Böse Fallen - Auto Service Praxis

automobiltechnik pannenhilfe
Bilder: Diehl, Hella
Bergen, Schleppen, Transportieren
Böse Fallen
Wer als Profi Pannenhilfe leistet, Fahrzeuge transportiert und vielleicht auch im Auftrag von Behörden und Gemeinden verbringt, hat es mit einer Vielzahl von Vorschriften zu tun. Regelmäßige Weiterbildung tut dringend not, allein
schon zum Schutz der eigenen Gesundheit. Eine Sensibilisierung.
P
annenhilfe und Fahrzeugtransport
gehören in vielen Werkstätten und
Autohäusern zum Tagesgeschäft. In
manchen Fällen kommt noch Fahrzeugverbringung im Auftrag von Behörden und
Gemeinden hinzu. Insbesondere hierbei
werden häufig gravierende Fehler wie die
Verwendung der Hubbrille oder der Einsatz der Rundumkennleuchte begangen.
Eine Ahndung ist kaum zu befürchten,
man arbeitet schließlich im Auftrag der
auch hierfür zuständigen Behörde. Doch
darauf sollte man sich nicht verlassen,
denn neben der Gefährdung kann auch
die Ahndung beachtlich sein (vgl. hierzu
Kurzinterview „Drei Fragen an Hermann
Heigl“ auf Seite 21 oben).
Zwei Richtigstellungen
Um bei den genannten Stichworten zu
bleiben: Die Hubbrille darf nur in Ausnahmefällen und unter Zugrundelegung
des Nothilfegedankens zum Abschleppen
verwendet werden. Das Schleppen eines
Pkw im Sinn von Paragraf 33 StVZO mit
der Hubbrille eines Lkw für Fahrzeugbeförderung ist verboten. Darunter fällt
übrigens auch die Fahrzeugverbringung
im Auftrag von Behörden und Gemeinden,
beispielsweise aus Halteverbotszonen.
Grundvoraussetzung für einen Einsatz
der Rundumkennleuchte ist die Anerkennung des Fahrzeugs als Pannenhilfsfahrzeug gemäß Paragraf 52, Absatz 4, Num-
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mer 2, der StVZO. Hinzu kommen einige
weitere Gesetze und Regelungen, so dass
Hermann Heigl formuliert: „Der Einsatz
der Rundumkennleuchte kann nicht mit
einem Satz beschrieben werden.“
Nicht leicht überschaubar
Zugegeben, der gesamte Themenbereich
Bergen, Schleppen und Transportieren ist
alles andere als einfach. Selbst ein über
Jahrzehnte erfahrener Profi wie Hermann
Heigl bezeichnet ihn ganz offen als „nicht
leicht überschaubar“. Und: „Es ergeben
sich immer wieder neue Gesichtspunkte,
je länger und intensiver man diskutiert.“
Um so wichtiger sind Weiterbildungen.
Wer diese anbietet, steht im Infokasten
„Gesetze etc./Schulungen“ auf dieser Seite
unten. Die dort erwähnte StahlgruberStiftung, übrigens eine Einrichtung der
Stadt München, ist auch Anbieter von
Lehrgängen zum Thema Selbstschutz von
Pannenhelfern (vgl. Sonderheft „Räder &
Reifen“, Ausgabe Winter 2011/2012, ab
Seite 37).
Peter Diehl
Leserservice
Gesetze etc./Schulungen
Was ist zu beachten?
00Straßenverkehrsordnung (StVO)
00Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO)
00Arbeitsschutzgesetz
00Technische Richtlinie BGI 800
00Leitfaden zur Arbeitnehmerunterweisung, erstellt vom Verband der Bergungs- und
Abschleppunternehmen (VBA) und der Technischen Akademie Bergen und
Abschleppen (TABA)
Wer bildet weiter?
00Berufsgenossenschaft (auf Grundlage der Technischen Richtlinie BGI 800, Internet:
www.bg-verkehr.de)
00Stahlgruber-Stiftung (auf Grundlage der Technischen Richtlinie BGI 800 und mit
Beteiligung von Fachreferenten von Polizei und Gewerbeaufsichtsamt, Internet:
www. stahlgruber-stiftung.de)
www.autoservicepraxis.de
Kurzinterview
Drei Fragen an...
Hermann Heigl, Kfz-Meister und pensionierter Technischer Oberamtsrat des
Gewerbeaufsichtsamts München-Land, heute mit Heigl-Consulting beratend tätig.
Was können Folgen von Fehlverhalten bei der Pannenhilfe sein?
Es gelten StVZO und StVO in Verbindung mit der Technischen Richtlinie BGI 800.
Alle Verstöße gegen geltende Rechtsnormen können als Ornungswidrigkeiten
(Bußgeld) oder als Straftaten (Strafbefehl) durch die Behörden geahndet werden.
Wie bringen Sie Teilnehmer von Weiterbildungsmaßnahmen dazu, sich künftig
korrekt zu verhalten?
Das ist grundsätzlich nicht Sache des Arbeitnehmers, sondern des Unternehmers,
der für den Schutz seiner Arbeitnehmer zu sorgen hat. Der Unternehmer darf nur
Personen mit Tätigkeiten beauftragen, für die sie geeignet, ausgebildet und unterwiesen sind. Der Unternehmer ist verpflichtet, seine Anweisungen, die er in der
Betriebsanweisung schriftlich festgelegt hat, immer wieder zu prüfen und für den
Umgang mit Pannenhilfsfahrzeugen Gefährdungsbeurteilungen zu erstellen.
Gehen Sie davon aus, dass man sich auch daran hält?
Welcher Arbeitnehmer hat Interesse, seine Gesundheit oder sein Leben aufs Spiel
zu setzen, wenn er die Gefahr erkennt und sich seiner Verantwortung gegenüber
sich selbst und anderen Verkehrsteilnehmern bewusst ist? Dieses Bewusstsein
wird nur durch immerwährendes Schulen und Üben gestärkt. Nur geschultes,
unterwiesenes Personal bietet die Voraussetzung für einen reibungslosen und
unfallfreien Betriebsablauf. Nochmals: Arbeitsschutz ist Chefsache.
Ob die Rundumkennleuchte dieses Fahrzeugs eingesetzt
werden darf, hängt vor allem davon ab, ob es als Pannenhilfsfahrzeug anerkannt ist
Definitionen
Nicht verwechseln
00Bergen: Aufrichten und/oder Heraus-
Der Einsatz der Hubbrille ist mit dem Nothilfegedanken verbunden
www.autoservicepraxis.de
ziehen festsitzender Fahrzeuge (die
Bergung ist beendet, wenn das Fahrzeug zum Transport bereitsteht)
00Schleppen: jede Schlepptätigkeit, die
nicht unter den Nothilfegedanken des
Abschleppens fällt, ist Schleppen im
Sinn des §33 StVZO
00Abschleppen: Verbringen eines betriebsunfähigen Fahrzeugs von der
Fahrbahn oder einer anderen Stelle
zu einem möglichst nahe gelegenen,
geeigneten Bestimmungsort
00Anschleppen: dient dazu, ein betriebsunfähiges Fahrzeug wieder betriebsfähig zu machen (Sonderform des
Abschleppens)
00Transportieren: Fahrzeugtransport auf einem„Lkw für Fahrzeugbeförderung“
(Plateauwagen etc.)
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