Aufgabe 1: „Scheinbar“, „Wunderbar“, „Sonderbar“, die den vibrierenden Pulsschlag des nächtlichen Großstadtlebens fühlende Lulu Lustig ist begeistert von all den originellen Wortspielen, mit denen die Barbetreiber ihre Örtlichkeiten für heitere Abendstunden taufen. Schon lange hegt sie den Wunsch, selbst in das Gastronomiegewerbe einzusteigen. Ihr fehlt nur noch ein witzsprühender Name für ihre Bar. Da fällt ihr auf, dass der Metropole Hagenburg eine „Urbar“ bislang fehlt. L macht im Studentenviertel Hagenburgs ein Kellergewölbe in einem Miethaus ausfindig, das sehr leicht in eine gemütliche Lounge umgebaut werden kann. Nach erfolgreichen Verhandlungen mit der Stadtverwaltung Hagenburgs (und dem Vermieter des Hauses) kann L ihr Projekt „Urbar“ schließlich starten. Die Stadtverwaltung erteilt ihr am 08.06.2015 eine Gaststättenerlaubnis. Allerdings enthält die Erlaubnis den folgenden einschränkenden Passus: „…wird Ihnen die Gaststättenerlaubnis mit folgender Maßgabe erteilt: Ihnen wurde bekannt gemacht, dass die zulässigen SchallGrenzwerte nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz bei der geplanten Verwendung der Räumlichkeit überschritten werden. Um belästigende Schallimmissionen zu verhindern, ist die Decke des Kellers vor Aufnahme des Gaststättenbetriebs in einer Weise zu dämmen, dass die Ihnen bekannten Grenzwerte nach geltendem Immissionsschutzrecht eingehalten werden. Bei Änderungen dieser Grenzwerte kann von Ihnen verlangt werden, dass Sie weitergehende Schalldämmungsmaßnahmen vornehmen. Auf die Möglichkeit von Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung wird hingewiesen. “ Tatendurstig stürzt sich L daraufhin in den Umbau des Kellers und kümmert sich um die Einrichtung ihrer Lounge. Erlesenes Interieur wird angeschafft, mühevoll wird die Beleuchtung arrangiert und der hipste DJ der Stadt wird engagiert. Nur an eines denkt L bei all dem emsigen Treiben nicht mehr: an die Schalldämmung. Deshalb können die Mieter des Hauses sich über den weltmännischen Anstrich, den der Erfolg der „Urbar“ ihrem Zuhause verliehen hat, nicht so recht freuen. Sie beschweren sich bei der Stadt Hagenburg wegen Lärmbelästigung. Und tatsächlich: Immissionsmessungen ergeben eine deutliche Überschreitung der nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz zulässigen Schall-Grenzwerte. Die zuständige Behörde hebt daraufhin die Gaststättenerlaubnis nach Anhörung der L auf. Im Aufhebungsbescheid heißt es zur Begründung: „Gründe: Die Gaststättenerlaubnis war deshalb aufzuheben, weil Sie es versäumt haben, unsere Maßgabe im Bescheid vom 08.06.2015 zu erfüllen, vor der Aufnahme des Gaststättenbetriebs für einen ausreichenden Schallschutz Sorge zu tragen. In der Anhörung vom 13.11.2015 haben Sie vorgetragen, dass Sie inzwischen ein Unternehmen beauftragt haben, die erforderliche Deckendämmung auszuführen. Unter dem 23.11.2015 liegt mir ein Schallgutachten vor, aus dem hervorgeht, dass inzwischen Dämmungsschutz installiert worden ist und die Grenzwerte nunmehr eingehalten werden. Dennoch wird durch diese bloß nachträgliche Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustands die durch Ihr Versäumnis einmal eingetretene Pflichtenverletzung nicht wieder geheilt.“ Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhebt die L vor dem Verwaltungsgericht in Hagenburg Anfechtungsklage. Aufgabe: Ist die Anfechtungsklage der L begründet? Beantworten sie die Frage in einem Gutachten! Beachten Sie dringend den Bearbeitervermerk! (75 Punkte) Aufgabe 2 L betreibt die „Urbar“ (wegen des Suspensiveffekts der Klage) natürlich weiter. Nachdem Terroristen in ein stillgelegtes Sanatorium im Studentenviertel geflüchtet sind, richtet der Polizeipräsident folgende Ansprache an die Hörer von Radio Hagenburg: „…möchte ich Sie darüber in Kenntnis setzen, dass heute um 14.00 Uhr schwer bewaffnete Terroristen nach einem Anschlagsversuch auf den Bürgermeister, sich im stillgelegten Sanatorium an der Mühlenstraße - Ecke Hubertusstraße - gegenüber dem Bohlen-Denkmal verschanzt haben. Die Betreiber von Gaststätten im Studentenviertel werden aufgefordert, ihre Gaststätten bis auf weiteres geschlossen zu halten. Bei Zuwiderhandeln wird auf die Möglichkeit von polizeilichen Zwangsmaßnahmen hingewiesen.“ Aufgabe: Prüfen Sie gutachterlich, welche(r) Bestandteil(e) der Ansprache sich als Verwaltungsakt(e) erweis(t)en. (25 Punkte) Bearbeitervermerk: Das VwVfG des Landes L entspricht dem des Bundes und ist im vorliegenden Fall anwendbar. Sie können die Ausführungen zu den Schall-Grenzwerten im Sachverhalt als korrekt unterstellen. Eine Prüfung der Normen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes wird also nicht verlangt. Im Land L gilt ein eigenes Gaststättengesetz, das in formell und materiell verfassungsmäßiger Weise erlassen worden ist. Das Gaststättenrecht fällt nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG in die Gesetzgebungskompetenz der Länder und geht dem BundesGaststättengesetz daher vor. Gaststättengesetz-L (GastG-L) § 1 Gaststättengewerbe (1) Ein Gaststättengewerbe im Sinne dieses Gesetzes betreibt, wer in einer festen Betriebsstätte dauerhaft und gegen Entgelt 1. Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht (Schankwirtschaft) oder 2. zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht (Speisewirtschaft), wenn der Betrieb jedermann oder bestimmten Personenkreisen zugänglich ist. (…) § 2 Erlaubnis (1) Wer ein Gaststättengewerbe betreiben will, bedarf der Erlaubnis. Diese Erlaubnis ist zu erteilen, wenn ihr keine Versagungsgründe entgegenstehen. Die Erlaubnis kann auch nichtrechtsfähigen Vereinen erteilt werden. (…) § 3 Versagungsgründe (1) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn (…) 3. der Gewerbebetrieb im Hinblick auf seine örtliche Lage oder auf die Verwendung der Räume dem öffentlichen Interesse widerspricht, insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder sonst erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Allgemeinheit befürchten läßt, (2) Abweichend von Abs. 1 kann anstelle einer Versagung der Erlaubnis auch eine Auflage nach § 4 erteilt werden, um die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen sicherzustellen. § 4 Auflagen (1) Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, können jederzeit Auflagen zum Schutze 1. der Gäste gegen Ausbeutung und gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit, 2. der im Betrieb Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder 3. gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des BundesImmissionsschutzgesetzes und sonst gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit erteilt werden. (…) § 5 Erlöschen der Erlaubnis Die Erlaubnis erlischt, wenn der Inhaber den Betrieb nicht innerhalb eines Jahres nach Erteilung der Erlaubnis begonnen oder seit einem Jahr nicht mehr ausgeübt hat. Die Fristen können verlängert werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. § 6 Rücknahme und Widerruf der Erlaubnis (1) Eine rechtswidrige Erlaubnis zum Betrieb eines Gaststättengewerbes ist zurückzunehmen, wenn bekannt wird, daß bei ihrer Erteilung Versagungsgründe nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 vorlagen. (2) Eine rechtmäßige Erlaubnis ist zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die die Versagung der Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 rechtfertigen würden. (3) Eine rechtmäßige Erlaubnis kann widerrufen werden, wenn 1. … 2. … 3. der Gewerbetreibende Auflagen nach § 4 Abs. 1 zuwider handelt (…)
© Copyright 2024 ExpyDoc