Skript zum Physikalisch-chemischen Praktikum Physikalische Chemie der weichen Materie Einführung und Inhalt Die sogenannte "Weiche Materie" bildet ein interdisziplinäres Forschungsgebiet zwischen Physik, Chemie und Biologie. Historisch und in Titeln von Lehrbüchern findet man häufig eine Trennung in Kolloid- und Grenzflächenchemie einerseits und in Makromolekulare Chemie und Polymerphysik andererseits, eine willkürliche Trennung, da Polymere auch Kolloide sein können und sich die experimentellen Methoden stark überschneiden. Die "Weiche Materie" unterscheidet sich auf der einen Seite vom kristallinen Festkörper durch eine ungeordnete(re) Struktur und auf der anderen Seite von der Molekülphysik durch die vorherrschenden zwischenmolekularen Wechselwirkungen. Sie umfaßt unter anderem die Materialklassen Polymere, Flüssigkristalle und amphiphile Moleküle (Tenside), bzw. geordnet nach Strukturen: Kolloide, Gele, Schäume, Flüssigkeiten, Elastomere (Gummi) usw.. Will man die Besonderheiten der "Weichen Materie" charakterisieren, so sind dies im wesentlichen: • die mesoskopische Skala Die charakteristische Längenskala der Strukturen liegt zwischen molekularen und makroskopischen Dimensionen, zwischen 1 und 100 nm. (Erstes Lehrbuch der Kolloidchemie: Wolfgang Ostwald, "Die Welt der vernachlässigten Dimensionen", 1914) Die Kräfte, die auf dieser Skala wirken, werden von Fluktuationen und Brownscher Molekularbewegung überlagert. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Auftreten von Selbstorganisation. Nicht zuletzt entstehen diese Strukturen durch Grenzflächen, die im Vergleich zum Volumen nicht vernachlässigt werden dürfen. die Anwendungsrelevanz im täglichen Leben Polymere und Kolloide belegen weite Anwendungsfelder und haben große Bedeutung im täglichen Leben. Beispiele sind Kunststoffmaterialien, Gele, Waschmittel (Seifen, Schäume), Emulsionen (Milch, Eiscreme), komplexe Fluide (Ketchup), Flüssigkristalldisplays, biologische Membranen, Biopolymere usw. • Fuhrmann-Lieker 10/2004 Einführung 1 Wir werden uns in diese Praktikum nicht mit Tensiden und Oberflächenphänomenen beschäftigen (siehe neue Grundpraktikumsversuche "Bestimmung der kritischen Mizellbildungskonzentration", "Benetzung"), sondern uns auf Polymere und Flüssigkristalle konzentrieren. Themen des Vorbereitungsseminars: • Polymere: Struktur und Konformation • Molekulargewichtsverteilung und Meßmethoden • Mischungsverhalten • zwischenmolekulare Wechselwirkungen • Flüssigkristalle Empfohlene Lehrbücher: R. Jones, Soft Condensed Matter, Oxford University Press, Oxford 2002 I.W. Hamley, Introduction to Soft Matter, Wiley, Chichester 2000 H.-D. Dörfler, Grenzflächen und kolloid-disperse Systeme, Springer, Berlin 2002 M. Lechner, K. Gehrke, E.H. Nordmeier, Makromolekulare Chemie, Birkhäuser, Basel 2003 Bergmann-Schäfer Bd. 5 Vielteilchensysteme, W. de Gruyter, Berlin 1992 Fuhrmann-Lieker 10/2004 Einführung 2
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