Kompetenzen sichtbar machen Gestaltung von mündlichen Prüfungen bei angehenden Lehrern im Gesundheitswesen B. Glunde Diplom-Pflegepädagogin Überblick 1. Prüfungen neu denken 2. Definition: Kompetenz 3. Kompetenzen prüfen 3.1 Kompetenzen prüfen: Ansatz der Kompetenzdimension 3.2 Kompetenzen prüfen: Ansatz der Handlungsorientierung 4. Didaktik und Prüfungen 5. Funktion von Prüfungen 6. Gütekriterien von Prüfungen 7. Bezugsnormen von Prüfungen 8. Bewertung von mündlichen Prüfungen 9. Prüfungsformate 10. Formatives dialog-orientiertes Prüfen in der Lehrerbildung 11. Prüfungsteil I 12. Einsatz von Fallbeispielen in der mündlichen Prüfung 13. Reflexionsrahmen für die Fallarbeit in der beruflichen Lehrerbildung 14. Prüfungsteil II 15. Übung 07.09.2015 B. Glunde 2 1. Prüfungen neu denken Reform der Studienstruktur Bologna (1999) Vereinheitlichung, Vergleichbarkeit, Employabiltiy, Outcomeorientierng, Shift vom teaching to learning Wandel eines punktuellen Prüfungssystems in ein prozessbegleitendes System (Huber, 2008, S. 13_14) Klieme – Expertise (2003) Bildungsstandards, Kompetenzmodellierung „ Kompetenzen kann man nicht durch einzelne, isolierte Leistungen darstellen oder erfassen. Der Bereich von Anforderungssituationen, in denen eine bestimmte Kompetenz zum Tragen kommt, umfasst immer ein mehr oder weniger breites Leistungsspektrum“. (Klieme, 2003, S. 74) Lehrerbildungsstandards KMK (2004) Das Anforderungsprofil künftiger Lehrer bezieht sich auf Kompetenzen und somit auf Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einstellungen, über die eine Lehrkraft zur Bewältigung der beruflichen Aufgaben verfügt. (KMK, 2004) 07.09.2015 B. Glunde 3 → Qualifikation der Lehrer : Auswirkung auf die Domäne Lernfeldorientierung Pflegecurricula 07.09.2015 Kompetenzorientierte LehrLernarrangements und Prüfungen B. Glunde Implementierung von Lehr- und Lernkonzepten z.B. POL, Skills- Lab Professionalisierung in der Lehre 4 2. Definition: Kompetenz „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren, kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert, 2001, S. 27 ff) Handlungskompetenz: „…Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht, sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten. Handlungskompetenz entfaltet sich in den Dimensionen von Fach-, Human- und Sozialkompetenz“.(KMK, 2007, S. 10f) 07.09.2015 B. Glunde 5 2. Definition Kompetenz • stark strapazierter Begriff der interdisziplinär und inflationär verwendet wird. • Bildungswissenschaften: kompetenzorientierte Wende verdrängt die Begriffe „Qualifikation“ und „Beruf“ • Fachkompetenz wird erweitert um Methoden-, Sozial- und Personalkompetenz • Berufskompetenz: Fach-, Methoden-, Personal- und Sozialkompetenz • Berufskompetenz einer Lehrkraft: Fach-, Didaktik-, Sozial- und Innovationskompetenz (Riedl, 2011, S. 30) (Schelten, 2009, S. S. 119) 07.09.2015 B. Glunde 6 3. Kompetenzen prüfen: 3.1 Ansatz der Kompetenzdimension • Kompetenz – Performanz • Rückschlüsse von einer beobachtbaren Performanz auf Kompetenz sind u.U. schwierig • 3 Kompetenzdimensionen abgeleitet aus der Kompetenzdefinition von Weinert (Walzik, 2012, S. 24) Wissen 07.09.2015 Werte B. Glunde Fertigkeiten 7 3. Kompetenzen prüfen: 3.2 Ansatz der Handlungsorientierung → Handlungsorientierung in Prüfungen • • • • Faktenwissen Konzeptwissen Prozedurales Wissen Metakognitives Wissen (Anderson et al, 2001) 07.09.2015 B. Glunde 8 4. Didaktik und Prüfungen • Zielgruppenspezifische Auswahl der Prüfungsinhalte mit Bezug auf ein Problem • Die Zusammensetzung des Inhalts der Prüfung soll charakteristisch für den Studiengang sein • Prüfungsaufgaben sind auf den Gehalt an beobachtbarer Performanz und den Rückschluss auf Kompetenz zu überprüfen und stehen im Einklang mit der Fachprüfungsordnung • Die Förderung von Handlungen im Prüfungsgeschehen, ermöglichen die Präsentation von Wissen und Fertigkeiten 07.09.2015 B. Glunde 9 5. Funktion von Prüfungen BerechtigungsZuteilungsSelektionsfunktion Pädagogische Funktionen Sozialisierungsfunktion Rückmeldefunktion Anreizfunktion Disziplinierungsfunktion Leistungsprinzip 07.09.2015 (Bovet et al, 2004, S. 295 B. Glunde 10 6. Gütekriterien von Prüfungen • Objektivität (unabhängig vom Beurteiler) • Reliabilität (Zuverlässigkeit Genauigkeit) • Validität (Gültigkeit: misst der Test, das was er messen soll) (Bovet et al, 2004, S.299) 07.09.2015 B. Glunde 11 7. Bezugsnormen von Prüfungen = Maßstäbe zur Beurteilung von Leistungen • Soziale Bezugsnorm: Leistungen des Einzelnen werden mit Leistungen der Gruppe bzw. Klasse verglichen und eingeschätzt • Individuelle Bezugsnorm: Aktuelle Lernleistungen werden mit Leistungen aus der Vergangenheit verglichen • Kriteriumsorientierte Bezugsnorm: Lernleistung wird mit einem Kriterium z.B. Lernziel, Outcome, Kompetenzstufe verglichen (Bovet et al, 2004, S. 297) 07.09.2015 B. Glunde 12 8. Bewertungen von mündlichen Prüfungen • Bestimmen des Prüfungstyps: Gruppen- oder Einzelprüfungen • Festlegung von Prüfungssetting, Ablauf und Inhalt • Entwicklung eines kompetenzorientierten Beurteilungsschemas • Transparenz: Vorbereitung und Protokollierung • Prüfungsraum gestalten • Professionelle Gesprächsführung • Cave: Effekte der Wahrnehmungsverzerrung 07.09.2015 B. Glunde 13 9. Prüfungsformate • Neue professionstheoretische Ansätze betonen Leistung und Könnerschaft + Befähigung kompetent und selbstorganisationsfähig zu handeln • Summativ: Erhebung des Wissensstandes am Ende einer Lernphase, die sich in Ziffernoten ausdrückt • Formativ: studienbegleitende Erfassung individueller Fähigkeiten mit kontinuierlicher Selbst- und Fremdeinschätzung z.B. mit Hilfe von Portfolios 07.09.2015 B. Glunde 14 10. Formatives, dialogorientiertes Prüfen in der Lehrerbildung Prüfungsportfolio: 3 Wochen vor der Prüfung abgeben: Thema + Thesen, Modulbezogener Prüfungsinhalt Prüfungsteil I: Thema medial präsentiert & in der Tiefe erläutert Prüfungsteil II: Analyse einer domänenspezifischen Unterrichtssituation anhand eines Fallbeispiels 07.09.2015 B. Glunde 15 Kompetenzprofil Prüfungsportfolio: Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren (KMK, 2004) Inhaltliche Stärken und Kompetenzen Portfolio Art der Darstellung performance 07.09.2015 B. Glunde 16 11. Prüfungsteil I: Thema medial präsentiert & in der Tiefe erläutert 07.09.2015 B. Glunde 17 Bewertung Prüfungsteil I Fachkompetenz • Wissensbasis, Faktenwissen, Kernaussagen, Thesen, Wissenschaftsbezug, Chancen und Grenzen, Fachdidaktischer Bezug Methodenkompetenz • Wissensdarstellung, Präsentationsfähigkeit, Wissenstransformation, Kreativität, Kongruenz, Gestaltung des Dialogs hervorragend 07.09.2015 erheblich über den entspricht den DurchschnittsDurchschnittsanforderungen anforderungen B. Glunde entspricht trotz Mängeln den Anforderungen erhebliche Mängel, genügt den Anforderungen nicht 18 12. Einsatz von Fallbeispielen als zweites Element der mündlichen Prüfung • Fallarbeit in der Lehrerbildung: situierte und problemorientierte Lernkontexte • Fallarbeit ist ein didaktisches Konzept und wissenschaftlicher Prozess des Erkenntnisgewinns anzusehen • Fallarbeit fördert Problemlöse- und Entscheidungsfähigkeit sowie die Ausbildung einer hermeneutischen Kompetenz • Erarbeitung von offenen Fallbeispielen auf der Grundlage der modifizierten heuristischen Matrix von Prof. Dr. Darmann-Finck mit Bereitstellung von Schlüsselproblemen. • Pro Fall sind ca. 5-6 Schlüsselprobleme relevant. Ein Fall wird maximal drei mal verwendet. Die Fälle werden von den Prüflingen durch Zufallsprinzip gezogen. 19 12.Reflexionsrahmen für die Fallarbeit in der beruflichen Lehrerbildung Lehrkraft / Lehrende Technisches Analyse des Erkenntnisinteresse Lehr/Lernarrangements (1) Schüler / Lernende Analyse des Lehr/Lernarrangements (1) Schule/Gesellschaft Analyse des Lehr/Lernarrangements (1) Lehrerhandeln Einschätzung des Lehrerhandelns, der Unterrichtstechnologie (1) Praktisches Mögliche Erkenntnisinteresse Handlungsalternativen (2) Mögliche Handlungsalternativen (2) Mögliche Handlungsalternativen (2) Zielsetzung des fachdidakt. Handelns des Lehrers (3) Emanzipatorisches Theoriegestütztes Bild Erkenntnisinteresse von den Widersprüchen optimalen Lehrerverhaltens. (4) Theoriegestütztes Bild von den Widersprüchen des optimalen Lernens. (4) Theoriegestütztes Bild von den Widersprüchen der optimalen LehrLernbedingungen. (4) Theoriegestütztes Bild von den Widersprüchen optimalen Lehrerhandelns. (4) Modifiziert B. Glunde & Team, 2014 auf der Grundlage der Heuristik der interaktionistischen 20 Pflegedidaktik, Darmann-Finck (2009) Lehrkraft / Lehrende Technisches Analyse des LehrErkenntnisinteresse /Lernarrangements (1)KMK 1-3 Schüler / Lernende Analyse des Lehr/Lernarrangements (1)KMK 1-3 Artikulation, Sozial- und Heterogenität, Aktionsformen, Gruppenarbeit LernHandlungsorientierung und Arbeitsstrategien, Sozial- und Methodenkompetenz Praktisches Mögliche HandlungsMögliche Erkenntnisinteresse alternativen Handlungsalternativen (2) KMK 4-6 (2) KMK 5 Lehrerrolle: Berater Handlungsschritt: Prävention von Klärung von Störungen Fachbegriffen; Verantwortung für Lernergebnis Emanzipatorisches Theoriegestütztes Bild Theoriegestütztes Bild Erkenntnisinteresse von den Widersprüchen von den optimalen Widersprüchen des Lehrerverhaltens. optimalen Lernens. (4) (4) Handlungssystematik vs. Selbststeuerung vs Fachsystematik Gruppendynamik Schule/Gesellschaft Analyse des Lehr/Lernarrangements (1)KMK 1-3 Lehrerhandeln Einschätzung des Lehrerhandelns, der Unterrichtstechnologie, KMK 1-3 Bildungsauftrag, Lehrbedingungen, Klassengröße Kompetenzbereich Unterricht: Förderung von selbstbestimmten Lernen; Methodenkompetenz: Gruppenarbeit Mögliche Zielsetzung des fachdidakt. Handlungsalternativen Handelns des Lehrers (2) KMK 11 (3) KMK 7, 6 SOL als didakt. Prinzip, did. Sicherung des Outcome; Jahresplanung im Team Moderation von Konflikten Theoriegestütztes Bild von den Widersprüchen der optimalen LehrLernbedingungen. (4) KMK 10 Vorgesetztenurteil vs Selbstverständnis Modifiziert B. Glunde & Team, 2014 auf der Grundlage der interaktionistischen Pflegedidaktik, Darmann—Finck (2009) Theoriegestütztes Bild von den Widersprüchen optimalen Lehrerhandelns. (4) Konstruktivismus vs Instruktionismus 21 13. Prüfungsteil II: Analyse einer domänenspezifischen Unterrichtssituation anhand eines Fallbeispiels: Herr Franz erzählt vom Ablauf des Unterrichts, den er bei medizinischen Fachangestellten im 2. Ausbildungsjahr abgehalten hat. „ Mein Unterrichtseinstieg durch Bilder zu Hautveränderungen hat die 33 Schüler interessiert und zu Fragen animiert – damit war ich recht zufrieden. In der Gruppenarbeitsphase wurde in Gruppe 1 deutlich, dass die Meinungen der Schüler zur Beratung von Patienten auseinandergegangen sind und uneinheitlich waren. Beinahe ist ein Streit entstanden. Während die Schüler von Gruppe 2 laut über die Aufteilung der Arbeitsaufgaben diskutieren, wirkte die Arbeitsgruppe 3 hilflos und überfordert. Der Lärmpegel stieg an, und die Mitglieder der Gruppe 4 fingen damit an, heimlich im Internet nach Veranstaltungen für den Abend zu suchen. Insgesamt war es in der Klasse sehr unruhig, ein Schüler sagte: „So kann ich nicht lernen, immer diese „blöden“ Gruppenarbeiten“. 07.09.2015 B. Glunde 22 Prüfungsaufgabe zum Fallbeispiel: Analyse des Fallbeispiels durch Leitfragen a) Beschreibung und Bewertung der Istsituation b) Zielsetzung und Herausforderung der Unterrichtssituation c) Mögliche Handlungsalternativen des Lehrers, der Lernenden, der Institution/Gesellschaft d) Theorien und Modelle des „optimalen“ Lehrerhandelns in Bezug auf die Lehr/Lernsituation 07.09.2015 B. Glunde 23 14. Bewertung Prüfungsteil II: Fallbeispiel Fachkompetenz: Erkennen und Benennen aller Schlüsselprobleme im Fall Fach- und Methodenkompetenz : • Erarbeiten von geeigneten Handlungsalternativen • Formulierung von Lernergebnis und Kompetenz-zuwachs • ideale Verknüpfung von wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Fall hervorragend 07.09.2015 erheblich über den Durchschnittsanforderungen entspricht den Durchschnittsanforderungen B. Glunde entspricht trotz Mängeln den Anforderungen erhebliche Mängel, genügt den Anforderungen nicht 24 Übung • Finden Sie sich in Gruppen zu fünft zusammen • Entwickeln Sie ein offenes Fallbeispiel für eine 15 min. andauernde mündliche Prüfung in ihrer Domäne • Greifen Sie bitte auf reale Situationen zurück • Analysieren Sie mit Hilfe der modifizierten heuristischen Matrix den Bildungsgehalt ihres Fallbeispiels • Erarbeiten Sie weitere Ideen für kompetenzorientierte Prüfungen in ihrem Fachbereich und schreiben Sie diese auf eine gelbe Moderationskarte • Bestimmen Sie einen Gruppensprecher, der das Fallbeispiel präsentiert und bereiten Sie einen kurzen Kommentar (hilfreich war, neu war, schwierig war…) Zeitplanung: 25 min. Entwicklung eines Fallbeispiels, 25 min. Präsentation 07.09.2015 B. Glunde 25 Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit! B. Glunde Diplom-Pflegepädagogin, Hochschuldozentin Grandlstr. 44 81247 München [email protected] 07.09.2015 B. Glunde 26 Literaturangaben Anderson, L. et al (2001). A taxonomy for learning, teaching and assessing: a revision of Blooms taxonomy of eductional objectives. New York:Longman Bovet G, , Huwendiek (2004): Leistungsbeurteilung in der Schule, in: Bovet Gislinde, Huwendiek Volker (Hrsg), Leitfaden Schulpraxis. Berlin:Cornelsen Darmann-Finck (2009): Interaktionistische Pfflegedidaktik in: Christa Olbrich (Hrsg). Modelle der Pflegedidaktik. München: Elesevier Huber, L. (2008): Kompetenzen prüfen, in: Dany, Sigrid, Szczyrba Birgit und Johannes Wildt (Hrsg.), Prüfungen auf die Agenda! Hochschuldidaktische Perspektiven auf Reformen im Prüfungswesen. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG Schelten, A. (2009). Begriffe und Konzepte der berufspädagogischen Fachsprache. Eine Auswahl. Stuttgart: Franz-Steiner-Verlag. Riedl, A. (2011). Didaktik der beruflichen Bildung. Stuttgart: Franz-Steiner-Verlag Walzik S. (2012). Kompetenzorientiert prüfen. Opladen & Toronto: Verlag Barbara Budrich Weinert, F. E. (2001). Leistungsmessung in Schulen. Landsberg: Beltz-Verlag Klieme, Eckhard et al (2003): Expertise http://www.bmbf.de/pub/zur_entwicklung_nationaler_bildungsstandards.pdf Standards für die Lehrerbildung (2004) http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_12_16-Standards-Lehrerbildung.pdf Handreichung für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre Abstimmung mit Ausbildungsordnungen des Bundes für anerkannte Ausbildungsberufe (2007). http://www.kmk.org. 07.09.2015 B. Glunde 27
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