Fachdidaktik Chemie ETH Zwischenmolekulare Kräfte S. 1 Polare Bindungen Ziele • Schülerinnen können Partialladungen bestimmen • In kurzer Zeit eine Basis für die Erklärung von Wasserstoffbrücken legen Einstieg mit Experiment (Teil 1) Wasser in dünnem Strahl aus dem Hahnen oder einer Bürette fliessen lassen. Mit einem elektrisch geladenen Kunststoffstab ablenken. Lehrperson an die Klasse: Sie werden erfahren, warum der Wasserstrahl im elektrischen Feld abgelenkt wird. Das Phänomen wird später erklärt. Die Elektronegativität Definition: Die Elektronegativität ist ein Mass für die relative Fähigkeit eines Atoms, Elektronen eines andern Atoms an sich zu ziehen." (Definition nach C. E. Mortimer) Linus Pauling hat die Elektronegativität 1932 eingeführt. Es gibt verschiedene Verfahren, die Elektronegativität zu berechnen, direkt messen lassen sie sich nicht. Pauling ging von Bindungsenergien aus, Mulliken verwendete Ionisierungsenergie und Elektronenaffinität, während Allred und Rochow der Berechnung die Coulomb-Kräfte zu Grunde legten. Trotz unterschiedlicher Berechnungsverfahren sind die Werte ähnlich. Bei den Elektronegativitäten handelt es sich um relative Grössen, die qualitative Aussagen ermöglichen. (C. E. Mortimer et al., Chemie, Thieme-Verlag Stuttgart, 2010) Mein persönlicher Vorschlag: Elektronegativität nicht herleiten. Nur die Werte von Pauling verwenden und die anderen Verfahren nicht erwähnen. Weil es nicht einfach ist, die Werte vorherzusagen, braucht man eine Liste. Die Werte hängen von der Rumpfladung und der Grösse der Atome ab. Basil Denzler sagte in der Fachdidaktik 2014: "In meinem Klassenzimmer gab es eine Tafel mit den Elektronegativitäten. Jetzt kam endlich das Kapitel dazu. Kein Schüler hinterfragte die Zahlen." Lernaufgabe: Je grösser die Elektronegativität, desto stärker ziehen Atome die Bindungselektronen an. So entstehen Partialladungen. Input: 1. Bsp. H2O Lewisformel zeichnen, Elektronegativität aus dem Periodensystem ablesen und Partialladungen einzeichnen. Lernaufgabe: 2. Bsp. HCl 3. Bsp. Cl2 4. Bsp. C7H16 5. Bsp. (CH3)2CO Amadeus Bärtsch 18. Dez. 2015 Fachdidaktik Chemie ETH Zwischenmolekulare Kräfte S. 2 Auswertung: Diese Beispiele geben die Basis um mit den Schülerinnen die Stärke der Partialladungen zu vergleichen und einzuzeichnen. Die grösste Schwierigkeit besteht darin, dass eine Abschätzung nötig ist. Schüler haben lieber klare Zahlen. Experiment: Polare Moleküle im elektrischen Feld (Teil 2 mit Erklärung) Material: 2 Büretten, 2 oder 3 Kristallisierschalen. Kunststoffstab, Glasstab, Lappen aus Wolle, Magnetstab und magnetische Wassermoleküle, die bei http://www.lehrmittelbern.ch/phpwcms/index.php?Start erhältlich sind. Wasser, Heptan und Aceton Inszenierung: 1. Ich lenke den Wasserstrahl mit dem Kunststoffstab ab, der beim Reiben negativ wird. 2. Ein Schüler wird aufgefordert, Heptan, das aus der Bürette fliesst, mit dem negativ geladenen Kunststoffstab abzulenken. Trotz Wiederholung schaffen wir es nur bei Wasser, nicht aber bei Heptan. 3. Skizze mit Erklärung 4. Was geschieht, wenn ein positiv geladener Glasstab eingesetzt wird? Modell: magnetische Wassermoleküle drehen sich und werden in jedem Fall von einem Magnetstab angezogen. 5. Falls genügend Zeit bleibt: Bürette mit Heptan leeren und Aceton einfüllen. Wie verhält sich Aceton (CH3)2CO im elektrischen Feld? Die Schüler machen eine Voraussage. Sie skizzieren und erklären selbständig. Skizze und Erklärung: Amadeus Bärtsch 18. Dez. 2015 Zwischenmolekulare Kräfte S. 3 Fachdidaktik Chemie ETH Polare Bindungen sind stärker als apolare Bindungen Bindungsenergien Durchschnittliche Werte in kJ/mol bei 25 °C C Br Br 193 Cl Cl 242 N C 305 Br C 285 Cl H 431 N C 891 Br H 366 N H 391 F C 489 N N 163 C Br 285 F F 159 N N 418 C C 348 F H 567 N N 945 C C 614 N O 201 C C 839 H Br 366 N O 607 C Cl 339 H C 413 C F 489 H Cl 431 O C 358 C H 413 H F 567 C in CO2 803 C N 305 H H 436 O C 707 C N 891 H I 298 O H 463 C O 358 H N 391 O N 201 O in CO2 803 H O 463 O N 607 O O 146 O O 498 C Cl O C 707 339 I H 298 I I 151 O Reaktionswärme aus Bindungsenergien Warum ist eine Flamme heiss? Antwort: Bei Verbrennungen wird Wärme frei, weil apolare Brennstoffe in polare Substanzen umgewandelt werden. 1. Bsp. Erdgas CH4 brennt. Wie gross ist die Reaktionswärme? Vorlösen. Amadeus Bärtsch 18. Dez. 2015 Fachdidaktik Chemie ETH Zwischenmolekulare Kräfte S. 4 Mit einer Kette magnetischer Kugeln auf dem Hellraumprojektor zeigen, dass Energie aufgewendet werden muss um Bindungen zu brechen und Energie frei wird, wenn Bindungen gebildet werden. Da viele Schüler vom negativen Vorzeichen irritiert sind, das bei Energien steht, die frei werden, wird hier nur mit Beträgen gerechnet. Das Resultat muss mit dem Zusatz "wird frei" versehen werden. 2. Bsp. Propan C3H8 brennt. Wie gross ist die Reaktionswärme? Resultat: 2032 kJ. Diese Aufgabe können Schülerinnen selbständig lösen. Oft vergessen sie die C-C-Bindung. Resultat angeben und wie immer durch die Klasse gehen. Erkenntnisse: • Ein Vergleich zeigt, dass apolare Bindungen schwächer als polare Bindungen und Verbrennungen deshalb exotherm sind. Das lässt sich am ersten Beispiel besonders schön zeigen. • Verbrennungen sind Reaktionen mit Sauerstoff. Brennstoff enthalten meistens C- und H-Atome, die in der Flamme zu CO2 und H2O reagieren. HO O OH 3. Bsp. HO verbrennt. Berechnen Sie die Reaktionswärme. Resultat: 2752 kJ. OH OH Die Substanz absichtlich nicht benennen, weil die Bedeutung der Reaktion nachher diskutiert wird. Schüler berechnen die Reaktionswärme, was recht viel Zeit in Anspruch nimmt. Amadeus Bärtsch 18. Dez. 2015 Fachdidaktik Chemie ETH Zwischenmolekulare Kräfte S. 5 Experiment: Es ist schwierig eine Tablette Traubenzucker anzuzünden. Misserfolg mit einem Zündholz und mit der Tiegelzange in der Bunsenbrennerflamme. Erst in einer Porzellanschale wird die Tablette schwarz und entzündet sich nach langem Erhitzen endlich. Viel besser gelingt die Reaktion im Organismus. Eine Tablette in den Mund stecken und erklären, dass der Körper den Traubenzucker ohne Flamme verbrennt und die Reaktionswärme Energie liefert. Nährwerte von Lebensmitteln Die Reaktionswärme der Verbrennung ergibt den Nährwert, der auf der Lebensmittelverpackung steht. Experimente: 1. Spaghetti entzünden. 2. Haselnuss entzünden. Haselnüsse brennen sehr gut, weil sie viel Öl enthalten. Eine Büroklammer zurechtbiegen und die Haselnuss aufspiessen. Ein Reagenzglas mit Wasser in die Flamme halten. Mit dem Temperaturunterschied des Wassers lässt sich der Nährwert abschätzen. Ein Vergleich mit dem Nährwert auf der Packung führt zu einer Diskussion des Unterschieds. Die Berechnung der Reaktionswärme ist bei grossen Molekülen zeitaufwendig. Es lässt sich viel Zeit sparen, wenn man sich auf qualitative Aussagen beschränkt. Ein Beispiel: Weil in Fettmolekülen vor allem apolare Bindungen vorkommen, wird bei der Atmung mehr Energie frei als bei derselben Masse Zucker. Reflexion 1. Wann ist es Zeit für die polare Bindung? Vorschlag: kovalente Bindung, ionische Bindung, metallische Bindung und erst dann die polare Bindung thematisieren. Welche Vorteile und Nachteile ergeben sich aus dieser Reihenfolge? Vorteile: Nachteile: Amadeus Bärtsch 18. Dez. 2015 Fachdidaktik Chemie ETH Zwischenmolekulare Kräfte S. 6 2. Soll das Dipolmoment eingeführt werden? Im Grundlagenfach erkläre ich das Dipolmoment nicht. Markus Stieger vermeidet eine Definition des Dipolmoments und argumentiert geschickt mit Ladungsschwerpunkten: "Moleküle sind Dipole, wenn sie polare Bindungen besitzen und die Schwerpunkte der positiven und der negativen Partialladungen nicht zusammenfallen." (Markus Stieger, Elemente, Grundlagen der Chemie für Schweizer Maturitätsschulen, Klett und Balmer, Zug, S.115, 2008) Welche Haltung haben Sie? 3. Sind die Reaktionswärmen in diesem Kapitel gut aufgehoben? In welchem Zusammenhang würden Sie die Bindungsenergien diskutieren? Bitte begründen Sie Ihre Ansicht. Amadeus Bärtsch 18. Dez. 2015
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