Zucht spezial Fleckvieh 1/ 2016 Zucht und Besamung vereinen Interview mit Prof. Dr. Kay-Uwe Götz vom Institut für Tierzucht der LfL Fleckvieh: In Ihrem Vortrag zur Wettbewerbsfähigkeit der bayerischen Rinderrassen im Rahmen der LfL-Jahrestagung sagten Sie, dass die Vielzahl der Zuchtverbände sowie die Trennung von Zucht und Besamung der Wettbewerbsfähigkeit der bayerischen Rassen nicht förderlich ist. Warum ist das Ihrer Meinung nach so und was müsste man tun, um sich besser aufzustellen? Götz: Die Zuchtarbeit ist im Zeitalter der genomischen Selektion erheblich teurer geworden als in früheren Zeiten. Dies gilt nicht nur für die laufenden Typisierungen, sondern auch für alle Forschungsarbeiten, die in tierzüchterischer Hinsicht zur Weiterentwicklung erforderlich werden. Die hierfür benötigten Mittel können nur große und finanzstarke Organisationen aufbringen. Die bayerischen Zucht- und Besamungsorganisationen gehörten früher teilweise zu den größten in Deutschland, heute haben die zusammengeschlossenen Holsteinorganisationen diese Positionen übernommen. Das bayerische System funktioniert zwar, verlangt aber einen enormen Abstimmungsaufwand und das Eingehen zahlreicher Kompromisse. Fleckvieh: Wer sind die Konkurrenten, an denen sich Bayerns Rinderzucht messen muss? Götz: Innerhalb der Fleckvieh- und Braunviehzucht sind es die Züchter in Baden-Württemberg und Österreich, die derzeit viel intensiver genomische Jungvererber einsetzen als die Bayern. Wenn dieser Trend anhält, werden diese Länder in einigen Jahren die besten Bullenmütter besitzen und damit auch die besten Selektionskandidaten produzieren. Global betrachtet müssen Fleckvieh und Braunvieh in der Zuchtwertentwicklung mit Holstein mithalten. Damit ist nicht nur die Leistung gemeint, sondern auch andere Bereiche, wie die Nutzungsdauer. Die bayerischen Rassen sind von der Tierzahl die Nr. 2 und Nr. 5 in Europa und damit in der Verfolgerrolle. Das bedeutet, dass wir uns nicht aussuchen können, wie viel Zuchtfortschritt wir machen wollen, sondern dass wir in erster Linie nicht den Anschluss verlieren dürfen. Fleckvieh: Wäre es Ihrer Meinung nach sinnvoll, dass Zuchtverbände und Besamungsstationen fusionieren und sich in größeren Einheiten zusammenschließen? Götz: Richtig wäre es sicherlich, wenn Zucht und Besamung zusammengeführt FLECKVIEHINTERVIEW Foto: Riesberg 18 Prof. Dr. Kay-Uwe Götz Er ist seit 2003 Leiter des Institutes für Tierzucht der LfL in Grub und lehrt seit 2010 an der TU München in Weihenstephan das Fach Tierzucht. und in größeren Einheiten aufgestellt werden. Mir ist durchaus bewusst, dass es in der Praxis zahlreiche Hindernisse gibt. Das darf aber kein Grund sein, es nicht zu versuchen. Die Organisationen, die sich beispielsweise zur Masterrind, zu Evolution (Frankreich) oder zu Viking Genetics (Skandinavien) zusammengeschlossen haben, waren zuvor in derselben Lage. Nur der Zusammenschluss von Zucht und Besamung kann gewährleisten, dass einerseits die Interessen der KB im Zuchtprogramm angemessen berücksichtigt werden und andererseits die KB so gesteuert werden kann, dass auch der optimale Zucht- Götz: In der Schweine-Herdbuchzucht ist es schon üblich, dass die besten Eber nicht mehr oder nur gegen hohe Lizenzgebühren in der Zuchtstufe anderer Verbände eingesetzt werden dürfen. In der Zeitschrift ›Holstein International‹ wurde kürzlich über ähnliche Tendenzen in der Holsteinwelt berichtet. So sind manche Spitzenbullen nur noch in gesexter Form erhältlich, andere Unternehmen verschaffen sich einen zeitlichen Vorsprung von einem Jahr, bis die Spitzenbullen auch außerhalb des eigenen Verbands verfügbar gemacht werden. Es ist nicht auszuschließen, dass zukünftig auch bei Fleckvieh und Braunvieh Verbände versuchen werden, ihre teuer erzeugten Spitzenbullen zunächst exklusiv zu nutzen. Fleckvieh: Sie verwendeten den Begriff ›Genetischer Schlupf‹, was ist das und was bedeutet er für die bayerische Rinderzucht? Götz: Jede der konkurrierenden KB-Organisationen möchte von jedem interessanten Bullenvater nach Möglichkeit einen interessanten Jungvererber. In der Folge werden zu viele Bullenmütter mit einzelnen Topvererbern besamt und es bleibt zu wenig Platz, um weitere interessante Bullenväter adäquat anzupaaren. Das hat zur Folge, dass Top-Bullenmütter ›verbraucht‹ werden, und es schmälert die Chancen, mit etwas weniger wettbewerbsfähigen Bullenvätern sehr gute Kandidaten zu erzeugen. Fleckvieh: Sie fordern im Bereich der Leistungsprüfung in Bayern mehr Innovationen. Was müsste hier getan werden, um die bayerische Position zu verbessern? Götz: Bayern hat ein vorbildliches Leistungsprüfungssystem, denn das, was wir tun, tun wir mit höchster Qualität. Wir sind mit unserem derzeitigen System der freiwilligen Datenerhebung in allen Betrieben aber schlecht aufgestellt, wenn es um neue Merkmale geht, die bisher nicht erhoben wurden. Im Zeitalter der genomischen Selektion benötigt man immer erst rund 3000 Bullen mit sicher geschätzten Zuchtwerten, bevor man ein neues Merkmal genomisch bearbeiten kann. Bei unseren derzeitigen Bullenzahlen in » Global betrachtet muss Fleckvieh mit Holstein mithalten! « fortschritt erzielt wird. Dabei bin ich mir nicht sicher, ob Multi-Rassen Organisationen eine gute Idee sind. Hierbei ersetzt man den heutigen Abstimmungsaufwand innerhalb der Rasse durch einen zukünftigen zwischen mehreren Rassen. Fleckvieh: Sie sprechen von erkennbaren Tendenzen, die dazu führen können, dass die derzeitige noch gute Kooperation und Solidarität der bayerischen Rinderzuchtorganisationen in Frage gestellt werden könnte. Was könnte da passieren? zucht spezial Fleckvieh 1/ 2016 liegen, um einen optimalen Zuchtfortschritt zu erreichen? Götz: Für den Einsatz eines Bullen gibt es im Allgemeinen nur ein Kriterium und das ist die Höhe des Zuchtwerts. Altbullen sollten daher nur dann eingesetzt werden, wenn sie einen höheren Zuchtwert aufweisen als ein Jungvererber. Nimmt man diese Forderung ernst, müssten rund 90 Prozent Jungvererber eingesetzt werden. Dies gilt für die gezielte Paarung ebenso wie für den Einsatz im Produktionsbetrieb. Es gibt keine Höchstgrenze für den Anteil an Jungvererbern, solange man den Grundsatz der Risikostreuung beachtet. Völlig unabhängig von der Sicherheit der ZWS wird derjenige morgen die besten Bullen haben, der heute die Bullen mit den höchsten Zuchtwerten möglichst breit in der Kuhpopulation einsetzt. Wichtig ist aber, dass einzelne Jungvererber nicht in großen Zahlen eingesetzt werden und dass insgesamt genügend Bullen in den Einsatz kommen, denn sonst werden wir früher oder später nicht mehr genug Information von jungen Tieren für die Lernstichprobe haben. Fleckvieh: Ist die Strategie der Züchter so falsch, wenn sie lieber abwarten, bis die genomischen Jungvererber nachkommengeprüft sind und dann nur die besten einsetzten? Also lieber mehr Sicherheit statt Geschwindigkeit? Götz: Diese Strategie ist nur dann richtig, wenn der Altbulle dann noch einen höheren Zuchtwert hat als die zeitgleich verfügbaren Jungvererber. Ein Blick in die Bunte Liste zeigt, dass es im Regelfall immer umgekehrt ist. Sicherheit der Zucht- wertschätzung spielt bei den Niveaus von Jung- und Altvererbern weder in der Population, noch im Einzelbetrieb eine Rolle. Fleckvieh: Sie erklären, der Zuchtfortschritt sei für die KB-Organisationen auf der Kuhseite nur von untergeordneter Bedeutung, weil die Bullenkälber nicht selber erzeugt werden, und verweisen auf Holsteinorganisationen (Bullenvermarktung) und den Schweinebereich (Erzeugung der Vatertiere) und damit drohende Restriktionen für den Kandidatenaustausch. Ist die bäuerliche Rinderzucht damit ein Auslaufmodell? Götz: Die genetischen Zusammenhänge habe ich ja bereits angesprochen. Wer sich über Jahre durch intensiven Jungvererbereinsatz einen Vorsprung erarbeitet hat, wird diesen auch in den Gewinnen aus dem Tierverkauf und der KB ›ernten‹ wollen. Das ist aber zunächst einmal nicht gegen die Landwirte gerichtet, sondern bestenfalls gegen die Mitbewerber im KBMarkt. Richtig ist aber auch, dass sich ein Investor mit einem konsequent durchgeführten Zuchtprogramm in zwei bis drei Eliteherden einen solchen Vorsprung erarbeiten könnte, dass eine Population mit 30 Prozent Jungvererbereinsatz im Niveau der Kuhzuchtwerte nicht mehr mithalten kann. Das ist genau das, was Sexing Technologies derzeit versucht. Die bäuerlichen Organisationen sind aber nicht machtlos dagegen. Wenn eine Population von 500 000 Kühen konsequent beste Jungvererber einsetzt, wird sie immer die besten Bullenmütter haben und demzufolge auch langfristig die Spitzenkandidaten erzeugen. Interview: Ariane Haubner Preisrichterseminar mit Superkühen Text und Foto: Berchtold Deutschland, Österreich und Tschechien dauert das sieben bis acht Jahre nach Beginn der Leistungsprüfung und dann noch einmal drei bis vier Jahre, bis die ersten Effekte sichtbar werden. Das ist zu lange, wenn man ein züchterisches Problem hat. Gesundheitsmerkmale, Stoffwechselstabilität und Klauengesundheit sind Bereiche, in denen andere Populationen bereits genomische Zuchtwertschätzungen haben oder vorbereiten. Fleckvieh: Sie nennen als Beispiel Testherden. Was bringt der Einsatz von Testherden und wie müssen diese aussehen? Götz: Testherden oder auch Kooperationsbetriebe sind Betriebe, die systematisch Jungvererber-Sperma einsetzen, alle Kühe genotypisieren und in denen besondere Leistungsprüfungen durchgeführt werden. Typische Beispiele sind die Erfassung von Gesundheitsmerkmalen, Klauenpflegedaten, differenziertere Erfassung von Abgangsursachen, Kalbeverläufen oder Kälberverlusten. Also gerade die oben genannten neuen Merkmale, für die es jahrelang dauert, eine genomische ZWS zu kalibrieren. In der genomischen Lernstichprobe können fünf bis zehn Kühe einen Bullen in seinem Informationsgehalt ersetzen. Es ist viel leichter, 30 000 Kühe in kurzer Zeit zu untersuchen als abzuwarten, bis 3000 neue Bullen mit geprüften Töchtern aufgelaufen sind. Deshalb setzt man im Holsteinbereich massiv auf Testherden und Kuhgenotypisierungen. Die Betriebe müssen für ihren Zusatzaufwand entlohnt werden und die Strukturen sollten so gewählt werden, dass man möglichst hohe ZW-Sicherheiten für die Kühe erreicht. Das bedeutet, dass idealerweise große Herden über 100 Kühe, von denen es in Bayern bisher weniger als 1000 gibt, für diese Aufgaben verwendet werden sollten. Wir würden also rund ein Drittel dieser Betriebe als Kooperationsbetriebe benötigen, ein enormer organisatorischer Aufwand. In den neuen Bundesländern schafft man das mit 30 Betrieben. Hierbei handelt es sich nicht um eine einmalige Anstrengung, sondern um eine kontinuierliche Fortschreibung der Kalibrierungsstichprobe. Damit sind wir wieder bei der Größe der Organisationen und beim Thema Abschottung: Wer zwei bis drei Millionen Euro jährlich in die Typisierung von Kühen stecken will, muss einen enormen Umsatz erzielen und wird alles tun, um sich von der Konkurrenz abzuschotten. Fleckvieh: Sie sagten, dass der Einsatz von genomischen Bullen beim Fleckvieh in Bayern zu gering sei. Wo sollte dieser Erl/Tirol Am Betrieb von Markus Schwaighofer aus Erl in Tirol fand am Freitag, den 23. Oktober der Praxisteil des zweiten Preisrichterseminares der ASR und der AGÖF statt. Wie bereits beim ersten Seminar am Betrieb Lechner in Sauerlach hatte auch der ›Schmidbauer‹ in Erl zwei starke Kuhgruppen vorbereitet, die problemlos an überregionalen Schauen mitmachen könnten. Für 2016 wird es mit den Preisrichterseminaren weitergehen. Ziel ist ein Pool, aus dem Schauveranstalter Preisrichter wählen können. 19
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