Pieroth Art. 19 Rn. 15 m.w.N.
3. Welche Problematik verbirgt sich hinter dem Begriff „Drittwirkung der Grundrechte“?
Darunter versteht man die Frage, ob Grundrechte auch zwischen zwei Privatpersonen und nicht
nur im Verhältnis Staat-Bürger anzuwenden sind. Nach h.M. sind die Grundrechte mittelbar über
die Generalklauseln des einfachen Rechts auch im Privatrechtsverhältnis zu beachten, da die
Grundrechte als objektive Wertordnung immer dort zur Anwendung kommen, wo es um Wertung
geht.
4. Wie ist das Merkmal „öffentliche Gewalt“ zu prüfen?
Öffentliche Gewalt meint alle drei Gewalten, also Exekutive, Legislative, Judikative.
5. Wann ist das Merkmal „unmittelbar“ bei einem Gesetz zu bejahen?
Das Merkmal „unmittelbar“ kann bei sog. „self-executing“-Gesetzen bejaht werden oder wenn für
einen Vollzug kein Entscheidungsspielraum besteht oder das Abwarten auf den Vollzugsakt unzumutbar ist.
6. Wie ist das Merkmal „Subsidiarität“ zu prüfen?
Über die Rechtswegerschöpfung hinaus muss der Antragsteller alles versucht haben, um die Angelegenheit ohne Anrufung des BVerfG zu klären. Dazu gehören:
- Abwarten des Hauptsacheverfahrens
- Inzidentkontrolle bei Gesetzen
(- ggf. formlose Rechtsbehelfe)
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7. Haben die Grundrechte neben ihrer Funktion als Abwehrrechte auch eine positive Funktion?
Ursprünglich stand der Staat dem Bürger nur in Form der Eingriffsverwaltung gegenüber. Heute
hat er auch soziale Vorsorge- und Verteilungsfunktionen im Bereich der Leistungsverwaltung.
Durch die Änderung dieses Staatsverständnisses müssen auch die Grundrechte anders betrachtet werden.
Aus den Grundrechten können daher auch Ansprüche begründet werden = Freiheit DURCH den
Staat, vgl. obige Übersicht.
Lesenswerter Aufsatz hierzu: Voßkuhle/Kaiser JuS 2011, 411.
8. Woraus lässt sich ein Anspruch auf Schutz, Teilhabe oder Leistung ableiten?
Schutzansprüche lassen sich aus dem Sozialstaatsprinzip ( Existenzminimum), den Freiheitsrechten (bspw. Schutz von Ehe und Familie, Art. 6 GG; Schutz der Versammlung, Art. 8 GG) und
der objektiv-rechtlichen Seite der Grundrechte ableiten.
Die derivativen Teilhaberechte werden aus den Gleichheitsrechten, die originären Teilhaberechte
ebenfalls aus den Freiheitsrechten hergeleitet.
9. Welche Schranken ergeben sich für den Anspruch?
Die Grenzen der Teilhaberechte liegen im (S) Vorbehalt des Möglichen (Kapazität, finanzielle Mittel), dem Gesetzesvorbehalt (Ermessen, Entscheidungsspielraum der Verwaltung) der Gewaltenteilung (S) Budgethoheit des Parlaments und den Grundrechten Dritter.
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FALL 3
1. Was versteht man unter der Kunstfreiheit, was unter der Wissenschaftsfreiheit?
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Der Kunstbegriff unterlag in der Vergangenheit einem Wandel. Während der ursprüngliche formelle Kunstbegriff nur die klassischen Gestaltungsformen (bspw. Malerei, Gesang, Bildhauerei) meinte, wurde er iRd „Mephisto-Entscheidung“ durch den materiellen Kunstbegriff auf die „freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache“ zum Ausdruck gebracht werden, erweitert. Die Entscheidung des
BVerfG zum „Anachronistischen Zug“ schaffte den Weg für den noch weiteren offenen Kunstbegriff, nach dem all das Kunst ist, was „wegen der Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehalts“ vielschichtig interpretationsfähig ist. Fundstellen vgl. Fall 3.
Der Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit umschließt die Begriffe der wissenschaftlichen Forschung und Lehre. Wissenschaftliche Forschung meint jede Tätigkeit, die ernsthaft und planmäßig der Wahrheitsermittlung dient. Nach teilweiser Ansicht wird auch ein gewisser Kenntnisstand
sowie ein methodisches Vorgehen verlangt. Wissenschaftliche Lehre steht im Zusammenhang mit
der Forschung und muss selbständig und frei von Weisungen durchgeführt werden. Erfasst ist
bspw. die Bestimmung der Hochschullehrer über Inhalt, Methoden und Ablauf der Lehrveranstaltung.
2. Wie sind Kunst- und Wissenschaftsfreiheit beschränkbar?
Art. 5 III GG enthält keinen geschriebenen Gesetzesvorbehalt. Einigkeit besteht aber darüber,
dass auch vorbehaltlose Grundrechte nicht schrankenlos gewährt werden können.
Eine Mindermeinung vertritt daher eine Übertragung der Schranken aus anderen Grundrechten,
etwa aus Art. 2 I oder 5 II GG, oder die Verwendung einer Gemeinwohlklausel, nach der die
Grundrechte nur so weit reichen, wie durch ihre Ausübung nicht der Bestand der für die Gemeinschaft notwendigen Rechtsgüter gefährdet wird.
Nach h.M. finden vorbehaltlose Grundrechte ihre Grenzen in den verfassungsimmanenten
Schranken, also den Grundrechten Dritter und sonstigen Rechtsgütern von Verfassungsrang. Ein
Ausgleich zwischen den verschiedenen Grundrechten erfolgt dann in Form der praktischen Konkordanz, bei der ein möglichst schonender Ausgleich geschaffen wird. Der Vorteil dieser Ansicht
ist, dass durch die Abwägung eine flexible und interessengerechte Lösung entsteht, die den Besonderheiten des Falles Rechnung tragen kann.
3. Wer ist Träger des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit?
Träger des Grundrechts sind alle diejenigen, die eigenverantwortlich in wissenschaftlicher Weise
tätig sind oder werden wollen, auch juristische Personen die Wissenschaft betreiben und organisieren, insb. Hochschulen und Fakultäten trotz ihres Status als Körperschaft des öffentlichen
Rechts.
4. Wäre es verfassungswidrig, wenn durch einfaches Gesetz das Bundesverfassungsgericht abgeschafft würde?
Die Stellung des BVerfG ist im GG festgelegt, Art. 92 ff. GG. Erforderlich wäre eine Änderung des
GG, die nur nach den Voraussetzungen des Art. 79 GG zulässig ist. Problematisch könnte hier
die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG sein, wenn das Rechtsstaatsprinzip eingeschränkt wird.
Allerdings schützt Art. 79 III GG nicht das Bestehen des BVerfG, sondern lediglich die Möglichkeit
des Rechtsschutzes überhaupt, also die Existenz einer dritten Gewalt im Staat. Ein BVerfG ist dafür nicht erforderlich, so dass die Abschaffung des BVerfG unter den Voraussetzungen des Art. 79
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GG möglich wäre, wenn die Kontrolle des Gesetzgebers etwa einem anderen Gericht übertragen
werden würde.
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FALL 4
Bei der individuellen Glaubensfreiheit differenziert eine Mindermeinung zwischen dem forum internum, das nicht beschränkbar ist, dem Bekenntnis und dem Handeln, auf das die Schranken
des Art. 5 II bzw. 2 I GG übertragen werden sollen. Diese Ansicht widerspricht allerdings bereits
der Annahme eines einheitlichen Schutzbereiches.
Ein Teil der Lehre und das BverwG hält die Schranken aus Art. 136, 137 WRV über Art. 140 GG
für anwendbar. Nach Ansicht des BverfG überlagert allerdings Art. 4 GG die Schranken der WRV,
so dass Art. 4 I GG nur durch verfassungsimmanente Schranken begrenzt werden kann.
Bei der kollektiven Glaubensfreiheit entspricht es der h.M. dass die Schranken aus
Art. 137 III WRV auf die Religionsgemeinschaft anwendbar sind.
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FALL 5
1. Stellen Sie den Klausuraufbau zu Art. 3 I GG dar.
vgl. Übersicht 5.
Ursprünglich war die Prüfung des Art. 3 GG eine reine Willkürkontrolle: Eine Ungleichbehandlung
war dann gerechtfertigt, wenn sie nicht willkürlich erfolgt ist.
Nach der „Neuen Formel“ (von 1980) des BVerfG liegt ein Verstoß gegen Art. 3 GG vor, wenn
vergleichbare Normadressaten ungleich behandelt werden, obwohl zwischen beiden Gruppen
keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Es findet also eine Abwägung statt.
In der Praxis erfolgt bei Ungleichbehandlungen geringer Intensität eine reine Willkürkontrolle, irgendein sachlicher Grund reicht aus, der Gesetzgeber hat einen weiten Gestaltungsspielraum.
Bei Ungleichbehandlungen von größerer Intensität wendet das BVerfG die „Neue Formel“ an und
verlangt eine Verhältnismäßigkeitsprüfung.
2. Welches Problem stellt sich beim gesetzgeberischen Unterlassen dar?
Erstrebt ein Bürger eine Begünstigung, die unter Verstoß gegen den Gleichheitssatz für eine andere Gruppe in einem Rechtssatz niedergelegt ist, dann kann die Begünstigung nur durch die
Schaffung einer neuen Norm geschaffen werden.
Entscheidend für den Beschwerdegegenstand ist zunächst, ob ein sog. echtes oder ein unechtes
Unterlassen des Gesetzgebers vorliegt. Beim echten Unterlassen ist der Gesetzgeber überhaupt
nicht tätig geworden, so dass der Kläger den Erlass eines Gesetzes begehrt (vgl. § 92 BVerfGG).
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Lösung Vertiefungsfragen, Seite 8 von 18
Bei einem unechten Unterlassen ist der Gesetzgeber zwar tätig geworden, allerdings lt. Kläger
nicht ausreichend. Die Klage ist in dem Fall gegen das (unvollständige) Gesetz gerichtet.
In Bezug auf die Gesetzgebung kann die Rechtsprechung aber nicht aktiv gestaltend mitwirken,
da dies den Kernbereich der Legislative berührt. Ein Tätigwerden ist nur möglich im Falle eines
Regelungsauftrages oder einer staatlichen Schutzpflicht aus dem GG. Dabei kann an den Gesetzgeber nur eine Aufforderung zum Tätigwerden erfolgen („Ob“), aber keine Ausgestaltung
(„Wie“).
3. Welche Rechtsfolgen können sich aus einem Verstoß gegen Art. 3 I GG ergeben?
Im Falle einer Ungleichbehandlung kann es verschiedene Möglichkeiten geben, den Fehler zu
beseitigen. Eine Angleichung in beide Richtungen ist ebenso wie ein Kompromiss möglich.
Bei Gesetzen stellt das BVerfG nur die Verfassungswidrigkeit der Norm fest, da die Nichtigkeitsfeststellung i.S.d. § 95 III 1 BVerfGG bis zur Entscheidung des Gesetzgebers über eine Lösung
ein rechtliches Vakuum entstehen lassen würde (bei Freiheitsrechten erfolgt dagegen die Feststellung der Nichtigkeit).
Bei ungerechtfertigter Ungleichbehandlung durch die Verwaltung oder die Judikative können dagegen auch gestaltende Urteile erfolgen, da bei der Vollziehung von Gesetzen eine geringere Gestaltungsfreiheit besteht als bei der Gesetzgebung.
4. Worin unterscheidet sich die Prüfung in Art. 3 I GG von Art. 3 II GG?
Art. 3 I GG wird als formaler Gleichheitssatz ohne soziale Ausgleichsfunktion verstanden. Er lässt
grundsätzlich Differenzierungen zu. Art. 3 II GG enthält dagegen ein absolutes Differenzierungsverbot. Ungleichbehandlungen, die mit dem Geschlecht des Betroffenen begründet werden, sind
generell unzulässig.1 Art. 3 II GG ist daher gegenüber Art. 3 I GG speziell. Art. 3 III GG enthält
weitere unzulässige Differenzierungskriterien und ist ebenfalls gegenüber Art. 3 I GG speziell.
Vergleiche zum Prüfungsaufbau: Hinweise im Hauptkurs und Übersicht 6.
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FALL 6
1. In welchem Verhältnis steht Art. 12 GG zu Art. 14 GG?
Art. 12 GG schützt den Erwerb, ist also personenbezogen. Art. 14 GG ist objektbezogen und
schützt das Erworbene. Gewinnchancen fallen damit bspw. unter Art. 12 GG, da sie noch nicht
erworben worden sind.
2. Wann schützt Art. 12 GG vor privatem Wettbewerb bzw. staatlicher Konkurrenz?
1
Ausnahmen werden allerdings bei biologischen oder funktionalen Unterschieden gemacht.
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Lösung Vertiefungsfragen, Seite 9 von 18
Art. 12 GG gewährleistet keinen Schutz vor Konkurrenz oder Wettbewerb, auch nicht durch staatliche Unternehmen. Eine Grenze soll allerdings bei Wettbewerbsverzerrungen oder die Begünstigung von (Verwaltungs-) Monopolbildungen bestehen.
3. Inwieweit stellen Vorschriften ohne berufsregelnde Zielrichtung (Beispiel: Steuern oder
Abgaben) einen Eingriff in Art. 12 I 1 GG dar.
Jede Norm oder deren Anwendung kann Rückwirkungen auf die Berufsfreiheit entfalten. Daher ist
eine Einschränkung auf solche Normen nötig, die sich entweder unmittelbar auf die Berufstätigkeit
beziehen oder zumindest berufsregelnde Tendenz haben. Unmittelbare, finale Eingriffe haben bereits subjektiv berufsregelnde Tendenz. Steuern und Abgaben können einen mittelbaren Eingriff
bedeuten, wenn sie aufgrund ihrer Intensität eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben. Dies
wird in aller Regel nicht der Fall sein, da Maßnahmen, die nicht final erfolgen, meist auch nicht
sehr intensiv sind. Objektiv berufsregelnde Tendenz liegt bei Steuern und Abgaben nur bei (S) erdrosselnder Wirkung vor, wenn also die Beträge so hoch angesetzt werden, dass Ausübung oder
Wahl des Berufes faktisch unmöglich gemacht wird.
FALL 7
Worin liegen Gemeinsamkeiten und Unterschiede des „Kruzifix-Falls“ zu den „KopftuchFällen“, in denen es um die Zulassung von Kopftuch-tragenden Lehrerinnen zum Schulunterricht geht?
Die Gemeinsamkeit besteht allein darin, dass auch in den „Kopftuch-Fällen“ eine Kollision besteht
zwischen der negativen Glaubensfreiheit der Schüler und der positiven der Lehrerin. Aber schon
die Einstiegsnorm ist nicht Art. 4 I GG, sondern Art. 33 II GG, da es um den gleichen Zugang zum
öffentlichen Amt geht. Vgl. dazu näher die Besprechung im Kurs und die Fundstellen in den Lösungen 4 und 7.
FALL 10
1. Was ist der Unterschied zwischen Einspruchs- und Zustimmungsgesetz?
Vgl. umfassend Übersicht 7.
2. Muss er allein deswegen zustimmen, weil das Ausgangsgesetz zustimmungsbedürftig
war?
Nach heute ganz h.M. kommt es daher auf den Inhalt des Gesetzes an. Eine Zustimmung ist erforderlich, wenn
- die neue Regelung zustimmungsbedürftig ist,
- die zu ändernde Regelung des Ausgangsgesetzes zustimmungsbedürftig war oder
- zwar nicht direkte Zustimmungsbedürftigkeit besteht, indirekt aber die Bedeutung
und Tragweite zustimmungsbedürftiger Teile geändert werden.
RA Dr. Schlömer / RiVG Dr. Thomas Hombert
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Lösung Vertiefungsfragen, Seite 10 von 18
3. Welche ungeschriebenen Kompetenzen gibt es?
Vgl. umfassend Übersicht 7.
4. Alle im Bundestag vertretenen Parteien sind zu der Auffassung gelangt, dass sich die
großen Zukunftsprobleme nur dann sachgemäß in den Griff bekommen lassen, wenn der
gesamte staatliche Apparat einer zentralen und straffen Führung unterworfen wird. Hinsichtlich einer geplanten „Totalrevision“ des Grundgesetzes, bitten die Fraktionen Sie um
Auskunft, ob der verfassungsändernde Gesetzgeber für den „Bund“ den Grundsatz der
Gewaltenteilung abschaffen könnte.
Nein, die Gewaltenteilung folgt aus Art. 20 II, III GG, die der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG
unterliegen. Nach h.M. kann Art. 79 III GG selbst auch nicht geändert werden.
Fraglich ist aber, ob eine völlig neue Verfassung – evtl. über Art. 146 GG – möglich ist oder ob
Art. 79 III GG dann auch gilt. nach wohl h.M. reicht Art. 79 III GG über das Grundgesetz hinaus
und ist auch bei einer Neufassung zu beachten. Zudem stellt sich die Frage, ob Art. 146 GG
überhaupt noch anwendbar ist. Die DDR ist gem. Art. 23 a.F. GG beigetreten. Daher wird zum
Teil vertreten, Art. 146 GG sei überflüssig geworden und nicht mehr anwendbar, stelle also nur
noch ein „Verfassungsdenkmal“ dar. Hiergegen spricht aber, dass Art. 146 im Einigungsvertrag
geändert worden ist, und der verfassungsändernde Gesetzgeber daher an der Norm festhalten
wollte. Vgl. dazu Jarass/Pieroth Art. 146 Rn. 4.
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FALL 11
1. An welchen Stellen taucht der Begriff „verfassungsmäßige Ordnung“ im Grundgesetz
auf? Was sind jeweils die verschiedenen Begriffsinhalte?
Art. 2 I GG: Gesamtheit der Normen, die form. und mat. verfassungsgem. sind. weite Auslegung!
Art. 9 II GG: enge Auslegung i.S.d. FDGO (Zusammenhang mit Art. 18 Satz 1, 21 II 1 GG)
Art. 20 III GG: Bindung an die Normen des GG und Verfassungsgewohnheitsrecht
Art. 28 I GG: Landesverfassung
Art. 98 II GG: Landesverfassung, enge Auslegung
2. Was ist der Unterschied zwischen den Kernkompetenzen der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit und der ausschließlichen Bundesgesetzgebung?
Wird der Bund bei Gegenständen der konkurrierenden Gesetzgebung nicht tätig, dürfen die Länder dort eigene Gesetze erlassen. Dies geht bei der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz
nicht.
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3. Was ist der Hintergrund des Art. 72 IV GG?
Für Fälle in denen in der Vergangenheit die Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Gesetzgebung angenommen worden ist, kann es im Laufe der Jahrzehnte zu Veränderungen kommen.
Ggf. stellt man sich dann heute die Frage, ob die Erforderlichkeit des Art. 72 II GG noch zu bejahen ist, oder ob nicht vielmehr heute eine Zuständigkeit der Länder angenommen werden kann.
Dann können die Länder dies auch durch ein Verfahren vor dem BVerfG gem. Art. 93 II GG (lesen!) klären lassen.
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FALL 13
1. Definieren Sie den Begriff der politischen Partei.
Eine politische Partei iSv Art. 21 GG ist eine
- Vereinigung von Bürgern,
- die dauerhaft oder für längere Zeit
- auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und dafür
Volksvertreter in Bundes- oder Landtag entsenden will2 und die
- aufgrund einer ausreichenden Organisation eine Gewähr für die
Ernsthaftigkeit der Zielsetzung bietet.
Vgl. § 2 I ParteiG.
2. Welche Rechtsnatur haben die Parteien?
Parteien sind – historisch bedingt – in der Regel nichtrechtsfähige Vereinigungen des Zivilrechts
und damit nach h.M. keine juristischen Personen.
3. Warum sind Bürgerinitiativen keine Parteien?
Bürgerinitiativen fehlt es an der Dauerhaftigkeit ihrer Zusammensetzung. Sie haben in der Regel
ein Ziel, danach hat sich die Initiative erledigt. Sie beabsichtigen auch nicht die Entsendung von
Volksvertretern in den Bundes- oder Landtag.
4. Sind „Rathausparteien“ oder Wählergemeinschaften Parteien?
Nein, da sie nur auf kommunaler Ebene handeln und keine Volksvertretern in den Bundes- oder
Landtag entsenden. Bei der Kommunalwahl werden sie jedoch politischen Parteien gleichgesetzt.
2
Verneint für die FAP, da sie nur noch auf Propaganda ausgelegt war und seit längerem schon nicht mehr an Wahlen teilgenommen hatte, BVerfGE 91, 276.
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5. Was regelt Art. 21 II GG? Die Regelung ist Ausfluss welchen Prinzips?
Parteien, die das inhaltliche Ziel haben, die FDGO zu beseitigen oder zu beeinträchtigen und die
Verwirklichung dieses Ziels mit einer aggressiven Grundhaltung auch anstreben, können verboten
werden. Das Entscheidungsmonopol liegt dabei beim BVerfG.
Es gilt das Parteienprivileg: Solange eine Partei nicht vom Bundesverfassungsgericht gemäß
Art. 21 II 2 GG verboten wurde (in der Vergangenheit bisher erst bei KPD - BVerfGE 5, 85 - und
SRP - BVerfGE 2, 1 - erfolgt), darf sie von keiner staatlichen Stelle wegen tatsächlicher oder vermuteter Verfassungsfeindlichkeit benachteiligt werden. Für ein Verbot ist erforderlich, dass die
Partei eine aktiv kämpferische Haltung an den Tag legt und zumindest plant, wesentliche Grundsätze der Verfassung - eng (!) wie Art. 1 I, Gewaltenteilung, Volkssouveränität, Mehrparteienprinzip, etc. - zu beseitigen.
6. Wie ist die Parteienfinanzierung geregelt?
Nach § 18 V ParteiG gilt die (S) relative Obergrenze. Der Partei steht nur so viel staatliche Unterstützung zu, wie sie durch ihr eigenes Bemühen selbst aufbringen kann. Grund dafür ist, dass ansonsten die Parteien nicht mehr vom Wähler abhängig wären. Die Parteien sollen (S) politisch,
organisatorisch und wirtschaftlich vom Bürger abhängig sein (BVerfGE 85, 288), dem sie ja auch
dienen soll. Weitere relevante Normen: §§ 18 I, II, 23, 23 a, 25 I, II ParteiG, lesen!
7. Woraus ergibt sich die Chancengleichheit zwischen den Parteien? Was versteht man in
diesem Zusammenhang unter der sogenannten abgestuften Chancengleichheit? Welche
examensrelevante Problematik ergibt sich hieraus?
In Konkretisierung des Art. 38 GG sind nach § 5 ParteiG iVm Art. 3 bzw. 21 GG alle Parteien bei
der Gewährung öffentlicher Leistungen oder der Zurverfügungstellung öffentlicher Einrichtungen
gleich zu behandeln. Nach dem Prinzip der abgestuften Chancengleichheit des § 5 I 2 ParteiG
kann der Umfang der Gewährung aber je nach der Bedeutung der Partei abgestuft werden. Die
Berücksichtigung der Bedeutung der Partei stellt dabei den erforderlichen sachlichen Grund für
die Differenzierung dar.
Typische Examensprobleme stellen sich bei Wahlwerbungen in Rundfunk oder Fernsehen, bei
Wahlhearings, bei denen auch Kandidaten kleiner Parteien teilnehmen möchten (P: Art. 3 I  5 I
2 GG) und bei Versammlungen in öffentlichen Einrichtungen („Stadthallen-Fälle“).
8. Zu welcher Vorschrift steht Art. 21 GG in einem klassischen Spannungsverhältnis?
Ein Spannungsverhältnis von Art. 21 GG besteht insb. zu
- Art. 38 I 2 GG bei der Abgrenzung zwischen zulässiger Parteidisziplin und unzulässigem Zwang,
- Art. 9 II GG bei der Unterscheidung zwischen Partei (Verbot durch BVerfG) und Vereinigung
(Verbot durch MdI),
- Art. 33 II GG bei der Frage, ob und inwieweit die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen,
aber noch nicht verbotenen Partei für die Eignung im öffentlichen Dienst eine Rolle spielen darf.
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FALL 14
1. Wie wird der Bundespräsident gewählt?
Der Bundespräsident wird von der Bundesversammlung gewählt, Art. 54 GG.
2. Was sind die wesentlichen Rechte und Pflichten des Bundespräsidenten?
Der Bundespräsident hat
- Integrationsfunktion, d.h. er bekundet durch die Ausfertigung des Gesetzes den gebildeten staatlichen Willen nach außen und macht deutlich, dass aus einer Vielzahl politischer Meinungen
ein einheitlicher staatlicher Wille geworden ist; er soll ausgleichend wirken für alle Deutschen
=> Art. 82, angedeutet im Amtseid in Art. 56 GG),
- Repräsentationsfunktion, d.h. er vertritt den Staat nach innen und außen => Art. 59 I GG,
- Reservefunktion, d.h. er trifft Entscheidungen, wenn andere Verfassungsorgane nicht mehr funktionsfähig sind => Art. 68, 63 IV 3, 81 GG und
- Beurkundungsfunktion, d.h. er fungiert als (S) Staatsnotar => Art. 60, 82.
Außerdem schlägt er den Bundeskanzler vor (Art. 63 I GG) und ernennt die Bundesminister (Art.
64 I GG).
3. Wann hat der Bundespräsident das Recht zur Auflösung des Bundestages?
Als Lehre von Weimar besteht die Möglichkeit zur Auflösung des Bundestages nur unter den Voraussetzungen der Art. 63 IV 3 bzw. 68 I 1 GG.
4. Wer vertritt den Bundespräsidenten?
Erster Vertreter des Bundespräsidenten ist der Präsident des Bundesrates, Art. 57 GG. Das ist
der Ministerpräsident des Landes, das den Bundesrat führt (Rotationsprinzip). Zweiter Vertreter ist
der Bundestagspräsident.
5. Kann der Bundespräsident abgeschafft werden?
Die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG umfasst die Art. 1 und 20 GG. Nach Art. 20 I GG ist als
Staatsform die Republik festgelegt, also die Wahl eines Staatsoberhauptes auf Zeit. Dies muss allerdings nicht unbedingt der Bundespräsident, sondern könnte auch der Bundeskanzler sein. Eine
Abschaffung wäre demnach möglich, Art. 79 III GG wäre nicht betroffen.
RA Dr. Schlömer / RiVG Dr. Thomas Hombert
Juristisches Repetitorium
hemmer
Verfassungsrecht
Lösung Vertiefungsfragen, Seite 14 von 18
6. Hat der Bundespräsident bei der Ernennung eines Ministers ein formelles und materielles Prüfungsrecht?
Nach h.M. hat der Bundespräsident ein formelles und materielles Prüfungsrecht, da die Ministerernennung an einfache Voraussetzungen gekoppelt ist. Ein politisches Prüfungsrecht steht ihm
dagegen unstreitig nicht zu, vgl. Jarass/Pieroth Art. 64 Rn.1.
7. Der Bundespräsident hat im Wesentlichen lediglich repräsentative Funktionen. In welchem Fall – die verfassungsrechtliche Literatur spricht insoweit von der "Stunde des Präsidenten" - kann der Präsident ausnahmsweise auf den Gesetzgebungsvorgang Einfluss
nehmen?
Die „Stunde des Präsidenten“ schlägt im Falle eins Gesetzgebungsnotstandes, Art. 81 GG. Hat
sich der Bundestag nach einem Misstrauensvotum gegenüber dem Bundeskanzler aufgelöst,
kann die Gesetzgebung durch Bundesregierung, Bundesrat und Bundespräsident zusammen und
damit eine Durchbrechung der Gewaltenteilung erfolgen. Gedacht ist die Regelung für Krisensituationen, in denen keine Zeit für Neuwahlen ist.
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FALL 15
1. Wodurch unterscheiden sich Rechtsverordnungen von Satzungen und wodurch diese
beiden wiederum von einem Verwaltungsakt?
Wichtig! Verstehen und auswendig lernen!
Rechtsverordnungen: abstrakt-generelle Vorschriften, die aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung von der Exekutive erlassen werden
Satzungen: abstrakt-generelle Vorschriften, die aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts auf dem Gebiet ihrer Selbstverwaltung erlassen
werden
Verwaltungsakt: konkret-individuelle (Einzelfall) oder abstrakt-individuelle (Allgemeinverfügung)
Regelung
2. Welche Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen gelten für eine Rechtsverordnung?
Vgl. Übersicht 8.
3. Wie wirken sich Verfahrensfehler bei Zustandekommen von Rechtsverordnungen und
Satzungen aus?
Die Vorschriften sind grds. nichtig, sofern sie nicht heilbar sind (z.B. über §§ 214, 215 BauGB).
Achtung! Anders als für VAs gibt es hier keine dem § 43 II VwVfG vergleichbare Vorschrift. Vgl.
dazu ach Exkurs in Fall 8 VerfR.
RA Dr. Schlömer / RiVG Dr. Thomas Hombert
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hemmer
Verfassungsrecht
Lösung Vertiefungsfragen, Seite 15 von 18
4. In welcher Form ist Rechtsschutz gegen eine Rechtsverordnung / Satzung möglich?
Unmittelbarer Rechtsschutz ist bei LandesRVO und Satzungen durch das Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO möglich, soweit die Länder von § 47 I Nr. 2 VwGO Gebrauch gemacht haben. Gegen BundesRVO steht die Verfassungsbeschwerde offen. Ansonsten kommt eine Inzidentkontrolle durch Anfechtungsklage gegen den VA in Betracht. Denkbar ist auch ggf. eine Feststellungsklage vor dem VG. Dazu näher im Verwaltungsrecht.
5./ 6. In welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen gibt es Ausnahmen vom Verbot der Mischverwaltung? Prüfen Sie, unter welchen Voraussetzungen die Länder gemeinsame Einrichtungen schaffen können.
Das Verbot der Mischverwaltung besagt, dass die Verwaltung des Bundes und der einzelnen
Bundesländer grds. organisatorisch und funktionell getrennt erfolgen soll. Die Verteilung der Verwaltungszuständigkeiten steht nicht zur Disposition der Länder, Art. 83 ff. GG.
Grundgesetzlich unzulässig ist eine Verwaltungsorganisation, bei der zwischen Bundes- und Landesbehörden eine Über- oder Unterordnung oder eine Zusammenarbeit mit Zustimmungserfordernissen erfolgt. Zulässig ist aber ein (S) kooperativer Föderalismus in Form von Koordinierungsgremien, die der unverbindlichen Absprache dienen. Die Grenze ist dort erreicht, wo die
grundgesetzlich festgelegte bundesstaatliche Gliederung verschoben wird.
Zulässige Formen des Zusammenwirkens sind u.a.



gemeinsame Behörden von Bund-Land (Oberfinanzdirektion) oder einzelnen Ländern (Filmbewertungsstelle)
Koordinierungsgremien zur Beratung gemeinsamer Angelegenheiten zwecks interner Abstimmung (Kultusministerkonferenz)
gemeinsame Verwaltungsträger der Länder (ARD, ZVS)
Systematische Fragen zu Verwaltungsabkommen
1. Begründen Staatsverträge und Verwaltungsabkommen im Bundesstaat unmittelbare
Rechte und Pflichten für den Bürger?
Staatsverträge und Verwaltungsabkommen sind Vereinbarungen zwischen den Gliedstaaten des
Bundes und schaffen keine unmittelbaren Rechte und Pflichten der Bürger. Es bedarf zunächst
einer Transformation in das „Binnenrecht“.
2. Was unterscheidet Staatsverträge von Verwaltungsabkommen?
Staatsverträge werden geschlossen zwischen den einzelnen Ländern der Bundesrepublik, zwischen Bund und Land oder zwischen verschiedenen Staaten (völkerrechtliche Verträge). Sie entfalten eine absolute Bindungswirkung des Landes mit allen seinen Organen, einschließlich der
Gesetzgebung (Bsp.: Rundfunkstaatsvertrag).
RA Dr. Schlömer / RiVG Dr. Thomas Hombert
Juristisches Repetitorium
hemmer
Verfassungsrecht
Lösung Vertiefungsfragen, Seite 16 von 18
Verwaltungsabkommen haben dagegen nur eine relative Bindungswirkung für den Kompetenzbereich der Exekutive.
3. Was sind die Abschlussvoraussetzungen?
Innerstaatlich müssen die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, da ansonsten kein Recht zum
Abschluss besteht.
Erforderlich ist zunächst die Kompetenz der Länder über die zu regelnde Materie. Die Entscheidung über den Vertragsabschluss obliegt der Landesregierung oder im Rahmen des Ressortprinzips einem Landesminister. Das Zustimmungserfordernis richtet sich nach der Landesverfassung.
4. Kann eine Vereinbarung im Widerspruch zur internen Landesverfassung zustande kommen?
Nein. Die Ungültigkeit folgt aus dem engen Zusammenschluss der Gliedstaaten im Bundesstaat
iVm dem Grundsatz der Bundestreue.
5. Wie ist der Rechtsweg beim Streit um vertragliche Pflichten?
Bei einem verfassungsrechtlichen Vertrag, der das Verhältnis der Länder im verfassungsrechtlichen Gefüge regelt ist die Länderklage nach Art. 93 I Nr. 4 GG iVm §§ 13 Nr. 8, 71 ff. BVerfGG
vor dem BVerfG einschlägig.
Bei nicht-verfassungsrechtlichen Verträgen richtet sich die Länderklage nach § 50 I Nr. 1 VwGO,
zuständig ist das BVerwG.
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FALL 17
1. Verstößt die einseitige Festlegung des Beweisthemas einer Minderheitenenquete durch
die Opposition gegen das Demokratieprinzip?
Nein, da das Demokratieprinzip gerade den Schutz von Minderheiten und ein Recht auf Opposition bedeutet. Der Untersuchungsausschuss ist Sprachrohr der Minderheit und „Waffe der Opposition“.
2. Welchen Rechtsschutz gibt es gegen Maßnahmen des Untersuchungsausschuss?
Vgl. § 36 PUAG. Soweit verfassungsrechtliche Fragen zu klären sind, können antragsberechtigte
Organe das BVerfG i.R.d. Organstreitverfahrens anzurufen. Im Übrigen ist der BGH zuständig.
RA Dr. Schlömer / RiVG Dr. Thomas Hombert
Juristisches Repetitorium
hemmer
Verfassungsrecht
Lösung Vertiefungsfragen, Seite 17 von 18
3. Kann der Bundestag dem Bundeskanzler das Misstrauen aussprechen? Ist dies gegenüber einem Bundesminister möglich?
Der Bundestag kann dem Bundeskanzler das Misstrauen aussprechen, gem. Art. 67 GG allerdings nur in Form eines konstruktiven Misstrauensvotums. Bei Bundesministern darf der Bundestag nach h.M. zwar punktuell Verhaltensweisen rügen oder missbilligen, nicht aber die gesamte
Amtsführung, da ansonsten Art. 67 GG unterlaufen wird.
4. Welches verfassungsrechtliche Problem stellt sich im Zusammenhang mit der Vertrauensfrage nach Art. 68 GG?
Problematisch ist, ob der Bundeskanzler die Vertrauensfrage mit dem Ziel der Auflösung des
Bundestages und der Erreichung von Neuwahlen immer auflösen kann (Lehre von Weimar) oder
ob eine materielle Auflösungslage vorliegen muss.
Das BVerfG hat Art. 68 GG eine „politisch instabile Lage“ als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal hinzugefügt, dem Bundeskanzler aber eine weite Einschätzungsprärogative eingeräumt.
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Lösungen zu den Vertiefungsfällen von Fall 17 Verfassungsrecht
(vgl. auch BVerfG NJW 2003, 3401f.)
Teil 1
A. Zuständigkeit des BVerfG
Art. 93 I Nr. 4 a GG, § 13 Nr. 8a, §§ 90f. BVerfGG
B. Zulässigkeit einer VB
I. Statthaftigkeit (ausnahmsweise prüfen)
Grds. Organstreitverfahren für Rechte des Abg.
 hier wendet sich A aber nicht gg. BT, sondern gg. Verl. subj. öff. Rechte durch Entsch. der Judikative
 Organstreitverf. insofern gar nicht möglich  als Ausnahme VB statthaft
II. Beschwerdeberechtigung
Art. 38 I GG fällt unter § 90 I BVerfGG
III. Beschwerdegegenstand
Akt der Judikativen
IV. Beschwerdebefugnis
Art. 38 I 2 iVm Art. 47 S. 2 GG
V. RW-Erschöpfung und Subsidiarität (+)
VI. Form und Frist
C. Begründetheit
Verletzung der besonderen Rechte des Abg. aus Art. 38 I 2 iVm Art. 47 S. 2 GG?
 Beschlagnahmeprivileg gilt auch, wenn sich Schriftstücke nicht beim Abg., sondern bei Mitarbeitern befinden
 Privileg aber auf Herrschaftsbereich des Abg. Beschränkt
 Büros der Mitarbeiter im BT fallen unter diesen Bereich, nicht aber außerhalb des BT
Erg.: Begründet bzgl. Beschlagnahme in BT-Büro des R (+),
da Gerichte Schutzgehalt des Art. 38 I 2 iVm Art. 47 S. 2 GG verkannten
RA Dr. Schlömer / RiVG Dr. Thomas Hombert
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Verfassungsrecht
Lösung Vertiefungsfragen, Seite 18 von 18
2. Teil
A. Zuständigkeit des BVerfG
Art. 93 I Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5, §§ 63 ff BVerfGG
B. Zulässigkeit des Organstreitverfahrens
I. Beteiligtenfähigkeit
Abgeordnete sind als Ast. beteiligtenfähig
BT-Präsident ist tauglicher Antragsgegner
II. Verfahrensgegenstand
Umfang von Rechten u. Pflichten d. Beteiligten
 hier Genehm.entsch. gem. Art. 40 II 2 GG
III. Antragsbefugnis
Art. 38 I 2 iVm 47 S.2 GG kann nur bzgl. Durchsuchung im BT von BT-Präs. verletzt worden sein
IV. Rechtsschutzbedürfnis
B u. C können sich noch auf Art. 47 GG berufen
V. Form und Frist
C. Begründetheit
Verletzung von Art. 38 I 2 iVm Art. 47 S. 2 GG?
 Art. 40 II 2 GG schützt Autorität des BT-Präs. und der Abgeordneten
 BT-Präs. hat sich bei seiner Entsch. an der Funktionsfähigkeit der parl. Arbeit zu orientieren
 aber nur Evidenzkontrolle
 kein weitergehender Schutz als durch Art. 46 II GG
 hier keine Anhaltspunkte, dass Durchsuchung ungerechtfertigte Verfolgung darstellt
Erg.: Verl. von Art. 38 I 2 iVm Art. 47 S. 2 GG(-)
Exkurs: Pofalla-Entscheidung
BVerfG NJW 2002, 1111f.
Das BVerfG hat in dieser Entscheidung herausgestellt, dass sich aus Art. 46 II GG ohne weiteres
Rechte eines Abgeordneten gegenüber dem Bundestag ergeben können.
Der Genehmigungsvorbehalt für die strafrechtliche Verfolgung von Abgeordneten würde zwar vornehmlich dem Parlament als Ganzen dienen. Der einzelne Abgeordnete habe aus Art. 46 II iVm Art.
38 I 2 GG aber einen Anspruch darauf, dass sich das Parlament bei der Entscheidung über die Aufhebung der Immunität nicht von sachfremden, willkürlichen Motiven leiten lässt, welche den verfassungsrechtlichen repräsentativen Status des Abgeordneten grob verkennen.
RA Dr. Schlömer / RiVG Dr. Thomas Hombert