Triebkräfte der Wertschöpfungsketten im Pflanzenbau bis 2030 Prof. Dr. Bernhard Brümmer Beraterhochschultagung Göttingen, 8. Oktober 2015 1 Blick in die Zukunft • Kaffeesatz? Gänseflug? • Foresight – Vorausschau • Ungewissheiten – Risiko vs. Unsicherheit vs. Ignoranz – Rumsfeld: Known Unknows – Unknown Unknows – Gibt es „schwarze“ Schwäne? – Und wenn ja, wie viele? • Vorsichtige Interpretation von Vorausschauen zwingend erforderlich! 2 Gliederung 1. Einführung 2. Triebkräfte 1. Nachfrage 2. Angebot 3. Politik 3. Schlussbetrachtung 3 Triebkräfte: Nachfrage Schlussbetrachtung Globalisierung der Agrarmärkte • Prägender Trend der letzten Dekaden • Gemeinsamer Markt der EU als Ausgangspunkt • Welthandel: Zunehmende Integration • Landwirtschaft zunehmend stärker eingebunden – keine Sonderwege • Preisentwicklung bei Agrarprodukten folgt der Weltmarktentwicklung 4 Triebkräfte: Nachfrage Schlussbetrachtung Preisentwicklung bei Weizen, 1975-2015 700 600 Preis in DM/t 500 Interventionspreis Brotweizen D Weizen Welt (rechte Achse, US $/t) 600,00 500,00 400 400,00 300 300,00 200 200,00 100 100,00 0,00 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 0 5 700,00 Triebkräfte: Nachfrage Schlussbetrachtung Milliarden Menschen Bevölkerungswachstum global 6 9,8 Milliarden Triebkräfte: Nachfrage Schlussbetrachtung Millionen Menschen Bevölkerungsentwicklung in Deutschland 7 -4,5 Millionen -7 Millionen Triebkräfte: Nachfrage Schlussbetrachtung Altersgruppe unter 20 & ab 65 je 100 Menschen 20-64 Altersstruktur in Deutschland 8 1:1 Triebkräfte: Nachfrage Schlussbetrachtung Konsequenzen der Bevölkerungsentwicklung • Veränderte Bevölkerungsstruktur der Welt – Von heute 1.1.1.4 über 1.1.2.5 (2050) zu 1.1.4.5 (2100) – Stabile Kinderzahl, zunehmendes Alter, geringere Familiengröße • Steigende Nachfrage nach Agrarprodukten • In D: Altersbedingt andere Nachfragestruktur • Verstärkt durch Einkommensentwicklung 9 Triebkräfte: Nachfrage Schlussbetrachtung Verteilung der Einkommen in der Welt 10 Triebkräfte: Nachfrage Schlussbetrachtung Einkommenswachstum bis 2050 • Höhere Einkommen, vor allem in Schwellenländern Asiens • Unverarbeitete Grundnahrungsmittel relativ weniger nachgefragt • Trend zu teureren Lebensmitteln (Fleisch) • Indirekte Wirkung auf Ackerbauprodukte • Wesentlich unsicherere Prognose als (globale) Bevölkerung! 11 Triebkräfte: Nachfrage Schlussbetrachtung Weitere Faktoren auf Nachfrageseite • Nachfragegewohnheiten – Zunehmende Verwestlichung der Ernährungsgewohnheiten – Zeitgleiches Auftreten von Mangelernährung und Fettleibigkeit – Zunehmende Erwartungen an Prozesseigenschaften von Lebensmitteln: Fair Trade, Nachhaltigkeit, Tierwohl, … Komplexere Wertschöpfungsketten: Zertifizierung, Rückverfolgbarkeit, vertikale Integration • Veränderte Erwartungen an die Landwirtschaft – Landschaftsbild, Naherholung – Biodiversitätsschutz 12 Triebkräfte: Angebot Schlussbetrachtung Global • Boden 13 Triebkräfte: Angebot Schlussbetrachtung Zukünftige Ackerlandnutzung (laut FAO) 1200 1066 1031 1000 874 Für Ackerbau geeignete Fläche million ha 800 Ackerlandnutzung, 2005 Ackerlandnutzung, 2050 600 497 366 400 387 220 200 203 236 237 212 0 Lateinamerika Sub-Sahara Afrika 14 Ostasien Südasien 99 86 Naher IndustrieOsten/Nord- länder Afrika 265 Russland Ukraine Kasachstan Quelle: Global Perspective Studies Unit, FAO Triebkräfte: Angebot Schlussbetrachtung Global • Boden – nachhaltige Nutzung stets gewährleistet? • [Klima / Wetter] • [Wasser] • Technischer Fortschritt 15 Triebkräfte: Angebot Schlussbetrachtung Outputsteigerung, global (FAO-Daten, 1961-2010) Wachstum [%] 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 Quelle: USDA (2013) 16 TFP Inputs/Land Beregnung Flächenausweitung Triebkräfte: Angebot Schlussbetrachtung Totale Faktorproduktivität: Wachstum % p.a. 1,8% 1,6% 1,4% 1,2% 71-80 81-90 91-00 01-10 1,0% 0,8% 0,6% 0,4% 0,2% 0,0% -0,2% Europa USA & Kanada Südamerika -0,4% Quelle: Holtkamp & Brümmer (2015) 17 Russland SSA Triebkräfte: Angebot Schlussbetrachtung Entwicklung der öffentlichen Ausgaben für Agrar-F&E 5 4,5 4 3,5 3 2,5 2 1,5 1 0,5 0 1981-1990 1990-2000 2000-2010 Low Middle Quelle: IFPRI/GFAR, 2012 18 High Welt Triebkräfte: Angebot Schlussbetrachtung Global • Boden – nachhaltige Nutzung stets gewährleistet? • [Klima / Wetter] • [Wasser] • Technischer Fortschritt Direkte Wirkung auf niedersächsischen Pflanzenbau eher überschaubar Indirekte Wirkungen über internationale Preise 19 Triebkräfte: Angebot Schlussbetrachtung Lokal • Boden – Pachtpreise – Außerlandwirtschaftliche Ansprüche: Wiedervernässung • Wasser – Beregnung / Europäische Wasserrahmenrichtlinie • Klima -> Wetter • Arbeitskräfte: Fachkräftemangel? Steigende Löhne! • Technischer Fortschritt • Agrarstruktur 20 Triebkräfte: Politik Schlussbetrachtung Agrarpolitik im engeren Sinne: EU • Rahmenbedingungen für Eigentumsrechte • Gemeinsame Agrarpolitik der EU: Reformzyklen unterschiedlicher Intensität • Tendenz zur Verzögerung unvermeidlicher Reformen – Bewahrung des Status Quo – Finanzausgleichsfunktion der GAP – Verknüpfung mit anderen Politikfeldern • Langfristperspektive kommt zu kurz 21 Triebkräfte: Politik Schlussbetrachtung Eine „Gemeinsame“ Agrarpolitik der EU? (I) • Nationaler Spielraum bei Umsetzung in Mitgliedstaaten • Umschichtung 1. ↔ 2. Säule – 1. → 2. Säule: D, F, UK, DK, NL, CZ, GR, ROM, LV, EST – 2. → 1. Säule: Polen, Slowakei, Kroatien, Ungarn, Malta • Umverteilung: Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Kroatien, Litauen, Polen, Rumänien Kann als Antwort auf lokal verschiedene Agrarprobleme gedeutet werden; nicht unbedingt Wettbewerbsverzerrung 22 Triebkräfte: Politik Schlussbetrachtung Eine „Gemeinsame“ Agrarpolitik der EU? (II) • Unterschiede bei Kopplung von Direktzahlungen • 18 (27) EU-Staaten mit gekoppelten DZ – Malta 57% Anteil; – Portugal, Finnland etwa 20% – Belgien, Frankreich, Polen, … etwa 15% • Gekoppelt an Produktion von – Rindfleisch: 40% – Milch: 20% In einem gemeinsamen Markt mit freien Warenströmen bei Produktionsfaktoren (Prehn, Brümmer, Thompson 2015): Wettbewerbsverzerrung 23 Triebkräfte: Politik Schlussbetrachtung Agrarpolitik im engeren Sinne: Bund, Land, Kommunal Bundesebene • Budget 70% Agrarsozialpolitik • Rahmenbedingungen für Bodenmärkte Landesebene • Programmierung der Agrarstrukturpolitik • Rahmenbedingungen der Raumordnung Kommunale Ebene • Genehmigungspraxis bei Stallbauten • Lokale Raumordnung 24 Triebkräfte Schlussbetrachtung Stärken & Schwächen im Pflanzenbau in Niedersachsen Standards und Komplexität der WSK Qualifikationsstand Betriebsleiter/Mitarbeiter Klima, Wetter, Wasser Kaufkraft vor Ort Funktionsfähigkeit der Märkte Bodenknappheit Demografie (in D) Erwartungen an die Landwirtschaft Umweltwirkungen Agrar- und Umweltpolitik Einbindung in globale Märkte = Internationale Preise 25 Triebkräfte Schlussbetrachtung Beitrag der landwirtschaftlichen Unternehmer • Akzeptanz gesellschaftlicher Erwartungen als Standortfaktor • Transparenz • Wertschöpfungskettenorientierung • Technischer Fortschritt • Steigerung der technischen Effizienz: Potentiale ausschöpfen • Risikomanagement (Subsidiarität) • Agrarpolitik nicht als Klientelpolitik begreifen 26 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Kontakt: [email protected] http://www.uni-goettingen.de/de/19254.html 27 Triebkräfte: Politik Schlussbetrachtung Weitere Politikfelder • Umweltpolitik – Spiegel der gesellschaftlichen Erwartungen an die Landwirtschaft • Energiepolitik – Biokraftstoff- und Bioenergiepolitik: Zunehmende Ausrichtung an CO2-Vermeidungskosten notwendig • Handelspolitik – Komplexeres Geflecht von bilateralen Handelsbeziehungen – Stärkere Rolle von Standards in Wertschöpfungsketten 28 Triebkräfte: Politik Szenarien Schlussbetrachtung Beitrag der Agrarpolitik • Verlässliche Rahmenbedingungen • Moderator und Vermittler gesellschaftlicher Erwartungen • Ordnungsrecht und Anreize zur Problemlösung • Frühzeitige Benennung von Herausforderungen • Technologieförderung ohne ideologische Vorbehalte • Verzicht auf Subventionierung mit der Gießkanne • Nebenwirkungen von Politiken bedenken • Agrarpolitik nicht als Klientelpolitik begreifen 29 Weltmarkt für Mais – Top 4 Exporteure 30 Triebkräfte: Angebot Szenarien Politikimplikationen Weizenerträge und Reserven an Ackerland 40 Weizenerträge dt/ha 35 Industrieländer 30 25 Ostasien Lateinamerika Transformationsländer 20 SSA 15 Südasien Nordafrika 10 5 0 0% 31 20% 40% 60% 80% 100% Anteil der tatsächlich genutzten an der potenziell nutzbaren Fläche Triebkräfte: Angebot Schlussbetrachtung Veränderungen der Weizenerträge in der EU, 2030 Hohe CO2-Emissionen (RCP 8.5) Quelle: Blanco, 2014 32 Triebkräfte: Angebot Schlussbetrachtung Veränderungen der Einkommen, 2030, relativ zur Basis 33 Spektakuläre Irrtümer von Experten • „Die Bevölkerung hat die dauernde Neigung, sich über das Maß der vorhandenen Nahrungsmittel hinaus zu vermehren.“ Thomas Robert Malthus, 1798 (vgl. Club of Rome oder Peak-Oil) • „Das Telefon hat zu viele ernsthaft zu bedenkende Mängel für ein Kommunikationsmittel. Das Gerät ist von Natur aus von keinem Wert für uns.“ Manager von Western Union, 1876 • „Die weltweite Nachfrage nach Kraftfahrzeugen wird eine Million nicht überschreiten - allein schon aus Mangel an verfügbaren Chauffeuren.“ Gottlieb Daimler, Erfinder, 1901 • „Ich denke, dass es einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer gibt.“ Thomas Watson, IBM-Vorsitzender, 1943 „Es gibt keinen Grund, warum irgendjemand einen Computer in seinem Haus wollen würde.“ Ken Olson, Präsident, Vorsitzender und Gründer von Digital Equipment Corp., 1977 34 Langfristige Entwicklungsperspektiven Quartalshandel Weltmarkt Entwicklung des virtuellen Weltmilchpreises Handelsmenge in Mio. t 50 Phase 2 Phase 1 40 30 20 Weltmilchpreis 1,8 1,6 Phase 1 1,4 1,2 Phase 2 1,0 Quelle: GTIS 1/03 1/05 1/07 1/09 1/11 1/13 Ø 2000-2006 10 0 Jan. 00 Ø 2007-2009 Keine Marktintegration Jan. 02 Jan. 04 Marktintegration Jan. 06 Jan. 08 Jan. 10 Ø 2010-2014 Quelle: USDA-FAS Jan. 12 Phase 1: Handel 0,8 % p.a.↑ Phase 2: Handel 6,5 % p.a. ↑ Jan. 14 • Unter den Kostenbedingungen der Jahre 2007 bis 2014 liegt ein nachhaltiges Basis-Milchpreisniveau offensichtlich zwischen 28 und 34 € pro 100 kg. • Untere Grenze: bei eher stagnierender Nachfrage • Obere Grenze: deutlich steigende Nachfrage (deutliche Preissignale in wachsenden Märkten nötig zur Stimulierung des Angebots) 35 Kurzfristige Entwicklungsperspektiven • kurze, kräftige Preisschübe ↑ • langsamere Korrektur • Letzte Preisschübe April 2013: Dürre in Neuseeland + EU & Australien Angebot↓ 2014: Hohe Angebotssteige-rungen aller Exportländer 2015: … 4.500 4.000 3.500 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 Ausblick Weltmarktpreise für Milcherzeugnisse (€/t) 0 Jan. 05 Butter Jan. 07 MMP Jan. 09 VMP Jan. 11 • Wie geht es beim aktuellen Einbruch weiter? Intensität: Einbruch sehr stark da Preise vorher lange 34% über Ø 2007-2012 Bodenbildung: Abgeschlossen?, mind. Interventionspreis Dauer: Für einen zeitlich begrenzten Einbruch spricht Pro: Nachfrage noch↑, Lagerbestände↓, vergangene Angebotsreaktionen Contra: Milchproduktion↑↑, Nachfrage aus Russland, China? 36 Quelle: USDA-FAS Jan. 13 Jan. 15 Vergleich der Wettbewerberkoeffizienten 0,9 EU´s SMC coefficient in the PTM model 0,8 EU´s SMC coefficient in residual demand model 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0,0 37 Vergleich von Marktmachtindikatoren 25% 20% UV surcharge fitted values PTM model absolute value of the RDE 15% 10% 5% 0% 38 Optimaler Markup entsprechend RNE-Schätzung 20% SMP WMP 15% Butter Cheese 10% 5% 0% -5% 39
© Copyright 2025 ExpyDoc