01. Arbeitsblatt: Der Gutachtenstill

Der Aufbau des vorsätzlichen Erfolgsdelikts und der Gutachtenstil
Der Aufbau des vorsätzlichen Erfolgsdelikts
I. Tatbestand
1. Objektiv
a) Täter/Tatobjekt/Tathandlung/ Taterfolg/Tatumstände
b) Kausalität
c) Objektive Zurechnung
2. Subjektiv
a) Vorsatz
b) Deliktsspezifische subjektive Merkmale (z.B. besondere Absichten wie iRd §242
die Zueignungsabsicht)
II. Rechtswidrigkeit: ist indiziert, wenn der Tatbestand verwirklicht wurde
„Mangels Eingreifen von Rechtfertigungsgründen handelte A auch rechtswidrig“
III. Schuld:
„Mangels Vorliegen von Entschuldigungsgründen handelte A auch schuldhaft“
Der Gutachtenstil
Zweck: Vollständigkeitsgarantie, Fehlervermeidung und Nachvollziehbarkeit der Prüfung
Beispielssachverhalt: A und B sitzen abends zusammen in der Kneipe. Es kommt zum Streit.
Kurzerhand holt A aus und schlägt dem B mit der Faust ins Gesicht. B erleidet ein blaues Auge.
Strafbarkeit des A?
1. Bildung eines allgemeinen Obersatz
Bezugspunkt: alle Voraussetzungen der Strafbarkeit, also Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld
dieses Tatbestandes
„Indem der A dem B mit der Faust ins Gesicht schlug, wodurch er dem B ein blaues Auge verpasste,
könnte er sich wegen Körperverletzung gemäß §223 Abs.1 StGB strafbar gemacht haben.“
2. Benennung des ersten Prüfungspunktes (hier: Die Tathandlung im objektiven Tatbestand)
„Hierzu müsste er den B zunächst körperlich misshandelt und/oder an der Gesundheit geschädigt
haben.“
3. Definition der Prüfungspunkte
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Körperliche Misshandlung: „Eine körperliche Misshandlung ist jede üble und angemessene
Behandlung durch die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht
nur unerheblich beeinträchtigt wird.“
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Gesundheitsschädigung: „Eine Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen oder Steigern
eines pathologischen Zustandes“
4. Subsumtion (passt der zu prüfende Sachverhalt zur Definition des Prüfungspunktes?):
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Körperliche Misshandlung: „Das Schlagen mit der Faust ins Gesicht stellt eine üble und
angemessene Behandlung dar und beeinträchtigt das körperliche Wohlbefinden nicht nur
unerheblich“
Gesundheitsschädigung: „Das blaue Auge stellt einen pathologischen Zustand dar.“
5. Ergebnis (der Prüfung dieses Merkmals)
„Folglich/daher/also/mithin hat der A den B mit dem Faustschlag sowohl körperlich misshandelt als
auch an der Gesundheit geschädigt.“
Weiter mit dem nächsten Prüfungspunkt! Vgl. Aufbau des vorsätzlichen Erfolgsdelikts à
…. Kausalität
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Obersatz: „Die Handlung des A müsste auch kausal für den tatbestandlichen Erfolg gewesen
sein“
Definition: „Kausal ist jede Handlung, die nicht hinweggedacht werden kann ohne dass der
tatbestandliche Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele“
Subsumtion: „Hätte der A den B nicht mit der Faust ins Gesicht geschlagen, hätte der B
keinen Schlag und auch kein blaues Auge erlitten“
Ergebnis: „Mithin war der Schlag des A kausal für die Verletzung des B“
………
MERKE:
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Beim Gutachtenstil erfolgt die Problemdarstellung und die Erörterung des Problems vor der
Benennung des Ergebnisses (typische Formulierungen: daher, folglich, also..)
Beim Urteilsstil hingegen wird zuerst das Problem benannt; sodann folgt die Begründung
(typische Formulierungen: da, weil, denn)
Verwendung:
o In der Regel ist für alle Prüfungspunkte der Gutachtenstil heranzuziehen (gerade in
den jüngeren Semestern)
o Der Urteilsstil ist nur dann zu verwenden, wenn es sich um einen gänzlich
unproblematischen Prüfungspunkt handelt
o Möglich ist die Verwendung einer Mischform in unproblematischen Fällen
(Zusammenfassung von Definition, Subsumtion und ‚Ergebnis): „Indem der A dem B
ein blaues Auge verpasste hat er den B nicht nur unerheblich in seinem körperlichen
Wohlbefinden beeinträchtigt und daher körperlich misshandelt.“