Bayer und BASF drängen auf den Gentechnik

Ausgabe | 11
18. März 2016
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Wirtschaft
Bayer und BASF drängen auf den Gentechnik-Markt Brasilien
BASF rechnet für 2017 bereits mit einem Sprung auf bis zu zehn Prozent am Soja-Saatgutmarkt in Brasilien
B
rasilien ist der zweitgrößte Produzent von Soja und ein Kerngebiet von
Monsantos Insektizid Roundup. Doch
nach und nach wollen nun auch andere
Unternehmen etwas von der Torte haben.
Zwei deutsche Firmen, die Bayer AG und
BASF SE planen derzeit, mit genmanipulierten Sojabohnen Monsanto in Brasilien
Marktanteile streitig zu machen. 94 Prozent der brasilianischen Sojabohnen sind
gentechnisch verändert. Die Regierung
rechnet für dieses Jahr mit einer Ernte in
Höhe von mehr als 100 Millionen Tonnen.
Dabei wollen beide vor allem auch davon profitieren, dass immer mehr Unkraut
und Insekten gegen Roundup resistent
sind. Bayer beispielsweise war schon einmal am brasilianischen Markt zu finden,
hatte aber vor zehn Jahren seine Anteile
an der Sojabohnen-Branche in Brasilien
verkauft. Nun startet das Unternehmen
im Oktober einen neuen Versuch: mit dem
Verkauf von Sojapflanzen, die gentechnisch
so verändert sind, dass sie von Glufosinat
beinhaltenden Unkrautvernichtern nicht
beschädigt werden.
Brasilien ist der weltweit zweitgrößte Produzent von Soja.
„Wir glauben fest an die Marktdynamik
der Unkraut-Kontrolle in Brasilien“, zitiert
Bloomberg Eduardo Mazzieri von Bayer von
einer Pressekonferenz in Nao-me-Toque.
„Die Landwirte brauchen Alternativen.“
Foto: Flickr/Bruno Caimi/CC by 2.0
Bayers Liberty-Link-Soja, wurde bereits
2010 von den brasilianischen Behörden
zugelassen. Seitdem hat das Unternehmen
nach und nach von Sojabohnen-Firmen in
Brasilien gekauft, die nun helfen sollen, die
Analyse
Hunderttausende Tote durch arbeitsbedingte Krebserkrankungen
Jedes Jahr sterben in der EU mehr als
100.000 Menschen an arbeitsbedingten
Krebserkrankungen. Diese Zahl übersteigt
die Anzahl der tödlichen Arbeitsunfälle um
das Zwanzigfache, wie eine Untersuchung
des Europäischen Gewerkschaftsinstituts
(ETUI) zeigt. In Deutschland sind es ca.
17.700 Fälle. Die Internationale Arbeitsorganisation schätzt die Zahl der weltweiten Todesfälle aufgrund arbeitsbedingter
Krebserkrankungen auf 666.000. Krebs
ist Todesursache Nummer 1, zumindest
in den Hochlohnländern.
Hintergrund sind krebserregende Stoffe, denen die Mitarbeiter während ihrer Ar-
beit ausgesetzt sind. So sind beispielsweise
von den über 100.000 arbeitsbedingten,
tödlichen Krebserkrankungen in der EU 55
bis 85 Prozent auf Asbest zurückzuführen.
Derzeit werden 179 Wirkstoffe von der Internationalen Agentur für Krebsforschung als
bekannte oder potenziell krebserregende
Stoffe beim Menschen eingestuft. (Gruppe
1 und 2a). Weitere 285 Wirkstoffe gelten
als potenziell krebserregende Stoffe der
Gruppe 2b.
Die Weltgesundheitsorganisation
rechnet damit, dass die Zahl der Neukrebserkrankungen bis 2035 um 70 Prozent
zunehmen wird. Derzeit werden weltweit
jedes Jahr 14 Millionen neue Krebserkrankungen diagnostiziert. „Arbeitsbedingte
Krebserkrankungen sind eine Epidemie,
über die niemand spricht. Jedes Jahr sterben
Tausende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die EU tut seit zwölf Jahren
rein gar nichts dagegen“, sagt Esther Lynch,
politische Sekretärin des Europäischen
Gewerkschaftsbund (EGB). „Die Gewerkschaften verlangen verpflichtende Obergrenzen für krebserregende Substanzen
am Arbeitsplatz, um solche vorhersehbaren
Todesfälle künftig zu verhindern. Jeder
einzelne Fall von arbeitsbedingtem Krebs
ist einer zu viel!“
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Präsens Bayers mit der Gen-Soja im Land zu
erhöhen. In diesem Jahr sollen 2.000 Bauern
die Gen-Soja anpflanzen. Glufosinat, gegen
das die Gen-Soja von Bayer immun sein soll,
gilt als gesundheitsschädlich. Aus diesem
Grund hatte die EU vor drei Jahren den
Einsatz des Wirkstoffes beschränkt. Dennoch
dürfen sowohl die als Glufosinat-resistent
geltenden, gentechnisch veränderten Pflanzen als auch deren Früchte in rauen Mengen
in die EU eingeführt werden.
BASF setzt auf Sojapflanzen, die unbeschadet mit dem Wirkstoff Imidazolinon
besprüht werden können. Dafür arbeitet
BASF mit dem staatlichen Forschungsinstitut Embrapa zusammen. Das Unternehmen
rechnet im kommenden Jahr bereits mit
einem Anteil von 10 Prozent am brasilianischen Sojamarkt. 2015 hatte BASF die
Erlaubnis erhalten, seine entwickelte Gen-
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Soja Cultivance in die EU zu importieren.
Doch Monsanto ist nicht zu unterschätzen. Die gegen Glyphosat resistente
Gen-Soja Intacta dominiert den Markt und
kann auch Gift gegen Insekten abgeben.
In diesem Jahr soll Monsanto zufolge die
Anbaufläche für Intacta-Soja in Südamerika auf 14 Millionen Hektar verdoppelt
werden. Bis 2019 könnten es noch einmal
14 Millionen Hektar sein.
Kassenärzte
Stärkere Kontrolle für Gesundheitsorganisationen gefordert
Es sei eine größere Handhabe notwendig, um durchgreifen zu können
E
Unions-Fraktionsvize Georg Nüßlein sagte:
„Eine stärkere aufsichtsrechtliche Kontrolle
ist richtig, reicht aber nicht.“ Es müsse sich
auch an den internen Strukturen der KBV
etwas ändern.
Bei der KBV gibt es seit Jahren massive
Kritik an den Gehältern von Funktionären.
So gibt es Streit darüber, ob die an den im
Jahr 2014 zurückgetretenen KBV-Chef Andreas Köhler bezahlten Gehälter rechtmäßig
waren. Das Gesundheitsministerium hatte
Anfang Dezember Anzeige gegen Köhler
wegen des Verdachts auf Untreue erstattet.
Gerichtlich wurde er bereits auferlegt, einen Mietkostenzuschuss von
96.000 Euro zurückzuzahlen.
Im Zwielicht stehen auch Immobiliengeschäfte der KBV,
die rund 165.000 Ärzte und
Psychotherapeuten vertritt.
Die Berliner Staatsanwaltschaft
durchsuchte Anfang Februar
Büros und Computer der Vereinigung.
„Angesichts der großen
Summen, die von den gesetzlich Versicherten sowie (über
den Gesundheitsfonds) Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern
dafür aufgebracht werden, hat
die Öffentlichkeit ein Anrecht
auf größtmögliche Transparenz und wirksame staatliche
Aufsicht bei der Verwaltung
dieser Gelder durch die Selbstverwaltung“, so die Grünen in
ihrer Anfrage, die von Katrin
Göring-Eckardt und Anton
Hofreiter angestrengt wurde.
Gesundheitsminister Hermann Gröhe sieht einen neuen Handlungsbedarf. Foto: Flickr/ Michael Panse/CC by nd 2.0
in Zeitplan für einen Gesetzentwurf
wurde nicht genannt. „Richtig ist, dass
geprüft wird, ob und inwieweit es hinsichtlich der Spitzenorganisationen auf
Bundesebene in der Gesetzlichen Krankenversicherung insbesondere einer Weiterentwicklung der gesetzlichen Regelungen zum Haushalt und zum Vermögen
bedarf“, sagte Ministeriumssprecherin
Katja Angeli.
Betroffen wären neben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) etwa auch
der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und die Kassenzahn-
ärztliche Bundesvereinigung (KZBV), wie aus
einer Kleinen Anfrage der Grünen mit dem
Titel „Wertpapiergeschäfte der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und möglicher
Handlungsbedarf der Bundesregierung“
hervorgeht.
„Nach einem Prüfbericht des Bundesversicherungsamtes hat die KBV Teile dieser
Mittel für Wertpapierspekulationen genutzt
und dabei Verluste in Höhe von mindestens
1,1 Millionen Euro erlitten“, heißt es in der
kleinen Anfrage. Auch die Kassenärztliche
Vereinigung Brandenburg soll durch Wertpapiergeschäfte offenbar Geld verloren haben.
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Forschung
Miniroboter aus Muskelzellen
Miniroboter werden immer häufiger eingesetzt, um Medizin im Körper an die entsprechende Stelle zu transportieren
U
m Miniroboter zukünftig besser
steuern und für den Körper verträglicher machen zu können, haben Wissenschaftler der University of Illinois Muskelzellen von Mäusen genutzt. Diese werden
in eine ringförmige Struktur gebracht und
sind gentechnisch so angepasst, dass sie
auf Lichtimpulse in einer bestimmten Frequenz mit Zusammenziehen reagieren.
An den Muskelzellen werden unterschiedlich lange Beine aus dem 3D-Drucker
befestigt. Das Zusammenziehen der Muskelzellen bei bestimmten Lichtfrequenzen
sorgt dann dafür, dass sich der Miniroboter
bewegt. Die unterschiedlich langen Beine
ermöglichen einen exakten Richtungswechsel, je nachdem, welches Bein gerade
stimuliert wird.
Der Biobot ist nicht viel größer als ein
paar Zentimeter und kann zukünftig unter anderem dazu dienen, Medikamente
an die entsprechende Stelle im Inneren
eines menschlichen Körpers zu transportieren. Aber auch andere Anwendungen
sind denkbar.
Der Trend hin zu kleinen Robotern,
die im Inneren des Körpers eingesetzt
werden, hält demnach weiter an. Zuletzt
hatten auch Wissenschaftler der Carnegie
Mellon University eine einfache Version von
Mikro-Robotern hergestellt. Diese bestehen
Die Muskelzellen, die die Beine bewegen, stammen von Mäusen. Foto: Ritu Raman, University of Illinois
aus Stäben magnetischen Materials. Jeder
Roboter ist rund einen Millimeter lang und
hat zwei Greifarme. Ein Magnetfeld ermöglicht es, sie zu bewegen und die Greifarme
zu bedienen.
Bis jetzt haben die Roboter kleine Objekte transportiert und Brücken aus Stäben
mit einer Y-Form gebaut. Der leitende Wissenschaftler Metin Sitti hofft, dass spätere
Versionen mit Bauteilen für Mikromaschi-
nen in den Körper injiziert werden können.
Diese Maschinen würden mit dem Blut
schwimmen und könnten bei der Heilung
von Wunden helfen.
Dem Experten nach müssen die Bauteile kleiner werden, damit sie leichter in
den Körper gelangen können. „Es macht
aber keinen Sinn, wenn sie zu klein sind.
Der Roboter soll schließlich im Inneren des
Körpers zusammengebaut werden“, so Sitti.
Digital
Online-Praxen dürfen künftig keine Arzneien mehr verordnen
Verschreibungspflichtige Arzneimittel dürfen künftig nicht mehr über Online-Praxen verordnet werden
D
ie Regierung reagiert mit der Änderung des Arzneimittelgesetzes
auf Online-Portale, die kostenpflichtige
Sprechstunden von Ärzten über das Internet anbieten. Ein Rezept wird dem Nutzer dabei meist zugesendet oder von der
Online-Praxis direkt an eine deutsche Versandapotheke geschickt. Mit der gesetzlichen Änderung sollen unter anderem
Falschdiagnosen vermieden werden.
„Um den Patientenschutz weiter zu
verbessern, wird im AMG geregelt, dass
eine Abgabe von verschreibungspflich-
tigen Arzneimitteln grundsätzlich nicht
erfolgen darf, wenn die Verschreibung
offenkundig nicht nach einem direkten
Arzt-Patienten-Kontakt ausgestellt wurde.
Und außerdem:
„Im Heilmittelwerbegesetz wird klargestellt, dass nicht nur die Werbung für
das Teleshopping, sondern auch das Teleshopping selbst als besondere Ausprägung
der Werbung verboten ist. Es wird zudem
geregelt, dass das Teleshopping auch für
Behandlungen durch Ärzte, Zahnärzte und
Tierärzte verboten ist.“
Der Entwurf sieht auch strengere Sicherheitsvorkehrungen für die Teilnehmer
an klinischen Tests von Arzneimitteln vor.
Die Ethik-Kommissionen der Länder, die
auch künftig maßgeblich an der Genehmigung solcher Prüfungen beteiligt sein
sollen, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen und sich beim Bundesinstitut
für Arzneimittel und Medizinprodukte
registrieren lassen. Prüfungsteilnehmer
müssen vor einer Studie von einem Arzt
aufgeklärt werden.
„Hochwertige klinische Prüfun-
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gen sind eine Voraussetzung für einen
schnellen und sicheren Zugang zu neuen
Arzneimitteln“, sagte Gesundheitsminister Gröhe anlässlich der Änderung des
Arzneimittelgesetzes. Dabei müssten die
2016 soll der Entwurf des „Vierten Gesetzes
zur Änderung arzneimittelrechtlicher
und anderer Vorschriften“ in Kraft treten.
Mit der Änderung will das Gesundheitsministerium zwar die Sicherheit der
Trotz schwindender Ärzte auf dem Land sollen Patienten für rezeptpflichtige Medikamente nun nicht
auf eine Online-Konsultation mit ihrem Arzt zurückgreifen können.
Foto: Flickr/ wr52351/Cc by nd 2.0
notwendigen Sicherheitsvorkehrungen
zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger
und ein reibungsloses Genehmigungsverfahren Hand in Hand gehen. Im August
Patienten stärken, es erschwert jedoch die
Suche nach Lösungen für den Ärzte- und
Apothekenmangel in ländlichen Regionen.
Gerade hier ist die Konsultation von Ärzten
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über das Internet eine wirklich sinnvolle
Alternative, die durch die Änderung nun
jedoch erschwert wird. Aber auch die Idee,
mit Apothekenkiosken wenigstens eine
Grundversorgung in diesen Regionen
sicherzustellen, wird nun neu zu diskutieren sein.
In Schottland kommt ein solcher Kiosk
derzeit zum Einsatz. In einem Gemeinschaftsprojekt hat das digitale Dienstleistungsunternehmen Atos zusammen mit
anderen Partnern wie etwa den Universitäten von Glasgow, Edinburgh und der
Robert Gordon University den RoboterApotheken-Kiosk entwickelt. Platziert in
einem beliebigen Dorfladen, können sich
die Einwohner quasi in den Kiosk setzen
und über einen Bildschirm direkt mit
einem Apotheker sprechen.
Dann ist der Einwohner in der Lage,
dem Apotheker seine Symptome zu
beschreiben und sich ein Medikament
empfehlen zu lassen. Es besteht aber auch
die Möglichkeit, die Verschreibung des
Arztes von dem Roboter-Kiosk einscannen
zu lassen, sodass der Apotheker direkt
darauf zugreifen kann. Sobald das Medikament bereitsteht, erhält der Nutzer
eine Nachricht auf sein Handy. Einmal
den über die Textnachricht übermittelten
Code eingegeben, kann das entsprechende
Medikament entgegengenommen werden.
Studie
Unterschiede zwischen Mann und Frau
Krankenstand stieg 2015 auf Rekordhoch
D
er allgemeine Krankenstand ist im
vergangenen Jahr auf den höchsten
Wert seit 16 Jahren gestiegen. Der DAK-Gesundheitsreport zeigt zudem, dass Männer und Frauen unterschiedlich krank
sind: Frauen haben etwa mehr Kranktage,
gehen aber auch häufiger krank zur Arbeit als Männer.
Bei Krankheiten wie Depressionen,
Krebs und Herzinfarkt gibt es große Unterschiede zwischen den Geschlechtern.
Eine aktuelle Studie der DAK fand nun
heraus: Das wirkt sich auch auf den Krankenstand aus: Im Jahr 2015 fehlten Frauen
zum Beispiel 14 Prozent häufiger im Job
als ihre männlichen Kollegen, dafür aber
kürzer. Frauen gingen auch häufiger krank
zur Arbeit, Männer gingen dafür seltener
zum Arzt.
Nach der Studie erreichte der allgemeine Krankenstand im vergangenen
Jahr mit 4,1 Prozent zudem den höchsten
Wert seit 16 Jahren. 2015 waren an jedem
Tag des Jahres durchschnittlich 41 von
1.000 Erwerbstätigen krankgeschrieben.
„Es gibt immer wieder Grippewellen, die
den Krankenstand nach oben treiben wie
beispielsweise im vergangenen Jahr“, erläutert Herbert Rebscher, Vorstandschef der
DAK-Gesundheit. „Doch unsere Analysen
ergeben, dass steigende Krankschreibungen
wegen psychischen Erkrankungen sowie
Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems
Auslöser des kontinuierlichen Anstiegs
sind.“
Auch die Zahl derer, die sich mindestens einmal im Jahr von einem Arzt hat
krankschreiben lassen, stieg von 48,2 Prozent in 2014 auf 50,4 Prozent. Die meisten
Ausfalltage gingen dabei auf das Konto der
sogenannten Muskel-Skelett-Erkrankungen,
wie beispielsweise Rückenschmerzen. Psychische Leiden nahmen – auf bereits hohem
Niveau – erneut leicht zu. Sie verursachten
rund drei Prozent mehr Fehltage als 2014
und rangieren somit auf der Liste der häufigsten Diagnosen auf Platz drei.
Doch nicht nur die allgemein hohe
Zahl der Krankschreibungen ist interessant,
ebenso spannend sind die Geschlechterunterschiede bei krankheitsbedingten
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Ausfalltagen und ihren Ursachen, welche
die aktuelle Studie der DAK-Gesundheit
erstmals umfassend untersucht. Für die
Analyse hat die Kasse den Krankenstand
von rund 2,7 Millionen erwerbstätigen
Versicherten ausgewertet. Außerdem wurden mehr als 5.000 Frauen und Männer
im Alter von 18 und 65 Jahren durch das
Forsa-Institut repräsentativ befragt und
zahlreiche Experten eingebunden.
Der Krankenstand bei den Frauen lag
14 Prozent höher als bei den Männern.
Damit waren in 2015 an jedem Tag 44 von
1.000 weiblichen Beschäftigten krankgeschrieben. Bei den Männern waren es 39.
Darüber hinaus zeigt der Report, dass eine
Krankschreibung bei Frauen im Durchschnitt zwar kürzer ausgefallen ist, dafür
aber häufiger vorkam: Mit insgesamt 134,4
Krankheitsfällen je 100 Versicherte lagen
Frauen vor ihren männlichen Kollegen
mit 115,8 Krankheitsfällen. „Unser Report
zeigt, dass der viel zitierte kleine Unterschied zwischen Frauen und Männern viel
größer ist als gedacht“, sagt Rebscher. „Die
Ergebnisse verdeutlichen sehr genau, wo
die Einflussfaktoren beim Krankenstand
liegen und wie hoch der jeweilige Anteil
bei den Geschlechtern wirklich ist.“
So zeigt die Untersuchung der Erkrankungen, dass Männer in allen Altersgruppen sehr viel öfter wegen Herz-KreislaufErkrankungen im Job fehlten als Frauen (+
65 Prozent mehr Fehltage). Zwischen 45 und
64 Jahren erkrankt fast jeder zehnte Mann
an einer koronaren Herzerkrankung. Bei
Foto: DAK-Gesundheit
Verletzungen hatten Männer fast doppelt so
viele Fehltage (+ 48 Prozent). Gründe sind
hier zum einen die höhere Risikobereitschaft sowie andere Tätigkeiten im Beruf.
Frauen fehlten hingegen deutlich öfter wegen psychischer Erkrankungen als
Männer (+ 67 Prozent mehr Fehltage). Vor
allem von Depressionen waren sie weit
häufiger betroffen. Sie nahmen auch öfter
Psychopharmaka ein: Jede elfte Frau bekam
im vergangenen Jahr beispielweise eine
Verordnung für Antidepressiva, aber nur
jeder zwanzigste Mann.
Der größte Geschlechterunterschied
beim Krankenstand zeigt sich laut DAKGesundheitsreport bei Krebserkrankungen.
Hier gab es 74 Prozent mehr Fehltage bei
Frauen. Insgesamt ist das Risiko an Krebs
zu erkranken bei Frauen und Männern zwar
gleich, Krebs trifft Männer jedoch meist im
höheren Alter – ab etwa 60 Jahren. Prostatakrebs ist bei ihnen am weitesten verbreitet.
Bei Frauen tritt vor allem Brustkrebs auf
– der aber meist schon im Erwerbsleben.
Auch der Job hat einen Einfluss darauf, wie oft Frauen und Männer sich
krankmelden. In vielen Branchen haben
Frauen einen höheren Krankenstand. Dazu
gehören die öffentliche Verwaltung und
das Gesundheitswesen. Beim Blick auf die
Berufe zeigt sich: Nur in seltenen Fällen
wie beispielsweise im Gartenbau und bei
den Naturwissenschaften gab es in 2015
einen höheren Krankenstand bei Männern
(+ zwölf und + sechs Prozent).
Schwangerschaftskomplikationen
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spielten insgesamt eine eher kleine Rolle
im Krankheitsgeschehen. Bei genauerer
Betrachtung wird aber deutlich: Sie erklären
über alle Altersgruppen hinweg zwölf Prozent des Unterschiedes beim Krankenstand
von Frauen und Männern.
Bei den 20 bis 24-jährigen Frauen sind
aber 73 Prozent des Unterschiedes beim
Krankenstand auf Schwangerschaftskomplikationen zurückzuführen.
Beim persönlichen Umgang mit
Krankheit und Krankschreibung werden
die Geschlechterunterschiede besonders
deutlich: Berufstätige Männer gingen im
Durchschnitt 4,2 Mal im Jahr zum Arzt. Berufstätige Frauen waren sieben Mal in den
Praxen. Selbst bei einer Betrachtung ohne
Vorsorgeuntersuchungen und schwangerschaftsbedingten Behandlungen wird
deutlich, dass Frauen häufiger behandelt
wurden.
Die Analyse der DAK-Gesundheit zeigt
außerdem, dass Frauen oft in Berufen arbeiten, in denen sie mit offensichtlichen
Krankheitssymptomen, wie beispielsweise
einer starken Erkältung, nicht zur Arbeit
gehen können. Mehr als jede zweite Frau
gab dies an (53 Prozent), aber nur 45 Prozent
der Männer. Auch tragen Frauen immer
noch einen großen Anteil bei der Betreuung kranker Kinder: Mehr als jede vierte
Frau (27 Prozent) sagte, dass sie sich bei
einer Erkrankung des Kindes selbst krank
gemeldet hat, weil sie sich nicht anders zu
helfen wusste. Bei den Männern waren es
nur 17,5 Prozent.
Darüber hinaus gingen Frauen, wenn
sie krank sind, häufig trotzdem zur Arbeit (+
zwölf Prozent). 67 Prozent der Frauen gaben
an, mindestens einmal im Jahr krank zur
Arbeit gegangen zu sein. Bei den Männern
waren es 60 Prozent. Als Hauptgrund wurde von Frauen genannt, dass sie Kollegen
nicht hängen lassen wollten (86 Prozent).
Jede zweite Frau sagte, dass Kunden oder
Patienten darunter leiden, wenn sie sich
krank melden würde.
„Für die geschlechtersensible Gesundheitsforschung sind diese Ergebnisse ein
wichtiger Baustein“, sagt Petra Kolip, Professorin für Prävention und Gesundheitsförderung an der Universität Bielefeld. „Diese
sehr konkreten Daten des DAK-Reports
sind hilfreich, um möglichst passgenaue
Maßnahmen ableiten zu können.“
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Ärzte
Nach Germanwings-Absturz: Ärzte sollen Schweigepflicht brechen
Sowohl in Frankreich als auch in Deutschland gibt es dazu keine eindeutige Gesetzeslage. Das müsse sich nun ändern
Airlines müssten zudem Piloten helfen und für diese das finanzielle Risiko minimieren, wenn sie erkrankten und um ihre Fluglizenz fürchteten.
Foto: Flickr/Martin Roell/CC by sa 2.0
Ä
rzte sollten bei einer Gefährdung der
öffentlichen Sicherheit ihre Schweigepflicht brechen. Das ist die Empfehlung der
französischen Luftfahrtbehörde BEA nach
dem Crash der Germanwings-Maschine
im März 2015 mit 150 Toten. Deutschland
sollte dabei nicht erst Maßnahmen der EU
abwarten, sondern sofort handeln, heißt es
im Abschlussbericht, der am Sonntag veröffentlicht wurde. Kritiker fürchten um den
Datenschutz von Patienten. Der Arzt des
Germanwings-Copiloten Andreas L., der das
Flugzeug absichtlich in den französischen
Alpen abstürzen ließ, empfahl nach Angaben der Ermittler kurz vor dem Flug dessen
Einweisung in die Psychiatrie.
Konkret wurden das deutsche Verkehrsministerium und die Bundesärztekammer
aufgefordert, zügig eindeutige Richtlinien
herauszugeben. Es müsse daran erinnert
werden, dass die ärztliche Schweigepflicht
gebrochen und zuständige Behörden informiert werden könnten, wenn die Gesundheit
eines Piloten möglicherweise die öffentliche
Sicherheit gefährde, so die BEA. In diesem
Zusammenhang müssten Definitionen entwickelt werden, was unter „bevorstehender
Gefahr“ und „Bedrohung der öffentlichen
Sicherheit“ zu verstehen sei.
In Deutschland und Frankreich sei die
ärztliche Schweigepflicht tief verankert, sagte
BEA-Direktor Remy Jouty vor Journalisten.
„Aber ich hoffe, dass es da etwas Bewegung
gibt.“ In beiden Ländern sei die Gesetzeslage
nicht eindeutig, weswegen Ärzte aus Sorge um
ihre Zulassung dazu tendierten, sich streng
an die Schweigepflicht zu halten. Airlines
müssten zudem Piloten helfen und für diese
das finanzielle Risiko minimieren, wenn sie
erkrankten und um ihre Fluglizenz fürchteten.
Ähnlich äußerte sich die Vereinigung
Cockpit, die die Interessen der Piloten vertritt.
Spezielle Programme und eine intensive Betreuung seien nötig. „Bei diesen Programmen
können betroffene Besatzungsmitglieder
Hilfe suchen, ohne direkte Konsequenzen
für ihren Arbeitsvertrag zu fürchten. Nur so
kann die Basis für das notwendige Vertrauen
zwischen Arzt und Patient hergestellt werden,
das nötig ist, damit sich ein Patient öffnet.“
Zwangskontrollen trieben Betroffene dagegen
in den „Untergrund“. Es sei wichtig, beim
Kriterienkatalog strenge Maßstäbe beim
Datenschutz anzulegen, der festlegt, welche
Krankheiten gemeldet werden müssen.
Die Germanwings-Muttergesellschaft
Lufthansa teilte mit, die Flugsicherheit bleibe
das höchste Ziel. „Selbstverständlich wird das
Unternehmen daher auch weiterhin eng mit
den zuständigen Behörden zusammenarbeiten und auch bei einer möglichen Umsetzung
konkreter Maßnahmen unterstützen.“
Der damals 27-jährige Copilot Andreas
L. hatte laut dem Abschlussbericht im Dezember 2014 Symptome einer psychotischen
Depression gezeigt und in den Monaten danach mehrere Ärzte aufgesucht. Einer von
ihnen habe L. rund zwei Wochen vor dem
Todesflug einen Aufenthalt in der Psychiatrie empfohlen. Keiner der Ärzte habe die
Flugaufsichtsbehörden oder den Arbeitgeber
informiert. Zudem habe Andreas L. seine
Krankheit vor seinem Arbeitgeber geheim
gehalten.
Bei dem Absturz des GermanwingsAirbus in Südfrankreich waren alle Passagiere ums Leben gekommen. Den Ermittlern
zufolge gibt es auch Hinweise darauf, dass L.
Probleme mit seinem Sehvermögen hatte
und möglicherweise fürchtete, deswegen
seinen Job zu verlieren. Häufigere Nachuntersuchungen seien nötig, wenn Piloten mit
einer Erkrankung wieder als arbeitsfähig
eingestuft würden.
Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV). Chefredakteurin:
Jennifer Bendele. Redaktion: Anika Schwalbe, Gloria Veeser, Julia Jurrmann, Cüneyt Yilmaz. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. Copyright:
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