Das ewige Leben Liebe Angehörige, liebe Trauernde, liebe Gemeinde, viele sind heute Morgen hier, weil sie einen ihrer Lieben verloren haben, den Ehepartner, den Vater, die Mutter, einen Bruder oder eine Schwester oder, was besonders tragisch ist, das eigene Kind. Für manche kam der Tod völlig überraschend. Ein Trauernder erzählt: Ich kann es immer noch nicht fassen. Meine Frau war das blühende Leben. Wir haben alles zusammen gemacht. Sie war so ein guter Mensch. Ihre Enkelkinder haben sie geliebt. Einer ihrer Enkelsöhne ist bei uns aufgewachsen. Sie war wie eine Mutter für ihn. Jetzt ist er tot und ich kann das immer noch nicht fassen. Plötzlich bekam sie einen Schlaganfall und dann kam der Notarzt. Sie konnten ihr nicht mehr helfen. Sie war noch gar nicht alt. Jetzt bin ich allein und begreife das alles nicht. Was soll ich denn jetzt machen ohne sie, wir haben alles zusammen gemacht. Manche verstarben im Hohen Alter und sind zum Teil weit über 90 Jahre alt geworden. Schon oft habe ich den Satz gehört: Ich glaube, der Herrgott hat mich vergessen, warum holt er mich denn nicht? Warum muss ich immer noch hier bleiben und leiden? Die meisten meiner Freunde und Verwandten sind verstorben. Jetzt bin ich hier in diesem Heim und niemand besucht mich. Wer sollte das auch sein? Die wenigen, die mich noch kennen, die sind selbst krank und können nicht mehr aus dem Haus. Der Kontakt zu meinen beiden Kindern ist schon vor Jahren abgebrochen. Ein alter Mann sagt:: "Eigentlich habe ich mein Leben gelebt. Ich habe eine schöne Zeit gehabt, eine Frau die ich liebe, zwei Kinder die wir gemeinsam großgezogen haben und die einen guten Beruf ergriffen haben. Ich war aktiv in meiner Kirchengemeinde im Kirchenvorstand und habe mich um alte Menschen gekümmert und Vormundschaften für sie übernommen. Nun bin ich selber alt geworden und mein Körper hat jeden Morgen ein anderes Zipperlein. Für die Gartenarbeit, die mir immer so viel Freude gemacht hat, fehlt mir jetzt die Kraft. Ich habe mein Leben gelebt. Eigentlich könnte es jetzt zu Ende sein. Vor allem was jetzt noch kommen wird, habe ich Angst. Angst vor Niedergeschlagenheit, Angst vor Traurigkeit, Angst vor Antriebslosigkeit, Angst vor Langeweile, Angst vor Schmerzen, Angst vor Krankheit, Angst vor dem Tod. Die Angst vor dem Tod ist es, die uns am Leben erhält. Die Angst schützt uns vor Gefahren, die unser Leben bedrohen. Die Angst selbst ist aber unverzichtbar. Sie ist ein Geschenk Gottes, etwas das er uns in die Wiege gelegt hat, um uns zu schützen. Wenn eine Gefahr droht, gibt es grundsätzlich nur zwei Möglichkeiten darauf zu reagieren. Entweder muss ich die Flucht ergreifen oder mich einem Kampf stellen. Das ist auch b ei den Tieren so. Wie auch immer, wenn eine Gefahr droht, dann muss ich im entscheidenden Moment richtig reagieren. Eine Schrecksekunde später könnte es schon zu spät sein. Wenn wir Angst haben spannen sich unsere Muskeln an, unser Puls geht schneller, der Blutdruck steigt, Die Atmung wir schnell und flach. Erhöhte Muskelanspannung, erhöhte Reaktionsgeschwindigkeit das alles hilft uns, bei der Flucht diese eine Sekunde schneller zu sein oder wir erhalten so zusätzliche Energie um einen Kampf, wenn er unvermeidlich sein sollte, zu bestehen. Deshalb hat Gott uns all diese Körperfunktionen in die Wiege gelegt, damit wir uns schützen können. Die Angst erhält uns am Leben, genauso wie der Schmerz. Auch er ist ein Geschenk Gottes. Ein Psychologe hat mir das einmal so erklärt: Der Schmerz ist wie ein Wachhund. Er bellt laut, wenn unsere Körpergrenze verletzt wird. Aber er tut das nicht, um unsere Ruhe zu stören, sondern um uns vor einer Gefahr zu schützen. Wir können laut aufschreien, wenn wir unsere Finger an der Herdplatte verletzt haben. Aber gäbe es den Schmerz nicht, würde unsere ganze Hand auf der Herdplatte verbrennen bevor wir es merken. Wir können beides aus Gottes Hand nehmen, die Freude und den Schmerz, das Glück und das Leid, die Freude und die Angst. Hiob, der schwer vom Leid geprüft war, sagte: Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen, es sei gepriesen der Name des Herrn. Hiob kann das sagen, weil er weiß, dass er in Gottes Hand geborgen bleibt, was auch immer geschieht. Gott hat uns das Leben gegeben und es kehrt zu ihm zurück. Auf dem Friedhof hören wir die Worte: Erde zu Erde, Asche zu Asche, und Staub zu Staub. Das Leben ist ein Kreislauf. Wir glauben immer, wir Menschen stünden über allen Lebewesen. Wir seien ganz oben in der Nahrungskette. Das ist ein Irrtum. Die Nahrungskette verläuft nicht von oben nach unten sondern sie ist ein geschlossener Kreislauf. So wie das Wasser auf den Meeren verdunstet und über dem Land wieder als Regen nieder geht, so ernährt sich der Mensch von Pflanzen und Tieren, um eines Tages wieder selbst zu Erde zu werden. Unsere Körper werden von Würmern zerfressen oder zu Asche verbrannt. Auf der Erde und der Asche, die zurückbleibt, wachsen Pflanzen und Bäume. Die Idee, in einem Friedwald beerdigt zu werden, entspringt auch dieser Vorstellung, dass wir unsere Körper der Natur zurück geben von der wir genommen wurden. Das ist die Eine Seite unseres Todes, die materielle oder die technische, so könnte man sagen. Das Leben, das uns Gott geschenkt hat, ist aber weit mehr als diese materielle Bewegung vom relativen ungeordneten Chaos der Erde, aus der wir genommen sind,... hin zu einer höheren Ordnung und zurück zu einem ungeordneten Haufen Erde, der wir am Ende wieder sein werden. Der Mensch ist mehr als die Summe der Teilchen, aus denen er besteht. Im Lauf unseres Lebens tauschen wir durch unseren Stoffwechsel mehrmals jedes einzelne Teilchen, aus dem bestehen, aus. Wenn wir einen alten Schulfreund nach zwanzig Jahren wieder treffen, besteht er wahrscheinlich zu hundert Prozent aus anderen Elementarteilchen als noch vor zwanzig Jahren. Trotzdem erkennen wir ihn auf Anhieb. Klaus? Klaus Brandt? bist du es? Weißt du noch, wir sind zusammen auf die Schule gegangen bei Herrn Kaiser, das war unser Klassenlehrer. Gott hat uns seinen Odem eingehaucht, seinen Geist. Das ist es, was den Unterschied ausmacht. Wir sind nicht nur körperliche, sondern auch geistige Wesen. Wir haben eine Persönlichkeit, und wir sind bezogen auf andere geistige Wesen, auf unsere Mitmenschen, unsere Familien und auf unsere Kultur, unser Land und nicht zuletzt auf unseren Glauben. Diese geistige Werte sind aber unvergänglich. Das Papier auf dem die biblischen Geschichten aufgeschrieben wurden hält vielleicht fünfhundert Jahre, was eine sehr lange Zeit ist. Aber die Geschichten sind viel älter. Sie wurden von Menschen immer wieder erzählt und neu aufgeschrieben, deshalb wissen wir sie heute noch. Die Botschaft der Bibel wirkt nun schon über Jahrtausende und über hunderte von Generationen. Auf dem jüdischen Friedhof in Worms haben wir einen Grabstein gesehen, der fast tausend Jahre alt war. Wir sind Teil eines viel größeren Ganzen. Wir sind Teil der Schöpfung Gottes. Wir sind ein Teil der Ewigen Wahrheit, die uns durch Gott verbürgt ist. Unsere geistiges Leben bleibt Teil dieser Wahrheit. Unser körperliches materielles Leben ist vergänglich. Ich möchte es mal an einem modernen Bild verdeutlichen. Sie alle kennen den Computer. Dort unterscheidet man zwischen Hardware und Software. Die Hardware ist vergänglich. Ich habe schon sehr viele Computer und Bildschirme in den Recyclinghof gefahren und in hohem Bogen in einen Müllcontainer geworfen. Die Software aber, entwickelt sich ständig weiter und läuft auf jedem Computer. Die Software, das ist so etwas wie der Odem Gottes, den er uns eingehaucht hat, der Geist, der von seinem Geist ist. Ein Geist der den Tod nicht kennt, sondern der lebt und sich immer weiter entwickelt. Wir sind ein Teil dieses sich entwickelnden göttlichen Geistes. So ähnlich hat es der große Philosoph Hegel einmal ausgedrückt: "Die recht verstandene Philosophie ist die auf den Begriff gebrachte Trinitätslehre der christlichen Kirche, und insofern ein Gottesdienst." Der Apostel Paulus hat gesasgt. Euer Leib ist ein Tempel des Heiligen Geistes. Der Tempel, der Leib ist nur die äußere Hülle, was drinnen weht ist der Heilige Geist. Und der weht von Anbeginn als Gott Adam dem ersten Menschen seinen Atem eingehaucht hat, und er weht weit über unsere begrenzte Erdenzeit hinaus, von Ewigkeit zu Ewigkeit Amen.
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