Predigt zum Abschied 2015

Predigt zum Abschied 2015
Exaudi 17. Mai
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Die Gnade unseres Bruders Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft
des Hlg. Geistes sei mit uns allen. Amen
Liebe Gemeinde,
„Der Geist weht wo er will“ – unter dieser Überschrift habe ich hier am Pfingstmontag 1995
meine Einführungspredigt gehalten.
Am 27. Mai bin ich nach Hamburg geflogen.....am 28. Mai kamen die Möbel.....am 1. Juni
ging’s offiziell los und am 4. Juni dann: „Der Geist weht wo er will“!
Nicht nur Bibelzitat und Predigtthema, sondern wohl auch Hoffen, dass die beginnende
Zeit zurück in Deutschland, zurück in der Mutterkirche Nordelbien eine gute, vom Geist
Gottes getragene und durchwehte Zeit werden möge!
„Der Geist weht, wo er will“ und er bringt damit Menschen durcheinander – sogar Jesus!
Am Jakobsbrunnen trifft Jesus eine Kana-aniterin, für die fühlt er sich nicht zuständig, er
ist ja Jude und nicht für Menschen mit anderem Glauben da, aber in der Begegnung mit
ihr lernt er, dass Gott größer ist und sich nicht in so enge Grenzen sperren lässt und da
wird auch sein Herz größer!
Gottes Geist ist sogar Jesu Lehrmeister in Sachen Weite und Großherzigkeit!
Einen Hauch von dieser Weite hatte ich in meiner Arbeit als Auslandspastorin erlebt:
die gemeinsame deutsche Sprache (oder auch die Liebe zu ihr) führte klitzekleine Gemeinden
zusammen,
in denen es unwichtig war ob man ursprünglich lutherisch oder reformiert oder katholisch oder
sogar jüdisch war! Ja, auch Flüchtlinge vor Hitlers brutalem Ausrottungsprogramm, Flüchtlinge
mit jüdischen Wurzeln gehörten dazu!
Fröhlich feierte ich in kargen, reformierten Kirchen der „Church of Scotland“ Abendmahl
mit
ihnen
und
mit
den
Schönstatt
Schwesternkatholische
Nonnen!!
“Gell“ Frau Pastorin, schallte es mir in österreichischem Singsang entgegen „Gell, unser
lieber Herrgott ist doch größer.....“
Alle Familien, mit denen ich es zu tun hatte, waren mindestens bi-national, deutsche Frauen
mit Pakistanischen Ehemännern lernten fröhlich gälisch, weil die Insel, auf der sie sich eine
gemeinsame Zukunft aufbauten, nun mal gälisch geprägt war.
Das fühlte sich weit an!
Dazu der schottische Himmel über den Weiten der rauen Atlantikküste und keltische
Spiritualität.......
....so kam ich in Barsbüttel an.....
und schnell wurde deutlich, dass die Jahre in Schottland gemütliche, lebensfreundliche Jahre
waren verglichen mit dem, was hier auf mich einprasselte an Aufgaben, Anforderungen,
Strukturdebatten, Finanzkrisen, Regionalisierungsprozessen, Pfarrstellenentwicklungs-plänen
und darüber schwebend:
eine Anspruchshaltung überhaupt, was ein Pastor eine Pastorin alles zu leisten habe.....
Hart fiel ich auf den Boden der Realität und statt Weite habe ich in den ersten Jahre eher
Enge erlebt.
Dörfliche Enge auch.
„Der Geist weht wo er will“ – das heißt ja auch: es gibt Zeiten, da weht er mich nicht an,
weil er woanders weht.
„Der Geist weht, wo er will“, das heißt aber auch, dass wir Zumutungen und Provokationen
im Leben ausgesetzt werden.
Für beide –Jesus und auch für die Kana-aniterin- ist die Begegnung eine heftige
Herausforderung aus ihren gewohnten Denkschemata. Und für die ersten Zuhörer damals,
Juden, war diese Geschichte eine Provokation!
Und für manch einen damals war es schon Herausforderung genug, dass die Nachfolge
von Pastor Hektor eine Frau war!!.......und dann noch geschieden und alleinerziehend im
Pfarrhaus!
(an Ihrem und meinem Schmunzeln merke ich, wie viel passiert ist in den 20 Jahren!)
Lange bin ich als schräger Vogel hier rum gelaufen –jedenfalls kam ich mir so vor- mit
einem Herzen, das voll war von Schottland-Erfahrungen, die hier niemanden so recht
interessierten!
Frei nach Goethes Faust „zwei Seelen schlagen ach in meiner Brust“ war ich zerrissen
zwischen
- Vergangenheit und Gegenwart,
- Englisch und Deutsch,
- Großstadt Glasgow und Dorf Barsbüttel
und vielleicht mithilfe des wehenden Geistes wurde mir klar: das muss ich
zusammenbringen, sonst zerreißt es mich!
Und zusätzlich zu der vielen Arbeit (die ich oben schon ansprach) begann ich 1998 die
erste Gemeindereise nach Schottland zu organisieren (einige sind heut da, die damals
mitwaren).
Und siehe da:
es war nicht mehr Stress, sondern pure Freude! „Wenn der Geist weht, wo er will“ dann
weht er manchmal auch sehr persönlich, so dass man seine Berufung (wieder) spürt und
das Leben sich besser anfühlt, auf alle Fälle wieder mehr im Einklang mit sich selbst.
Und wo der Geist weht, da ist auch Freiheit, sagt Paulus und die gehört für mich
unabdingbar zum Pastorenberuf dazu und das heißt eben auch, dass ich die Freiheit
habe, die Schwerpunkte in meiner Arbeit zu setzen, die meiner Persönlichkeit
entsprechen!
3 Gemeindereisen nach Schottland : 1999, 2001 und 2003 ......und ich war nicht mehr
zerrissen!
Ich war angekommen:
als Schottlandfan im Pfarramt Barsbüttel!
Und so ist es geblieben...davon zeugt mein sabbatical im letzten Jahr!
Dann feierten wir 2004 50jähriges Kirchweihfest und die Kirche bekam den Namen:
Segenskirche!
Was für ein Segen!
Das war eben nicht nur ein guter Namensfindungs-prozess mit den berühmten
Diskussionsschleifen, mit denen alle mitgenommen werden sollen, sondern der Geist
Gottes muss mit dabei gewesen sein, denn anders ist es nicht zu erklären, dass 10 Jahre
später die Menschen sagen: „wieso? hieß unsere Kirche nicht schon immer so?“
Wo der Geist Gottes weht, da verschwimmen Zeit und Raum, Gegenwart und
Vergangenheit, da blitzt ein Hauch Ewigkeit auf.
10 Jahre später, zum 60 Kirchweihjubiläum, hat die neue Kirchturm-Uhr nicht ganz soviel
Einigkeit gebracht...aber Diskussionsstoff!!
In einer Zeit, in der allgemein über den Bedeutungsverlust von Kirche diskutiert wird,
(ich erinnere an unsere Diskussion im KGR zum „Diaspora“Gefühl, welches Christen
inzwischen im Mutterland der Reformation, in unserem sog. christlichen Abendland haben)
in so einer Zeit war unsere Kirche, unsere Uhr im Gespräch. Kontrovers –aber auch da
„weht vielleicht der Geist, wo er will“ und erhitzt die Gemüter! Wie schön!
Von hitzigen Debatten, wenn irgendwo eine Moschee gebaut werden soll, steht ja täglich
in der Zeitung und kein Wunder, dass man das Gefühl kriegen kann, immer mehr Muslime
lebten unter uns. (Was ja so nicht stimmt).
Immerhin hat die Uhr-Diskussion Wellen geschlagen und vielen gezeigt: es gibt uns noch,
die Christen am Ort mit ihrer Kirche.....mit ihrem Turm..... mit ihrer Uhr.....mit ihrer
Botschaft auch und ihrem Glauben, mit dem, was ihnen wichtig ist!
20 Jahre lang haben wir gemeinsam versucht, diesem Geist, der da „weht, wo er will“
nachzuspüren, wie er uns denn hineintragen kann zu den Menschen unseres
Ortes...Ideen sind gekommen...manchmal gescheitert, manchmal verpufft....auch das
kündigt Paulus schon an: „prüft die Geister und das Gute behaltet“
Viel Neues hat sich entwickelt, ich nenne nur einige Beispiele:
- Erdbeergottesdienst auf dem Berneckehof und Diner en weiß auf dem Marktplatz
- lebendiger Advent und Budenzauber
- Kirche zur Stille geöffnet und Meditation am Mittag
und brandneu: unsere neue Kunstinstallation, hier vorne links/rechts.
Das Bronzekreuz ist von Joseph Krautwald, einem hochdekorierten Bildhauer des 20.
Jahrhunderts aus Rheine und ist uns von Frau Hengefeld aus Barsbüttel geschenkt
worden.
Die Installation „drumherum“, die unseren Kerzenbaum ersetzt, haben wir bei Ludger
Trautmann einem HHger Bildhauer in Auftrag gegeben.
Mit den Konfirmanden haben wir bei beiden Konfirmationen diese Installation eingeweiht
und sie erstmalig mit brennenden Kerzen bestückt.
Nachher bei der Fürbitte wird das auch heute passieren und die Kirche wird während des
Empfangs mit buntem Programm bis in den Nachmittag hinein offen bleiben, damit auch
Sie hinzutreten, schauen und eine Kerze anzünden können, wenn Sie mögen!
Die Installation wurde an einem Dienstag angebracht und abends hatten wir Generalprobe
zur Konfirmation und einer der Konfirmanden fragte: „wieso wird unsere Kirche jetzt immer
moderner?“
Mein Herz jubilierte! Es gibt sie also: Ideen und Verwandlungen, die junge Menschen
erreicht...die Uhr gehört dazu...und nun das neue Kreuz.....
Und das Verrückte dabei ist, dass Menschen einer Kirche, die sie mögen was schenken,
was für nachfolgende Generationen bleibt, ist uralte Tradition und gar nichts Modernes!
Schauen Sie sich in alten Kirchen um:
Bankreihen wurden gestiftet und Glasfenster und Kunstwerke...und...und v.a.m.
Vor Jahren haben wir unser Gebetsbuch für die „Kirche zur Stille“ ebenfalls geschenkt
bekommen und es zeugt davon, wie innig unsere Kirche aufgesucht wird für die
verschiedensten Anliegen.
„Der Geist weht wo er will“, denn beide Schenker, von Buch und Kreuz, sind katholisch!
Wenn das keine gelebte Ökumene ist!
„Der Geist weht nicht nur, wo er will“; er stiftet auch Verbindung: - von Tradition und
Moderne
- von katholisch und evangelisch
- von jungen und alten Menschen
Der Geist Gottes baut Gemeinde - nicht der jeweilige Pastor oder die Pastorin!
Und der Geist Gottes wird weiter wehen in Barsbüttel, da bin ich mir ganz sicher....auch wieder
neu ...und anders...und vielleicht provokant oder ungewöhnlich...aufrüttelnd und ins „NeuLernen- Zwingend“.....
bei uns nicht anders als bei Jesus damals!
Neu Lernen und mich einer ganz anderen Aufgabe widmen, das darf ich nun für die letzten 5
Jahre meiner beruflichen Laufbahn auch.
Und auch dabei vertraue ich auf den Geist Gottes, der weht, wo er will!
Es werden Zeiten kommen, da spür ich ihn nicht und es werden Zeiten kommen, da pustet er
mich um.
Das Leben und Arbeiten in Ihrer Mitte hat mich gelehrt, auf diesen Geist zu vertrauen! Amen