Dokument Datenbank flexible Arbeitszeitmodelle Flexible Dienstplangestaltung in den Wohngruppen für geistig und mehrfach behinderte Menschen von LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG Unternehmen: LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG SOZIALEINRICHTUNGEN gGmbH Homepage: www.leben-mit-behinderung-hamburg.de Anschrift: Südring 36 22303 Hamburg Ansprechpartner: Herr Georg Schnitzler (Regionalleiter) Tel.: 040/270790-912 E-Mail: [email protected] Branche: Soziale Dienstleistungen Behindertenhilfe Mitarbeiterzahl: ca. 620 Kategorie: Dienstplangestaltung Flexible Dienstplangestaltung in den Wohngruppen für geistig und mehrfach behinderte Menschen von LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG 1. 2. 3. 4. 5. 6. Inhalt LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG im Überblick Raster-Dienstpläne - nicht bedarfsgerecht Erfahrungen aus der Praxis bestimmten die Neu-Entwicklung maßgeblich Das System aus Kernzeiten, flexiblen sowie frei einzusetzenden Stunden Auswertung der flächendeckenden Erfahrungen Flexible Arbeitszeiten erhöhen die Mitarbeiterzufriedenheit, verbessern die Qualität der Arbeit und stärken die Wettbewerbsposition 1. LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG im Überblick LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG hat seinen Ursprung im 1956 gegründeten Verein zur Förderung und Betreuung spastisch gelähmter Kinder. 1978 wird die erste von heute 49 Wohngruppen gegründet, die nach dem "Hamburger Modell" betrieben werden: Jeweils sechs bis zehn geistig und mehrfach behinderte Erwachsene leben zusammen in großen Wohnungen in Häusern des sozialen Wohnungsbaus, in normalen Mietshäusern oder Einzelhäusern. Diese stadtteilintegrierten Wohngruppen sind über das gesamte Stadtgebiet verstreut. Fast alle Bewohner sind in der Woche tagsüber außer Haus. Die meisten arbeiten in einer Werkstatt für Behinderte (WfB), etwa 20% besuchen eine Tagesstätte, die in Hamburg flächendeckend für diejenigen schwer und mehrfach behinderten Menschen eingerichtet wurden, die die Zugangskriterien einer WfB nicht erfüllen. Die Teams der Betreuer - insgesamt jeweils zwischen acht bis zehn Mitarbeiter - setzen sich zusammen aus einem Sozialpädagogen als Leitung, (Heil?)Erziehern, angelernten Mitarbeitern, Zivildienstleistenden, Helfern im Freiwilligen Sozialen Jahr und einem hauswirtschaftlichen Mitarbeiter. 1996 wird aus dem Gründungsverein der LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG ELTERNVEREIN e.V. und die Kurt-Juster-Heim Gesellschaft für Behinderte mbH (die Betriebsgesellschaft) wird zur LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG SOZIALEINRICHTUNGEN gGmbH. Dass es sich bei der LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG um einen Elternverein (mit ca. 1.200 Mitgliedern) handelt, der damals auch als Alternative zu den traditionellen Betreuungsmöglichkeiten für behinderte Menschen, z.B. in Anstalten, verstanden wurde, erklärt die seit jeher starke Orientierung auf die Bedürfnisse der Behinderten. Hierzu gehört beispielsweise, die Behinderten auch nach 20:00 Uhr noch zu betreuen, statt sie zu dieser Zeit bereits zu Bett zu bringen. Darüber hinaus ist die Arbeit der LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG pädagogisch orientiert, was bedeutet, dass eine weitmögliche Selbständigkeit der Bewohner und möglichst normale Lebensumstände wesentliche Ziele der Arbeit sind. Die LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG beschäftigt insgesamt ca. 610 Mitarbeiter, wovon ca. 500 in den hier betrachteten Wohngruppen und die anderen in den vereinseigenen Tagesstätten bzw. der Verwaltung tätig sind. Arbeitsrechtliche Grundlage aller Arbeitsverträge ist der einzelvertraglich vereinbarte Bundesangestelltentarifvertrag (BAT). Dieser gilt deshalb nicht unmittelbar, weil die LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG keinem Arbeitgeberverband angehört, den BAT aber dennoch grundsätzlich anwendet. Allerdings gibt es im Einzelfall Abweichungen, weshalb die konkreten Regelungen einzelvertraglich zwischen Gesellschaft und Mitarbeiter verabredet werden müssen. Der BAT sieht Heim- und Schichtzulagen und Zuschläge für Nacht- und Wochenendarbeit vor. 2. Raster-Dienstpläne - nicht bedarfsgerecht Raster-Dienstpläne sind zu starr Die Dienstplangestaltung für die Mitarbeiter der Wohngruppen der LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG erfolgte früher mit Hilfe sogenannter Raster-Dienstpläne. Mit dem sich wöchentlich wiederholenden Raster wurde für jede Wohngruppe festgelegt, zu welchen Tageszeiten mit ein, zwei oder drei Mitarbeitern gearbeitet werden musste. Darüber hinaus bestimmte im Raster die Wochenarbeitszeit aller Teammitglieder die Zahl der im Raster einsetzbaren und einzusetzenden Stunden nach einer bestimmten Formel, wodurch Über- bzw. Minusstunden vermieden werden sollten. Mit dieser starren Festlegung der Arbeitszeiten der Mitarbeiter konnte man den Bedürfnissen der Bewohner jedoch nicht gerecht werden, wie die Praxis gezeigt hatte. So wichen die Betreuer aus der Notwendigkeit heraus (z.B. Krankheit von Bewohnern, Durchführung von Festen und Geburtstagen, abendliche Aktionen, Reisen, ausführlicher Einkaufsbummel, Begleitung bei längeren Verwandtenbesuchen) permanent von den Vorgaben der Dienstpläne ab. Erst dadurch konnten sie auf veränderte Bedarfslagen reagieren. Wenn zum Beispiel ein Bewohner im Laufe der Nacht erkrankte und dann im Haus bleiben musste, beendete der Betreuer seinen Nachtdienst nicht schon wie im Dienstplan vorgesehen um 9:00 Uhr. Die bestehende Betriebsvereinbarung unterstützte bedarfsgerechte Arbeitszeiten nicht Das bedarfsgerechte Arbeitszeitverhalten der Mitarbeiter führte jedoch zu Problemen, weil die Regelungen der Betriebsvereinbarung dahinter zurückblieben. So sah diese keinen Planungs- und Steuerungsmechanismus vor, mit dem auf die in hohem Maße anfallenden Überstunden hätte reagiert werden können. Weder existierte eine jahresbezogene Bedarfsplanung, bei der planbare Zeiten höherer Auslastung - wie beispielsweise Urlaubsreisen mit den Bewohnern - bereits entsprechend hätten berücksichtigt werden können, noch sah das geltende System der Dienstplanung vor, dass Mitarbeiter in Zeiten geringeren Arbeitsaufkommens auch einmal weniger arbeiteten, wodurch sie Überstunden hätten ausgleichen können. Ein Zeitkonto gab es nicht, obwohl Über- bzw. Minusstunden schon allein dann entstanden, wenn in einem Team die Anzahl der durch Krankheit ausgefallenen Dienste von den mit der o.g. Formel kalkulierten Durchschnittswerten abwich. Ziel: Neue Arbeitszeitregelung muss flexibler Praxis folgen Hauptziel der Neu-Entwicklung war es demzufolge, eine arbeitsrechtliche Regelung zu finden, über die die bedarfsgerechte Arbeitszeitpraxis abgebildet werden konnte. Dass die Betreuer tatsächlich bereits so flexibel agierten, führt Herr Schnitzler übrigens auf die besondere Struktur der Wohngruppen zurück. So handelt es sich um autonome Einheiten, deren Mitglieder auch auf anderen Gebieten Entscheidungen treffen dürfen und - angesichts dessen, dass oft nur ein bis zwei Mitarbeiter gleichzeitig anwesend sind und darunter nicht immer eine Führungskraft ist - müssen. Des weiteren sind die Wohngruppen hinsichtlich der Zahl der zu betreuenden Personen klein, wodurch eine größere Nähe zwischen Betreuer und Bewohner entstehen kann. Auch können sich die Mitarbeiter in Wohngruppen anders als beispielsweise in Heimen nicht darauf verlassen, dass sie ggf. auf die Hilfe von Mitarbeitern anderer Stockwerke oder Abteilungen zurückgreifen können. Und schließlich tragen alle Mitarbeiter eines Teams die Verantwortung für die bedarfs- und qualitätsgerechte Betreuung der Behinderten gemeinsam. Diese Besonderheiten wurden bei der Entwicklung des neuen Dienstplan-Systems von Beginn an dadurch berücksichtigt, dass die in der Betriebsvereinbarung zu verankernden Regelungen lediglich einen groben Rahmen vorgeben, die konkrete Ausgestaltung jedoch weiter vor Ort in den Wohngruppen ermöglicht werden sollte. 3. Erfahrungen aus der Praxis bestimmten die Neu-Entwicklung maßgeblich Diskussion der verantwortlichen Projektgruppe Anfang 1994 bildete sich auf Initiative des Betriebsrates die Arbeitsgruppe "Arbeitszeitmodelle", der neben zwei Betriebsräten und zwei Regionalleitern (die LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG ist in vier Regionen organisiert) auch interessierte Leiterinnen (3) sowie Erzieherinnen (2) von Wohngruppen angehörten. Mitarbeiter wurden direkt in die Arbeitsgruppe einbezogen, damit die Betroffenen die Regelung mitragen. Nur dann - so die Erfahrung - würden neue Regelungen erfolgreich umgesetzt werden können. Obwohl die Verantwortlichen von LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG diesbezüglich nur wenig Bedenken hatten, schließlich war der Anstoß für die neue Dienstplangestaltung aus den Wohngruppen gekommen, sahen sie hierin ein probates Mittel, die Akzeptanz möglichst vieler Mitarbeiter zu gewinnen. Und konsequenterweise diskutierte die Arbeitsgruppe bei ihrer halbjährigen Arbeit deshalb vor allem auch die in den Wohngruppen bereits erfolgreich praktizierten Ansätze zur Abschaffung des Raster-Dienstplans. Die Hauptkritik der anwesenden Betriebsratsmitglieder richtete sich dagegen, die Verantwortung für einen bedarfs- und mitarbeitergerechten Arbeitseinsatz nahezu vollständig auf die Mitarbeiter zu übertragen. Sie befürchteten hierdurch die Selbstausbeutung und Überforderung einzelner. Die Arbeitgebervertreter machten jedoch deutlich, dass die Mitarbeiter aus ihrer heute schon hohen Verantwortung für eine vernünftige Betreuung der Bewohner sowie den hierbei bestehenden Gestaltungsspielräumen einen großen Teil ihrer Motivation ziehen. So treffen bei LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG beispielsweise die Mitarbeiter Entscheidungen, die in anderen Unternehmen zum Aufgabengebiet von Führungskräften gehören. Darüber hinaus wurden diese weiteren Punkte ausführlich erörtert: Mindestdauer der Dienste (Für einen 3-4stündigen Ausflug zusätzlich benötigte Mitarbeiter kritisierten die Dauer des Ausfluges und damit ihrer Arbeitszeit vor dem Hintergrund langer Wegezeiten als zu gering. Der Betriebsrat fordert eine Mindestdienstlänge von 7,5 Stunden.) Grenzen der Flexibilität (Wie kurzfristig darf die geplante Arbeitszeit geändert werden? Wie wird bedarfsgerecht vom Dienstplan abgewichen - durch Anordnung der Führungskraft oder durch freiwillige Entscheidung des Mitarbeiters?) Beibehaltung von Monatsdienstplänen Bandbreite des Zeitkontos Definition der Kernbetreuungszeiten (Welche Aufgaben müssen erfüllt werden? Welche Zeitspanne ist hierfür angemessen?) Aufwand für Aufgabenplanung Entscheidung für eine Erprobung Nach dem halben Jahr hatte die Arbeitsgruppe die Grundideen soweit detailliert, dass diese in vier Wohngruppen auf freiwilliger Basis sechs Monate lang ausprobiert werden konnten. Bei der Auswahl der an der Erprobung beteiligten Wohngruppen regte die Arbeitsgruppe an, Gruppen anzusprechen, die für ihre Dienstplangestaltung bereits nach anderen Lösungen gesucht hatten bzw. solche, die an diesbezüglichen Veränderungen interessiert waren. Die Probephase wurde dem Abschluss der Betriebsvereinbarung vorangestellt, um die vorgeschlagenen "Spielregeln" für die bedarfsgerechte Dienstplangestaltung auf ihre Praxistauglichkeit zu testen. Letztlich würde man die Mehrheit der Mitarbeiter nur mit dem Verweis auf positive Praxiserfahrungen von der Richtigkeit des Vorgehens überzeugen können. Etwaige Skeptiker sollten mit dem Hinweis auf die konkreten Vorteile gewonnen werden. Darüber hinaus konnte die Argumentation erleichtert werden, wenn Mitarbeiter ihren Kollegen das System empfehlen würden. Konkret sollten die vier Wohngruppen die von der Arbeitsgruppe ausgesprochene Empfehlung umsetzen, die Raster-Dienstpläne abzuschaffen sowie alternative "Spielregeln" anwenden. Diese waren übrigens zu jener Zeit noch nicht in einem Regelungsentwurf gebündelt. Ermutigende Erfahrungen in der Probephase Im Januar 1995 erstellte die Arbeitsgruppe ihren Bericht, der neben den Erfahrungen der Probephase, noch einmal die Kritikpunkte an den Raster-Dienstplänen aufgriff, die getesteten Ansätze darstellte, ein Fazit sowie eine konkrete Empfehlung für die weitere Gestaltung beinhaltete. Fazit war, dass der Test - abgesehen von kleinen Schwierigkeiten im Detail - insgesamt überaus positiv verlaufen war: Die beteiligten Wohngruppen wollten auf keinen Fall zu den alten Raster-Dienstplänen zurückkehren, sondern weiterhin die neuen Verfahren praktizieren. Die Empfehlung der Arbeitsgruppe konnte deshalb auch nur in eine Richtung gehen - auf das ausprobierte System der Dienstplanung umzustellen und zukünftig ohne Raster zu arbeiten. Allerdings galt dieser Vorschlag uneingeschränkt nur für Wohngruppen mit ausgewogenem Stellenplan. Wohngruppen hingegen, bei denen Stellenplan und Aufgabenvolumen nicht ausgewogen waren, sollten grundsätzlich an den Raster-Dienstplänen festhalten, jedoch gleichzeitig einzelne sinnvoll erscheinende Bestandteile des neuen Systems anwenden. Hiervon ausgehend erarbeitete die Geschäftsführung einen Betriebsvereinbarungsentwurf, der in allen Wohngruppen zur Diskussion gestellt wurde. Da es für den Abschluss der Betriebsvereinbarung der Unterstützung durch die Einigungsstelle bedurfte, lag das fertige Ergebnis erst im Juni 1997 vor. Angesichts der schwierigen Einigung regelt die Betriebsvereinbarung explizit auch die Verfahren zur Wahrung der Mitbestimmung des Betriebsrates. Zwischen August und November des selben Jahres wurden die Wohngruppen in Schulungen mit den Details des neuen Systems vertraut gemacht. Im Januar 1998 gab die Geschäftsführung schließlich die "Anleitungen und Richtlinien zur Dienstplangestaltung in den Wohngruppen von LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG" unter dem Titel "Aufgabenorientierte Dienstplanung in der Wohngruppe" heraus. Die Umsetzung startete ebenfalls Anfang 1998. 4. Das System aus Kernzeiten, flexiblen sowie frei einzusetzenden Stunden Grundsatz der Dienstplangestaltung Die Dienstplangestaltung der LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG richtet sich nach den Aufgaben, die die Mitarbeiter zur Betreuung der Bewohner erbringen müssen. Viele Aufgaben sind zu festgelegten Zeiten zu bewältigen, andere Aufgaben können unabhängig von der Zeit, manche auch unabhängig von einem bestimmten Ort erledigt werden. Wieder andere Aufgaben benötigen eine Verabredung mit einem oder mehreren Bewohnern, anderen Mitarbeitern oder Verantwortlichen aus anderen Institutionen. Zum Beispiel können daher kurze Dienste mit Aufgaben, die zu beliebiger Zeit erledigt werden können, verlängert werden. Ziel ist auch, dienstliche und private Belange möglichst eng miteinander zu verzahnen. Privaten und persönlichen Interessen soll möglichst großer Raum in der Zeitplanung eingeräumt werden. Prinzipien der Dienstplangestaltung bei LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG • Oberste Richtschnur der Dienstplanung ist der Bedarf, sind die Aufgaben bei der Betreuung der behinderten Bewohner. Weil die Qualität von Betreuung und Versorgung wesentlich von deren zeitgerechter Verfügbarkeit abhängt, trägt eine bedarfs- und aufgabenorientierte Dienstplanung wesentlich zur Qualität bei. • Die Stundenorientierung in der Arbeitszeitplanung wird abgelöst von der Aufgabenorientierung. Damit entstehen Dienstpläne, die sich je nach Aufgabe (planung) von Tag zu Tag unterscheiden können. • Bedarfsorientierte Dienstplanung ist so flexibel, wie es die Aufgaben erfordern, die sich in der Betreuung stellen. Der Dienst folgt der Maxime: so geplant wie möglich so flexibel wie nötig. • So weit wie möglich wird die Dienstplanung vom Team selbst gesteuert. Der Verantwortung des Teams und jedes einzelnen Mitarbeiters für die bedarfsgerechte und aufgabenorientierte Betreuung entspricht die weitgehende Selbststeuerung der Dienstzeiten. • Damit das Team den Anforderungen zur Flexibilität entsprechen kann, braucht es Selbstständigkeit, Gestaltungsfreiheit, Flexibilitätsspielregeln, Team-Geist und ?Verantwortung und Unterstützung - etwa durch die Bereitstellung von Aushilfen. • Alle privaten und persönlichen zeitlichen Interessen der Mitarbeiter, die mit dem ersten Grundsatz vereinbar sind, müssen realisiert werden können - sofern eine Einigung im Team darüber möglich ist. • Die Grenzen der Dienstplanung, die u.a. vor Überforderung schützen sollen, müssen klar definiert sein; die privaten Belange der Mitarbeiter müssen ernst genommen werden. Integration von Teilzeit-Mitarbeitern in das Arbeitszeitsystem Vollzeit- und Teilzeit-Mitarbeiter unterliegen den gleichen Regeln. Im Laufe der Jahre hat sich die Zahl der Teilzeit-Mitarbeiter bei LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG laufend erhöht, heute ist nur noch eine Minderheit von 26 % der 610 Mitarbeiter in Vollzeit tätig. Grund hierfür ist, dass Mitarbeiter zunehmend Wünsche nach Teilzeitarbeit geäußert haben und LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG diesen so weit wie möglich entgegen kommt - unter anderem weil eine hohe Teilzeitquote die Möglichkeiten der flexiblen Arbeitszeitsteuerung erhöht. Voraussetzung dafür, dass einem Teilzeitwunsch entsprochen wird, ist, dass der Stellenplan der Wohngruppe in vollem Umfang genutzt bleibt. Möchte ein Mitarbeiter seine Arbeitszeit beispielsweise von 100% auf 80% reduzieren, müssen die frei werdenden 20% Arbeitszeit von einem anderen Mitarbeiter übernommen werden. Eine weitere Grenze liegt darin, dass Teilzeitverhältnisse <50% des Vollzeitvolumens nicht genehmigt werden. In diesem Fall würde der organisatorische Aufwand der Arbeit (z.B. Lesen des Dienstbuches), den jeder Mitarbeiter in gleichem Umfang hat, nicht mehr in einem ausgewogenen Verhältnis zur Betreuungszeit stehen. Darüber hinaus möchte LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG verhindern, dass die Teams zu groß werden. So ist als Faustregel festgelegt, dass die Zahl der Mitarbeiter nicht größer als das 1,5-fache der Zahl der Stellen sein darf. In der Regel sind Mitarbeiter aber ohnehin an vertraglichen Arbeitszeiten zwischen 75% und 100% interessiert. Monatliche Dienstplanung Die Dienstplanung, die die Mitarbeiter einer Wohngruppe am Anfang des Vormonats beginnen, orientiert sich am Bedarf, das heißt vor allem an der Anwesenheit der Bewohner. Zunächst verständigen sich die Beteiligten - im Rahmen der inhaltlichen Monatsplanung - über die geplanten Aktivitäten und Besonderheiten des Monats wie zum Beispiel Ausflüge und andere Freizeitaktivitäten, besondere Betreuungen sowie Förderprogramme, die die sogenannten flexiblen wie auch die frei einzusetzenden Stunden (siehe nachfolgend) beeinflussen. Des weiteren berücksichtigen sie geplante Abwesenheiten einzelner Bewohner beispielsweise bedingt durch Besuche bei Verwandten. Bei der Dienstplanung müssen die in der Betriebsvereinbarung festgelegten Grenzen beachtet werden, die gleichzeitig Kriterien für die Mitbestimmung des Betriebsrates sind: Jeder Mitarbeiter hat Anspruch auf • • • • • • ungeteilte Dienste, mindestens sechs freie Tage im Monat, zwei zusammenhängende freie Tage in mindestens zwei Wochen des Monats, zwei freie Sonntage im Monat, einen freien Tag nach höchstens 50 Arbeitsstunden "am Stück", das heißt nicht unterbrochen durch einen freien Tag, einer Zahl von freien Tagen im Jahr, die denen eines "normalen" Arbeitnehmers entspricht. Von diesen Grenzen kann auf ausdrücklichen Wunsch des einzelnen Mitarbeiters abgewichen werden, er muss dies gegenüber dem Betriebsrat schriftlich bestätigen. So gibt es zum Beispiel Mitarbeiter, die am liebsten am Wochenende arbeiten. Andere bevorzugen geteilte Dienste. Kernzeiten Jedes Team (verantwortlich: die Leitung) hat tagesbezogen die Kernzeiten und den innerhalb dieser Zeiten notwendigen Besetzungsbedarf bestimmt. Kernzeiten sind diejenigen Zeiten am Tag, in denen das tägliche Pflichtprogramm bewältigt werden muss, welches unabhängig von tagesaktuellen Ereignissen anfällt. Dazu gehören beispielsweise der Aufsichtsbedarf, die pflegerischen Aufgaben, die Mahlzeiten, Hauswirtschaft und alles andere, was täglich anfällt. Der Umfang der Kernzeiten hängt von dem konkreten Arbeitsaufwand ab, der wesentlich durch den Grad der Behinderung der Bewohner bestimmt wird. So wird für pflegerische Arbeiten beispielsweise bei einem schwerer behinderten Bewohner mehr Zeit benötigt, da dieser auch an- und ausgezogen werden muss, während es bei anderen Bewohnern ausreicht, die Kleidung zurecht zu legen. Die Probephase hatte gezeigt, dass eine zu enge Festlegung der Kernzeiten dazu führt, dass die Mitarbeiter fast nie nach dem Dienstplan arbeiten. Mitarbeiter hatten Angst, dass ihre Aufgaben auf die in den Kernzeiten durchgeführten Tätigkeiten reduziert werden könnten, wenn die Arbeit innerhalb dieser Zeitspanne erledigt werden konnte. Demzufolge arbeiteten sie gezielt über die Kernzeiten hinaus. Im Rahmen der Dienstplanung kann von den festgelegten Kernzeiten abgewichen werden, wenn es dem Bedarf entspricht - beispielsweise bei geplanten Abwesenheiten von Bewohnern oder wenn die Fahrdienste der Werkstätten für Behinderte ihre Fahrrouten und Zeiten ändern und sich damit beispielsweise andere Aufstehzeiten ergeben. Orientierung an der Anwesenheit der Bewohner heißt, dass die Betreuer mit ihrer Arbeit meist am frühen Nachmittag beginnen, kurz bevor die ersten Bewohner nach Hause kommen. In der Regel sind nachmittags und abends bis ca. 22:00 Uhr sowie am Wochenende bis 23:00 Uhr zwei Betreuer anwesend; einer beendet dann seinen Dienst, der andere bleibt in der Wohngruppe zur Nachtbereitschaft, das heißt er schläft dort. Mit der Orientierung an den Anwesenheitszeiten der Bewohner wurde bei LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG ein Einschichtsystem installiert. Es setzt voraus, dass die behinderten Bewohner der Wohngruppen in der Nacht nur in Ausnahmefällen betreut werden müssen, dass die Mitarbeiter in der Regel also wirklich schlafen können. Dies vorausgesetzt, gilt die Nachtbereitschaft als Ruhezeit und unterbricht die langen Dienste. Die Mitarbeiter schätzen dieses Einschichtsystem, weil die Wegezeiten drastisch vermindert werden und insbesondere am späten Abend und am frühen Morgen weniger Arbeitswege anfallen. Gleichzeitig ist mit diesem System eine bedarfsgerechte und rationelle Dienstplanung möglich, weil die Bewohner bis in den späten Abend und am frühen Morgen ohne Probleme betreut werden können - ohne dass dafür der Einsatz von Nachtwachen oder geteilte Dienste notwendig werden. Eine Nachtbereitschaft wird - unabhängig von ihrer tatsächlichen Dauer pauschal mit zwei Stunden Dienstzeit bewertet. Nach der Nachtbereitschaft beginnt der Dienst morgens zwischen 5:00 Uhr und 6:00 Uhr, abhängig davon, wann die Bewohner aufstehen müssen, und endet, nachdem alle aus dem Haus sind, zwischen 8:00 Uhr und 9:00 Uhr. Dieser Morgendienst wird, wenn es erforderlich ist, durch den hauswirtschaftlichen Mitarbeiter unterstützt. Am Wochenende sind tagsüber ständig zwei Mitarbeiter im Dienst, in der Nachtbereitschaft einer. Flexible Stunden Aufgaben, die nicht zur täglichen Routine gehören - beispielsweise Gespräche mit Angehörigen, Entwicklungsberichte, Ausflüge, Arztbesuche sowie nicht tägliche Begleitung von Bewohnern außerhalb des Hauses -, werden im Rahmen der flexiblen Stunden wahrgenommen. Diese können täglich unterschiedlich, aber nur für definierte Aufgaben in den Dienstplan eingesetzt werden. Da solche Aufgaben auch kurzfristiger erforderlich werden können, können die hierfür benötigen flexiblen Stunden laufend in den Dienstplan eingetragen werden, der vor diesem Hintergrund auch ständig überprüft wird. Der Umfang der flexiblen Stunden hängt wiederum von den konkreten Aufgaben ab, aber auch vom hierfür noch zur Verfügung stehenden Zeitvolumen. In Wohngruppen, in denen der Umfang der Kernzeiten angesichts höheren Pflegebedarfs vergleichsweise groß ist, können nur wenige flexible Stunden eingeplant werden. Deshalb fallen allerdings besondere Aufgaben in diesen Wohngruppen nicht weg, sondern sie werden statt dessen während der Kernzeiten erledigt. Der zeitliche Spielraum hierfür besteht, da die Kernzeiten nicht immer voll ausgeplant sind - Beispielsweise, wenn ein mehrfach behinderter Bewohner nachmittags aus der Werkstatt kommt, und zwei Mitarbeiter anwesend sind, um ihm zum Beispiel beim Toilettengang behilflich zu sein. Frei einzusetzende Stunden Eine Besonderheit in der Dienstplanung der LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG sind die frei einzusetzenden Stunden, wovon jeder Mitarbeiter (Vollzeit wie Teilzeit) ebenfalls aufgabenorientiert bis zu zehn Stunden in den Monatsdienstplan aufnehmen kann. Allerdings steht für diese Stunden noch nicht fest, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten sie ggf. benötigt werden, so dass sie lediglich vom Umfang her im Dienstplan berücksichtigt, jedoch nicht bereits für konkrete Tage eingetragen werden. Wenn der Mitarbeiter beispielsweise schon weiß, dass ein Bewohner einen Kleidereinkauf plant, aber noch nicht feststeht, wann dieser durchgeführt werden soll, kann er hierfür frei einzusetzende Stunden vorsehen. Er arbeitet diese nach eigener Entscheidung oder nach einer entsprechenden Vereinbarung mit einem Bewohner. Zuhausearbeit Den Mitarbeitern ist in Ausnahmefällen auch die Möglichkeit eingeräumt, zu Hause zu arbeiten. Manches - wie zum Beispiel Entwicklungsberichte, die monatliche Kassenabrechnung oder auch die Dienstplanung - lässt sich dort einfacher und störungsfreier erledigen. Der Wunschdienstplan Der Wunschdienstplan folgt der Monatsplanung. In diesem trägt jedes Team-Mitglied seine Dienst- wie auch seine Freizeit-Wünsche ein. Die Leitung der Wohngruppe oder der Dienstplanverantwortliche (ein anderes Teammitglied) vervollständigen dann den Dienstplan. Ggf. müssen Wünsche und Interessen einzelner Mitarbeiter verhandelt werden, wobei im Fall der Nicht-Einigung die Gruppenleitung das letzte Wort hat. Nach der Planung in der Wohngruppe wird der Dienstplan, der ca. Mitte des Vormonats fertig erstellt ist, dem Betriebsrat, zwecks Wahrung der Mitbestimmung, und dem zuständigen Regionalleiter zur Zustimmung vorgelegt. Der Regionalleiter soll hierdurch befähigt werden, im Bedarfsfall bestimmten Entwicklungen - Selbstüberforderung von Mitarbeitern, Privilegien einzelner wie zum Beispiel nie am Wochenende zu arbeiten o.ä. - entgegen zu wirken. Darüber hinaus muss der Regionalleiter in die Dienstplangestaltung eingreifen, wenn die Bedürfnisse der Bewohner nicht genügend berücksichtigt wurden - diese beispielsweise um 20:00 Uhr ins Bett gehen sollen, obwohl sie dies nicht wollen. Der Regionalleiter wird sein diesbezügliches Eingriffsrechts restriktiv und nur in Ausnahmefällen, wie übrigens noch keiner aufgetreten ist, nutzen, um die gewollte Selbständigkeit und Eigenverantwortung der Gruppe nicht zu gefährden. Herr Schnitzler hierzu: "Die Kernzeiten, ihre Änderungen und der Einsatz von flexiblen Stunden stehen in der Verantwortung des Teams und seiner Leitung, das heißt hier wird höchstens ausnahmsweise von vorgesetzten Mitarbeitern (Regionalleitern) eingegriffen." Bedarfsorientierte Dienstplanung Die Orientierung am Bedarf hat heute zur Folge, dass sich die Dienstzeiten oft von Tag zu Tag unterscheiden. Mit der Dienstplanung wird auf die voraussehbare Arbeitsbelastung reagiert, auf Belastungsspitzen wie auf Belastungstäler. Dabei hat LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG festgestellt: Die Teams sind sich schnell einig in der Benennung von Zeiten hoher Belastung. Viele Mitarbeiter sind bereit, länger zu bleiben oder zusätzlich zu kommen, wenn viel Arbeit anliegt. Schwieriger ist es, schon in der Dienstplanung auch auf eine geringe Arbeitsbelastung zu reagieren, eher zu gehen, später zu kommen oder auch Dienste ausfallen zu lassen, wenn es dem Bedarf entspricht. Eine Wohngruppe hatte bereits während der Probephase eine Lösung für dieses Problem gefunden: So erstellen die Mitarbeiter eine Liste unerledigter Aufgaben, die dann bearbeitet werden, wenn ein Mitarbeiter zwar im Dienstplan eingeteilt, Bewohner jedoch ungeplant abwesend sind. Die Orientierung am Bedarf hat eine ständige Überprüfung und häufige Veränderung der Dienstzeiten zur Folge. Bedarfsorientiert zu arbeiten heißt in der Behindertenhilfe, flexibel zu arbeiten. Mit Erkrankungen, notwendigen Arztbesuchen und anderem entstehen kurzfristig neue Bedarfe, auf die reagiert werden muss. Die Dienstplanung wird erleichtert, weil viele Aufgaben nicht an eine feste Zeit gebunden sind, sondern sich - auch zeitlich - planen und mit anderen dienstlichen wie privaten Zeitinteressen verzahnen lassen. Möglich sind auch freie Verabredungen mit den Bewohnern, um bestimmte Aufgaben wie zum Beispiel Einkäufe zu erledigen. Ständige Fortschreibung des Dienstplans Aufgrund eines geänderten Bedarfs - beispielsweise durch ungeplante Abwesenheiten von Bewohnern - und/oder kurzfristiger privater Zeitanforderungen der Mitarbeiter unterliegt der Dienstplan ständigen Änderungen. Mitarbeiterwünsche können auch deshalb gut realisiert werden, weil ein Tausch von Diensten oder auch die Übernahme eines Dienstes ohne Gegenleistung ohne weiteres möglich sind. Wünsche der Mitarbeiter, wie zum Beispiel auch einmal schon um 21:00 Uhr den Dienst zu beenden, dürfen jedoch die Betreuung der Bewohner nicht verschlechtern, im Beispiel dürfen die Bewohner durch das frühere Gehen des Mitarbeiters also nicht früher ins Bett gehen müssen, wenn sie das nicht wollen. Meist wird der Dienstplan in den wöchentlichen Dienstbesprechungen aktualisiert, werden Dienste verkürzt, verlängert oder getauscht, müssen Mitarbeiter einspringen oder werden Aushilfen eingesetzt. Änderungen können sich auch noch kurzfristiger oder für den gleichen Tag ergeben. Ausgelöst werden kurzfristige Dienstplanänderungen oft durch Erkrankungen von Bewohnern oder Mitarbeitern. Flexibilitäts-Spielregeln Die Flexibilität erfordert Spielregeln. Mitarbeiter brauchen insbesondere die Sicherheit, ihre private Zeit einigermaßen verlässlich verplanen zu können - etwa um familiären Verpflichtungen gerecht werden zu können. Eine aktuelle stichprobenartige Erhebung hat ergeben: 30% aller Dienste werden geändert, die meisten allerdings nur geringfügig. Im Ergebnis haben die Mitarbeiter lediglich vier Prozent mehr Stunden gearbeitet als im ursprünglichen Dienstplan vorgesehen. Die Zahl der vollständig neu eingesetzten Dienste ist verschwindend gering. Dass ist deshalb so wichtig, weil Mitarbeiter in der Regel keine Probleme damit haben, längere oder kürzere Dienste wahrzunehmen, aber nur ungern zu geplant dienstfreien Zeiten zu einem neuen Dienst eingeteilt werden. Um den Anforderungen durch unerwartete Belastungen gerecht werden zu können, brauchen die Teams Handlungs- und Entlastungsmöglichkeiten. So ist jeder einzelne Mitarbeiter zum Beispiel berechtigt, bei Bedarf eine Aushilfen aus dem Kreis der der Wohngruppe 5-6 fest zugeordneten Aushilfen anzufordern. Bei den Aushilfen handelt es sich meist um zeitlich flexible Studenten. LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG hat mit der Vertretungsorganisation über Aushilfen bessere Erfahrungen gemacht als mit dem früher praktizierten Springersystem. Wesentlicher Vorteil ist, dass die Aushilfen Verträge jeweils nur für den einzelnen Dienst erhalten, während die Springer früher permanent beschäftigt werden mussten. Grenzen sind dem Einsatz von Aushilfen allerdings gesetzt, wenn qualifiziertere Aufgaben wahrgenommen werden müssen. Ein Beispiel Ein Mitarbeiter hätte planmäßig um 9:00 Uhr am Morgen Dienstschluss, stellt aber fest, dass ein Bewohner erkrankt ist und über 9:00 Uhr • hinaus betreut werden muss. Er kann • • • • • im Dienst bleiben bis zum frühen Nachmittag, wenn die planmäßigen Dienste weiterer Mitarbeiter beginnen, die beiden für den Nachmittag vorgesehenen Mitarbeiter anrufen und mit ihnen aushandeln, ob einer früher kommen kann. Wann der eine den anderen ablöst, ist den beiden freigestellt; weitere Mitarbeiter anrufen und sie fragen, ob sie ihn ablösen können, bis zum Nachmittag oder länger. Ist jemand dazu bereit, kann dieser den entstehenden kurzen Dienst verlängern, etwa um liegengebliebene Aufgaben (siehe oben) zu erledigen oder Arbeit vorzuziehen. Er kann auch den im Dienstplan vorgesehenen Mitarbeitern vorschlagen zu tauschen, versuchen, eine Aushilfe zu erreichen bzw. seine Vorgesetzten ansprechen und ihnen klarmachen, dass er aus zwingenden Gründen nicht bleiben kann. Dieser kann andere Mitarbeiter oder Aushilfen bitten, einzuspringen oder - letzte Möglichkeit - einen Mitarbeiter anweisen, den Dienst zu übernehmen. Nach der Erfahrung von LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG trägt diese Team-Verantwortung. Die Bereitschaft der Mitarbeiter, als Team flexibel auf veränderte Anforderungen zu reagieren, ist mit der durch die hohe Selbstständigkeit gewachsenen Eigenverantwortlichkeit und durch die dadurch erreichte Identifikation mit der Wohngruppe gestiegen. Voraussetzung ist auch die Bereitschaft der Vorgesetzten, private Verpflichtungen ihrer Mitarbeiter ernst zunehmen und - wenn möglich - zu beachten. Wenn Mitarbeiter dies wissen, sind Sie eher bereit, private Wünsche und Verpflichtungen und zu eigen gemachte dienstliche Verantwortung und Verpflichtungen selbständig gegeneinander abzuwägen. Außerdem ist, abhängig von der persönlichen und familiären Situation, nur ein Teil der privaten Zeit verplant, so dass private Zeitpläne häufig nicht durcheinander kommen. Im Gegenteil: Privat nicht verplante freie Zeit dienstlich nutzen zu können, empfinden viele Mitarbeiter nicht selten als Vorteil: Die Zeit wird sinnvoller genutzt und führt zu vielleicht besser nutzbarer privater Zeit an anderen Tagen. ("Ich hab' nichts vor, da kann ich auch arbeiten - und damit 'was für mein Arbeitszeitkonto tun.") In funktionierenden Teams werden auch die Belastungen gerecht verteilt und dabei auch außerdienstliche Verpflichtungen berücksichtigt. Ausgehandelt werden nicht nur Arbeitszeiten, mitverhandelt werden auch beliebte oder unbeliebte Tätigkeiten. Wie immer ist eine gerechte Verteilung nicht gleichbedeutend mit einer Gleichverteilung. Schließlich haben die Mitarbeiter ganz unterschiedliche Ansichten darüber, was beliebt und was unbeliebt ist: Während der eine Mitarbeiter die Kassenabrechnung besonders gern macht, schreibt der Kollege vielleicht lieber Entwicklungsberichte. Zeiterfassung Die erbrachte Arbeitzeit wird erfasst, indem jeder Mitarbeiter auf einem "Stundenzettel" seine Arbeitszeiten notiert. Wegen eventueller Zuschläge werden die Anfangs- und Endzeiten erfasst. Am Monatsende werden seine Aufzeichnungen von der Teamleitung überprüft und gegengezeichnet. Anschließend werden die "Stundenzettel" an die Personalabteilung weitergeleitet, die die Rechnungen nachvollzieht, die Zuschläge berechnet und die Angaben für die Führung der Zeitkonten (siehe nachfolgend) nutzt. Später bekommt die Wohngruppe von hier eine Rückmeldung über den Stand der Zeitkonten. Arbeitszeit- und Freizeitkonten Voraussetzung für die Dienstplanung im Team und ihre Flexibilisierung war die Einführung von Arbeitszeit- und Freizeitkonten und die damit verbundene Abschaffung von Überstunden. Für jeden Mitarbeiter wird ein Arbeitszeitkonto geführt, auf dem die arbeitsvertragliche Soll-Arbeitszeit mit der Ist-Arbeitszeit verrechnet wird. Abgerechnet wird jeweils zum Monatsende. Die Betriebsvereinbarung legt fest, dass sich die Arbeitszeitkonten zum Monatsende in den Grenzen -20 bis +60 Stunden bewegen können. Diese Bandbreite stellt eine Planungsgrenze dar, was heißt, dass sich das Zeitkonto des Mitarbeiters nach der Dienstplanung innerhalb dieser Grenzen bewegen soll. Allerdings sind Kontostände außerhalb dieser Grenzen auf persönlichen Wunsch des Mitarbeiters und mit Zustimmung des Betriebsrats möglich. Dies sollte aber auf begründete Ausnahmen beschränkt sein. Nach geltender Betriebsvereinbarung müssen Arbeitszeit- und Freizeitkonto einmal jährlich Ende Februar auf Null gebracht werden. Verbleibende Stunden gelten als Überstunden im Sinne des BAT (nur für die Vollzeit-Mitarbeiter). Ggf. noch bestehende Minussalden werden gestrichen. Herr Schnitzler weiß, dass ein ständig durchlaufendes Arbeitszeitkonto besser wäre. Dieses ist jedoch derzeit nicht mit dem BAT vereinbar. Demzufolge wird arbeitgeberseitig folgende Änderung der Betriebsvereinbarung vorgeschlagen: Jeder Mitarbeiter muss mindestens einmal jährlich "die Nulllinie kreuzen". Statt dessen werden derzeit im Abstand von drei Monaten alle Stunden auf dem Arbeitszeitkonto, die 30 Stunden übersteigen, auf ein Freizeitkonto übertragen. Dieses Freizeitkonto kann nach Wunsch des Mitarbeiters im folgenden Quartal durch zusammenhängende freie Tage ausgeglichen werden. Möglich ist auch, diese Stunden ins nächste Quartal mitzunehmen. Jahresplanung Das Ziel, über eine Jahresplanung auch die Jahresstunden unabhängig von den monatlichen Sollstunden über die einzelnen Monate zu verplanen, hat LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG nicht erreicht. Die Aufgabe, die Jahresstunden bedarfsgerecht auf die einzelnen Monate zu verteilen und dies mit der Personalplanung in Einklang zu bringen, erwies sich als zu komplex. Dennoch macht es Sinn, die Aktivitäten des Jahres zu planen und sich zu überlegen, in welchen Monaten mehr Stunden gebraucht werden und in welchen weniger. Bewährt hat es sich zum Beispiel, vor Reisen (ca. zusammenhängend 1-2 Wochen pro Jahr) Minusstunden zu sammeln, um während der Reise mehr betreuen zu können. Urlaubsplanung Wesentlicher Teil der Jahresplanung ist die Urlaubsplanung. Alle Mitarbeiter müssen bis Ende Januar mindestens 20 Tage ihres Jahresurlaubs so verplanen, dass höchstens ein Viertel aller Mitarbeiter gleichzeitig in Urlaub ist. Auch die Urlaubsplanung wird in der Regel vom Team selbstständig geleistet. 5. Auswertung der flächendeckenden Erfahrungen Im November 1998 - also nach ca. einem Jahr Praxiserfahrung - organisierte die Geschäftsführung einen sogenannten Auswertungstag - mit dem Ziel, die Regularien zur Dienstplanung zu vereinfachen sowie Verwaltungsarbeiten zu vermindern. Der Betriebsrat hatte insbesondere die Wahrung und Stärkung der Arbeitnehmerrechte sowie des Gesundheitsschutzes im Auge. Alle Wohngruppen waren zu dieser Auswertung eingeladen, die durch einen Fragebogen vorbereitet wurde. Aus jeder Wohngruppe berichtete ein Mitarbeiter über die dort gemachten Erfahrungen - positive Erkenntnisse ebenso wie Probleme. Die Ergebnisse wurden auf großen Wandzeitungen visualisiert. Im Anschluss an diese Veranstaltung bündelte eine neue Arbeitsgruppe in einem Bericht die Erfahrungen und leitete daraus Vorschläge zur Modifikation der Regelung ab. Der Bericht wurde an alle Wohngruppen geschickt, die aufgefordert waren, ihre Meinung zu diesen Anregungen zu äußern. Im März 1999 unterbreitete die Arbeitsgruppe schließlich die endgültigen Vorschläge zur Änderung der Betriebsvereinbarung an die Geschäftsführung. Hierbei handelte es sich vor allem um kleinere, technische Modifikationen, die mit dem Betriebsrat verhandelt werden. 6. Flexible Arbeitszeiten erhöhen die Mitarbeiterzufriedenheit, verbessern die Qualität der Arbeit und stärken die Wettbewerbsposition Herr Schnitzler berichtet: "Unsere Erfahrungen zeigen: selbstständige Dienstplanung und eigenverantwortliche Arbeits(zeit)gestaltung machen Spaß. Sie motivieren, schaffen Raum für persönliche Zeitinteressen und stärken die Bereitschaft zur Übernahme von persönlicher Verantwortung und den persönlichen Bezug zu den behinderten Bewohnern der Wohngruppe." Die Mitarbeiter seien gern bei LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG tätig. Als besonders positiv hebt er weiter hervor, dass durch aufgabenorientierte Dienstplangestaltung die Qualität der Betreuung gestiegen ist: Der Dienstplan werde heute wesentlich stärker von inhaltlichen Überlegungen bestimmt - "Was machen wir im nächsten Monat?", "Wofür setzen wir unsere Stunden ein?", während die bisher im Vordergrund stehende Frage, wer welche Dienste übernimmt, in den Hintergrund rücke. Hierdurch entstünden unter anderem neue Ideen und Initiativen für die Betreuung der Bewohner beispielsweise am Wochenende. Und die Mitarbeiter fühlten sich in der Regel motivierter, da sie nicht mehr nur zum Dienst, sondern in die Wohngruppe gingen, um mit den Bewohnern etwas zu unternehmen. Hinsichtlich des Entwicklungsprozesses schätzt er ein, dass es sich bewährt habe, sich ausreichend Zeit für die Neugestaltung gelassen, Mitarbeiter aller Ebenen daran beteiligt, die Ideen ausprobiert sowie die Erfahrungen wieder mit allen Hierarchien ausgewertet zu haben. Daran an schließt sich seine Empfehlung an andere Unternehmen, Mitarbeiter und Betriebsrat von Beginn an der Entwicklung eines neuen Arbeitszeitsystems zu beteiligen. Abschließend bleibt festzustellen, dass sich LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG mit dem seit nunmehr drei Jahren praktizierten Arbeitszeitsystem auch im (neu entstandenen) Wettbewerb der Wohngruppen für behinderte Menschen in Hamburg besser positionieren kann. In den letzten Jahren haben andere Träger zunehmend Wohngruppen in ihr Angebot zur Betreuung behinderter Menschen aufgenommen, was dazu geführt hat, dass die Familien der Behinderten die angebotenen Plätze in Wohngruppen vergleichen und gezielt Fragen nach der Qualität des Betreuungsangebots stellen - wie beispielsweise, ob auch in den späteren Abendstunden noch betreut wird oder wie viele Ausflüge durchgeführt werden. Diesem Vergleich kann LEBEN MIT BEHINDERUNG HAMBURG auch dank des Systems der flexiblen Dienstplanung stand halten.
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