Wertimagination - Edna Westmeier

Wertimagination
Seelische Gesundheit und Veränderungsprozesse im Verhalten beruhen vor allem auf
Vorstellungen und Imaginationen. Imaginationen verbinden kognitives, affektives und
körperliches Erleben.
Im Unbewussten findet ein kontinuierliches Gespräch in Bildern statt. Wenn wir zu diesen
inneren Bildern Kontakt aufnehmen, dann können wir den inneren Prozess wahrnehmen und
uns mit ihm auseinandersetzen. Die Wahrnehmung und die Auseinandersetzung mit den
inneren Bildern ist die Voraussetzung dafür, dass sich emotional, kognitiv und körperlich
etwas zum Positiven verändern kann.
Anthropologische Voraussetzungen der Wertimagination
Die Methode der Wertimagination (WIM®) ist von Uwe Böschemeyer entwickelt worden als
Weiterentwicklung der Logotherapie von Viktor E. Frankl.
Geist, Werte, Sinn – die Säulen der klassischen Logotherapie – sind auch die Grundlage der
Wertimagination. Die Weiterentwicklung konzentriert sich auf die von Frankl begründete
Tiefennoologie, seiner Lehre vom „geistig Unbewussten“. Besonders dieser Bereich des
Unbewussten ist Grund und Ziel wertimaginativer Arbeit.
Das „geistig Unbewusste“ ist die Quelle der menschlichen Werte wie z.B. Freiheit, Mut und
Liebe. Das „geistig Unbewusste“ steht für das jedem Menschen potenziell verfügbare Wissen
von den Zusammenhängen des persönlichen, des sozialen und des universellen Lebens.
Und es repräsentiert das stärkste Energiezentrum, zu dem Menschen Zugang haben
können.
Methode
Wertimaginationen sind von einer Therapeutin oder einem Therapeuten begleitete,
zielorientierte, bewusst erlebte „Entdeckungsreisen“ ins Unbewusste. Wertimaginationen
eröffnen den Zugang zu inneren Wert- und Sinnbildern, z.B. Bilder der Freiheit, des
Vertrauens, der Verantwortung, der Spiritualität.
Sie sind ein Weg, innere Ressourcen zu entdecken und sich mit ihnen vertraut zu machen,
so dass sie immer mehr ins Bewusstsein dringen. Die Ressourcen können durch
regelmäßige Praxis kognitiv, emotional und körperlich stabilisiert werden, so dass ein
Transfer auf Alltagsituationen erleichtert wird.
Das Wesentliche der Wertimaginationen ist die Beziehung zu den unbewussten
(weiblichen und männlichen) transsubjektiven Gestalten, den Wertgestalten. Sie sind
personifizierte Symbolisierungen spezifisch humaner Werte und Eigenschaften des geistig
Unbewussten (das personifizierte Vertrauen erscheint als „die Vertrauensvollen“, Freiheit als
„die Freien“).
Alle spezifisch humanen Werte und Eigenschaften können als Wertgestalten erscheinen.
Meistens wird den Wertgestalten die Führung während der Imagination und die Deutung der
bildhaften Abläufe überlassen.
Wertgestalten sind immer lebensbejahend. Wesentlich während der Imagination ist die
existenzielle Begegnung mit den Wertgestalten. Sie schafft eine wahrnehmbare gefühlte
Kraft des betreffenden Wertes.
Vorgehensweise
Zu jeder Sitzung mit Wertimaginationen gehört ein Vorgespräch, in dem das Ziel der
Imagination vereinbart wird; ebenso gehört dazu ein Nachgespräch, um die erfahrenen
Bilder zu deuten und in den Lebenskontext zu stellen.
Die eigentliche Imagination dauert ca. zwanzig Minuten, in denen die Imaginanden die
Augen schließen, ihre Aufmerksamkeit nach innen richten und Bilder erwarten, die in ihnen
auftauchen. Dies geschieht nach einer entspannenden, in die innere Stille führenden
Einführung, die wie die Imagination im Sitzen stattfindet.
Wesentlich während der Imagination ist nicht das Registrieren, sondern das existenzielle
Erleben der Symbole und Bilder.
Während einer Imagination erscheinen naturgemäß nicht nur symbolisierte Ressourcen,
sondern auch Defizite und Probleme. Durch die inneren Bilder wird deutlich, warum ein
Mensch Probleme hat und wie diese Probleme im Kern aussehen. Ebenso wird deutlich,
wie die Ressourcen und Werte im Kern aussehen. Das ergibt die Möglichkeit, diese
Probleme authentisch und nachhaltig zu lösen. Für den therapeutischen Effekt ist es
wesentlich, dass Menschen während der Wertimagination die Ressourcen stärker fühlen,
d.h. geistig, seelisch, körperlich erleben können, als wenn sie lediglich über sie nachdenken.
Wirkung der Wertimagination
Durch das tiefgreifende, ursprüngliche, ganzheitliche Erleben während der Imagination
kommt es zu Erfahrungen von Selbstheilungskräften auf körperlicher, seelischer und
geistiger Ebene.
Durch die Ausrichtung auf das geistig Unbewusste finden Menschen zur geistigen Basis
ihres Lebens und einen Weg zur Essenz ihrer Persönlichkeit. Sie entdecken, welche
Ressourcen und Werte darauf warten, ausgelebt zu werden und sie kommen in Kontakt mit
dem tragenden Grund des Lebens. Die Kraft dieser Entdeckungen ergibt sich aus dem
Zusammenwirken von kognitivem, affektivem und körperlichem Erleben. Es entsteht eine
ganzheitliche Verbindung zu den erlebten Ressourcen, die eine Voraussetzung für
Motivation zu Veränderungen und Gestaltungskraft schafft.
Wertimaginationen stärken die Resilienz, sie ermöglichen die Identitätsfindung, sind
sinnstiftend und fördern eine lebensbejahende Einstellung.
Anwendung der Wertimagination
Wertimaginationen werden als zentrale Methode der Wertorientierten Persönlichkeitsbildung und der Wertimaginativen Logotherapie eingesetzt. Wertimaginationen eignen
sich aber auch als zusätzliches Werkzeug für andere Beratungs- und Therapieverfahren.
Wertorientierte Persönlichkeitsbildung versteht sich als „dritter Weg“ neben Therapie und
Beratung und richtet sich an Menschen, die nicht mehr oder nicht genügend Sinn im Leben
erfahren bzw. auf der Sinnsuche sind. Sie ist ein Präventionskonzept zur Vermeidung
seelischer und körperlicher Erkrankungen.
Wertimaginative Logotherapie verbindet Tiefenpsychologie und Höhenpsychologie. Es
werden lebensgeschichtliche Aspekte, aktuelle Lebenssituation und Lebensbefindlichkeit
ergründet und ungenutzte, oft unbewusste Ressourcen erforscht.
Wertimaginationen werden u.a. eingesetzt bei Selbstwertproblematik, Depression, BurnOut, Ängsten, Trauer, Verlust, Vergangenheitsbewältigung, Entscheidungsfragen,
Schulproblemen, Beziehungskonflikten, zur Identitätsfindung und in der Begleitung von
psychosomatischen oder körperlichen Krankheiten.