Erfahrungsbericht zu Auslandssemester in Eger (Ungarn) im Wintersemester 2013/2014 1. Vorbereitung und Ankunft 2. Unterkunft 3. Formalitäten 4. Allgemeine Infos zu Eszterházy Károly Főiskola 5. Akademisch 6. Leben in Eger 7. Abreise und Rückkehr 8. Probleme/Sonstiges 9. Fazit 1. Vorbereitung und Ankunft Mein Erasmus-Aufenthalt in Ungarn bahnte sich stellenweise recht spontan an. Über ein hochschulinternes Bewerbungsverfahren hatte ich einen Platz an der Eszterházy Károly Főiskola in der Kleinstadt Eger (dt. Erlau) erhalten. Ich wusste vorher ungefähr nichts über Ungarn und hatte auch keine Ungarischkenntnisse. Mehr die vage Idee, ein längerer Aufenthalt in diesem mir ziemlich unbekannten osteuropäischen Land könnte auf verschiedene Arten interessant sein. Das Semester sollte Anfang September starten; offiziell war vom 4. bis 6. September Anreise. Weil ich dir Vorstellung, mit 40 bis 50 anderen gleichzeitig anzukommen, wenig verlockend fand, nahm ich einige Monate vorher Kontakt zum Präsident des ESN Eger auf, der gleich sehr hilfsbereit und dann auch während des gesamten Aufenthalts ein wichtiger Ansprechpartner war. Trotzdem war lange unklar, wann ich dann wirklich würde anreisen können, sodass ich meine Fahrt schließlich erst ca. drei Tage vor Abreise gebucht habe. Am 1. September ging es für mich mit dem Bus (Eurolines, 119 Euro) von Frankfurt am Main aus nach Budapest (13 Stunden). Hier sei vielleicht angemerkt, dass diese Reiseform eine persönliche Entscheidung war, es gibt durchaus auch Flüge, die sich mit umfangreichem Gepäck in einer ähnlichen oder günstigeren Preiskategorie bewegen. So oder so kann die Reise aber nur bis Budapest gebucht werden. Dort kommt man dann entweder vom Bahnhof Keleti mit dem Zug oder vom Puskás Ferenc Busbahnhof per Bus nach Eger (1465 Ft. für Studenten, 2930 ohne gültigen Studentenausweis. Offiziell braucht man, glaube ich, einen internationalen oder ungarischen Ausweis, aber bei BesucherInnen von mir hat es auch mit deutschen funktioniert). Die Busse fahren alle 30 Minuten und brauchen knappe zwei Stunden, die Züge haben einen ähnlichen Rhythmus. Da der Flughafen richtig außerhalb liegt und der besagte Busbahnhof nicht derjenige ist, an dem internationale Fernbusse ankommen, ist es wahrscheinlich, dass man zwischendurch öffentliche Verkehrsmittel nutzen muss – Tickets hierfür erhält man üblicherweise an Kiosken oder Ticketständen in der Nähe der Metros. Mitunter wird ziemlich streng kontrolliert. Ich selbst hatte mich ein bisschen wenig informiert und habe mich dann vom internationalen Busbahnhof, wo ich erst mal meine Euro in Forint gewechselt habe (1 Euro = ca. 300 Ft. Es war da gerade günstiger, erst in Ungarn zu wechseln, worüber aber nicht alle Banken informiert haben.) mehr oder minder mit Händen und Füßen durchgefragt (viele Ungarn* können meiner Erfahrung nach kein oder nur mäßiges Englisch – dafür hat man manchmal mit Deutsch Glück). In Eger hat mich der ESN Präsident dann mit seinem Trabi am Busbahnhof abgeholt und zu dem Wohnheim gebracht, in dem alle Erasmus Studierenden untergebracht waren. Wir haben mich angemeldet und ich habe mich in mein Zimmer aufgemacht. 2. Unterkunft Untergebracht war ich mit den anderen 42 Erasmusleuten auf anderthalb Stockwerken des Imola Hostels (das nur in dem Semesterferien ein Hostel ist und sonst voll belegt mit Studierenden). Dort gibt es Dreier- und Zweierzimmer; die Zweierzimmer bilden dreierweise je eine Wohneinheit mit geteilter Toilette und Dusche sowie einem kleinen Küchenbereich (Spüle, Kühlschrank, Mikrowelle, Stauraum). Eine richtige Küche mit Herd gibt es flurweise, in jedem zweiten Stockwerk ist auch ein Ofen vorhanden. An die Küche angeschlossen ist ein Waschraum mit ein bis zwei Waschmaschinen (unterschiedlicher Qualität und Waschdauer). Einzelzimmer gibt es keine – in den Sechserwohnungen verfügt allerdings das mittlere Zweierzimmer über eine Trennwand in der Mitte, die es erlaubt, sich weiterhin direkt zu unterhalten und auszutauschen, aber deutlich mehr Privatsphäre vermittelt und für eine gemütlichere Raumaufteilung sorgt. Meine Zimmernachbarin und ich sind nach einem Tag in einen solchen Raum umgezogen und fanden das beide eine enorme Verbesserung. Da das Hostel am Hang liegt, kann man entweder ziemliches Pech und ein Zimmer nach hinten raus (mit Blick auf ebendiesen Hang), oder aber sehr viel Glück und einen großartigen Ausblick über die Stadt und die wunderschönen Sonnenuntergänge haben. Eingerichtet sind die Zimmer mit je einem Bett, Schreibtisch, Regal, Nachttisch, Stuhl und Rolltisch/Schrank/Ding pro Person; einen Schrank für jede(n) gibt es auf dem wohnungsinternen Gang. Töpfe, Geschirr etc. waren nicht vorhanden, wobei man hier wohl den ESN-Präsidenten fragen kann, ob man etwas von vorherigen Erasmusgenerationen übernehmen könnte. Die Miete beträgt 30 000 Ft. pro Monat für Nichtungarn, alles inklusive (Internet per Kabel). Man erhält eine Karte, mit der man sich im Haus ein- und ausloggen muss, wann immer man rein- oder rausgeht, außerdem sitzt rund um die Uhr ein Security-Mensch am einzigen Eingang. Besucher muss man anmelden; bleiben sie bis nach 22 Uhr, wird das als Übernachtung gewertet und eine Bezahlung gefordert. In dem Beilagezettel unseres Mietvertrages stand hierzu, man habe drei Übernachtungen für Gäste frei – später wurde aber erklärt, das sei veraltet, und man müsse immer 2000 Ft. bezahlen, selbst wenn den Gästen kein Bett gestellt wird. Insgesamt fand ich diese Form der Unterkunft für einen Erasmus-Aufenthalt ziemlich ideal. Man ist einander sehr nah, weil alle immer nur wenige Schritte und Türe entfernt sind, hat aber trotzdem Rückzugsraum (wobei das in den Dreierräumen wohl manchmal schwieriger war). Vorher habe ich mir etwas Sorgen gemacht, weil ich ungefähr seit der Grundschule kein Zimmer mehr geteilt habe, aber letzten Endes war auch das sehr schön, weil sich Beziehungen und Konstellationen natürlich ganz anders entwickeln, wenn man von vornherein in Zweiereinheiten vernetzt ist. Ärgerlich fand ich lediglich, dass bei der Verteilung auf die Zimmer offiziell angeboten wird, Wünsche zu äußern, die letztlich aber nur Beachtung zu finden scheinen, wenn die verantwortliche Person diese auch für sinnvoll erachtet (in unserem Fall betraf das bei mehreren Studentinnen den Wunsch, das Zimmer nicht mit einer Frau gleicher Nationalität zu teilen). 3. Formalitäten Ich selbst habe mich im Voraus nicht damit beschäftigt, würde aber empfehlen, sich auf der eigenen Bank zu informieren, welcher Möglichkeiten zum kostenfreien Geldabheben es während des Aufenthalts in Eger gibt. Vorhanden sind z.B. ein Sparkassen ATM, eine Unicredit Bank, eine Raiffeisen Bank und eine Volksbank, außerdem mindestens zwei Wechselstuben und diverse weitere ATMs – mir hat das aber beispielsweise nichts gebracht, ich habe überall gleichermaßen 5 Euro Gebühr pro Abheben zahlen müssen, sodass ich eher selten und dafür relativ große Summen abgehoben habe. Andere hatten aber vorgesorgt und diese Gebühren gespart, z.B. durch spezielle Konten und Kreditkarten. Mehr Infos dazu habe ich leider nicht. Bei den Orientierungstagen, die relativ bald nach der offiziellen Ankunft stattfanden, erhielten wir Prepaid-Karten von Vodaphone und somit ungarische Nummern, die es uns erlaubt haben, relativ günstig mit anderen ungarischen Nummern zu kommunizieren und innerhalb von Vodaphone kostenlos zu telefonieren. Das gibt es, soweit ich weiß, jedes Semester. 4. Allgemeine Infos zu Eszterházy Károly Főiskola Die Eszterházy Károly Főiskola verteilt sich auf mehrere Gebäude, einige davon im Stadtzentrum, eines direkt vorm Wohnheim und einige auf einem kleinen Campus oberhalb des Wohnheims. Sie alle sind in 2 bis 10 Minuten zu Fuß zu erreichen (das gilt für die meisten Punkte in Eger), sodass eigentlich nie jemand Bus fährt. Bahnen gibt es nicht. Eine Mensa versteckt sich vielleicht auf besagtem Campus, dort war ich allerdings nie. In ziemlicher Nachbarschaft zum A-Gebäude (das Hauptgebäude) im Stadtzentrum allerdings gibt es das Café/Bistro Fany, das sehr günstig und auf Kantinenqualität Essen anbietet. Im B-Gebäude ein paar Meter weiter ist ein Kiosk untergebracht, in dem man belegte Brötchen etc. erhält. Internet ist in allen Unigebäuden per WLan frei zugänglich. Im A-Gebäude gibt es eine wunderschöne Bibliothek (generell ein sehr schönes Haus, hat so was von Bilderbuchuni), die auch auf den Orientierungstagen besucht wird. Gleiches gilt für die Camera Obscura und die Aussichtsplattform im Magic Tower. Die Orientierungstage decken weiterhin eine Tour durch die Innenstadt, zu diversen Einkaufsmöglichkeiten und zur Burg ab. Außerdem gibt es Kennlernspiele und interkulturelles Training sowie, sehr angenehm, eine kostenlose Weinprobe im Szépasszonyvölgy (Liebfrauental), dem Winevalley, in dem sich Weinkeller an Weinkeller reiht. Wer keinen Alkohol mag, erhält stattdessen Traubensaft. Sowohl während der Orientierungstage als auch im Verlauf des Aufenthalts wird immer wieder deutlich, dass das gesamte für die internationalen Studierenden verantwortliche Team sehr hilfsbereit, verständnisvoll und engagiert ist. Fragen und Problemen, selbst wenn sie nur einzelne betreffen, wird mit großem Engagement nachgegangen. Neben den Festangestellten gibt es auch ehrenamtliche Mentoren* - ungarische Studierende, die an den Erasmus-Veranstaltungen teilnehmen und unkomplizierte Ansprechpartner darstellen, wenn man Fragen, Wünsche oder Probleme hat, z.B. einen Dolmetscher* braucht oder ein Ausflugsziel sucht. 5. Akademisch Bis alle schließlich sicher in ihren Kursen gelandet sind, gab es einiges an Chaos. Nacheinander lagen uns, glaube ich, fünf Listen mit den „aktuellen“ Kursen (und deren jeweiliger Sprache vor), von denen sich früher oder später jede als mehr oder minder unzutreffend herausstellte. Als das Learning Agreement fällig gewesen war, hatte man sowieso gerade nur Zugriff auf eine Liste des letzten Frühjahrssemesters, was schon deswegen ein Problem war, weil dort häufig Teil 1 einer Veranstaltung und im Herbst/Winter dann nur noch Teil 2 angeboten wird (für den Teil 1 aber Voraussetzung ist). Schließlich gingen wir einfach zum ersten Termin der Kurse, die wir gerne belegen wollten, und klärten vor Ort ab, ob diese für Erasmusstudierende geeignet waren. Dadurch habe ich zweimal versehentlich rein ungarische Vorlesungen besucht, was irgendwie ganz lustig war. Die meisten Lehrenden fand ich an dieser Stelle überraschend hilfsbereit. Ich nahm an zwei Zeichenkursen (hoher Praxisanteil) teil, die an sich auf Ungarisch waren, bei denen sich die Dozenten aber bereiterklärten, die Anweisungen für uns (zwei deutsche Studentinnen) auf Englisch bzw. einem Mix aus Französisch und Deutsch zu wiederholen. Ein Professor hielt eine seiner Veranstaltung speziell für zwei von uns noch einmal auf Englisch und Deutsch eine Stunde vor dem eigentlichen Seminar ab. Insgesamt konnte ich Veranstaltungen aus den Bereichen Anthropologie, Kunst, Psychologie, Informationstheorie und Informatik besuchen, wobei ich einräumen muss, dass es in der informatischen und mathematischen Ecke die größten Schwierigkeiten gab. Der Katalog führte hier anfangs noch ein ziemlich umfangreiches Angebot auf, dass aber nach und nach dahin schmolz und sich schließlich auf Informatikkurse reduziert hatte, die mehr oder minder als E-Learning stattfinden sollten. Das wurde angesprochen und soll eventuell geändert werden; in unserer Generation war es etwas schade. Die meisten meiner Kurse waren dann entweder speziell für Erasmusleute oder von vornherein auf Englisch, sodass sehr wenige bis keine Ungarn* kamen, was zwar vom Lernklima angenehm war, den Kontakt zu Leuten außerhalb des betreuenden Kreises aber wenig unterstützte. Hierzu trug auch die bereits erwähnte Sprachbarriere bei. Ein ungarischer Sprachkurs für die Erasmusstudierenden wird angeboten, allerdings ist ein hohes Eigenengagement erforderlich, um wirklich etwas Anwendbares zu lernen. Bei uns zumindest war die Gruppendynamik hier etwas bescheiden, die Motivation vielerorts niedrig, sodass man häufig wiederholt hat und letztlich nur weiterkam, wenn man sich selbstständig dahinter geklemmt hat. Empfehlenswert: Das Durcharbeiten ungarischer Comics mit Google Translate. Ein weiteres Angebot speziell für das Erasmus-Programm ist der Kurs Hungarian Culture. Dieser umfasst Ausflüge wie z.B. zum Parlament nach Budapest oder in einen nahegelegenen Nationalpark. Außerdem fand eine Global Cooking Night statt, die auf dem Gedanken basiert, einander nationale kulinarische Highlights näher zu bringen sowie eine Reihe von Vorträgen (freiwillig) der internationalen Studierenden zu deren jeweiligem Heimatland. Solche Veranstaltungen waren zwar interessant und mit einem gewissen Chaosfaktor auch spaßig, allerdings wurden dadurch meiner Meinung nach mitunter einfach Stereotypen verfestigt, statt ein besseres Verständnis füreinander aufgebaut. 6. Leben in Eger Meine Bedenken im Bezug auf das Leben in einer Kleinstadt waren ähnlich wie die des geteilten Zimmers wegen: Zu wenig Anonymität/Rückzugsmöglichkeit, nichts los, wenig zu entdecken. Ich hatte von Eger auch einfach nie etwas gehört, bevor es auf der Liste der Partnerhochschulen meines Studiengangs auftauchte. Tatsächlich ist die Weinstadt aber eines der touristischen Highlights in Ungarn und taucht in vielen Reiseführern auf. Im Sommer ist es vielleicht nervig, wenn der Dobo Square von Touristen bevölkert wird und man überall Deutsch hört (das lassen zumindest die vielen „Zimmer frei“-Schilder erwarten), im September klingt das aber schon ab, während das Wetter mit etwas Glück noch bis Ende Oktober großartig sommerlich ist und vieles von dem, das den Charme der Stadt ausmacht, weiterhin da und geöffnet bleibt. Was auf den Orientierungstagen sowieso abgelaufen und im Wikipedia-Artikel erwähnt wird, lasse ich überwiegend mal beiseite. Tipps wären allerdings das Café Süticake direkt am Dobo Square, in dem es großartige Kuchen, nette Besitzer und eine sehr herzliche Kellnerin gibt, der Eged, ein größerer Hügel direkt vor der Stadt, zu dessen Gipfel man sehr gut Wandern kann, der Ostorosi See, ebenfalls ein schönes Wanderziel, der Heilbrunnen, an dem man sich kostenlos Trinkwasser holen kann (das Leitungswasser ist nicht so toll, aber diese Brunnengänge haben etwas sehr cool Rituelles), das Thermalund das türkische Bad (direkt am Brunnen. Wobei das Thermalbad zum Winter hin einen Teil seiner Anlage schließt), der Palacsintavár (dt. Pfannkuchenburg, ein gemütliches Restaurant mit tollen Pfannkuchenvariationen), Retroburger (wo es Burger in der Größe von Fußbällen gibt), den Pizza Club (nicht so billig wie z.B. Fortuna Pizza, dafür aber ziemlich italienisch in der Qualität), den Gödör Club unter der Basilika und natürlich das Wine Valley mit seinen circa 50 Weinkellern (an dieser Stelle etwas Werbung für Keller 28, wo man sehr gemütlich sitzt, obwohl der Wein ist Keller 46 ein bisschen besser ist). Im Winter gibt es außerdem eine Eislaufbahn, und wenn man sich bis zum Nachbarort Felsőtárkány bemüht (kann man gut gehen, es gibt aber auch Busse), bekommt man dort den Kuchen von Süticake noch günstiger. Grundsätzlich kann man auf Fahrräder mieten in Eger, im Winter ist der Verleih aber für eine Weile geschlossen, wobei bei uns tagelang ein „gerade unterwegs, kommen Sie morgen wieder“-Schild da hing, das dann etwas in die Irre geführt hat. Generell ist die Einstellung zu solchen Feinheiten mitunter deutlich lässiger als in Deutschland. Busse und Bahnen fahren üblicherweise sehr pünktlich, aber wenn man zu jemandem ins Haus zum Essen eingeladen wird, soll man wohl eigentlich ca. 20 Minuten später erscheinen. Halboffizielle Veranstaltungen fangen oft später an; z.B. beginnt dann zu der angekündigten Anfangszeit eher der Aufbau als das eigentliche Event. Mitunter ist es etwas schwierig abzuschätzen, was nun eine verbindliche Terminangabe ist und wann es sich eher um eine vage Orientierung handelt – so oder so kann man sich als Deutscher* viele Kommentare zur eigenen Pünktlichkeit anhören und muss mitunter einfach etwas flexibler sein als zuhause. 7. Abreise und Rückkehr Die Prüfungsphase startet eigentlich kurz vor Weihnachten und dauert dann bis Mitte oder Ende Januar. De Facto wissen die Dozenten und das Internationale Team aber, dass viele der Studierenden vor Weihnachten abreisen möchten, und kommen dem entgegen, indem es z.B. anstelle von Examina Referate und Essays gibt oder Tests vorgezogen werden. Bei uns sind die meisten innerhalb der Woche vor Weihnachten abgereist und hatten ihre Kurse dann auch abgeschlossen. Ich selbst bin noch bis zum 23. Januar geblieben. Diese Zeit fand ich auch nochmal sehr interessant, weil die tägliche Planung so ohne Gruppe eine ganz andere war, ich durch die Abreise meiner Zimmernachbarin nun doch noch ein Einzelzimmer (und somit auch Platz für Besuch) hatte und insgesamt so viele Studierende die Stadt verlassen, dass diese einen anderen Charakter erhält. Allerdings werden in dieser Zeit auch Zimmer vermietet, für die eigentlich noch bezahlt ist, sodass ich zum Beispiel morgens davon aufgewacht bin, dass überraschend irgendjemand ins Nebenzimmer eingezogen ist oder in meinem Bad geduscht hat. Darauf sollte man nur vorbereitet sein, sonst ist das im ersten Moment sehr irritierend... Am hilfreichsten an dieser Zeit fand ich aber, dass sie mir einen stufenweisen Abschied von der Erasmuszeit ermöglichte. Ca. eine Woche lang gab es täglich Abreisen von Freunden, danach erhielt ich diverse Nachrichten, in denen die frühe Abreise zumindest leise bedauert wurde. Das hat einfach sehr deutlich gemacht, dass diese Phase sich gerade ihrem Ende neigt, und die Möglichkeit gegeben, alles nochmal in Ruhe zu reflektieren. Als ich dann nach Hause kam, hat sich der Zeitpunkt richtig angefühlt und ich bin in kein Loch gefallen, zumal ich einen Umweg über Lettland gemacht habe, um dort eine meiner neuen Freunde* zu besuchen. Zur Anrechnung meiner Kurse kann ich leider noch keine endgültige Aussage machen. Mein Learning Agreement wurde auch nach seiner Änderung akzeptiert, aber bisher bin ich noch nicht zu meiner Uni zurückgekehrt und bin noch nicht vollständig sicher. Fragen hierzu beantworte ich aber gerne noch später per Email. 8. Probleme/Sonstiges Etwas Fingerspitzengefühl erfordern politisch angehauchte Diskussionen. Im offiziellen Erasmusprogramm wurden tagespolitische Entwicklungen in Ungarn nicht ein Mal thematisiert. Spricht man verschiedene Leute gezielt an, stößt man mitunter durchaus auf kritische Einstellungen, Diskussionsbereitschaft und spannende Innenansichten, manchmal aber auch auf abwehrende Haltungen und z.B. Antiziganismus. (Zumindest Kavaliers-)Sexismus scheint leider noch ziemlich verbreitet; obwohl ich mich natürlich in einem begrenzten Kreis bewegt habe, hat sich dieser Eindruck auch in Erzählungen und Alltagsbeobachtungen bestätigt. Argumente basierten häufig in irgendeiner Form auf dem Gender der diskutierten Leute („...but he’s a guy!“, „...because she is a lady!“) und Türen funktionierten als Siebe, weil der männliche Teil der Gruppe immer den weiblichen passieren ließ. Ein ungarischer Freund hat mir erzählt, dass sein Vater ihn immer noch ausschimpft, wenn er einer Frau nicht die Tür aufhält oder sie alleine nach Hause gehen lässt. So etwas stört natürlich manche Leute mehr als andere, ich fand es aber sehr anstrengend und mitunter beengend, zumal es sich nicht um ein exklusiv ungarisches Phänomen handelte, sondern von Studenten und Studentinnen aus Rumänien, Litauen, Lettland, der Türkei, Spanien und Deutschland mitfabriziert wurde. Ähnlich salonfähig und präsent wie dieser Alltagssexismus waren auch homophobe Scherze und Randkommentare. 9. Fazit Ich kann einen Erasmus-Aufenthalt in Eger sehr empfehlen. Die Stadt ist auch im Wintersemester wunderschön und man wird wirklich gut betreut. Für deutsche Verhältnisse ist alles sehr, sehr günstig; und man bekommt mitunter einen ernüchternden Einblick in andere Lebensstandards. Schwierigkeiten ergeben sich vor allem je nach Studienrichtung – einige von uns hatten sehr viel Glück (bessere Angebote als an ihrer eigenen Hochschule), andere ziemliches Pech (überhaupt keine anrechenbaren Kurse). Ich persönlich bereue etwas, dass ich nicht mehr in Ungarn und seinen Nachbarländern herumgereist bin, was aber zum Teil einfach daran liegt, dass man mit öffentlichen Verkehrsmitteln meist den Umweg über Budapest nehmen muss, sodass es einfacher ist, gleich dort zu bleiben (vor allem, wenn man keine Kurse schwänzen will und entsprechend nur das Wochenende oder die einwöchigen Herbstferien zur Verfügung hat). Ich fand es sehr spannend, dass viele der Studierenden aus Osteuropa bzw. dem Baltikum kamen und ich jetzt zu einigen Ländern, über die ich vorher peinlich wenig wusste, ein persönliches Bild habe. Mir haben meine Begegnungen dadurch ein neues Verständnis vermittelt und mich einigen Kulturen näher gebracht, außerdem habe ich jetzt mehr das Gefühl, in Europa zu leben. Es ist toll, plötzlich Zugang zu ganz anderen Netzwerken zu haben, und zu bemerken, dass neu geknüpfte Freundschaften die Trennung überleben könnten. Natürlich ist gerade alles noch recht frisch, aber trotzdem erscheint es vielversprechend, dass bereits zwei Monate nach Ende des Semesters die ersten schon wieder zu Besuch in Eger sind, dass diverse Begegnungen für Frühjahr und Sommer geplant sind und einem die Gesprächsthemen nicht ausgehen, nur weil man nicht mehr jeden Tag gemeinsam begehen kann.
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