Dezember 2015 Ausgabe Nr. 5 Kehrtwende beim Factoring – Neues BMF-Schreiben zur Umsatzsteuer bei Erwerb zahlungsgestörter Forderungen Der Einzug von Forderungen durch Inkassounternehmen und andere Einrichtungen, wie z. B. auch privatärztliche Verrechnungsstellen, hat in der Praxis erhebliche Bedeutung. Mit seinem aktuellen Schreiben vom 02.12.2015 ändert das Bundesministerium der Finanzen (BMF) seine Auffassung zur umsatzsteuerlichen Behandlung des Erwerbs zahlungsgestörter Forderungen (sog. NonPerforming-Loans) und schließt sich damit nach langem Zögern der Rechtsprechung an. Nach dem BMF stellt der Erwerb zahlungsgestörter Forderungen zu einem unter ihrem Nennwert liegenden Preis, der aber dem wirtschaftlichen Wert der Forderung entspricht, nunmehr keine der Umsatzsteuer unterliegende wirtschaftliche Tätigkeit dar. Die neue Praxis bringt für Unternehmen und Factoringdienstleister beachtliche Änderungen mit sich. 1. Grundsätzliches zum Factoring Beim Factoring verkauft ein Unternehmer (sog. Anschlusskunde) seine Forderung aus einem Waren- oder Dienstleistungsgeschäft an eine Finanzierungsgesellschaft (Factor, Factoring-Institut), die den Forderungsbetrag unter Abzug von Kosten und Gebühren an den Anschlusskunden auszahlt und die Forderung grds. auch einzieht. Im Steuerrecht wird dabei unterschieden: Beim sog. echten Factoring zieht der Factor die Forderung im eigenen Namen ein und trägt das Ausfallrisiko (Bonitätsrisiko), also das Risiko, dass der Forderungsbetrag nicht mehr beigetrieben werden kann. Der Factor erbringt gegenüber dem Anschlusskunden eine steuerbare und auch nicht nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG steuerbefreite Einziehungsleistung. Eine mit der Factoringleistung im Zusammenhang stehende Kreditgewährung ist regelmäßig unselbständige Nebenleistung zur Einziehungsleistung. Bemessungsgrundlage für die in der Abrechnung des Factors gegenüber dem Anschlusskunden auszuweisende Umsatzsteuer ist der Nennwert der Forderung abzüglich des Verkaufspreises der Forderung und zzgl. etwaiger zusätzlicher Gebühren. Auch beim unechten Factoring tritt der Anschlusskunde die Forderung an den Factor ab. Im Gegensatz zum echten Factoring kann der Factor aber bei Ausfall der Forderung Rückgriff beim Anschlusskunden nehmen. Das Risiko des Forderungsausfalles trägt in diesem Fall also weiterhin der Anschlusskunde. Umsatzsteuerlich liegt aber auch beim unechten Factoring eine steuerpflichtige Einziehungsleistung und ggf. eine grds. als Nebenleistung zu beurteilende Kreditgewährung vor. 2. Erwerb zahlungsgestörter Forderungen Kann eine Forderung trotz Fälligkeit nicht eingetrieben werden, so ist ihr tatsächlicher Wert auf Grund des erhöhten Ausfallrisikos niedriger als ihr Nennwert. Wird eine solche zahlungsgestörte Forderung an einen Factor veräußert, so waren die umsatzsteuerlichen Folgen lange Zeit zwischen Rechtsprechung und BMF höchst umstritten: Dieser Beitrag wurde nach bestem Wissen erstellt und hat den Stand August 2015. Gleichwohl können wir eine Haftung für dessen Inhalt nicht übernehmen. Seite 1 von 2 Die Finanzverwaltung ging auch im Fall des Verkaufs zahlungsgestörter Forderungen von einer umsatzsteuerbaren und umsatzsteuerpflichtigen Einziehungsleistung des Factors aus, wobei die geringere Werthaltigkeit der Forderung bei der Bestimmung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage berücksichtigt wurde. Nachdem der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 27.10.2011 (C-93/10, GFKL) und auch der Bundesfinanzhof (Urteile vom 26.01.2012 – V R 18/08 und 04.07.2013 – V R 8/10) der Auffassung des BMF entgegengetreten sind, hat sich das BMF mit Schreiben vom 02.12.2015 der Rechtsprechung angeschlossen und Abschn. 2.4 UStAE entsprechend angepasst. 3. Neudefinition zahlungsgestörter Forderungen Neu ist zunächst die Definition zahlungsgestörter Forderungen. Nach dem aktuellen BMF-Schreiben ist eine Forderung (bestehend aus Rückzahlungs- und Zinsanspruch) insgesamt zahlungsgestört, wenn sie, soweit sie fällig ist, ganz oder zu einem nicht nur geringfügen Teil seit mehr als 90 Tagen nicht ausgeglichen wurde. Damit wurde die alte 6-Monatsgrenze halbiert, sodass eine Zahlungsstörung einer Forderung nunmehr früher als bisher eintritt. Eine Forderung soll auch dann zahlungsgestört sein, wenn die Kündigung erfolgt ist oder die Voraussetzungen für eine Kündigung vorliegen. 4. Keine wirtschaftliche Tätigkeit des Factors Nach neuer Auffassung des BMF besteht bei der Übertragung einer zahlungsgestörten Forderung unter Übernahme des Ausfallrisikos durch den Erwerber der wirtschaftliche Gehalt in der Entlastung des Verkäufers vom wirtschaftlichen Risiko und gerade nicht in der Einziehung der Forderung. Da die Differenz zwischen dem Nennwert der übertragenen Forderung und deren Kaufpreis vorrangig auf der Beurteilung der Werthaltigkeit der Forderung beruht, stellt diese keine Vergütung dar, mit der unmittelbar eine vom Käufer/Factor erbrachte Dienstleistung entgolten werden soll. Der Forderungserwerber erbringt daher nach neuer Auffassung des BMF keine wirtschaftliche Tätigkeit. Dies soll nach Auffassung des BMF selbst dann gelten, wenn der Forderungserwerber den Verkäufer von der weiteren Verwaltung und Vollstreckung der Forderung entlastet oder die Beteiligten dem Forderungseinzug bei der Bemessung des Abschlages auf den Kaufpreis oder durch Vereinbarung einer gesonderten Vergütung eine nicht untergeordnete Bedeutung beimessen. Werden sowohl zahlungsgestörte als auch nicht zahlungsgestörte Forderungen in einem Portfolio übertragen, ist das Gesamtpaket für Zwecke des Vorsteuerabzuges entsprechend aufzuteilen. Im Falle der Übertragung einer zahlungsgestörten Forderung ohne Übernahme des Ausfallrisikos durch den Erwerber liegt allerdings eine wirtschaftliche Tätigkeit des Erwerbers vor, wenn dieser den Forderungseinzug übernimmt. 5. Zeitliche Anwendung Die neuen Grundsätze des BMF-Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Es wird jedoch von der Finanzverwaltung nicht beanstandet, wenn die Beteiligten übereinstimmend von den Grundsätzen des alten BMFSchreibens vom 03.06.2004 ausgegangen sind und die Forderungsübertragung vor dem 01.07.2016 ausgeführt wird. Für regelmäßige Übertragungen, die auf der Grundlage eines vor diesem Stichtag abgeschlossenen Kaufvertrages beruhen, gilt Entsprechendes, sofern die Forderungsübertragung vor dem 01.01.2019 ausgeführt wird. 6. Praxishinweise Die betroffenen Unternehmen sollten sich frühzeitig auf die Neuregelungen einstellen. Denn für die Praxis hat das neue BMF-Schreiben erhebliche Auswirkungen: Im BMF-Schreiben ist ausdrücklich aufgeführt, dass der Forderungserwerber/Factor mangels wirtschaftlicher Tätigkeit nicht zum Vorsteuerabzug aus den Eingangsrechnungen für den Forderungserwerb und den Forderungseinzug berechtigt ist. Insofern können die neuen Grundsätze aufgrund des Verlustes des Vorsteuerabzugs für Factoringinstitute erhebliche Nachteile bedeuten. Gleichzeitig müssen sich Unternehmer auf die neue Rechtslage einstellen und die Eingangsrechnungen genau prüfen. Nach der neuen Rechtslage dürfen Factoringunternehmen bei der Abrechnung des Erwerbs zahlungsgestörter Forderungen keine Umsatzsteuer ausweisen. Ein trotzdem erfolgter Umsatzsteuerausweis berechtigt die Unternehmen nicht mehr zum Vorsteuerabzug. Zwar orientiert sich das BMF nunmehr an der Rechtsprechung. Kritisch anzumerken ist jedoch, dass das BMF dem vertraglichen Gestaltungsspielraum der betroffenen Unternehmen enge Grenzen auferlegt, wenn es einer gesonderten Vereinbarung einer Vergütung für die Einziehungsleistung umsatzsteuerlich keine Bedeutung zumessen will. Es scheint zweifelhaft, ob das BMF seine restriktive Sichtweise vor den Finanzgerichten wird durchsetzen können. Dr. Panagiotis Dodos Rechtsanwalt PNHR Pelka Niemann Hollerbaum Rohde Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater Kaiser-Wilhelm-Ring 3-5 50672 Köln Telefon: Telefax: E-Mail: Website: (0221) 546 784 30 (0221) 544 028 [email protected] www.pnhr.de Dieser Beitrag wurde nach bestem Wissen erstellt und hat den Stand 07.12.2015. Gleichwohl können wir eine Haftung für dessen Inhalt nicht übernehmen. Seite 2 von 2
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