212 Miszellen aus der Arbei t des Mittellateinischen Wörterbuches In

212
PAYS DE LANGUE ALLEMAND E
Miszellen aus der Arbei t
des Mittellateinischen Wörterbuches
CACOETHES
In einem versifizierten Katalog der Freisinger Bischöfe aus de r
zweiten Hälfte des 12 . Jahrhunderts heißt es (MG Script ., XXIV ,
p . 3 1 7, 35 sal . )
Atto pater quintus, pastoris nomine dignus,
Exosor cathecum condecorat meritum .
Auffällig ist das einwandfrei überlieferte Wort cathecum, von dem
zunächst soviel feststeht, daß ein von exosor abhängiger Genetivus
obiectivus vorliegen muß . Sieht man sich die Distichen, von dene n
jedem Bischof eines zugedacht ist, auf ihren Wortschatz hin an, so
sind einige Seltenheiten zu bemerken, nämlich orchestra Sitz ',
associus und praecluus 1. Auch exosor ist, antik nicht greifbar, im
Bereich des MLW nur noch im Ruodlieb (II 6o) belegt, was nicht
unbedingt zu der Annahme einer Abhängigkeit führen muB, da ein e
spontane Neubildung nach den gängigen Wörtern osor und exosus leicht
möglich war .
Vom Inhalt her bietet die Dichtung wenig, die einzelnen Bischöf e
werden mit allgemein gehaltenem Lob bedacht und individuelle
Züge treten kaum hervor. Der mit cathecum ausgedrückte Gegenstand
des Hasses könnten Personen oder Sachen sein . Die erste Möglichkeit
dürfte deshalb von vornherein auszuschließen sein, weil ein Ha B
gegen irgendwelche Menschen den Grundanschauungen des Christentums widerspräche. Hingegen ist HaB auf etwas von christliche m
Standpunkt aus Verwerfliches durchaus berechtigt, so sind z . B . im
Material des MLW unter osor Verbindungen mit titis (CARM . de Tim .
To), vitiorurn (SALOM0 II. epist . 26) und gloriae (NOTICER . BALB .
Gall. 1 g) anzutreffen .
Seinem Gepräge nach macht cathecum den Eindruck griechische r
Abstammung, das anlautende cat(h)- könnte an ein Kompositum mi t
1 . Antik sind nur praecluis
belegt.
(MART . CAP .
ma .) und praecluens
(PRUD . u .a . )
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denken lassen . Zieht man die einschlägigen Lexika zu Rate,
so findet sich zunächst kein Wort, das seiner Gestalt und seiner Bedeutung nach in Frage käme . Es wird also im weiteren Umkrei s
Ausschau gehalten werden müssen .
Im ersten Moment mag es kühn erscheinen, wenn cacoethes zur
Debatte gestellt wird, denn schon rein formal ist die Distanz beträchtlich . Im antiken Latein begegnet dieses Wort nicht selten, aber i m
Gegensatz zum Griechischen nur im medizinischen Bereich, wo es,
als Adjektivum und neutrales Substantivurn verwendet, ` bösartiges Geschwür) ' bedeutet . Aus dem Artikel im Thesaurus Linguae
Latinae kann herausgelesen werden, daß dieser Terminus wahrscheinlich von Celsus ins Latein eingeführt wurde, aber im Spätlatein a n
Beliebtheit verlor, was eine Bestätigung dadurch finden könnte, da ß
er auch im Mittellatein sehr selten vorkommt 2.
Ein stärkeres Nachleben war dem einzigen literarischen Beleg
beschieden . Bei Iuvenal (7, 50 sqq .) heiBt es :
rcaTd
Nam si discedas, laqueo tenet ambitiosum
[Consuetudo mali, tenet insanabile multos] 8
Scribendi cacoethes et aegro in corde senescit .
Was die Interpretation betrifft, so handelt es sich hier eher u m
eine metaphorische Verwendung des zu Iuvenals Zeit geläufige n
medizinischen Fachausdrucks (` krankhafte Sucht ' FRIEDLÄNDER) ,
als um einen Rückgriff auf das Griechische mit seinem semasiologisc h
größeren Spielraum. Dieser Terminus, als substantiviertes Neutru m
auf -es im Lateinischen ohnehin ungewöhnlich, erwies sich späte r
als erklärungsbedürftig . So schreiben die luvenalscholien (p . 123, 13
sqq ., ed. P. WESSNER, 1957), auf die ursprünglichere Bedeutun g
zurückgreifend : mala consuetudo scribendi . . . mali mores . Mit der
letztgenannten Interpretation war der Ansatzpunkt geschaffen, i n
dem Wort einen Plural zu sehen und diesen bisweilen sogar persönlich
aufzufassen 4.
2. So in der entstellten Form caucuetis (s . MLW II 387, 25) ; diese hat eine
gewisse Ähnlichkeit mit der Glosse catuetis aderoma (III 599, 30, ed . GoErz) ,
die M . NIEDERMANN, Essais d ' étymologie et de critique verbale latines, 1918, S . 9 1
eindeutig geklärt hat .
3. In neueren Editionen getilgt .
4. Vgl . GLOSS . V 653, 26 (ed . GOETZ) cocohetes grec<e> mali mores ; in lateinischdeutschen Glossaren interpretiert als boeser syt o. brauch, bo/3 sitten, boeß manier,
S . L . DIEFENEACH, Glossariuni Latino-Germanicum mediae et infznzae aetatis ,
1857, p . 860 . — In jüngeren Iuvenalglossen findet sich die Deutung malus more s
habentes (p . 123, 28, ed . WESSNER) .
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Parallel mit der zunehmenden Unsicherheit in der Deutung diese s
Wortes läuft ein Schwanken in der Schreibweise, wie schon ein Blic k
in den kritischen Apparat der maßgebenden Iuvenalausgabe vo n
U . KNO CHE zeigt, wo vereinfachend o (h) acoet (h) es, c (h) ac (h) etes
angeführt wird . Neben dem Durcheinander in der Aspiration fäll t
die Wortverkürzung durch Auslassung des o auf, die bereits in de r
spätantiken ' Vulgatredaktion ' des Iuvenaltextes vorgenommen
worden ist ó, vielleicht unter der Einwirkung einer formal und semasiologisch nahestehenden Wortsippe, nämlich von cachexia (mit
Nebenform cacoexia), caclaectes u .ä ., worauf auch eine luvenalimitation
Thiofrieds von Echternach (Willibr. II 3, 33 sq .) hindeuten könnte :
Son bendi cachetes, scriptis digna tacetetes 5 ,
Ambo licet cessent, tarnen orbis signa recenset.
Inhaltlich geht es hier darum, daß Allruin mit seinem Schüle r
Karl dem Großen der Vorwurf gemacht wird, daß sie beide, durc h
rhetorisch-dialektische Studien abgelenkt, den Wundern des hi .
Willibrord die gebührende Darstellung vorenthalten hätten, obwoh l
sie ' schreibsüchtig' gewesen wären . Es ist also, wie schon vo m
Herausgeber bemerkt ist, cachetes als Masculinum pluralis aufzufassen. Eine völlige Gleichsetzung von cacoethes und cachexia in
medizinischem Sinne findet sich in dem Alphita-Glossar (s . MLW I I
13, 7) .
Nicht nur in der Aspiration und durch Auslassung des o ist di e
Orthographie von cacoethes in Unordnung geraten, sondern auc h
durch das Eintreten eines Dentals an die Stelle des zweiten c, so bei
Vinzenz Kadlubek (Anfang des 13 . Jahrhunderts) in cathetes 7 . Auch
bei cachecticus kommt die Schreibung cate- vor B. Bei diesen zahlreiche n
5.
S . U . KNOCHE, Handschriftliche Grundlagen des luvenaltextes (Philologu s
Suppl. XXXIII, 1), 1940, S . 289f., vgl . S . 136 .
6. Der um eine Silbe zu kurze Vers, was der Editor anscheinend nicht bemerk t
hat, könnte durch Einfügung von sed geheilt werden : scriptis (sed) dign e
tacentes. Eine Wiederherstellung des cacoethes aus Iuvenal würde zwar auch die
notwendige Silbenzahl ergeben, aber der mittelalterlichen Reimtechnik wider sprechen .
7. S . Lexicon mediae et infamae Latinitatis Polonovum, II (1959 /67) p . 4 :
ebenfalls aus dem polnischen Bereich : cathesis ' mali mores ', korrekt cachexis ,
S . OP . cit ., p . 252 .
B . S. MLW II 9, 26f., außerdem als Variante in D1osc . lat . 2, 2 und 5, 39 ,
in demselben Werk catastomacu für cacostomachus (1, 40, p . 103 b, 3) . In diese m
Zusammenhang sei noch auf hatopapa für hacopapa (s . MLW II 12, 53) hinge wiesen,
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Variationen in der Schreibweise von cacoethes und ähnlichen Graec a
dürfte auch eine Entstellung zu cathecum durch Vertauschung der
Reihenfolge von c und th durchaus im Bereich des Möglichen liegen, u m
so mehr, als eine Bedeutung `mali mores', wie sie in Scholien und Glossen
gut belegt ist, neben exosor gut in den Zusammenhang passen würde .
CASTALITAS
Sollte sich mit dem Hapax castalitas wirklich ein ` ghost-word '
in das MLW eingeschlichen haben ? Nach den Ausführungen vo n
J . W . SMIT in seiner Spezialuntersuchung über Columban °, bei de m
der einzige literarische Beleg begegnet, wäre es an dem . In der schwülstigen Begrüßungsadresse eines Briefes an Papst Gregor den Große n
(1,1 p . 2,3, ed. G .S .M. WALKER, 1957) heißt es : egregio speculatori ,
theoria utpote divinae (-a S) castalitatis (-stul- S) perito (potito MS) ,
wofür SMIT theoria utpote divina ac actuali statu potito einsetzen
möchte. Damit würde dem Lemma castalitas seine Existenzberechtigung abgesprochen werden, obwohl dieses nicht nur in den beide n
Abschriften, die im 17 . Jahrhundert von einer heute verlorene n
handschriftlichen Grundlage vorgenommen worden sind (= M und S) ,
also in der einzigen Überlieferung des genannten Briefes, gut bezeugt
ist, sondern auch noch durch eine Glosse aus einem im frühen 7 .
Jahrhundert in Bobbio geschriebenen St .-Galler Codex gestützt
wird 10, was in seiner Bedeutung von SMIT völlig verkannt wird .
Auszugehen ist von folgender Fragestellung : Wie konnte die rein
formal klare Wortfolge ac actuali statu, die SMIT als die genuine ver ficht, in einem komplizierten Veränderungsprozeß, nach Ausweis de r
Glosse schon in früher Zeit, zu dem seiner Bildung nach einwandfreien Substantiv castalitatis werden, während der natürliche Vorgang
der gewesen wäre, daß an einem seltenen und semasiologisch nich t
auf Anhieb voll verständlichen Wort, wie es castalitas sein mochte ,
herumkorrigiert worden wäre ? Dieses grundlegende Problem wird
von SMIT (S . 55) nur am Rande und paläographisch in ganz unzulänglicher Weise behandelt, womit den weitschweifigen andere n
Erörterungen von vornherein die solide Basis fehlt .
Es gehört zu den auffälligen Merkmalen des Briefes an Gregor ,
daß in ihn singuläre Wörter eingestreut sind, so calcenteris (1, 3
9 . Studies on the Language and Style of Columba the Younger (Columbanns) .
Academisch Proefschrift. Amsterdam, 5971, S . 39ff .
Io . GLOSS . IV 214, 4 (ed . GoETZ) castalitati de elogutione .
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17), scyntheniui1s (I, 4 p . 4, 25), bubum (i, 4 p. 6, 12), chilosuin
(i, 5 p . 8, 6) . In einen solchen Rahmen würde sich auch eine Rarität
wie castalitas gut einfügen . Was die Bedeutung betrifft, so bietet sic h
als das Nächstliegende eine Anlehnung an die alte Glosse an, inde m
man elocutio als ` Aussage ' übersetzt, die von höheren Mächte n
eingegeben ist, ohne daß die etymologische Beziehung zu den Muse n
als heidnischen Gottheiten als anstößig empfunden wäre ; dafür
waren diese schon zu sehr zu rhetorischen Figuren verblaßt 11. An
unserer Stelle wird es sich, wie schon CH . MOHRMANN vermutet hat 12,
um die Heilige Schrift handeln . Eine ähnliche singuläre Wortbildung
liegt in dem Adjektiv castalinus vor, das in Pseudo-Cyprians Cena
(vs. 58) ebenso wie in deren späterer Überarbeitung durch Johannes
Diaconus in bezug auf Susannas Gewand gebraucht wird und in seiner
Bedeutung stark von castus beeinflußt ist, ein Zeichen dafür, da ß
Wörter dieser Art semasiologisch nicht mehr fest umrissen waren .
Der Textgestaltung von SMIT stehen noch weitere Bedenken entgegen. Die unmittelbare Aufeinanderfolge zweier gleicher Silben be i
ac actuali ist als krasse Kakophonie einem so guten Stilisten wi e
Columban nicht zuzutrauen . Auch die Verbindung von statu mi t
actuali, also von zwei nahezu konträren Begriffen, ist anstößig. D a
sie sich offenbar anderweitig nicht belegen läßt, muß zu gewundenen
Erklärungen Zuflucht genommen werden, und zwar in der Weise ,
daß status als Funktion des Papstes oder als dessen Position de s
Wächters (speculator), ähnlich wie statio, aufgefaßt oder der Metaphe r
vom Höhenflug der Kontemplation, wie sie bisweilen vorkommt ,
als Ausdruck des Statischen gegenübergestellt wird . Ebensowenig
ist überzeugend, daß theoria ' Kontemplation ' als die eine Seit e
bischöflicher Amts- und Lebensführung unbedingt auch die Erwähnung der anderen weniger gewichtigen, nämlich des Tätigseins,
nach sich ziehen müsse . Auch kann dem Wort castalitatis dadurc h
nicht die Grundlage entzogen werden, daß der Lesart divina der
Vorrang vor divinae eingeräumt wird, wodurch Verbindung mit
theoria und Parallelität zu actuali statu hergestellt werden soll .
p . 2,
CHAURARIU S
Das Vorkommen dieses Lemmas ist örtlich und zeitlich eng begrenzt .
Es findet sich nur in Urkunden des Klosters Niederaltaich aus de r
ii .
Vgl . RHYTHh4 . 115, 52, 3
12 .
Vigil . Christ . 16 (1962) S. 222 .
laec de saltu mitai lune dixere Castalides ,
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Amtszeit des auch als Geschichtschreiber bekannten Abtes Herman n
( 12 4 2-75) . Über die Bedeutung des 'Wortes gibt folgende Stelle eindeutig Auskunft : ius istud habent chaurarii : unus maior et du o
minores facient omnia nova vasa et ligabunt vetera (Mon . Boica XI ,
1 77 1 , p . 44, 20) . Es handelt sich also um Handwerker, die heutzutag e
gewöhnlich als Böttcher oder Schäffler bezeichnet werden .
Die Etymologie des Wortes ist auf den ersten Blick nicht recht
erkennbar . In den Lexika findet man keine brauchbare Hilfe . Wenn
bei Du CANGE zu lesen ist : chauvrerius ' pro cofrerius, faber capsarius ,
so mag zunächst eine gewisse Verbindung zu chaurarius lautlich und
semasiologisch nicht ausgeschlossen erscheinen, doch dagegen sprich t
schon die geographische Distanz zwischen Limousin, wo der einzig e
Beleg für chauvrerius zu lokalisieren ist, und Niederbayern . J. A.
SCHMELLER 13 führt chaurarius mit Bezug auf die oben erwähnt e
Urkunde unter ` Schäffler ' an, ohne sich etymologisch festzulegen .
Auf die richtige Spur dürfte die Karte ` Böttcher ' im Deutsche n
Wortatlas 14 fuhren . Sie zeigt nämlich fast kreisförmig um Regensbur g
herum ein Gebiet, in dem noch heute die das Handwerk des Böttchers
Betreibenden mit ` kaufner ' , ` kouffer' u .ä . benannt werden. Da es
sich hierbei offensichtlich um Bezeichnungen handelt, die im Rückzu g
begriffen sind, kann auch das nicht ferne Kloster Niederaltaich, da s
heute außerhalb des Einzugsbereiches liegt, früher dazu gehört haben ,
ähnlich wie Regensburg, wo vielleicht der Ausgangspunkt diese s
auf lateinisch cuparius zurückgehenden Wortkomplexes zu suchen
ist 16
Die normale Entwicklung von cuparius führte über die vulgär lateinische Form coparius zu mhd. kuofaere, latinisiert chuoeffarius ,
wie in einer Salzburger Urkunde bezeugt ist lß. Im Nordbayerische n
wurde der Diphthong uo des Mittelhochdeutschen zu ou 17 , von wo
lautlich der Weg zu au nicht mehr weit war, wie auch die erwähnt e
Dialektform ` kaufner ' zeigt . Auffällig sind in chaurarius das zweifache r sowie das fehlende f. Was letzteres betrifft, so kann eine Erwei13. Bayerisches Wörterbuch, II2, 1872 X77, S . 376 .
14. Bd . IX, 1959 . Für germanistische Hinweise sei Herrn Dr . O . WEBER
vom Bayerischen Wörterbuch bestens gedankt .
15. Im Zusammenhang hiermit mag stehen, daß cuparius, im Material de s
MLW selten belegt, zweimal in Regensburg begegnet : TRAD . Ratisb . 9o 8
(a . 1175) Richolfus cupparius, 974 (a . 1183 /84) Oudalric Swarscepfe cupparius .
16. CHART. Salisb . IV 85, p. 91, 19 (a . 1276) artifices cupparunz salis, quo s
vulgaris elocucio clzuoeffarios nuncupat .
17. Vgl . E. KRANZMAYER, Historische Lautgeographie des gesamtbairische n
Dialektraumes, 1956, § 17 a, 2 .
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chung vor r zu einer Verschmelzung mit dem vorausgehenden Vokal
geführt haben oder auch nur Haplographie vorliegen, da damals i n
deutschen oder auch aus dem Deutschen übernommenen Wörtern f
und u promiscue geschrieben wurden . Das mittlere r kann durch
Analogie zu ähnlichen Ausdrücken, z . B. becherer 18 , entstanden sein ,
wie auch das n in ` kaufner ' sekundär ist .
In chaurarius liegt zweifellos die Latinisierung eines volksttimlichen Wortes vor, das in einer anderen Urkunde aus Niederaltaic h
begegnet : testes surrt . . . Heinricus Otlinger, tres chaurer, Heinricu s
decants de Linzt (SB Wien XI, 1854, S . 8941 ) 19 • Diese drei Handwerker müssen sehr bekannt gewesen sein, was sich schon darau s
ergibt, daß man in der Zeugenliste ihre Personennamen nicht genann t
hat, so auch in einer weiteren Urkunde : testes Chuonradus Teufenweger
derchmaister et chaurarii (Archiv f . österr . Geschichtsquellen 1, 1 ,
1948, S . 26, 5) . Es ist also anzunehmen, daß diese singuläre Berufsbezeichnung an drei damals populäre Handwerker gebunden war, wi e
sich auch daran zeigt, daß in der erstgenannten Urkunde für die
Überschrift das gut lateinische Wort doliariorum gewählt ist .
CHILOSUS
Columban schreibt in dem schon oben bei castalitas zitierten Brie f
an Gregor den Großen : die namque me scito, licet saltuatim et hyderbolice, chilosum os aderire (1, 5 p. 8, 5 sq ., ed. G . S . M . WALKER, 1957) .
Das Adjektiv chilosus, nur an dieser Stelle nachweisbar, wird schon
bei Du CANGE von xeïaos abgeleitet, ebenso tut es der Thesauru s
Linguae Latinae, der in den ersten Bänden Columban noch berücksichtigt hat, und interpretiert ` magna labra habens ' . Da aber das Graecu m
im Lateinischen nicht recht geläufig war, wird man bei der Ableitun g
eher von chilo ausgehen, einem bei den lateinischen Grammatiker n
mehrmals vorkommenden Substantiv . Erklärungen wie immrobioribus
labris homines 20 geben chilo einen pejorativen Nebensinn, der sic h
auch auf das Adjektiv ausgewirkt hat, das A . BLAISE 21 mit Bezu g
auf Columban durch ` impudique' übersetzt. In dem Brief an Gregor
18 . Vgl . MLW I S . 1467, 36f .
1g . Dieser und der folgende Beleg werden einem Hinweis von Herrn Dr . J .
Knosp-Regensburg, der eine Neuedition der Niederaltaicher Urkunden un d
Urbare aus der Zeit des Abtes Hermann vorbereitet, verdankt .
2o . S . Thes . Ling . Lat. III 1oo8, 41sgq.
21 . Dictionnaire latin-français des auteurs chrétiens, 1 954, S . 1 47.
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geht es in erster Linie um die damals heftig umstrittene Berechnun g
des Osterfesttermins, wobei sich Columban in der heiklen Lage be findet, dem Papst widersprechen zu müssen . Daher versucht er,
dieses als unziemlich empfundene Verhalten mit Ehrfurchtsbeteuerungen zu mildern ; so stehen sich an unserer Stelle pie einerseits und
andererseits chiloso ore gegenüber. Mit dieser Wendung soll metaphorisch (licet saltuatim et hyperbolice) die Polemik als anmaBend hingestellt werden, ein Gedanke, der kurz zuvor in folgende Wort e
gekleidet war : sed haec magis firocaciter quam humiliter seribens ,
scio euripum praesumptionis diicillimae me inveaisse (p. 6, 32 sq.) .
Es muß geradezu verwundern, daß J . W. SMIT in der schon erwähnten Abhandlung 22 diesen klaren Sachverhalt zu erschüttern sucht ,
indem er chilosum als Entstellung von zelosum ansieht, und zwar
mit der Begründung, daß der Zusammenhang eine Bedeutung wi e
etwa sich ereifernd (für den Glauben) ' erfordere, was aber keineswegs zwingend ist, ja sogar die Pointe entschärft . Weitaus größer e
Bedenken lassen sich vom Orthographischen her geltend machen .
In dieser Hinsicht macht sich SMIT die Sache denkbar einfach, inde m
er schreibt (S . =01) : It seems to me that there is little difficulty in
finding the correct meaning . I take chilosus to be a remarkable, hyperurban spelling of zelosus : the exchange e-i is quite normal for thi s
period and the spelling -c- for -z- also occurs frequently in the later
period . The insertion of the -h- after a -c- is a typical hyperurbanism .
For the spelling c-z I can refer to two parallels in Columba '. Um
von chilosus zu zelosus gelangen, ist also die Annahme dreier Vulgarismen nötig, und SMIT scheint diese allen Ernstes einem so gute n
Lateiner wie Columban zuzutrauen . Am ehesten ließe sich noch de r
Übergang des anlautenden z zu c rechtfertigen, aber die beiden vo n
SMrr genannten Parallelen (celator : zelator 4, 8.p. 34, 30 und celotes :
zelotes 5, 14 p. 52, 29) sind nur Lesarten des einen Überlieferungszweiges ,
haben also kein großes Gewicht . Dazu kommt noch, daB zelosus bei
Columban an einer anderen Stelle (5, 4 p . 40, II) eindeutig überliefer t
und auch zelus immer korrekt geschrieben ist 23. Während sich
SMIT des langen und breiten darüber ausläßt, daB z im Lateinische n
auch zu g, t und d werden kann, bleibt er die notwendigen Parallele n
für den Wandel von e zu i und für die Einfügung eines h schuldig .
Beides kann man für Columban und seine Zeit nicht mit allgemeine n
Erklärungen abtun. Ein Blick in den Index orthographicus der Ausgabe von WALISER (S . 229f .) zeigt, daB die zwei Erscheinungen selte n
22. S . ggff. ; Titel s . Anm. 9 .
23. S . Edition von WALKER S.
228 .
220
im Columbantext, teilweise nur als Varianten, vorkommen und di e
einzelnen Fälle differenziert zu erklären sind .
Es kann also unbedenklich an chilosus als einer Ableitung von chil o
festgehalten werden .
München
Otto l'RINZ