Firewall in den Köpfen Handelsblatt print: Nr. 157 vom 18.08.2015 Seite 027 / Kommentar Meinung GASTKOMMENTAR Firewall in den Köpfen Bei der Digitalisierung sind Kunden schon viel weiter als die Firmen, beobachtet Ralf T. Kreutzer. Das Thema Industrie 4.0 beherrscht die Diskussion in der deutschen Wirtschaft. Es geht um die Informatisierung der Fertigungstechnik durch eine zunehmende Vernetzung von Lieferanten, Produktionsunternehmen und Kunden. Ziel ist die Entwicklung von "intelligenten Fabriken". Man gewinnt den Eindruck, dass sich die Notwendigkeit zur Auseinandersetzung mit der Digitalisierung und der damit verbundenen Neugestaltung von Produkten und Prozessen auf die Produktionsunternehmen beschränkt. Das ist allerdings viel zu kurz gesprungen. Die richtige Beschreibung für die vor uns liegenden Veränderungen ist Wirtschaft 4.0. Denn die notwendige digitale Transformation macht vor keiner Branche und keinem Unternehmen Halt. Deshalb sollte sich kein Unternehmenslenker entspannt zurücklehnen, weil sich die Diskussion mit Industrie 4.0 scheinbar nur auf den Produktionssektor beschränkt. Die Notwendigkeit einer mehr oder weniger umfassenden digitalen Transformation geht uns alle an. Zum einen ist festzustellen, dass sich die Customer Journey - das heißt der Weg des Kunden zum Unternehmen - durch die Vielzahl von digitalen Plattformen in den letzten Jahren massiv verändert hat. Dies gilt für Konsumenten und Unternehmenskunden gleichermaßen. In immer mehr Fällen beginnt die Customer Journey im Internet - unabhängig davon, wo ein Produkt oder eine Dienstleistung letztendlich erworben wird. Aber noch lange nicht alle Unternehmen stellen hierfür die relevanten Informationen online zur Verfügung. Zu häufig wird in den Unternehmen noch streng zwischen der Online- und der Offline-Welt unterschieden und beides häufig nicht ausreichend integriert. Die notwendige Verzahnung verhindern kognitive Firewalls in den Köpfen der Entscheider. Die Frage "online oder offline" stellt sich für den Kunden selbst oft nicht mehr. Wenn ein Kunde mit dem Smartphone im Geschäft steht und online eine Produktbewertung abruft: Ist das "online" oder "offline"? Wir müssen lernen, "no line" zu denken, nämlich so, wie die Kunden heute agieren. Es gilt: Die Kunden sind in den meisten Fällen schon viel "digitaler" unterwegs als die Hersteller. Deshalb werden die Anbieter erfolgreich bleiben, die diesen Weg konsequent anbieten, sei es Amazon, Google oder Airbnb. Das Internet der Dinge wird zum "Internet of everything": die gechipte Kuh, die ihre Temperatur meldet; die Windel mit einem Feuchtesensor - gekoppelt mit einer Alarm-App für das Smartphone der Eltern; das Auto, das sich zur Inspektion anmeldet. Kunden greifen so etwas oft gerne auf, weil es eines bietet: Bequemlichkeit. Unternehmen sollten sich in diese Prozesse einbinden, weil es automatisch eines erzeugt: Daten. Wir müssen die Prozesse der Datengenerierung wie auch die Möglichkeiten der Datennutzung für unser eigenes Unternehmen erschließen, um Kundennutzen zu schaffen. Facebook, Apple, Amazon & Co. sind unterwegs, die Kunden immer umfassender in ihre Systeme einzuweben. Mit immer mehr Angeboten und Bequemlichkeit. Die so gewonnenen Daten werden zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Wer hier nicht schnell genug agiert, wird den Anschluss verpassen. Der Autor ist Professor für Marketing an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. Sie erreichen ihn unter: [email protected] Kreutzer, Ralf T. Quelle: Handelsblatt print: Nr. 157 vom 18.08.2015 Seite 027 Ressort: Kommentar Meinung Dokumentnummer: 0510C3C9-94C3-4140-9F7A-9CA9D4D3E057 Dauerhafte Adresse des Dokuments: https://archiv.handelsblatt.com:443/document/HB__0510C3C9-94C3-4140-9F7A-9CA9D4D3E057%7CHBPM__0510C3C9-94C3-4140-9F7A Alle Rechte vorbehalten: (c) Handelsblatt GmbH - Zum Erwerb weitergehender Rechte: [email protected] Seite 1 von 2 Firewall in den Köpfen © GBI-Genios Deutsche Wirtschaftsdatenbank GmbH Seite 2 von 2
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