Pilze und Protozoen - Medizinische Mikrobiologie

Pilze und Protozoen
Bettina Löffler
Institut für Medizinische Mikrobiologie
Universitätsklinikum Jena
Wintersemester 2015/16
Pilze
• Mikrobielle Pilze sind Eukaryonten
• Sie sind in der Umwelt weit verbreitet
• Wenige Arten verursachen einen Großteil der menschlichen
Pilzinfektionen
• Vereinfachte Einteilung für die Medizin: Dermatophyten, Hefepilze,
Schimmelpilze, Biphasenpilze
Pilze
• Sproßung: Herauswachsen einer Tochterzelle aus der Mutterzelle
• Hyphenbildung: Pilze bilden ein Myzel
• Pilze haben eine aus Chitin, Egosterol und Polysacchariden
bestehende Zellwand
Pilze
Allgemeine Aspekte der Pilzerkrankungen
• Pilzallergien: meist exogenallergische Alveolitiden; oft
Berufskrankheiten (z.B. „Holzarbeiterlunge“)
• Mykotoxikosen: Lebensmittelvergiftungen z.B. durch
Aflatoxin, Ergotalkaloide
• Primäre Mykose durch dimorphe Pilze (nur importierte
Fälle in Europa)
• Oppotunistische Mykosen durch Hefepilze: Kandidose,
Kryptokokkose
• Oppotunistische Mykosen durch Fadenpilze: Aspergillose,
Mucormykose
• Pneumozystiose: Lungeninfektion bei Immundefekten,
z.B. AIDS
Antigen
oder Toxin
vermittelt
Invasive
Pilzinfektionen
Pilze
Pathomechanismen
Virulenzfaktor
Funktion
Schleimkapsel
Schutz vor Phagozytose
Oberflächenproteine als Adhäsine
Adhärenz an Epithel- und Endothelzellen
Proteinasen
Gewebezerstörung und Invasion
Abwehrmechanismen
• Bakterielle Normalflora der (Schleim)Haut  Verhindert Kolonisation durch Pilze
• Anatomie von (Schleim)Haut  Verhindert Invasion von Pilzen
• Phagozytose durch Neutrophile Granulozyten  Elimination von Pilzen
 Opportunistische Mykosen v.a. bei Patienten: Störungen der Normalflora und
bei Immundefekten (neutropenen Patienten)
Dimorphe Pilze
Histoplasma capsulatum (Histoplasmose)
• dimorpher Pilz:
•
25 °C Schimmel
37 °C Hefe
• Erreger der Histoplasmose: Intrazelluläre Mykose des
mononukleären Phagozyten-Systems
• Vorkommen im Erdboden; Sporen gelangen durch
Inhalation in die Lunge
• Entwickeln sich zu Hefeformen in
Alveolarmakrophagen; Sprossung  granulomatöse
Entzündungsherde
• Hämatogene Disseminierung, Milz, Leber-Befall
• Über 90% der Infektionen bleiben klinisch stumm
Hefen
Candida
• Candida albicans (über 60% der Infektionen)
Candida glabrata
Candida tropicalis
Candida parapsilosis
……
• Gram-Präparat: Ovale Gram-positive Hefe,
weiße Kolonien auf Agarplatten
• Kommensal auf der Schleimhaut von Mensch und
Tier
• Infektionen v.a. bei geschwächten Immunsystem
(Neutropenie, Kortikoidtherapie,
Antibiotikatherapie)
• Katheterinfektionen
Hefen
Candida
Infektionslokalisationen: am häufigsten betroffen sind Schleimhäute
(Soor), feuchte und warme Hautregionen; auch innere Organe können
infiziert sein (invasive Kandidose)
Hefen
Cryptococcus neoformans (Kryptokokkose)
Im Erdboden und v.a. in Vogelmist vorkommend
wesentlicher Virlulenzfaktor: Kapsel
Infektion v.a. bei Immunsupprimierten
Inhalation der Erreger in die Lunge; Infektionsherd in der
Lunge  Ausbreitung in andere Organe, vor allem ins ZNS
• Meningitis/Meningoenzephalitis
• Bei AIDS-Patienten eine lebenslange Prophylaxe nach
Infektion
• Diagnose: Liquorsediment, BAL → Tuschepräparat
Kultur auf Spezialnährböden
Nachweis des Kapselantigens
•
•
•
•
Fadenpilze
Aspergillus (Aspergillose)
• Von einem Prister (Micheli) erstbeschrieben: Aspergil (Weihwasserwedel)
• Ubiquitär vorkommend, vorwiegend in Heu, Kompost, kohlenhydratreichen
Lebensmitteln (Brot), Gartenerde
• einige Arten pathogen, einige Arten bilden Toxine (Aflatoxine)
• Aspergillus fumigatus
Aspergillus niger
Aspergillus flavus
• Krankheiten:
 Allergien,
 Intoxikationen (Aflatoxine)
 Infektionen:
 Aspergillom (in vorgebildeten Höhlen: z.B.: TB-Kavernen)
 Systemische Mykose parenchymatöser Organe
• Infektionen bei immunsupprimierten Patienten häufen sich bei
Baumaßnahmen
Fadenpilze
Aspergillus (Aspergillose)
Infektionslokalisationen: wichtigster Eintritt ist das Bronchialsystem,
aber auch Hautverletzungen
Aspergillom:
Pilzknoten in
vorgeformter Höhle,
z.B. Tb-Kaverne
Nasennebenhöhlen: Endophthalmitis:
nach Verletzung,
wichtigster Pilz
Oft Verlust des
Auges
Prävention: bei Patienten nach Knochenmarktransplantation: Filterung der Atemluft
Fadenpilze
Mucorales (Mucormykosen)
• Ubiquitär vorkommend, auf zerfallenden Pflanzenmaterial
• Typische Opportunisten, nur bei Patienten mit
Immundefekten
• Angiotropismus (vermehren sich in Gefäßen 
Infarktbildung
• Rhinozerebrale, pulmonale, gastrointestinale, kutane
(nach Hautverletzungen) Mukormykose
• Schlechte Prognose
Fadenpilze
Penicillium (Penicilliose)
• Im Erdboden vorkommend
• Wächst im menschlichen Gewebe als Hefe, in der Natur
als Schimmelpilz
• Häufige opportunistische Infektion bei AIDS-Patienten
(Asien)
• Inhalation von Sporen; Infektionsherd in der Lunge 
Ausbreitung in andere Organe
Pilzinfektion
Diagnostik
• Materialentnahme vom Rand des Herdes oder an der Normalflora
vorbei
• Primärpräparat – Proben von Haut, Haaren, Nägeln mit 10%KOH
aufhellen
• Sputum, bronchoalveoläre Lavage (BAL),
Liquor mit Calcofluor-White-Färbung;
20% KOH-Lösung
• Pilz-Kultur (Sabouraud-Nahrböden)
• Antigen-Nachweis im Blut
(Candida, Cryptococcus: Mannane Aspergillus:
Galactomannane)
• PCR (18-S-RNA-Gen-PCR)
• Antikörper-Nachweis (Candida)
Pilzinfektion
Pilze bei Sepsis und in Blutkulturen
Expert Review of Anti-infective Therapy
Volume 10, Issue 6, 2012
• Die häufigsten Erreger von Sepsis sind Gram-positive Bakterien,
gefolgt von Gram-negativen, aber auch der Anteil von Sepsis durch
Pilze wächst
• Betroffen sind vor allem Immunsupprimierte Patienten
• Fungämien gehen sehr häufig von besiedelten Kathetern aus
Pilzinfektion
Therapie
Systemische Pilzinfektionen:
• Amphotericin B,
liposomales Amphotericin B,
• 5-Fluorcytosin
• Itraconazol
bei Aspergillose zur Langzeittherapie
bei nicht lebensbedrohlichen Infektionen
• Fluconazol
bei Candidiasis (cave: C. krusei)
• Voriconazol bei schwerer systemischer Aspergillose
• Caspofungin bei schwerer systemischer Candidose
Pneumocystis jirovecii
• Pilz aus der Gattung Pneumocystis
• Nach dem Entdecker Otto Jirovec benannt
• im Menschen vorkommende Krankheitserreger (P. jirovecii)
unterscheidet sich von dem in Ratten entdeckten
Pneumocystis carinii unterscheidet
• Vorkommen bei Gesunden in Bronchialepithel
• Klinisch manifeste Infektion bei schweren Defekten der
zellulären Immunität
• Nicht kultivierbar
Pneumocystis jirovecii
• atypische Pneumonie bei HIV-Infizierten
(interstitielle Lungenentzündung (PCP) durch
starke Vermehrung in der Lunge  Schädigung
des Alveolarepithels
bei unreifen Frühgeborenen,
bei Mangelernährung,
nach Kortikoid-Therapie,
bei malignen Tumoren
• Diagnose: Primärpräparat aus BAL
quantitative PCR
• Therapie: Cotrimoxazol (90-120 mg/kg/d iv.)
Pentamidin (3-4 mg/kg/d iv.)
• Prophylaxe bei AIDS:
Pentamidin-Inhalation
Bronchoalveoläre Lavage
Kutane Mykosen
Dermatomykosen durch Dermatophyten
Pilze die Gewebe infizieren, in dem reichlich Keratin vorkommt
Vorkommen: Erdboden, Tiere
Filamentöse Pilze; gut kultivierbar
Übertragung: Mensch zu Mensch; Tier zu Tier; indirekt durch
Gegenstände
• 3 Gattungen:
•
•
•
•
• Trichophyton; z.B. T. rubrum
• Microsporum; z.B. M. canis
• Epidermophyton; z.B. E. floccosum
Tinea pedis
Onychomykose
Tinea capitis
Tinea barbae
Kutane Mykosen
Dermatomykosen durch Dermatophyten
• Diagnose: Geschabsel von Haut und Nägel oder Haare
mikroskopischer Nachweis der Pilze
Pilzkulturen
• Therapie: (Griseovulfin), Ternbinafin, Azole;
lokal oder systemisch bei massiven Befall
Parasiten
Parasit ist ein Lebewesen, das sich zeitweise oder dauernd auf oder in
einem anderem, artfremden Lebewesen (Wirt) aufhält, auf dessen
Kosten lebt und pathogene Eigenschaften besitzt.
Krankheiten sind Parasitosen
Eukaryotische Krankheitserreger:
• Protozoen (Einzeller)
• Animalia (Tiere):
• Helminthen (parasitische Würmer)
• Arthropoden (Gliederfüßer)
Bedeutsame Protozoen (Einzeller)
Stamm/Unterstamm Klasse
Genus (Beispiele):
(Giardia)
(Trichomonas)
–
Metamonada
– Axostylata
Diplomonadae
Parabasalae
Amoebozoa
– Heterolobosa
– Euglenozoa
• Kinetoplasta
– Alveolata
Apicomplexa
Lobosa
(Entamoeba, Acanthamoeba)
Schitzopyrenidae (Naegleria)
–
Ciliophora
Trypanosomatidae (Leishmania, Trypanosoma)
Coccidea
(Toxoplasma, Cryptosporidium,
Isospora, Sarcocystis, Cyclospora)
Haematozoa
(Plasmodium)
Piroplasmae
Litostomatae
(Babesia)
(Balantidium)
Gardia
Gardiose, Lambliose
• Weltweit, Tiere (bei Kindern, bei Immunsuppression, AIDS
2002: 3102 gemeldete Fälle in Deutschland)
• Infektion durch Zysten (10 – 15 µm)
• Trophozoiten (10 – 20 µm) befallen den oberen Dünndarm,
nicht invasiv,  wässrige Durchfälle, Resorptionshindernis
• Ausscheidung als vierkernige Zyste
• Diagnose: Mikroskopie einer Stuhlaufschwemmung
• Therapie: Metronidazol 0,75 g/d, 7 Tage,
Einmaltherapie mit Tinidazol
Meldepflicht
• asymptomatische Träger behandeln!
Gardia
Entwicklungszyklus
Trophozoit: Vermehrung
durch Zweiteilung
Zysten: Überlebensform
außerhalb des Wirtes
(mehrere Monate)
Trichomonas vaginalis
Trichomonose
•
sexuell übertragbar, bewegliches anaerobes
Protozoon
•
Vermehrung durch longitudinale Zweiteilung
•
Bilden keine Zysten, Reservoir ist der Mensch
•
Übertragung auch in nicht gechlorten Thermalbädern
möglich
•
IKZ 2-24 Tage: Vaginitis, Urethritis durch Anheften
von Erregern am Epithel; aber auch symptomlose
Verläufe
•
Diagnose: Mikroskopischer Erreger-Nachweis
•
Therapie: Metronidazol, Partnerbehandlung!
Trichomonas vaginalis
Entwicklungszyklus
Sehr begrenztes Überleben in
der Umwelt
Amöben
Amöbose
humanpathogen:
Entamoeba histolytica

Amöbenruhr, Amöbenleberabszess
Acanthamoeba culbertsoni

Keratitis bei Kontaktlinsen-Trägern
Auch apathogene Spezies, die morphologisch nicht unterschieden werden können
Entamoeba histolytica
Amöbenruhr, Amöbenleberabszesse
• Entamoeba histolytica kommt weltweit vor
(vorwiegend Tropen)
• Infektion durch Zysten-haltige Nahrungsmittel,
Trinkwasser
(Schälen – Kochen – oder Vergessen)
• Pathogenese: Invasion des Darmepithels, durch
porenbildende Peptide (Amoebapor A-C),
Bildung von Ulcera, metastatische Abszesse in
verschiedenen Organen:
Leber, Lunge Gehirn etc.
• Leichte Verwechslung mit gering pathogener
Entamoeba dispar
Leberabszess
Entamoeba histolytica
Entwicklungszyklus
Entamoeba histolytica
Invasive Amöbose
•
intestinale Manifestation: Amöbenruhr (blutigschleimiger Durchfall)
•
extraintestinale Manifestation:
Abszesse in Leber, Milz, Peritoneum, Lunge und
Gehirn,
•
Abszesseiter enthält meist keine Amöben,
Amöben befinden sich im Gewebe!
Entamoeba histolytica
Diagnostik
• Nachweis von Zysten im Stuhl bei
Ruhr-Symptomatik oder OrganAbszessen und Reiseanamnese
• Nachweis von Trophozoiten nur
in noch warmem Stuhl!
• Zysten von E. histolytica und
E. dispar morphologisch gleich,
nur durch Antigennachweis oder
PCR unterscheidbar
• Antikörper-Nachweis zur Diagnose von Organabszessen wertvoll!
• Therapie der intestinalen Infektion:
Metronidazol, Ornidazol, Tinidazol, Oxytetracyclin
• Therapie von Organ-Abszessen: Chirurgisch + Nitroimidazole
Alveolata
Coccidea/ Haematozoa/ Piroplasmae
• ausschließlich parasitär lebende Protozoen
• Wechsel von geschlechtlicher und ungeschlechtlicher
Vermehrung
• Ergebnis der geschlechtlichen Vermehrung: Oozysten,
daraus bilden sich Sporozoiten
Infektion durch:

Sarcocystis

Sarkosporidiose

Isospora belli

Darmkokzidiose

Cryptosporidium

Kryptosporidiose

Toxoplasma gondii

Toxoplasmose

Plasmodium

Malaria
Cryptosporidium
C. hominis; C. parvum
• Bei Immunkompetenten: meist inapparent
oder als selbstlimitierende
Durchfallserkrankung
• Bei Immungeschwächten: anhaltende,
Cholera-ähnliche Diarrhoen
Pathogenese:
• Perorale Aufnahme von Oozysten
• Im Darm freigesetzten Sporozoiten dringen in
dem Mikrovillisaum des Darms ein, Entwicklung
Diagnostik:
Nachweis von Oozysten im Stuhlausstrich
Toxoplasma gondii
Toxoplasmose
Infektion beim immunkompetenten Patienten:
Infektion läuft meist
unbemerkt ab, gelegentlich Lymphkotenschwellung am Hals
(Piringer Lymphadenitis) und grippaler Infekt,
Toxoplasmen werden hämatogen im Körper verteilt und
siedeln sich in der Muskulatur (auch Herzmuskel) Auge und
Gehirn an  Gewebszysten.
Bei verminderter Immunität
kann die Infektion wieder
aufbrechen
 Chorioretinitis, Myokarditis
Toxoplasma gondii
Toxoplasmose
• bei AIDS: Vorhandene Gewebszysten
werden aktiviert  Enzephalitis,
Myokarditis, Pneumonie, Choreoretinitis
• In der Schwangerschaft diaplazentare Übertragung
der Toxoplasmen nur bei Erstinfektion
(3 Toxoplasmosefälle / 1000 Lebendgeburten)
• Übertragung im 1. Trimenon 15%
2. Trimenon 30%
3. Trimenon 60%
• frühe Infektionen führen zu
schwereren Schäden: Enzephalitis
 intrazerebrale Verkalkungen, Hydrocephalus
Choreoretinits
• latente Infektion
des Neugeborenen: Choreoretinitis, geistige Retardierung
Toxoplasma gondii
Entwicklungszyklus
Toxoplasma gondii
Diagnose, Therapie
• Erreger-Nachweis: (durch direkte Immunfluoreszenz,
Tierversuch, PCR) nicht in der Routine-Diagnostik
• histolog. Untersuchung von Lymphknoten
• Antikörpernachweis: (KBR), IFAT,
ELISA, ISAGA
• Wichtig für die Feststellung einer frischen Infektion
ist Nachweis von IgM oder eine niedrige
Avidität der spez. Antikörper.
• Therapie bei symptomatischer Erkrankung:
Pyrimethamin + Sulfonamid
• Therapie in der Schwangerschaft: 1. Trimenon: Spiramycin 3g/d, später
Pyrimethamin+Sulfonamid+Folinsäure (4 Wochen)
• Prophylaxe bei AIDS: Cotrimoxazol
Zusammenfassung: Pilze und Protozoen
• Pilze
• Invasive Pilzinfektionen sind besonders ein Problem bei
immunsupprimierten Patienten (z.B. Candida-, Aspergillus-,
Kryptokokken- und Pneumozystiose-Infektionen)
• Therapien von Pilzinfektionen sind langwierig und teuer
• Hautmykosen betreffen viele Patienten, sind nicht bedrohlich, sollten
aber therapiert werden, weil sie nicht selbstlimitierend sind.
• Protozoen:
• einige Protozoeninfektionen nehmen schwere Verläufe bei
Immunsupprimierten Patienten (z.B. Cryptosporidium, Toxoplasmose)
• Amöbenruhr und Amöbenabszesse sind gravierende Infektionen auch
beim Immunkompetenten
• Toxoplasmose in der Schwangerschaft kann zu Übertragung und
Schäden beim Kind führen.