AZ vom 25.08.2015 - Erich Obrist in den Stadtrat Baden

Fr. 2.70
DIENSTAG, 25. AUGUST 2015
AZ 5000 Aarau | Nr 229 | 20. Jahrgang
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Mujinga Kambundji
Sie pulverisiert den
100-m-Landesrekord
Satya Nadella
Der Microsoft-Chef hat aus Windows
eine Datenschleuder gemacht
Philippe Rey
Wettinger Gemeinderat will in
Zukunft keine Schulprovisorien mehr
SPORT 15
LEBEN & WISSEN 4
BADEN-WETTINGEN 27
China-Crash reisst Börsen
weltweit in die Tiefe
Schwarzer Montag Sorge um China heizt Ausverkaufsstimmung an den Börsen an
VON FABIAN HOCK, FELIX LEE, TOMMASO
MANZIN, RENZO RUF, ANDREAS SCHAFFNER
Anschnallen bitte. Der Herbst wird an
den Finanzmärkten stürmisch. Gestern
brachen die Aktienkurse regelrecht ein.
Der Schweizer Leitindex gab zeitweise
um mehr als 7 Prozent nach. Schliesslich schloss der Swiss Market Index
(SMI) bei 8468,89 Punkten um 3,75 Prozent im Minus. Andere europäische
Börsen verzeichneten noch deutlichere
Abgaben. An der Wall Street in New
York verlor der Dow-Jones in der Spitze
6,6 Prozent. Am Abend verlangsamte
sich die Talfahrt.
Begonnen hatte das Börsenbeben in
der Nacht auf den Montag in Schanghai, wo der Leitindex um 8,5 Prozent
abstürzte. Seit Juni verlor die Börse in
Schanghai 30 Prozent an Wert. Wie die
US-Grossbank BNY Mellon errechnet
hat, wurden in dieser Zeit 3500 Milliarden Dollar vernichtet. An den Rohstoffmärkten nahmen die Anleger ebenfalls
Reissaus.
Hintergrund der Entwicklung ist die
Sorge um die Wirtschaft in China — eine Konjunkturlokomotive für die Weltwirtschaft. Um Exporte anzukurbeln,
hat Chinas Notenbank in den letzten
Wochen die Landeswährung Yuan
mehrfach abwerten lassen.
Experten wie etwa Anja Hochberg,
Anlagechefin für die Schweiz und Europa bei Credit Suisse, gehen jedoch
davon aus, dass die Wachstumsschwäche weiter mit staatlichen Massnahmen bekämpft wird. «Es ist momentan
auch etwas Panik im Markt», sagt der
Chefökonom von UBS-Schweiz, Daniel
Kalt, gegenüber der Finanznachrichtenagentur AWP.
KOMMENTAR
Angst auf dem
Börsenparkett
Z
wei Emotionen leiten die Börsianer: Angst oder Mut. Gestern
nahm die Angst überhand, viele Anleger von China über die
USA bis hin zu uns in die Schweiz verloren den Mut, verkauften Aktien im grossen Stil. «Ein Blutbad» nennen dies die
Aktienhändler, wenn ihre Bildschirme
nur noch rote Zahlen zeigen.
von Andreas
Schaffner
KOMMENTAR RECHTS, SEITEN 2/3
Ist der Pessimismus berechtigt? Oder
wollten die Profis, die in den letzten Jahren massiv vom Börsenaufschwung profitiert hatten, Kasse machen? Ihre Schäfchen ins Trockene bringen. Vieles
spricht längerfristig für eine wirtschaftliche Erholung in Europa, aber vor allem
in den USA. Doch wie robust diese ist,
das ist unklar. Hier gilt es, die nächsten
Tage abzuwarten. Bis Klarheit darüber
herrscht, wird es eine holprige Achterbahnfahrt bleiben. Gut möglich, dass
die Aktienmärkte bis Ende Woche noch
einmal einen Taucher machen.
«Wild, archaisch
und tödlich» Nie
waren die Miniröcke
kürzer als hier und
im Prager Frühling.
Hier meint den Automobil-Rennsport
in seiner «goldenen
Epoche» von ungefähr 1960 bis 1985.
Der Sündenfall war
Indianapolis 1987:
Da verdiente der Sieger erstmals mehr
als eine Million Franken. Seither herrscht
steriler Kommerz
auf Rundkursen, die
vor allem nachts wie
Gameshows wirken.
Eine Ausstellung in
Kriens blättert noch
einmal zurück, mit
einer Reihe unbekannter Fotos. Wir –
junge Frau, gesetzter
Herr – fuhren hin
mit vertauschten
Rollen. SEITE 19
Die Aktienmärkte sind abhängig davon,
was die Notenbanken entscheiden.
Wird die Notenbank in China weiterhin
den Yuan schwächen? Wird die Notenbank in den USA Mitte September die
Zinsen erhöhen? Darüber herrscht noch
viel Unsicherheit. Gewissheit, das ist die
wirklich schlechte Nachricht des gestrigen Tages, gibt es in einer Hinsicht: Für
die Schweizer Wirtschaft bleibt die Lage
angespannt. Läuft es in China und in
den USA schlecht, bleiben die Aufträge
aus, stagnieren die Exporte. Lassen die
USA die Zinsen tief, bleibt der Franken
auf absehbare Zeit stark. Mit dem milden Sommerwetter ist es definitiv vorbei. Dieser Herbst wird zumindest an
den Börsen stürmisch.
FOTO: ZVG
@ [email protected]
MEINUNGSSEITE
Eidgenössische Wahlen im Aargau
Baden
Wen die Wirtschaft in Bern will
Wird Obrist 3. Stadtratskandidat?
Vor den Wahlen geben zahlreiche Organisationen und Institutionen Empfehlungen ab, wen man in den Nationalund Ständerat entsenden soll. Nach
dem Aargauischen Gewerbeverband
publiziert jetzt auch die Aargauische
Industrie- und Handelskammer ihre
Empfehlungen für den Nationalrat. Ihr
Kriterium ist die «besondere Wirt-
Bereits Anfang Juli hat die SP anlässlich
ihrer Nominationsversammlung Jürg
Caflisch mit knapper Mehrheit als
Stadtratskandidat nominiert. Nicht viel
deutlicher wählte die FDP vor einer
Woche Mario Delvecchio. Jetzt deuten
die Zeichen aber darauf hin, dass es am
Wahltermin, dem 18. Oktober, nicht
beim Duell zwischen diesen beiden
INSERAT
schaftsfreundlichkeit» von Kandidierenden. Dabei fokussiert sie auf SVP,
FDP und CVP sowie erstmals auch auf
die BDP. Von keinem der beiden Verbände empfohlen wird GLP-Nationalrat
Beat Flach, obwohl er in einem neuen
Ranking der Zeitschrift «Bilanz» in Sachen Wirtschaftsfreundlichkeit am
viertbesten abschneidet. SEITEN 22/23
bleiben wird. In einem engagierten Leserbrief bricht Peter Conrad senior, alt
CVP-Stadtrat, eine Lanze für Erich Obrist (SP) und schlägt ihn als Stadtratskandidaten vor. Obrist gab sich gestern
auf Anfrage zurückhaltend. Interessant
ist, dass Conrad selber vor 30 Jahren
als «wilder» CVP-Kandidat portiert und
in den Stadtrat gewählt wurde. SEITE 21
Gastautor Adrian Lobe zur Demokratie
als mögliches Auslaufmodell
«Am Ende geht es um
die Frage, was uns Freiheit wert ist.»
SEITE 20
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130005
AARGAUER ZEITUNG
www.aargauerzeitung.ch
DIENSTAG, 25. AUGUST 2015
BADEN
21
BADENER TAGBLATT BADEN-WETTINGEN, ZURZACH-AARETAL
Stadtrats-Ersatzwahl: Sind es bald drei?
Baden Analogie der Geschichte: Peter Conrad (CVP), vor 30 Jahren «wild» portiert, schlägt Erich Obrist (SP) vor
VON ROMAN HUBER
SP und FDP haben in der parteiinternen
Ausmarchung ihre Kandidaten nominiert:
Jürg Caflisch schwang bei der SP gegen
Erich Obrist mit 22 zu 19 Stimmen obenaus, Mario Delvecchio bei der FDP mit
32 zu 26 Stimmen gegen Andrea Libardi.
Dass nicht die Parteien, sondern das
Stimmvolk das letzte Wort hat, lässt sich
aber in der politischen Geschichte mehrfach nachlesen. Ein Stimmberechtigter
hat sich nun zu Wort gemeldet. In einem
Leserbrief (siehe rechts) äussert sich alt
Stadtrat Peter Conrad unzufrieden über
diese Auswahl und bringt Erich Obrist ins
Spiel. Nicht verwunderlich, denn sowohl
nach der Nomination von Caflisch als
auch derjenigen von Delvecchio gab es
kritische Stimmen parteiintern wie extern.
BRIEFE AN DIE A
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Ein spannender
Wahlkampf genü
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Baden: Zur Stadtra
ts-Ersatzwahl
vom 18. Oktober
«Hätte der Freisinn
einen überzeugenden Kandidaten
präsentiert, hätte
ich vielleicht
geschwiegen.»
Peter Conrad alt Stadtrat
Eine Aktion «doch noch Obrist»?
Dass sich mit Conrad ein Bürgerlicher
einschaltet und Obrist (SP) gegen seinen
Parteikollegen und den freisinnigen Delvecchio ins Rennen schicken möchte,
überrascht auf den ersten Blick. Conrad
erklärt ungeschminkt: «Hätten die Freisinnigen eine in jeder Beziehung überzeugende Kandidatur präsentiert, hätte ich
vielleicht geschwiegen.» Indem die FDP
ihren Kandidaten zudem als Hoffnungsträger bezeichne, werde sie bei den Gesamterneuerungswahlen
2017
wahrscheinlich das Stadtammannamt anstreben», so Conrad. Das sei zwar ihr gutes
Recht. «Doch ein in Baden wenig bekannter Bewerber ohne politischen Leistungsausweis wird den jetzigen Amtsinhaber
kaum aus dem Sattel werfen können.»
Das Badener Tagblatt hat Erich Obrist
gestern mit dem Leserbrief von Conrad
konfrontiert. Obrist übt sich in vornehmer
Zurückhaltung: «Nach dem knappen Nominationsentscheid der SP bin ich nicht
überrascht, dass es zu Reaktionen in der
Öffentlichkeit gekommen ist.» Es könne
aber nicht seine Aufgabe sein, solche im
jetzigen Augenblick zu kommentieren.
Obrist hält lediglich fest, dass es jeder-
Baden Was für ein
Zirkus! Wenn man
sich auf dem Bahnhofplatz plötzlich im
Mittelalter wähnt,
und Kinder auf Einrädern ihre Kunststücke zum Besten
geben – ja dann kann
nur der Kinderzirkus
Robinson in der
Stadt sein. Mit akrobatischen Einlagen
und grosser Freude
verzauberten die
Kinder und Jugendlichen am vergangenen Wochenende
ihr Publikum. Trainiert werden die
jungen Artisten unter dem Jahr von
Profis, im Sommer
gehen sie jedes Mal
mit einem neuen
Thema auf Tournee.
Ob auf dem Einrad
oder dem Trampolin
– ihre Show findet
grossen Anklang
beim Badener Publikum. SEITE 28
FOTO: BARBARA SCHERER
«Die SP hat einen
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mann frei sei, seine Wunsch-Zusammensetzung des Stadtrates zu präsentieren.
«Zurzeit gibt es zwei Kandidaten, die in
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Nominationsverfahren
ermittelt wurden», fügt er an. Ob sich das
«Teilnehmerfeld» noch vergrössere, werde sich dann zeigen. Die Frage, ob er sich
allenfalls in diesem Teilnehmerfeld vorstellen könne, umgeht Obrist elegant: «Na-
ÄLTERE
türlich denke ich immer über meine politische und berufliche Zukunft nach. Die
SP hat einen Kandidaten nominiert. Deshalb stellt sich die Frage für mich im Moment noch nicht.»
Es ist kein Zufall, dass es gerade Peter
Conrad ist, der mit einem Leserbrief das
parteipolitische Geschehen in Baden aufmischt. Somit sieht es 30 Jahre nach den
spektakulären Stadtratswahlen von 1985
danach aus, als könnten sich die Geschehnisse von damals wiederholen. Als es bei
den Gesamterneuerungswahlen um die
Nachfolge von CVP-Stadtrat Josef Rieser
ging, hebelte der Personalausschuss der
CVP Baden den initiativen und als scharfsinnig geltenden, jedoch direkten und unbequemen Parteipräsidenten Peter Conrad aus, der als Stadtratskandidat gesetzt
galt. Nach geheimer Sitzung schlug der
Vorstand der Parteibasis André Roth vor.
Laut Zeitungsbericht herrschte eine beklemmende Stimmung, als dann an der
Parteiversammlung Conrad den Rücktritt
als Parteipräsident und den Verzicht auf
eine Stadtrats-Kandidatur bekannt gab.
1985: Zuerst war ein Leserbrief
Bei der CVP lief es aber nicht programmgemäss. Isabelle Wanner, heute
GLP-Einwohnerrätin, erinnert sich: Sie habe damals unter dem Pseudonym «Angelique» einen flammenden Leserbrief für Peter Conrad geschrieben. «Wir waren überzeugt, dass der Stadtrat einen Politiker
vom Format Peter Conrad brauchte.» Der
Leserbrief blieb nicht ohne Wirkung. Es
bildete sich ein Komitee «doch noch Conrad», das diesen kurz vor dem ersten
Wahlgang portierte. Mit von der Partie
waren bekannte Persönlichkeiten, auch
aus der CVP selber, wie unter anderen der
legendäre Edi Zander. Im ersten Wahlgang am 22. September 1985 verpassten
Conrad (1374 Stimmen) und Roth (1286)
das Absolute Mehr. Am 30. September beschloss die CVP an einer denkwürdigen
Versammlung mit 55 zu 25 Stimmen, am
Einer-Vorschlag festzuhalten und gab mit
60 zu 19 Roth den Vorzug. Im zweiten
Wahlgang wurde Conrad knapp vor dem
offiziellen Kandidaten Roth gewählt.
Die Geschichte, ausgelöst von einem Leserbrief, könnte sich also bei Erich Obrist
wiederholen. Wer sich letztlich alles zur
Wahl stellt, wird nach Anmeldeschluss am
4. September feststehen. Zudem: Im ersten Wahlgang ist jede in Baden stimmberechtigte Person wählbar. Bis und mit 18.
Oktober ist also Spannung garantiert.
Baden
Hochuli kontert
Rassismus-Tadel
Die Eidgenössische Kommission gegen
Rassismus bezeichnete den Umgang
des Kantons mit den Asylbewerbern
beim Badener Kantonsspital in dieser
Zeitung als «diskriminierend». Grund:
Die Bewegungsfreiheit der Flüchtlinge
wird zum Schutz des Spitalbetriebs eingeschränkt. Tabuzonen sind etwa die
Cafeteria oder das Hauptgebäude. Regierungsrätin Susanne Hochuli (Grüne)
kontert die Vorwürfe in der «SonntagsZeitung» als realitätsfremd und entgegnet: «Das würde man mit einem Pfadilager auch so machen.» Denn sensible
Infrastrukturen wie jene eines Spitals
müssten geschützt werden – nicht vor
Asylsuchenden, sondern generell von
grossen Gruppen von Menschen, die
den Betrieb potenziell stören könnten.
Das sei eine sachliche Begründung und
nicht diskriminierend, so Hochuli.
Abgesehen davon werde die Regelung
von den Betroffenen verstanden und
respektiert. «Die Asylsuchenden sehen
wie alle anderen Personen selber, dass
sie sich in einem sensiblen Umfeld
bewegen.» Letzte Woche bezogen
20 Flüchtlinge ihre Betten im Badener
Notspital. Rund 180 weitere Asylbewerber werden in den kommenden Wochen dort untergebracht. (PKR)