Prostitution in einer Gaststätte

Prostitution in einer Gaststätte
Gastwirtin G. betreibt seit Jahren mit einer rechtmäßigen Gaststättenerlaubnis ohne Beanstandungen die Bar „Mausekäfig“. Um sich eine zusätzliche
Einnahmequelle zu verschaffen, vermietet sie seit Monatsbeginn Wohnungen an Prostituierte. Die Wohnungen befinden sich im gleichen Gebäude wie die
Gaststätte.
Über eine Treppe können die Freier zu den Räumen gelangen, in denen die Prostituierten ihrer Arbeit nachgehen. Anbahnungen für geschlechtliche
Handlungen finden im Gastraum nicht statt. Die Treppe ist vom Publikum frei begehbar und so kunstvoll verziert, dass sie den nicht interessierten Gästen
nicht auffällt.
Fallfrage
Darf die Gaststättenbehörde die Gaststättenerlaubnis nach dem GastG des Bundes rechtmäßig widerrufen?
Voraussetzung des Widerrufs einer Gaststättenerlaubnis ist die Unzuverlässigkeit des Gastwirts i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG des Bundes. Hierzu müsste der
Gastwirt der Unsittlichkeit Vorschub leisten. Dies ist aber nicht der Fall. Der Widerruf der Erlaubnis nach § 15 Abs. 2 GastG des Bundes ist daher nicht
zulässig.
Weil die Gastwirtin nicht unzuverlässig ist, stellt sich in den Bundesländern mit eigenem Gaststättengesetz die Frage der Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO
(Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Saarland, Sachsen und Thüringen) bzw. der Widerruf der Gaststättenerlaubnis nach § 49 Abs. 2 VwVfG (Bremen) nicht.
In Baden-Württemberg gilt das GastG des Bundes als Landesgaststättengesetz weiter.
Falllösung
Zur Frage der Zuständigkeit siehe Kapitel „Übersicht über die Rechtsgrundlagen und Zuständigkeiten im Gaststättenrecht“.
Grundsätzliches zum Aufheben einer Gaststättenerlaubnis
Grundsätzliche Ausführungen zum Aufheben einer Gaststättenerlaubnis durch Rücknahme oder Widerruf und dem Vorliegen von Versagungsgründen siehe
Kapitel „Unter welchen Voraussetzungen kann eine Gaststättenerlaubnis wegen Prostitution aufgehoben werden?“.
Rechtsgrundlage für das Aufheben der Erlaubnis
Die Rücknahme der Erlaubnis nach § 15 Abs. 1 GastG des Bundes setzt voraus, dass bereits bei dem Erteilen der Gaststättenerlaubnis Versagungsgründe nach § 4
Abs. 1 Nr. 1 GastG des Bundes vorlagen.
Liegt ein Versagungsgrund vor, ist die Gaststättenerlaubnis zurückzunehmen.
Subsumtion: Nach dem Sachverhalt ist nicht zu erkennen, dass bei Erteilung der Erlaubnis Versagungsgründe nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG des Bundes vorlagen.
Selbst wenn Gastwirtin G. unzuverlässig wäre, kann daraus nicht geschlossen werden, dass sie schon bei Erteilen der Erlaubnis unzuverlässig war.
Zwischenergebnis: Eine Rücknahme der Gaststättenerlaubnis nach § 15 Abs. 1 GastG des Bundes scheidet aus.
Widerruf der Erlaubnis
Da eine Rücknahme der Erlaubnis nicht infrage kommt, ist nun zu prüfen, ob ihr Widerruf zulässig wäre. Der Widerruf der Erlaubnis nach § 15 Abs. 2 GastG des
Bundes setzt voraus, dass nach dem Erteilen der Gaststättenerlaubnis Versagungsgründe nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG des Bundes eintreten.
Widerruf als gebundene Entscheidung
Liegt ein Versagungsgrund vor, ist die Gaststättenerlaubnis zu widerrufen.
Zu prüfen ist nun, ob nach dem Erteilen der Erlaubnis Versagungsgründe nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG des Bundes eingetreten sind.
Zu den einzelnen Versagungsgründen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG des Bundes vgl. Kapitel „Versagungsgründe einer Erlaubnis“.
Im vorliegenden Fall könnte Frau G. unzuverlässig sein, wenn sie der Unsittlichkeit Vorschub leistet.
Tatsachen
Die Unzuverlässigkeit des Gastwirts muss sich aus Beweismitteln (vgl. §§ 24, 26 VwVfG bzw. entsprechende landesrechtliche Regelung) ergeben.
Subsumtion: Beweismittel im vorliegenden Fall sind die aktenkundigen Feststellungen der Gaststättenbehörde.
Zwischenergebnis: Es liegen nachweisbare Tatsachen vor, auf die der Vorwurf der Unzuverlässigkeit gestützt werden könnte.
Unzuverlässigkeit
Nähere Ausführungen zum Begriff der Unzuverlässigkeit siehe Kapitel „Unter welchen Voraussetzungen kann eine Gaststättenerlaubnis wegen Prostitution
aufgehoben werden?“.
Subsumtion: In der Gaststätte ist zwar eine Treppe vorhanden, über die Interessierte in die Wohnungen der Prostituierten gelangen können. Die Treppe ist aber so
unauffällig gestaltet, dass Dritte (z.B. Jugendliche) nicht in ihren schutzwürdigen Belangen berührt werden. Allein das Vorhandensein der Treppe kann daher nicht
als Anbahnungshandlung verstanden werden.
Auch ist in der Gaststätte oder in ihrer Umgebung keine Begleitkriminalität festzustellen.
Zwischenergebnis: Frau G. leistet nicht der Prostitution Vorschub.
Ergebnis: Frau G. ist daher nicht unzuverlässig i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG des Bundes.
Der Widerruf der Gaststättenerlaubnis von Frau G. ist somit nicht zulässig. Würde die zuständige Gaststättenbehörde trotzdem den Widerruf der
Gaststättenerlaubnis verfügen, müsste der Widerrufsbescheid im Widerspruchs- bzw. Klageverfahren aufgehoben werden, da er rechtswidrig ist und Frau G. in
ihren Rechten verletzt.
Rechtslage in Bundesländern mit eigenem Gaststättengesetz
Weil die Gastwirtin nicht unzuverlässig ist, stellt sich in den Bundesländern mit eigenem Gaststättengesetz die Frage der Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO
(Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Saarland, Sachsen und Thüringen) bzw. der Widerruf der Gaststättenerlaubnis nach § 49 Abs. 2 VwVfG (Bremen) nicht.
In Baden-Württemberg gilt das GastG des Bundes als Landesgaststättengesetz weiter.
Rechtsprechungsübersicht
BVerwG, Urteil vom 16.09.1975, Az: I C 44.74, GewArch 1975, S. 384
BVerwG, Urteil vom 30.01.1990, Az: 1 C 26/87, GewArch 1990, S. 212
BVerwG, Urteil vom 07.05.1996, Az: 1 B 79.96, GewArch 1996, S. 425
OVG Hamburg, Beschluss vom 18.03.1996, Az: OVG Bs V 27/96, GewArch 1996, S. 425
VGH München, Beschluss vom 27.02.85, Az: 22 CS 85 A 355, GewArch 1985, S. 233
© 2012 WEKA MEDIA GmbH & Co. KG