Bildungkirche:1 /2015 ausgerechnet S. 4 Wir brau

Bildungkirche: 1/2015
ausgerechnet Wir brauchen mehr Pfarrerinnen und
Pfarrer! Je jünger, desto
Teilzeit Ich will den Job, ich
will ihn nicht Einmal Pfarrer/in, immer Pfarrer/in
S. 4
S. 8
S. 1 2
S. 1 6
E IN E PU BL IK AT ION VON A + W U N D P W B
2
IN H A LT
Wir brauchen mehr
Pfarrer/innen!
Liebe Leserin, lieber Leser
4
Basel-Stadt: Mehr Pfarrstellen in neuen Rollen 6
Je jünger, desto Teilzeit 8
«Ich bin ganze Pfarrerin–
auf einer halben Stelle» 10
Ich will den Job, ich will
ihn nicht,
12
Die Ermöglicher
14
Einmal Pfarrer/in,
immer Pfarrer/in?
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Aus der Sackgasse in
die Weite
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Kreuz und quer
21
Bildungkirche
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Medientipps
24
Portrait
25
Kolumne
27
Agenda
29
Die Kirchen befinden sich in einem tiefgreifenden Wandel. Sie müssen sich neu orientieren und ihren Weg finden. Doch was ist
die Strategie? Orientiert man sich an der
Vergangenheit, dem Dogma oder gar an
den aktuellen, empirisch wahrnehmbaren
Herausforderungen? Sowohl als auch: Wir
brauchen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Theorie und Praxis,
zwischen Dogma und Erfahrung beidseitig
befahrbare Brücken, wollen wir denn
sprach- und lernfähig bleiben.
In dieser Ausgabe beginnt unser Lernprozess mit der Beobachtung, mit empirisch
wahrnehmbaren Fakten. Diese führen zu
Fragen, Reflexion, Thesen und Diskursen.
Und darauf freuen wir uns!
Mathias Burri
Redaktor Magazin Bildungkirche, A+W
Herausgeber: Konkordatskonferenz und Weiterbildungsrat Mitarbeitende an dieser Nummer: Matthias Bachmann (mb),
WEKOT, Zürich; Mathias Burri (mbu), A+W, Zürich; Stephan Hagenow (sh), Ref BeJuSo, Bern; Juliane Hartmann (jh),
A+W, Zürich; Andreas Heieck (ahk), pwb, Bern; Thomas Schaufelberger (ts), A+W, Zürich; Jacques-Antoine von Allmen
(java), A+W, Zürich Redaktionsadresse: A+W, Redaktion Magazin Bildungkirche, Blaufahnenstrasse 10, 8001 Zürich,
Tel. +41 44 258 92 43, [email protected] Gestaltung: Liliane Jakob, A+W Gestaltungskonzept: Raffinerie AG,
Zürich Illustrationen: Lina Müller Druck: Druckerei Robert Hürlimann AG, Zürich Auflage: 5400 Verteiler: Das
Magazin Bildungkirche geht an Studierende, alle Pfarrpersonen im Amt, alle weiteren kirchlichen Mitarbeitenden, die
Mitglieder der kantonalen Kirchenleitungen sowie die Präsidentinnen und Präsidenten der lokalen Kirchenbehörden der
Schweiz. Die Zeitschrift wird aufgrund der Adressangaben der Kantonalkirchen versendet. Für Adressberichtigungen
wende man sich an die Redaktion ISSN: 2297-2536 Erscheinungsweise: vierteljährlich Nächste Ausgabe: Juni 2015
Thema: sprachlos Website: magazin.bildungkirche.ch
4
Von Jacques-Antoine von
Allmen, Beauftragter
Weiterbildung, A+W
Die Kirche
schrumpft. Wir
brauchen mehr
Pfarrer/innen!
Weniger Mitglieder – weniger Pfarrstellen. Diese Gleichung stimmte in der Vergangenheit nicht, und vieles
spricht dafür, dass sie auch in Zukunft nicht stimmt.
Bislang hat der Mitgliederrückgang keinen direkten Niederschlag in
der Anzahl der beschäftigten Pfarrpersonen gefunden, wie nebenstehende Abbildung zeigt. In Zürich nehmen die Pfarrpensen proportional weniger stark ab als die Mitgliederzahl. In anderen Kirchen bleibt
die Anzahl Pfarrpersonen trotz Mitgliederrückgang konstant oder
nimmt sogar leicht zu. Das bedeutet: Eine Pfarrperson ist für weniger
Mitglieder zuständig. Das Pfarrstellenquorum nimmt ab. In allen Kantonen verteilen sich die verfügbaren Pfarrstellenpensen unter mehr
Pfarrpersonen. Der Grund: es arbeiten mehr Pfarrpersonen (gewollt
oder ungewollt) in Teilzeit.
Für abnehmende Pfarrstellenquoren gibt es mindestens zwei Erklärungen: 1. Die Kirche reagiert auf die Erwartung der Mitglieder. Diese
werden weniger, aber ihre Erwartungen werden individueller. In der
Folge werden die Aufgaben im Pfarramt vielfältiger, der Zeitaufwand
nimmt zu. Das Quorum wird angepasst (solange die Finanzen dies zulassen). 2. Die Kirche trifft eine strategische Entscheidung. Basel-Stadt
macht vor, dass sich die Kirche von der Volks- zur Mitgliederkirche entwickelt. Zum «Service public» kommt die intensivere Begleitung der
engagierten Mitglieder durch Pfarrpersonen hinzu. Gemeindeentwicklung ist nur mit entsprechendem Ressourceneinsatz zu haben.
These: Den übrigen Kantonalkirchen steht die Entwicklung zur Mitgliederkirche bevor; dies löst in den kommenden Jahren einen erhöhten Pfarrnachwuchsbedarf aus.
MEHR...
Lesen Sie die Antwort von Lukas Kundert auf Seite 6.
Jacques-Antoine von
Allmen, Beauftragter für
die Weiterbildung, gehört
zu einem der grössten
Pfarrjahrgänge: 1961.
AU S G E R E C H N E T : P FA R R P E R S O N E N - M I T G L I E D E R
ENTWICKLUNG VON PFARRSTELLEN UND MITGLIEDERZAHLEN AN
DEN BEISPIELEN ZÜRICH UND BASEL-STADT
BASEL-STADT, SEIT 1994
120%
100%
106%
100% 100%
80%
104%
70%
60%
55%
2160%
30 081
2190%
38 120
2070%
20%
54 459
40%
0%
1994
2004
2015
ZÜRICH, SEIT 1989
120%
100%
100% 100%
94%
97% 100%
96%
99%
98%
89%
86%
80%
80%
60%
347
29 480%
455 752
344
31 780%
491 815
350
32 300%
539 221
20%
33 250%
40%
571 694
5
0%
1989
1994
Mitglieder Stellenprozente Stellen
2002
2010
Quelle: WEKOT
6
Von Lukas Kundert,
Kirchenratspräsident
Ref. Kirche Basel-Stadt
Basel-Stadt:
Mehr Pfarrstellen
in neuen Rollen
Die Kirche Basel-Stadt hat seit 1994 die Anzahl Pfarrstellen pro 10 000 Mitglieder verdoppelt. Und das ist erst der
Anfang, meint Kirchenratspräsident Lukas Kundert.
Die Allokation der Finanzen geschieht in den meisten Kantonal- und
Landeskirchen der Schweiz nach den Mitgliederzahlen in den einzelnen Gemeinden (und darüber hinaus leisten sich die meisten Kirchen
übergemeindliche Ämter und Dienste). Für die Gemeindearbeit bedeutet das, dass auf etwa 2000 bis 3000 Mitglieder eine Pfarrstelle entfällt.
Mehr ist kaum finanzierbar. Es ist dabei unbedeutend, wie lebendig
oder tot das Gemeindeleben ausfällt und wie viele Menschen zum Beispiel den Gottesdienst besuchen und wie viele Freiwillige zur Mitarbeit
motiviert werden können.
RADIKALER BRUCH ODER LICHTERLÖSCHEN
Dieses mitgliederbezogene Geldverteilungsprinzip muss radikal gebrochen werden. Denn diese rein fiskalisch definierte Finanzierungsmechanik hat für die Kirche in der Schrumpfungsphase tödliche Wirkung: Erstens belohnt sie nicht erfolgreichen Gemeindeaufbau,
zweitens trägt sie den Bedürfnissen der einzelnen Kirchenglieder
nicht Rechnung. Wir wissen, dass eine Pfarrperson – wenn sie sehr gut
arbeitet – maximal 300 Personen erreichen kann. Das heutige Finanzierungssystem geht also davon aus, dass 3000 Mitglieder dafür bezahlen, was dann 300 Mitglieder «konsumieren». Das widerspiegelt sich
zum Beispiel im Platzangebot der Kirchen: 1970 zählte die Kirche in
Basel 135 000 Mitglieder, Platz in den Kirchen konnten nur 13 000 finden. Man ging schon damals davon aus, dass auch an den hohen Feiertagen maximal ein Zehntel der Mitglieder die Kirche besuchen wollen.
Zudem führt dieses System dazu, dass die Schrumpfung der Mitgliederzahl zu einer Ausdünnung des Angebots führt. Diese Abwärtsspirale führt irgendwann zum Lichterlöschen in der Kirche.
Lukas Kundert ist
Kirchenratspräsident der
Evangelisch-reformierten
Kirche Basel-Stadt. Seine
aktuelle Publikation: Die
evangelisch-reformierte
Kirche – Grundlagen für
eine Schweizer Ekklesiologie, TVZ 2014.
7
AU S G E R E C H N E T : P FA R R P E R S O N E N - M I T G L I E D E R
1 PFARRPERSON AUF 300 AKTIVE MITGLIEDER
Heute ist Kirchenmitglied sein und bleiben ein bewusster Akt. Die Kirche Basel-Stadt setzt voll auf diejenigen, die aktive Mitglieder sein wollen. Wir arbeiten daran, dass die 300 «KonsumentInnen» bereit werden, die Vollkosten für die Kirche selbst zu tragen. So müssen wir uns
zum Ziel setzen, dass in 15 Jahren auf 300 Mitglieder mindestens eine
Pfarrstelle kommt. Das ist nicht mit einem Steuermittelallokationsmechanismus über die reine Mitgliederzahl zu leisten. Es braucht andere, zusätzliche Instrumente. So haben wir heute erreicht, dass nicht
wie 2004 noch eine Pfarrstelle auf 3000 Mitglieder entfällt, sondern
dass jetzt bereits 1000 Mitglieder eine Pfarrstelle mit allem Drum und
Dran (Sigristen- und Organistendienst, Diakonie, Katechese, Raumbedürfnisse u.v.m.) finanzieren.
WIR BENÖTIGEN 70 PFARRPERSONEN
Ich denke, dass sich die Pfarrpersonen vermehrt auf die genuinen pastoralen Aufgaben fokussieren: Verkündigung, Konfirmationsunterricht, einige Kasualien. Für die weitere Arbeit müssen die an der kirchlichen Arbeit Interessierten weitere Mitarbeitende einstellen. Denn
volkskirchlich geprägte Mitgliederkirche bedeutet: die Kirche wirkt in
der Nachbarschaft, im Quartier, in der Gesellschaft diakonisch und
missional – mit dem Blick auf alle Menschen. Nur wirkt sie nach aussen nicht nur durch die Pfarrpersonen, sondern in erster Linie durch
den Dienst weiterer Mitarbeitenden. Sie sind dort Zeugen des Evangeliums, wo sie leben, arbeiten und vernetzt sind. Die Pfarrpersonen nehmen die traditionellen pastoralen Aufgaben so wahr, dass sie viel Zeit
und Energie in die Begleitung und Beratung der Teammitglieder investieren können. So hoffen wir, die Anzahl der Mitglieder unserer Kirche
bei 20 000 zu stabilisieren und von der Ausstrahlung her an Fahrt zu
gewinnen. Dazu benötigen wir mittelfristig 70 Pfarrpersonen. Da stellt
sich natürlich die Frage, woher sie bei der gegenwärtigen Nachwuchssituation kommen sollen.
Wir verfolgen deutlich eine andere Strategie als einige andere Kirchen
der Deutschschweiz, die Sparrunden und Kirchgemeindefusionen
durchführen. Die volkskirchliche Ausrichtung der Basler Mitgliederkirche kommt immer noch am besten zum Ausdruck in der VI. These
von Barmen: «Der Auftrag der Kirche, in welchem ihre Freiheit gründet, besteht darin, an Christi Statt und also im Dienst seines eigenen
Wortes und Werkes durch Predigt und Sakrament die Botschaft von der
freien Gnade Gottes auszurichten an alles Volk.» In diesem Verständnis kann Service Public die Tätigkeit der Kirche nicht erschöpfend beschreiben – ihre missionale Dimension soll die Kirche mit genügend
Ressourcen und Energie leben.
Heute sind von 30 Pfarrstellen in Basel 5 durch
Stiftungen und Vereine
finanziert. Das erfordert
einerseits Kostentransparenz: die finanzielle
Situation der Kirche muss
für die Mitglieder leicht
nachvollziehbar sein.
Andererseits muss die
Wirksamkeit der Pfarrstellen wahrnehmbar sein: wer
zahlt, will sehen, was
durch sie/ihn ermöglicht
wird.
8
Von
Juliane Hartmann,
Beauftragte Ausbildung
Je jünger, desto
Teilzeit
Die Statistik ist eindeutig: Je jünger die Pfarrerinnen und
Pfarrer sind, umso mehr arbeiten sie im Teilpensum. Welches sind die Auswirkungen auf Kirchen und Gemeinden?
Und was bedeutet dies für das Pfarrbild?
Pfarrer, die frisch in den Beruf einsteigen, bevorzugen ein Teilpensum. Oder müsste es heissen Pfarrerinnen? Ist etwa die zunehmende
Anzahl von Frauen eine Ursache des Teilzeittrends? Zu den Gründen
gibt es verschiedene Hypothesen: tatsächlich legen Frauen Wert auf einen Mix zwischen Erwerbsarbeit und Beruf; ebenso jedoch die Generation Y, die auch in anderen Berufsfeldern nach Teilzeitarbeit verlangt. Damit verbunden ist der Wunsch nach Abgrenzung, sei sie
zeitlich, inhaltlich oder auch emotional.
Ursache wie auch Folge dieses Trends ist, dass sich Pfarrerinnen und
Pfarrer nicht mehr als omnipräsente, für alles zuständige, alles könnende und alles wissende Amtspersonen verstehen. Mit abnehmender
zeitlicher Verfügbarkeit gehen darum oft auch Schwerpunktbildungen
im Pfarramt einher.
KLÄRUNG DES BERUFSBILDS
Teilpensen im Pfarramt führen also zu einer Klärung des Berufsbilds:
Um eine Teilmenge abzugrenzen, muss zunächst das Ganze bekannt,
benannt und festgelegt werden. Mit dieser Festlegung wird das Pfarramt, das sich lange Jahre einer genauen Definition entzogen und dies
auch theologisch begründet hat, wesentlich neu bestimmt. Was ändert
sich, wenn ein umfassendes Amtsverständnis mit einem Pflichtenheft
konfrontiert wird, in dem geklärt wird, was zur Arbeit einer Pfarrerin
gehört – und was nicht? Zeitunglesen, der Schwatz im Dorf, Essen mit
einer Freiwilligengruppe ...? Kann eine Pfarrerin nur zur Arbeit in die
Kirchgemeinde kommen?
Fragen, die in den Kantonalkirchen bisher sehr unterschiedlich geregelt sind. Fragen auch, die ein neues Pfarr- und damit auch Kirchenbild provozieren.
MEHR...
Lesen Sie das Interview mit Teilzeit-Pfarrerin Denise Perret auf Seite 10.
Generation Y ist ein
soziologischer Begriff für
die Jahrgänge 1977-1998:
gut ausgebildet, technologieaffin, legen sie Wert auf
Gestaltungsfreiheit innerhalb und ausserhalb des
Berufs, fordern mehr Zeit
für Familie und Freizeit.
Juliane Hartmann, ist
Beauftragte für die
Ausbildung der Pfarrerinnen und Pfarrer der
Konkordatskirchen und
arbeitet bei der Arbeitsstelle A+W in Zürich. Sie
ist verantwortlich für das
ekklesiologisch-praktische
Semester und die
Weiterbildung in den
ersten Amtsjahren.
9
AUS GE R E C H N E T : VOL L Z E I T- T E IL Z E I T
PFARRPERSONEN DER KONKORDATSKIRCHEN: JAHRGÄNGE UND
IHRE VERTEILUNG AUF PENSEN
Jahrgang
1985
1984
1983
1982
1981
1980
1979
1978
1977
1976
1975
1974
1973
1972
1971
1970
1969
1968
1967
1966
1965
1964
1963
1962
1961
1960
1959
1958
1957
1956
1955
1954
1953
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1950
1949
1
3
1 1
1
3 1
3
4
3
2
3
2
3
2
4
5
4
5
4
2
2 1
3
2
4 1
2
8
6
3
9
12
1
11
3
13
3
2
7
2
3
4
9
3
16
2
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3
7
3
13
5 1
7
13
9
16
10
8
2
12
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15
18
11
17
10
8
24
5
12
9
27
15
32
33
15
10
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6 1
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16
0
10
4
3
4
1
10
6 1
2
19
12
13
19
18
9
10
8
6
5
7
10
25
4
5
7
7
6
5
15
13
9
25
15
19
15
9
12
26
6
10
33
19
4
14
11
35
22
7
14
8
2
6 1
2
20
30
40
50
100% Pensum 80–99% Pensum 50–79% Pensum <50% Pensum
60
70
Quelle: WEKOT
Anzahl
Personen
10
Von Juliane Hartmann,
Beauftragte für die
Ausbildung, A+W
«Ich bin ganze Pfarrerin – auf einer
halben Stelle.»
Teilzeitarbeit im Pfarramt: Kann das tatsächlich gelingen? Für Gemeinde wie auch für PfarrerInnen?Antworten
aus der Realität einer Baselbieter Kirchgemeinde.
Juliane Hartmann: Denise, du arbeitest zu 50% als Pfarrerin in
einer grossen Kirchgemeinde, in der drei weitere Pfarrer mit unterschiedlichen Pensen arbeiten. Was siehst du als Chancen dieses
Arbeitsmodells?
Denise Perret: Für mich ist es eine ideale Möglichkeit, Familien- und
Berufsarbeit miteinander zu verbinden. Weil ich nur begrenzte Zeit zur
Verfügung habe, bin ich viel fokussierter als früher. Jetzt habe ich fast
jeden Tag eine Deadline: bis um 18 Uhr muss vieles erledigt werden,
und ich mache mich dran. Das hilft mir, Projekte anzureissen und auch
durchzuziehen. Ich erledige die meisten Dinge sofort und kommuniziere schnell. Überhaupt merke ich, dass Planung und Kommunikation zentrale Punkte geworden sind. Ich würde sagen, ich arbeite mit
viel System.
Welche inhaltlichen Vorteile siehst du in der Teilzeitarbeit?
Meine andere Lebenswelt speist meine Arbeit als Pfarrerin: Ich bekomme einen anderen Blick auf die Menschen, mit denen ich zu tun habe,
und die Erfahrungen als Mutter befruchten meine Veranstaltungen in
der Gemeinde. Verschiedene Lebenswelten weiten den Blick und sind
eine Ressource fürs Pfarramt und die Kirchgemeinde. Nebenbei: die
regelmässigen pfarramtsfreien Zeiten sehe ich auch als Burnout-Prophylaxe!
Wie stehen denn deine Kollegen zu dir als Teilzeitpfarrerin?
Für sie ist es wichtig, dass es klare Regelungen und Vereinbarungen
gibt: wann ich da bin, dass ich meine Mails einmal pro Tag checke, wie
ich erreichbar bin, auch im Notfall. Obwohl dies fast nie genutzt wird.
Denise Perret (36) ist in
Therwil BL aufgewachsen,
hat zuerst eine Handelsmittelschule absolviert
und in einer psychologischen Praxis für Berufsund Laufbahnberatungen
gearbeitet. Nach der KTS
in Bern und dem Theologiestudium in Basel wurde
sie 2008 ordiniert. Die
ersten 3 Jahre im Amt hat
sie in Chur gearbeitet, wo
sie auch im Pfarrhaus
gewohnt hat. Jetzt ist sie
Pfarrerin in Sissach BL mit
einem 50%-Pensum und
Mutter eines 2-jährigen
Sohnes.
11
AUS GE R E C H N E T : VOL L Z E I T- T E IL Z E I T
Daneben braucht es auch eine gewisse Grosszügigkeit und Flexibilität, ja auch Vertrauen, dass es gut für alle ist. Wenn wir stur wären oder
anfingen zu ««stündele», würde unser Modell nicht funktionieren.
... und die Kirchenpflege?
Für die Kirchenpflege hat die Teilzeitarbeit auch Vorteile: mehr Köpfe
denken mit, die Kirche wird vielfältiger und wir können uns gegenseitig flexibler vertreten. Ich denke, wir können den Kirchenpflegen ruhig etwas zutrauen: Auch hier braucht es klare Regelungen. Unsere
Kirchenpflege ist sehr offen in der Kommunikation, das hilft. Ich weiss,
was erwartet wird, und sie wissen von mir, was ich leisten kann und
wo ich meine Grenzen sehe.
Du wohnst in einer Privatwohnung, die eine halbe Wegstunde von der
Kirchgemeinde entfernt ist.
Ich finde es super, dass ich zuhause auch mal in Trainerhosen die Türe
aufmachen kann. Der Arbeitsweg, mit Velo oder Zug, ist für mich pure
Psychohygiene und auch eine Zeit, die ich für mich habe. Zuerst hatte
ich zuhause ein eigenes Büro – inzwischen genügt mir mein Fairphone völlig. Zugleich hätte es auch Vorteile, in der Gemeinde zu wohnen:
die Wege wären kürzer, ich wäre am Ort präsenter und ins politische
und gesellschaftliche Leben miteingebunden. Wobei ich sagen kann:
die Sissacher sehen mich klar als «ihre Pfarrerin» – dazu hilft sicher
auch mein zentrales Büro in der Gemeinde.
Als Teilzeitpfarrerin haben Arbeit und auch Arbeitsbereiche klare
Grenzen …
.. und doch ich bleibe eine volle Pfarrerin! Das ist mir wichtig. Ich habe
zwar einen Schwerpunkt im Bereich Kinder und Familie; doch die ganze Breite des Pfarramts will ich unbedingt im Blick behalten. Kasualien und «normale» Gottesdienste gehören für mich, wenn auch reduziert, unbedingt dazu.
Siehst du in der Teilzeitarbeit auch Auswirkungen aufs Berufsbild von
uns Pfarrern und Pfarrerinnen?
Sicher rücken Klarheit und Kommunikation in den Fokus. Wir sind ein
sehr vielfältiges Team aus Voll- und Teilzeitangestellten. Die einen haben mehr zeitliche Ressourcen als andere. Diese Durchmischung von
unterschiedlichen Menschen, Aufgaben und Ressourcen, die zusammenwirken, das macht Kirche hoffentlich auch weiterhin aus.
12
Von Matthias Bachmann,
Marketing
Theologiestudium
Ich will den Job, ich
will ihn nicht, …
Wer heute evangelische Theologie studiert, braucht sich
um die spätere Anstellung nicht zu sorgen. Die Pensionierungswelle der Zwanzigerjahre wird eine gigantische
Lücke in den Pfarrerbestand reissen. Die Nachrückenden
haben die Wahl und können die Bedingungen diktieren.
Wie kaltblütig werden sie sein?
Ganz am Schluss, als ich das Mikrofon bereits abgeschaltet habe, kommen die Sätze dann doch noch. «Wenn die Bedingungen schlechter werden, dann muss ich nicht im Pfarramt bleiben», sagt einer der drei Gesprächsteilnehmer, alle im Vollstudium Theologie in Zürich oder
Basel.
Ich besuchte die drei in der Abschlusswoche des EPS (Ekklesiologisch‐
Praktisches Semester) im Kloster Kappel. Im Soziologenjargon gehören sie zur Generation Y. Dieser Generation sagt man gerne nach, dass
sie gut auf den eigenen Vorteil zu achten weiss. Selbstverwirklichung
steht im Vordergrund – man verfolgt sie sowohl im Privaten wie im Beruflichen. Daher ist Teilzeitarbeit beliebt, Loyalität eher weniger. Viel
Gestaltungsspielraum soll der Job dann trotzdem bieten, schliesslich
ist der Beruf für einen da und nicht etwa umgekehrt.
Diese Anspruchshaltung junger Menschen sieht die Soziologie befeuert durch demographische Entwicklungen: Relativ kleine Jahrgänge
müssen in den kommenden 15 Jahren die riesigen Babyboomer ersetzen, die Richtung Pension rücken. Bei der Situation der Pfarrschaft
wird die Nachwuchslücke allerdings dadurch klaffender, dass Theologie in den Achtzigerjahren ein Modefach war und heute eher das Gegenteil erlebt. So kommt es, gesetzt einmal, die Bedingungen bleiben
stabil, dass in den Zwanzigerjahren jeweils rund 20 neue Pfarrpersonen rund 70 abtretende ersetzen müssen.Das Erstaunliche an den drei
Gesprächsteilnehmern ist, dass ihnen diese Situation durchaus bewusst ist, sie aber keinerlei Anstalten machen, sie auszunützen. Ihnen
geht es um etwas ganz anderes.
MEHR...
Lesen Sie auf Seite 14, worum es den drei Studierenden geht...
Matthias Bachmann,
Theologe aus der
Babyboomergeneration,
die voraussichtlich 2030
pensioniert wird. Zurzeit
ist er im Auftrag der
Deutschschweizer
reformierten Kirchen und
der Theologischen
Fakultäten damit
beschäftigt, mehr
Menschen für das
Theologiestudium und den
Pfarrberuf zu gewinnen.
13
AUSGERECHNET: NACHWUCHS-PENSIONIERUNGEN
AUSBLICK: PENSIONIERUNGEN VON PFARRPERSONEN
IM KONKORDAT (OHNE TESSIN)
Jahr
2051
2050
2049
2048
2047
2046
2045
2044
2043
2042
2041
2040
2039
2038
2037
2036
2035
2034
2033
2032
2031
2030
2029
2028
2027
2026
2025
2024
2023
2022
2021
2020
2019
2018
2017
2016
2015
0
10
20
30
40
Pfarrpersonen (Gemeinde- und Spezialpfarramtsstellen)
50
60
70
Quelle: WEKOT
Anzahl
Personen
14
Von Matthias Bachmann,
Marketing
Theologiestudium
Die Ermöglicher
Ariane Albisser, Francesco Cattani und David Jäger studieren Theologie im Vollstudium und haben Kurs aufs
Pfarramt genommen. Matthias Bachmann traf die drei
zum Gespräch. Ihm begegnete eine ideologiefreie Gruppe,
die vor allem eines will: auf die Leute hören und mit ihnen
gemeinsam Gemeinde entwickeln.
Matthias Bachmann: Werdet ihr bereits umworben von euren
Kantonalkirchen?
Ariane Albisser: Weniger von meiner Kantonalkirche, mehr von Personen in der Kirchgemeinde: «Gellet Sie, wenn Sie dann fertig sind, dann
bewerben Sie sich bei uns!» Bei der Basis spüre ich eine gewisse Angst,
dass sie plötzlich ohne Pfarrperson dastehen könnte.
In absehbarer Zeit werdet ihr euch auf eine Pfarrstelle bewerben. Worauf werdet ihr achten?
Francesco Cattani: Ich würde einen Kurzabriss geben über meine theologischen Positionen. Es muss eine Kongruenz geben zwischen der Gemeinde und mir.
AA: Das Schöne an der reformierten Landschaft ist, dass es sehr unterschiedliche Profile gibt und entsprechend unterschiedliche Gemeinden – da ist für jeden etwas dabei, was passt. Wenn ich dann in einer
Gemeinde bin, ist mir vor allem wichtig, dass die Leute nicht einfach
Ja und Amen zu allem sagen, sondern sich aktiv einbringen und selbständig denken. Ich will keine Marionettengemeinde, in der ich die
Puppenspielerin bin.
Ihr überrascht mich! Ich dachte, ihr würdet bei einer Bewerbung mehr
auf eure privaten Vorlieben achten: Teilzeit, Teampfarramt (oder auch
nicht), Schwerpunktpfarramt …
AA: Ich fände es schwierig, mich zu bewerben und zu sagen: Ich gebe
keinen Religionsunterricht. Als Theologin will ich mich nicht einer
Aufgabe prinzipiell versperren.
Ihr könnt euch auch ein klassisches Einzelpfarramt vorstellen?
David Jäger: Ja, aber nicht zu abgelegen. Ich möchte mich jetzt nicht in
15
AUSGERECHNET: NACHWUCHS-PENSIONIERUNGEN
ein Bergtal zurückziehen. In Stadtnähe kann ich mir das vorstellen.
FC: Ich hätte Mühe mit einem Einzelpfarramt, vor allem in einer ländlichen Gegend. Aber ich würde das wiederum theologisch begründen.
Für mich spielen Themen wie soziale Gerechtigkeit und schwul‐lesbische Theologie eine wichtige Rolle. Mit diesen Themen würde ich vermutlich eher in eine urbane Milieugemeinde passen.
Ihr wollt, dass eure Theologie zur Gemeinde passt. Habt ihr nicht den
Anspruch, die Menschen zu überraschen, sie mit einer frischen, coolen
Theologie zu überzeugen?
DJ: Ich habe den Anspruch, auch ganz andere Leute anzusprechen als
die Kerngemeinde. Ich habe schon das Gefühl, dass ich eine coole
Theologie habe, die genau diese neuen Leute ins Boot holt (lacht).
FC: Coole Theologie, na ja. Ich hatte schon oft das Gefühl, eine coole
Theologie zu haben, und dann veränderte sie ein Erlebnis wieder
grundlegend. Theologie ist etwas Wandelbares, das finde ich schön.
AA: Ich traue der Gemeinde zu, dass alle Priester sind. Alle können
über Gott nachdenken und theologische Gedanken entwickeln.
Wenn man immer nur anknüpft, befördert das dann nicht eine konservative Kirche?
AA: Man muss in der Gemeinde ankommen, aber dann muss man auch
ausbrechen aus dem Bestehenden. Das prophetische Wächteramt fehlt
heute häufig, dabei gehört es in jede Pfarrstelle. Menschen wachzurütteln, heisst ja auch, an ihrer Situation anzuknüpfen.
Ihr versteht euch stark als ergebnisoffene Ermöglicher, die mit Leuten
unterwegs sind. Ist das die Zukunft der Kirche?
FC: Nur so können wir in Zukunft Kirche machen. Leute, die als Protestanten geboren werden und es fraglos bis zum Tod bleiben, wird es
in Zukunft nicht mehr geben. Die Leute bleiben an der Kirche nur interessiert, wenn sie sich zusammen mit einem Theologen auf eine Reise begeben können, Dinge entdecken und gestalten können.
AA: Früher dachte man eher, dass etwas perfekt sein muss. Für mich
ist klar: Es kommt nie zu einem perfekten Abschluss. Vielleicht spürt
man an diesem Punkt, dass nun eine neue Generation und mit ihr eine
Werteverschiebung da ist.
Ganz hypothetisch: Ihr werdet in den Fünfzigerjahren pensioniert. Wie
sieht die reformierte Kirche dann aus?
DJ: Sie hat ein neues Logo! (Gelächter)
FC: Vielleicht bin ich ein Optimist. Aber ich glaube, dass sie sehr vital
sein wird.
Ariane Albisser (22)
kommt aus dem Kanton
Schwyz und studierte in
Zürich und Göttingen
Theologie. Nun steht der
Master in Zürich an.
Francesco Cattani (31)
kommt aus Zürich und hat
dort bis zum Bachelor
Theologie studiert. Für
den Master ging er nach
Toronto. Im Sommer folgt
das Lernvikariat.
David Jäger (37)
wohnt mit seiner Frau und
zwei Kindern in Basel.
Besuchte die Kunstgewerbeschule und studierte
Philosophie. Im Sommer
beginnt er mit dem
Lernvikariat.
16
Von Mathias Burri,
Bildungsentwicklung und
Kommunikation A+W
Einmal Pfarrer/in,
immer Pfarrer/in?
Verglichen mit anderen Berufsgruppen, wie zum Beispiel
derjenigen der Lehrpersonen, sind Pfarrerinnen und Pfarrer ihrem Beruf auffallend treu. Spricht diese Berufstreue
für die Attraktivität des Pfarrberufs und eine hohe Berufszufriedenheit – oder gibt es andere Gründe?
Viele Pfarrerinnen und Pfarrer sehen sich ständig steigenden Erwartungen ausgesetzt. Einerseits sinkt die Bedeutung von Kirche und
Pfarrberuf in der Gesellschaft und andererseits wird in der aktuellen
Orientierungskrise der Kirche die Bedeutung des Pfarramts als
«Schlüsselberuf» betont, so zum Beispiel im Impulspapier «Kirche der
Freiheit». Es scheint als laste auf den Pfarrerinnen und Pfarrern der
grosse Druck, die Kirche erfolgreich durch die aktuellen Veränderungen und Herausforderungen zu führen. Neben Erwartungen von Seiten der Kirchenleitenden und -mitgliedern kommt bei Pfarrpersonen
zudem eine innere «Tendenz zur massiven Selbstüberforderung» zum
Ausdruck, wie Jan Hermelink es formuliert. Dass die steigenden Anforderungen an die Einzelperson der Pfarrerin und des Pfarrers zu einer Selbstüberforderung führen können, ist mehr als verständlich.
Warum jedoch bleiben die Pfarrpersonen gemäss nebenstehender Statistik ihrem Beruf trotzdem treu? Dies kann für die hohe Attraktivität
eines Berufs sprechen, der viel Gestaltungsraum lässt, sehr sinngebend ist und viel Kontakt mit unterschiedlichen Menschen ermöglicht
und die Pfarrpersonen viel Schwieriges aushalten lässt. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, dass Pfarrpersonen durch ihre spezifische
Ausbildung und Erfahrungen schlichtweg weniger Möglichkeiten haben, im Arbeitsmarkt andere berufliche Aufgaben und Stellen zu finden. Sind Pfarrpersonen vielleicht, so Stimmen von Personalberatenden und Betroffenen, quasi eingeschlossen in einem sehr spezifischen
Berufsbild? Und was bedeutet dies für die Personalentwicklung und
-führung der Pfarrschaft?
MEHR...
Lesen Sie die Antworten von Stephan Hagenow auf Seite 18.
Impulspapier Kirche der
Freiheit. Herausgegeben
vom Rat der EKD, 2006.
Jan Hermelink: Gegenwärtige Anforderungen an den
Pfarrberuf. In: Kirche
leiten in Person. Beiträge
zu einer evangelischen
Pastoraltheologie. Leipzig,
2003.
Mathias Burri (40) ist
Theologe, Mitglied der
reformierten Landeskirche Aargau und arbeitet
bei A+W als Stabsmitarbeiter in den Bereichen
Bildungsentwicklung und
Kommunikation.
17
AUSGERECHNET: BLEIBEN-NEUOR IENT IERUNG
STATUS DER ORDINIERTEN NACH ORDINATIONSJAHR
(relative Verteilung; Zahlen der Zürcher Kirche)
Ordinationsjahr
2013
1
12
2012
10
2011
5
3
2
2010
13
2009
2
1
11
2008
1
1
1
1
1
1
2007
10
2006
1
1
11
6
2005
12
2004
13
2003
2
1
3
1
3
2
2002
17
2001
5
1
2
3
2000
6
8
1999
5
11
1997
18
1996
1
1990
5
0%
10%
20%
30%
40%
3
3
9
4
8
5
50%
4
1
2
4
2
60%
2
2
8
1
1
3
5
9
1988
1
3
7
13
1989
5
4
4
16
1
3
3
18
1991
2
3
1
15
1993
1
2
15
1994
2
1
10
1995
1
5
17
11
1
2
1998
1992
2
70%
80%
90%
100%
Pfarramt (inkl. Seelsorge) Kirchlich (z. B. Religionsunterricht, Gesamtkirchliche Dienste)
Nicht-Kirchliche Tätigkeiten Pensioniert Verstorben
Quelle: WEKOT
18
Von Stephan Hagenow,
Personalentwicklung
Ref BeJuSo
Aus der Sackgasse
in die Weite
Weiterbildung als Mittel zur Stärkung der Berufstreue
und Perspektiveneröffnung.
Seit mehreren Jahren nimmt ein Thema stets den ersten Platz bei der
vom Berner Pfarrverein initiierten und von Staat und Kirche finanziell unterstützten «Beratungsstelle Pfarramt» ein: Perspektivlosigkeit
beziehungsweise Sackgassengefühl. Pfarrerinnen und Pfarrer beklagen ihre fehlende Motivation und eine fehlende Perspektive: «Einmal
Pfarrer, immer Pfarrer». Vermehrt tritt bei Pfarrerinnen und Pfarrern
das Gefühl auf, sie seien durch ihre Ausbildung und ihren Beruf in eine
Sackgasse geraten. Gerade auch jüngere Pfarrpersonen fragen in der
Beratung vermehrt nach ihrer Berufsidentität und Rolle in der Gesellschaft. Ins Bild passen da auch die alarmierenden Zahlen eines erhöhten Anteils von Erkrankungen bei WeA-Pflichtigen. Dauerthemen bleiben der hohe Anteil von Kompetenzklärungen gegenüber Behörden
sowie Konflikte mit Teammitgliedern.
PFARRBERUF ALS SACKGASSE?
Die breite Ausbildung zum Pfarramt ist wertvoll, aber auch zu wenig
tief, um damit in anderen Berufen zu punkten. Im heutigen Bildungssystem zählen nur zertifizierte Qualifikationen, nicht aber langjährig
erworbene Kompetenzen. Die Erfahrungen arbeitslos gewordener Kolleginnen und Kollegen zeigen, dass heute überall CAS/DAS/MAS-kompatible Aus- und Weiterbildungen gefragt sind und die Personalchefs
von Wirtschaft und Verwaltung wenig mit den theologischen Abschlüssen anfangen können - auch wenn die Kompetenzen ausreichen bzw.
oft sogar Überqualifikationen ins Spiel kommen.
TREND TEILZEIT-PFARRAMT
Nimmt man die anonymisierten Berichte der Beratungsstelle als Seismograph für die Befindlichkeit der Pfarrschaft und hört zugleich, wie
schwer es für arbeitslos gewordene Pfarrpersonen geworden ist, in anderen Stellen unterzukommen, stellen sich zentrale Fragen für die Personalentwicklung. Zumal die geschilderte Problematik parallel mit ei-
Die Weiterbildung in den
ersten fünf Amtsjahren
(WeA) ist verbindlicher
und abschliessender Teil
der Ausbildung der
reformierten Pfarrerinnen
und Pfarrer.
CAS, DAS, MAS (Certificate, Diploma und Master of
Advanced Studies) sind
fachspezifische
Weiterbildungsangebote.
Stephan Hagenow (49) ist
seit August 2013 Leiter der
Fachstelle Personalentwicklung der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn und war vorher 15
Jahre Pfarrer in der
Kirchgemeinde Solothurn.
19
AUSGERECHNET: BLEIBEN-NEUROIENT IERUNG
nem weiteren Trend dahergeht: Im Kanton Bern hatten im Jahr 2013
nur noch 143 von 502 Pfarrpersonen eine Vollzeitstelle. Insgesamt betrug der Frauenanteil 39%, die Zahlen der in den letzten Jahren Ordinierten zeigen aber deutlich, dass sich das Verhältnis in den nächsten
15 Jahren umkehren wird. Das heisst: zwei Drittel der Pfarrpersonen
werden Frauen sein parallel zum Trend zu mehr Teilzeitstellen. In Zukunft wird es schlicht mehr Pfarrerinnen und Pfarrer geben, die ein
zweites Einkommen brauchen.
DAS ZWEITE STANDBEIN
Hier stellen sich grundsätzliche Fragen für die Anstellungsträger, wie
man diesen Trends begegnen kann, damit das Pfarramt weiter attraktiv und die Identifikation mit dem Beruf erhalten bleibt. Denn für den
einzelnen braucht es sehr viel Energie, um sich neben dem Pfarrberuf
ein zweites Standbein aufzubauen. Im Umgang mit dieser Frage gibt
es zwei gegensätzliche Meinungen: Eine Strömung meint, dass es auch
eine Aufgabe der Aus- und der Weiterbildung wäre, Kooperationen mit
anderen Berufen einzugehen, die wenigstens die Anerkennung von bestimmten Modulen mit sich bringen würde (z.B. Psychologie, Journalistik, HR, Soziologie, Pädagogik). Eine andere Strömung warnt davor,
die kirchenspezifischen Aus- und Weiterbildungen so zu erweitern
und stattdessen lieber eigene Gefässe zu standardisieren, weil sonst
die besonders Kreativen abwandern könnten, die wir dringend in der
Kirche brauchen. Nur haben die Erfahrungen mit dem Studiengängen
Medienpfarrer/in oder Spiritualen gezeigt, dass nach deren Abschluss
viel zu wenige bis gar keine entsprechenden Betätigungsfelder zur Verfügung standen.
TIEFGREIFENDE VERÄNDERUNGEN
Meines Erachtens steht die Gemeinde- beziehungsweise Kirchenentwicklung und in Folge davon auch die Personalentwicklung vor tiefgreifenden Veränderungen. Gemeindekultur und Berufsbild ändern sich,
wenn nur noch ein Drittel in Vollzeit tätig ist und die Fluktuation steigt.
Ich glaube jedoch nicht den Unkenrufen, wonach der Pfarrberuf immer mehr zum «Job» wird. Nach wie vor arbeitet die überwiegende
Mehrheit aller Pfarrerinnen und Pfarrer mit hohem Engagement, innerem Feuer und Herzblut. Viele spüren durch ihre Ordination eine innere Berufung, die sie zu unglaublichen Leistungen befähigt, sie aber
auch manches Krumme aushalten und ertragen lässt.
Trend Teilzeitstellen: 2013
waren im Kanton Bern 502
Pfarrerinnen und Pfarrer
mit 36 000 Stellenprozenten im Gemeindepfarramt
tätig, 60% Männer und 40%
Frauen. Dazu kamen noch
50 Pfarrpersonen mit 1400
Stellenprozenten in
Seelsorgestellen und
Spezialpfarrämtern,
überwiegend Teilzeitstellen, besetzt mit 32 Frauen
und 18 Männern. Es gibt
keine Statistik über die
Verweildauer im Pfarramt,
klar ist aber seit Jahren der
Trend zu Teilzeitstellen.
Nur noch 143 Pfarrpersonen üben in Bern ein
100%- Pfarramt aus,
vielleicht sind es noch
einige mehr, weil in einigen
gemeindeeigenen Stellen
die Teilzeitanteile auf 100%
ergänzt werden. Ansonsten
gibt es in 5%-Schritten alle
Beschäftigungsgrade,
sogar zwei 5%-Stellen. Am
häufigsten sind je 71
Personen mit 80% und
50%. Um eine 100%-Stelle
besetzen zu können, muss
man heute drei Personen
ordinieren, weil nur
Teilzeitanstellungen
gewünscht sind oder
andere Stellen als ein
Gemeindepfarramt
angestrebt werden.
20
AUSGERECHNET: BLEIBEN-NEUROIENT IERUNG
Was könnte man tun, damit diese Leidenschaft und Berufstreue erhalten bleibt?
1. FÜHRUNGSKULTUR
Auf der Organisationsebene mangelt es vielfach an konkreter Arbeitsplatzgestaltung, der Einsatzplanung und einer effektiven Führung.
Wohlgemerkt ist hier nicht einer einseitigen Hierarchisierung oder der
Unterordnung der Pfarrpersonen unter den Rat das Wort geredet. Es
braucht viel stärker als bisher eine gemeinsame Führungskultur, die
aus theologischen Grundsätzen gespeist wird. Gemeinsame Weiterbildungen von Pfarrschaft und Behördenmitgliedern oder mit anderen
Ämtern bzw. Berufsgruppen sind bisher eher die Ausnahme.
2. EIGENVERANTWORTUNG
In einem säkularen Umfeld intensivieren sich immer stärker die Anforderungsprofile. Es bleibt den Pfarrleuten selbst überlassen, ob sie
sich dem notwendigen lebenslangen Lernprozess unterziehen. Hier ist
stärker als bisher die Eigenverantwortung zur Weiterbildung gefragt,
die durch Anreizsysteme der Anstellungsträger gefördert werden sollte. Hingabe und Leidenschaft zum Beruf bzw. zur Berufung benötigen
Nahrung. Kreativität braucht Anregungen.
3. LAUFBAHNBERATUNG
Neben die verschiedenen Formen von Mitarbeitergesprächen in den
Gemeinden muss eine persönliche Begleitung beziehungsweise Laufbahnberatung durch die Landeskirchen treten. Das Element der persönlichen Begleitung der Mitarbeitenden ist zugleich ein wichtiges
Präventionsmittel gegen die geschilderte Perspektivlosigkeit. Allfällige Konflikte und Frustrationen können frühzeitiger erkannt werden.
Zugleich sollte die Weiterbildung durch Kooperationen mit verwandten Berufen Perspektiven eröffnen, die Pfarrpersonen ein weiteres Betätigungsfeld ermöglichen.
4.NETZWERKE
Die sozialen Beziehungen und Netzwerke der Pfarrerinnen und Pfarrer untereinander müssen wieder wachsen. Die vielen vor sich hin
kränkelnden Pfarrvereine bieten ein trauriges Bild, andere Formen
werden nur sehr vereinzelt praktiziert. Im kollegialen Austausch liegen grossartige Chancen zur Begegnung, zur Intervision, zum Einüben von Teamfähigkeit, zum Austragen von Konflikten im geschützten Raum, aber auch zur gemeinschaftlichen Pflege der eigenen
Spiritualität, wie es sie in keiner anderen Berufsgruppe gibt.
Buchtipp: Jörg Bade. Bevor
der Tank leer ist. Burnout
- ohne mich! Luther Verlag
2012.
21
KREUZ UND QUER
und Bedeutungsverlust. Gleichzeitig werden
dabei von der Glarner Kirche gesellschaftliche
Trends als Chancen für die Kirchen angesehen, so zum Beispiel das erwachte Interesse an
Religion und Spiritualität, an Werten, Rückzug, Stille sowie neuen Formen von Gemeinschaft. Die Kirche will mit dem 2013 gestarteten Projekt «Glarner Generationenkirche»
einen Reformprozess durchführen, um einen
gastlichen Lebensraum mit vielfältigen Zugängen zu schaffen. Die Kirche will sich in der Gesellschaft wieder «neu, wirksam, attraktiv, vielDer Deutsche Evangelische Kirchentag 2015 fältig und greifbar positionieren». http://www.ref.
in Stuttgart steht unter der Losung «damit wir ch/gl/default/index/index/id/5213
klug werden» (Psalm 90, Vers 12). Die Losung
wird jeweils vom Präsidium des Kirchentags
ausgewählt und ist der Leitgedanke der ganzen Veranstaltung. Auf der Website wird dieser wie folgt umschrieben: «Der Glaube an Die Reformierte Kirche Baselland hat in ihrer
Gott wird zur Quelle der Klugheit. Glauben för- Herbstsynode dem Antrag des Kirchenrats zur
dert das Verstehen unseres eigenen Lebens.» Schaffung einer neuen Stabsstelle Kirchenhttp://www.kirchentag.de/programm/inhalte/losung. und Gemeindeentwicklung zugestimmt. Zu
html
den Aufgaben der neuen Stelle gehört die Beratung und Begleitung der Kirchgemeinden in
Fragen der Gemeindeentwicklung, die Förderung des Austauschs und die Sensibilisierung
und Initiierung von übergemeindlicher Zusammenarbeit bis hin zur Bildung von regionalen
Kirchgemeinden. Die Vollzeitstelle wurde bis
Anfang März ausgeschrieben und ist auf fünf
Jahre befristet. http://refbl.ch/refbl/aktuelles/mel-
Kirchentag 2015: «damit
wir klug werden»
Neue Stabsstelle Kirchenund Gemeindeentwicklung
Reformprozess: Glarner
Generationenkirche
dungen/Ergebnisse-der-Herbstsynode-2014.php
«Unsere Kirche ist für eine Gesellschaft gebaut, die es heute nicht mehr gibt», sagte Pfarrer Ulrich Knoepfel, Präsident des Kirchenrats, an der Frühjahrssynode vor zwei Jahren.
Die Evangelisch-Reformierte Landeskirche
des Kantons Glarus kämpft wie andere Kirchen auch mit rückläufigen Mitgliederzahlen
22
BILDUNGKIRCHE
Manuela Liechti-Genge
wird neue Beauftragte für
das Lernvikariat
ten sind auch in der deutschen ökumenischen
Bewegung Kirche2 (www.kirchehochzwei.de)
engagiert. Neben ihren Büchern und Vorträgen kann man einen der Referenten, Christian
Hennecke, auch über seinen Blog kennenlernen: christian-hennecke.blog.de (mbu)
Quest: Info-Abend
am 17. März 2015
Pfarrerin Manuela Liechti-Genge wird per 1.
Juni 2015 mit einer 50%-Anstellung neue Beauftragte des Lernvikariats des Konkordats.
Die Theologin und Leiterin des Weiterbildungsstudiengangs CAS Ausbildungspfarrer/
in an der Universität Bern übernimmt damit
die Verantwortung für die Organisation,
Durchführung und Evaluation der Seminarwochen und Module des Lernvikariats. Sie
wird Teil des Pfarr-Ausbildungsteams von
A+W. (mbu)
Im Herbst 2015 startet an den Theologischen
Fakultäten Basel und Zürich der Studiengang
Quest. Mit Quest eröffnen die Konkordatskirchen Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern die Möglichkeit, in vier Jahren zum Pfarrer, zur Pfarrerin zu werden. Drei Jahre dauert
das berufsbegleitende Quest-Theologiestudium, gefolgt vom einjährigen Lernvikariat.
Kurzentschlossene haben am Info-Abend vom
17. März Gelegenheit, sich über den Studiengang zu informieren. Vertreterinnen und Vertreter des Konkordats und der beteiligten Fakultäten werden Informationen aus erster
Hand liefern. Anmeldeschluss zu Quest ist der
Der nächste Impulstag fresh expressions of 15.4.2015. (mb)
church findet nicht wie bereits angekündigt
im November 2015, sondern neu am Samstag, Info-Abend: 17.3.2015, 18.30 Uhr, Hirschen16. Januar 2016, im Kirchgemeindehaus Neu- graben 50, 8001 Zürich (5 Gehminuten vom
münster in Zürich statt. Referenten sind die Hauptbahnhof)
deutschen Theologen Philipp Elhaus (Ev.luth. Landeskirche Hannover) und Christan
Hennecke (Bistum Hildesheim). Die Referen-
Neues Datum Impulstagung Fresh Expressions:
16. Januar 2016
23
BILDUNGKIRCHE
Ausblick 2016:
Paris, München, Lübeck
und Äthiopien
Neben bewährten und neuen Weiterbildungen
vor Ort bietet pwb 2016 auch Kurse in Paris,
München, Lübeck, in den mitteldeutschen Reformationslanden und Äthiopien an. Weiter
konnte für einen Kurs in Bern zum Thema Inspiration und Kreativität für den Berufsalltag
die aus Funk und Fernsehen bekannte Therapeutin Brigitte Lämmle („Lämmle live“) gewonnen werden. Das neue Weiterbildungsprogramm, das im kommenden Juni erscheint,
zeigt dann genauer, was hinter diesen Hinweisen im Einzelnen steckt. (ahk)
Sabbatical in London
glied des Mitarbeiterkonvents gestalten die
Teilnehmenden Gottesdienste, arbeiten in Bildungs- und Kulturangeboten mit und lernen
Ansätze von Fresh Expressions kennen. Die
Kirche stellt einen Arbeitsplatz an der 79 Endell Street zur Verfügung und hilft bei der Suche nach einer preiswerten Unterkunft in
kirchlichen Gasthäusern oder eines Privatzimmers bei Mitgliedern der Kirche. Informationen und Anmeldung auf www.bildungkirche.ch/sabbatical (mbu)
Osez le jour!
Mardi 2 mai 2015
Sornetan
Comment devenons-nous, vivons-nous, rendons-nous visible, expérimentons-nous l’Eglise? Ce sont ces questions que propose d’aborder la troisième édition de la journée « Osez le
jour !» Cette journée qui nous conduira du jour
à la nuit nous propose d’expérimenter des passages vers la lumière, une vie qui se concrétise, un projet qui prend corps…
La journée fera la part belle à l’expérimentation (à travers des ateliers à choix), à l’art (vitraux, musique, etc.), à la découverte. Débutée
dans l’église des Genevey dans laquelle F. Vouga éclairera théologiquement les vitraux d’Yves Voirol, elle se conclura dans l’église de Sornetan à travers une célébration. Avec, comme
fil rouge musical la participation d’A. Garcia.
(Marc Balz)
Date: Mardi 2 mai 2015, de 14h à 22h
Intervenants: François Vouga, professeur de
Nouveau Testament, Antonio Garcia, musicien professionnel
Die Swiss Church in London bietet neu die
Contact: Alain Wimmer, formation-resp@
Möglichkeit eines zwei- bis dreimonatigen
centredesornetan.ch
Sabbaticals in London. Als temporäres MitWebsite: www.centredesornetan.ch
24
MEDIEN
FILM
VERGISS MEIN
NICHT
BUCH
NOTIZEN UND
DETAILS 1964–2007
BUCH
WIE KLINGT
REFORMIERT?
HANDBUCH
KIRCHENENTWICKLUNG
Unter dem Motto Vergiss
mein nicht portraitiert der
deutsche Filmemacher
David Sieveking seine an
Demenz erkrankte Mutter.
Mit den zärtlichen Augen
des Sohnes bekommt der
Zuschauer einen tiefen
Einblick in die Familienkonstellation, die sich
dramatisch verändert.
Gleichzeitig würdigt
Sieveking das Leben einer
besonderen Frau, ihr
politisches Engagement,
ihre Rolle als Geliebte und
Mutter. Der Film dokumentiert die anrührende Liebe
der Familie zur Mutter, die
alle Schwierigkeiten
überdauert und auch
Situationskomik zulässt.
Am Ende bleibt der
Zuschauer mit dem Gefühl
zurück, eine wunderbare
Frau und Familie kennen
gelernt zu haben, die
einen schwierigen und
doch gangbaren Weg
meistert. (Melanie
Pollmeier, Arbeitskreis
Kirche und Film)
Titel: Vergiss mein nicht
Genre: Dokumentarfilm
Regie: David Sieveking
Jahr: 2013 (DVD)
Verführung zum
Schmökern, zum sich
Erinnern, zum Kopfnicken
und Kopfschütteln, zum
Mitschimpfen und
Loslachen, zum Nach- und
Weiterdenken.
Ein Brevier, das die
Kolumnen Kurt Martis in
der Zeitschrift Reformatio
während über 40
Jahrzehnten vereint.
Horizonterweiterung und
Gedankenvertiefung ,
Kirchen- und Kulturgeschichte, Poesie und
Theologie mit kritischem
Geist und wachem Humor.
Ein Schatz an Perspektiven und Sprachschöpfungen, theologischen und
weltlichen Entdeckungen.
Urprotestantisch in der
Arbeit mit und am Wort.
Danke. (jh)
Titel: Kurt Marti. Notizen
und Details.
Herausgeber: Hektor
Leibundgut, Klaus
Bäumlin und Bernhard
Schlup.
Verlag: TVZ
Seiten: 1422 Seiten
Erscheinungsjahr: 2010
ISBN: 978-3-290-17541-2
Der Sammelband zu
Andreas Martis 65.
Geburtstag bietet etliche
inspirierende Ideen für die
praktische Gestaltung des
Gottesdienstes. Dargestellt wird etwa dessen
liturgisches Konzept als
«Weg» und «Raum» mit
entsprechenden Folgerungen für Gottesdienstaufbau und geeignete Lieder.
Oder: Unter dem Titel
«Lieder wählen» finden
sich Orientierungshilfen
für das Vorgehen bei der
Liedauswahl für den
Gottesdienst. Pointiert
und bedenkenswert
formuliert Marti:
«‘Heilsam‘ soll und darf
der Gottesdienst sein, und
dazu bedarf er der
liturgischen Qualität in
ihren unterschiedlichen
Hinsichten» (S.27).
Kurzum: Zu Lektüre und
Gottesdienstvorbereitung
sehr zu empfehlen! (ahk)
Autor: Andreas Marti
Herausgeber: David Plüss,
Katrin Kusmierz und
Kirsten Jäger
Verlag: TVZ
Seiten: 256
Erscheinungsjahr: 2014
ISBN: 978-3-290-17790-4
Das Handbuch für
Kirchen- und Gemeindeentwicklung ist so etwas
wie die Visitenkarte des
Zentrums für Kirchenentwicklung in Zürich. Eine
gelungene Visitenkarte
– wie ich meine. In einem
breiten theologischen
Horizont wird das Thema
entfaltet. Wer das Buch in
die Hand nimmt, kann
darin eine ebenso
profunde theologische
Orientierung erwarten
wie auch praktische
Anregungen für die
Tätigkeit vor Ort.
Pfarrerinnen und Pfarrer,
deren Zeitbudget knapp
bemessen ist, können bei
der Lektüre auswählen:
Das Buch erschliesst sich
gut über die einzelnen
Artikel, so dass man sich
ein eigenes Lektüre-Menü
zusammenstellen kann.
Grund genug also sowohl
für theoretisch wie für
praktisch Orientierte, das
Buch mit Neugier in die
Hand zu nehmen.
(Albrecht Grözinger)
Herausgeber: Ralph Kunz,
Thomas Schlag
Verlag: TVZ
Seiten: 537 Seiten
Erscheinungsjahr: 2014
ISBN: 978-3-7887-2839-7
25
PORTRÄT: MAT THIA S SALADIN
Eine hammermässige Kirche bauen
Foto: Peter Hauser
Mir war schon vor dem Theologiestudium
klar: Ich will in Sissach eine neue ICF-Gemeinde mitbegründen. Das klappte, ich habe dort
jetzt eine Pastorenstelle mit einem Teilzeitpensum. Der Basler ICF-Pastor riet mir dann,
an der Theologischen Fakultät Basel zu
studieren.
Ich würde mich nicht als evangelikal bezeichnen. Ich meine es einfach ernst mit dem Glauben und halte ihn für sehr relevant. Vor allem
will ich nicht Theologie betreiben unabhängig
von der Kirche. Theologie muss für mich ein
Ziel haben. Für mich ist die Kombination Studium/Teilzeitpastor daher ideal und sehr be-
reichernd. Ich glaube, dass wir jetzt schon einen Teil von Gottes Reich erleben dürfen.
Deswegen will ich mich voll und ganz dafür
einsetzen, eine hammermässige Kirche zu
bauen!
Im Studium habe ich an theologischer Weite
gewonnen. Ich realisiere, was Menschen vor
mir gedacht haben und was das wert ist. Ich
bin in der Landeskirche gross geworden. Im
Augenblick passt mir das ICF, da kann ich etwas reissen. In ferner Zukunft kann ich mir
schon vorstellen, dass in der Landeskirche
eine Aufgabe auf mich wartet.
26
QUEST
uest: Jetzt Pfarrer/in
werden? Der neue
Studiengang für den vereinfachten
Quereinstieg in das reformierte
Pfarramt startet am 14.9.2015
Dauer Drei Jahre Studium (berufsbegleitend) plus ein Jahr Lernvikariat Anmeldefrist 15.4.2015
Info-Abend 17.3.2015, 18.30 Uhr
Hirschengraben 50, 8001 Zürich
W W W. T H E O L O G I E S T U D I U M . C H / Q U E S T
27
KOLU M N E : M AT T HI A S K R IEG
Ausgerechnet
GARTEN
Was mache ich da eigentlich? Ich bin durch Heirat zu einem Garten gekommen. Mähe Rasen,
jäte Beete, schneide Bäume, stecke Zwiebeln.
Zufrieden bin ich nicht. Dem Ganzen fehlen irgendwie Stil und Pfiff. Eines Abends mache ich
zwei Zeichnungen: Wie es ist, und wie es sein
soll. Ich sehe nun aus der Distanz einer fliegenden Krähe, was ich da mache, was es mich kostet, was es uns bringt. Die eine Zeichnung. Dabei entsteht eine Vorstellung mit Ideen.
Ausgerechnet Obstbäume? Nein, dafür habe
ich keine Zeit. Pfingstrosen und Schwertlilien,
ja, nun ausgerechnet die! Vor meinen Augen
entsteht eine Anlage, die den Namen Garten
verdient. Die andere Zeichnung. Fortan weiss
ich, was ich mache. Selbst aus der Distanz einer hüpfenden Erdkröte.
UMKEHRUNG
Praxis & Theorie muss es heissen. So herum!
Nicht, wie es immer so blindlings daherkommt.
Theorie & Praxis ist falsches Denken! Immer
ist zuerst eine Praxis. Ein Machen ohne besonderes Nachdenken. Bis es sich eines Tages aufdrängt. Meist wegen der Ressourcen & Benefits. Meist wegen der Grenzen des Machbaren.
Theorie ist Sichtung der Praxis. Hinsehen, was
da eigentlich gemacht wird. Praxis ist Wahrung
der Theorie. Machen, was da eingesehen wurde. Das aber nicht einmal, sondern Hin & Wieder. Auch ohne Organisationsberatung.
AUSGERECHNET
Eine Gemeinde sei doch kein Garten, höre ich
sagen. Pfarrerinnen und Pfarrer seien keine
Erdkröten, Gemeindeglieder keine Pfingstrosen oder Obstbäume. Mag sein. Man muss
Gleichnisse nicht mögen. Wer aber nicht will,
dass irgendeine Krähe ausrechnet, wie viele
Kröten der Garten braucht, lässt sich lieber vorübergehend Flügel wachsen und von der eigenen Theorie beflügeln. Schliesslich ist der Garten ja das gemeinsame Biotop, in dem Gottes
Blumen des Guten blühen. Lieber nicht auf
eine fremde und teure Krähe warten …
28
CAMPUS KAPPEL
Kappel: Theologiewoche für junge Menschen
vom 13.–17. Juli 2015
Mit Barbara Bleisch
Pierre Bühler
Knackeboul u.v.a.m.
PHILOSOPHIN
THEOLOGE
RAPPER
W W W. C A M P U S K A P P E L . C H
29
Alle Informationen und
Anmeldung für Weiterbildungsangebote auf:
bildungkirche.ch
Planen Sie Ihre Weiterbildung 2015? Auf
unserem Bildungsportal bildungkirche.ch
finden Pfarrerinnen und Pfarrer, Sozialdiakoninnen und Sozialdiakone, kirchliche
Mitarbeitende und Behördenmitglieder
passende Weiterbildungsangebote in allen
Handlungsfeldern.
Ü B E R FAC H L I C H E
KOM PE T E N Z E N
Sa, 25. April 2015
TIPP Stellvertretendes
Sühnopfer – Auslauf- oder
Zukunftsmodell?
Wie Jesu Tod als Heilsereignis zu deuten sei,
darüber wird seit der
frühen Christenheit
gestritten. Am Studientag
wird die Deutung seines
Todes als stellvertretendes
Sühnopfer diskutiert und
ihr Ertrag für Verkündigung, Bildung und
Seelsorge geprüft.
Anmeldung bis 25.3.2015
19.–20. Mai 2015 und
11. September2015
TIPP Aktiver Umgang mit
den eigenen Ressourcen.
Leben im anspruchsvollen
Pfarramtsumfeld
gestalten. Der Kurs zeigt
Gestaltungselemente des
Umgangs mit der eigenen
Berufung sowie den
Berufsbelastungen.
Anmeldung bis 25.4.2015
31. August – 4. September
2015
TIPP Orte der Reformation
(Exkursionsseminar)
Ausgehend vom Rügel
erkunden wir fünf
Reformationsorte: Basel,
Schaffhausen, St. Gallen,
Chur, Neuchâtel.
Anmeldung bis 30.6.2015
7.–8. September 2015
Dogmatik IV:
Ekklesiologie
Ein zweitätiges Seminar.
Anmeldung bis 30.6.2015
22.–26. Juni 2015
NEU Freier predigen:
Preaching by Heart.
Wie kommt es, dass sich
während der Predigt
Gottes Wort in den Herzen
der Zuhörer ereignet?
Darüber verfügen wir
letztendlich nicht, aber es
gibt bewährte Methoden,
die helfen. Thomas Kabel
und Henry Sturcke bieten
einen Raum zur praktischen Erprobung.
Anmeldung bis 31.3.2015
23.–25. November 2015
Update
Bibelwissenschaft II
Jesus und sein Wirken im
Licht aktueller Forschung.
Anmeldung bis 31.3.2015
23.–27. November 2015
TIPP Johannes
PREDIGEN.
Kontextuelle Auslegung
des vierten Evangeliums.
Predigen zählen zu den
zentralen Aufgaben
pfarramtlicher Tätigkeit.
Der Kurs lädt ein, sich auf
weniger bekannte
Methoden zur Predigtvorbereitung einzulassen und
sich zugleich mit neuerer
Literatur zum Johannesevangelium
auseinanderzusetzen.
Anmeldung bis 31.3.2015
VERKÜNDIGUNG UND
GOTTESDIENST
BILDUNG UND
S PIR I T UA L I TÄT
24.–28. August 2015
«Wortwechsel»
Predigt in nachmoderner
Zeit. Anmeldung bis
31.5.2015
29. Juni – 1. Juli 2015
TIPP Wie Lebenswelten
im Glauben unterwegs
sind
Milieusensible Arbeit mit
Glaubenskursen: Was
braucht es an Formen,
Sprache, Symbolik und
Metaphorik, um mit
Menschen aus anderen
Milieus einen Weg zu
finden und zu gehen?
Anmeldung bis 31.3.2015
14.–18. September 2015
Was ist reformiert?
Antworten aus Kunst und
Architektur.
Anmeldung bis 31.7.2015
NEUES DATUM
14.–16. Juni 2015
Kleiner Gottesdienst –
Grosse Chance
Liturgische Feiern am
Sonntag und im Alltag
Anmeldung bis 31.3.2015
26.–28. Mai 2015
TIPP Maria, Moses &
Noah
Biblische Heldinnen und
Helden im Film. Vermittelt
wird eine Übersicht
biblischer Figuren in
aktuellen Medienprodukten. Im Zentrum stehen
die Wirkungsgeschichte
dieser Figuren im Film
und die Umsetzung in die
kirchliche Praxis.
Anmeldung bis 30.4.2015
2.– 6. November 2015
Kurz-Exerzitien – Tage im
Schweigen
«Gott, du mein Gott, dich
suche ich.» (Ps. 63,2)
Anmeldung bis 31.3.2015
9.–13. November 2015
TIPP Bibliolog –
Grundkurs
Biblische Texte und sich
selbst neu erfahren.
Bibliolog begeistert, seit er
in der Schweiz eingesetzt
wird, ganz unterschiedliche Personen von 8 bis 80
Jahren. Kirchlich
Engagierte öffnen sich für
Zwischentöne und
Unerwartetes. Distanzierte werden neu fasziniert
vom Reichtum unserer
Tradition.
Anmeldung bis 31.3.2015
16.–18. November 2015
Lernen und Lehren mit
digitalen Medien
Ein praxisorientierter
Grundkurs
Medienbildung.
Anmeldung bis 31.3.2015
30
AGE N DA
16.–18. November 2015
Konf to go – Vertiefungsseminar
Die Gelegenheit, die
eigene Planung zu
überdenken und sich
durch das neue, vielseitige
Lehrmittel für eine
(zumindest teilweise)
neue Gestaltung des
Konf-Jahres inspirieren zu
lassen.
Anmeldung bis 31.3.2015
DI A KONIE U N D
SEELSORGE
21.–25. September 2015
LOS Stufe 1
In diesem Kurs werden
die Grundlagen der
lösungsorientierten
Methode, erweitert durch
psychoanalytische
Elemente und ein
Instrumentarium zur
Evaluation des
rhetorischen
Geschehens in der
Seelsorge und anderen
kommunikativen
Situationen, vermittelt.
Anmeldung bis 31.3.2015
Der Kurs ermöglicht die
Teilnahme am Internationalen Symposium zum
200-jährigen Jubiläum der
Basler Mission.
Anmeldung bis 31.3.2015
SABBAT ICAL S
WEITERBILDUNG IN
DEN ERSTEN
AMTSJAHREN
31. August – 4. Sept. 2015
Kommunikation erleben
und gestalten
Wie kommuniziere ich
wirkungsvoll und
authentisch?
Anmeldung bis 31.3.2015
29. Juni – 3. Juli 2015
Jung – ja und? Seelsorge
mit Jugendlichen
Praxishilfen für Pfarrpersonen
Anmeldung bis 31.3.2015
Swiss Church in London
Für zwei bis drei Monate als Mitglied des Mitarbeiterkonvents die Swiss Church in London erleben und mitgestalten!
Informationen und Anmeldung unter
www.bildungkirche.ch/sabbatical
STUDIENREISE
26.–30. Oktober 2015
Komplexe Gesprächssituationen kreativ meistern
Einführung in die
systemische Seelsorge
Anmeldung bis 31.3.2015
STUDIENREISE
GEMEINDEENTWICKLUNG UND LEITUNG
19.–24. April 2015
Chagall, die Bibel, der
4. September 2015
Midrasch
TIPP Partner in der
Studienreise nach Nizza.
Gemeindeleitung
Wir tauchen in die farbige
Die partnerschaftliche
Welt der Bilder von Marc
Gemeindeleitung ist ein
Chagall ein, die ganz neue
anspruchsvolles Modell.
Zugänge zur Bibel
An dieser Tagung fragen
erschliessen. Der Dialog
wir nach dem Beitrag der
zwischen Bild, Bibeltext
Professionellen zu einer
und rabbinischer
gelingenden Partnerschaft Auslegung eröffnet
mit der Behörde.
ungeahnte Dimensionen.
Anmeldung bis 31.3.2015
Anmeldung bis 31.3.2015
23.–27. September 2015
TIPP Mission gestern =
Zukunft der Gemeinde?
Reise zu Fresh
Expressions of Church
24.–30. Oktober 2015
Die anglikanische Kirche hat sich aufgemacht, Gemeinden zu gründen jenseits der
traditionellen Parochien. Die Reise kommt
diesen Aufbrüchen auf die Spur und fragt
nach Impulsen für unsere eigene Arbeit im
Gemeindeaufbau.
Anmeldung bis 31.3.2015
31
AGE N DA
HIGHLIGHTS
Piazza Grande
10.–14. August 2015
Filmkurs am internationalen Filmfestival Locarno. Filme als Leitmedium unserer Zeit erzählen oft Geschichten, die Grundfragen des
Lebens berühren und biblische Themen aufgreifen. Das vielfältige Angebot eines Filmfestivals geht über das normale Kinoprogramm hinaus und eröffnet neue Horizonte.
Anmeldung bis 31.3.2015
Update
Bibelwissenschaft II
Neues Datum: 23.–25. November 2015
Die Entwicklung der Bibelwissenschaft ist in
den letzten Jahren nicht stehen geblieben.
Der Kurs gibt aktuelle Impulse für die eigene
Auseinandersetzung mit den Jesuserzählungen und den Umgang mit ihnen in der
Praxis.
Anmeldung bis 31.3.2015
Freier predigen:
Preaching by Heart
22.–26. Juni 2015
Wie kommt es, dass sich während der Predigt
Gottes Wort in den Herzen der Zuhörer ereignet? Darüber verfügen wir letztendlich nicht,
aber es gibt bewährte Methoden, die helfen.
Thomas Kabel und Henry Sturcke bieten einen Raum zur praktischen Erprobung.
Anmeldung bis 31.3.2015
Literaturclub
mit Hardy Ruoss
17.–21. August 2015
Die Seminarteilnehmenden diskutieren aktuelle und neueste Literatur. Sie entdecken
darin Spiegelungen der Fragen unserer Zeit,
die ihnen in ihrer beruflichen Tätigkeit selbst
immer wieder begegnen.
Anmeldung bis 30.4.2015
Aus- und Weiterbildung
der Pfarrerinnen
und Pfarrer
Blaufahnenstrasse 10
CH-8001 Zürich
Reformierte Kirchen
Bern-Jura-Solothurn
Weiterbildung pwb
Altenbergstrasse 66
CH-3000 Bern 25
Bildungsportal für
kirchliche Mitarbeitende:
www.bildungkirche.ch