Foto: Plattenfirma Die Wölfe sind zurück und veröffentlichen mit „Blessed & Possessed“ wieder ein über alle Maß erhabenes Stück Musik. Ich habe mit Falk Maria Schleger (Orgel) über POWERWOLF, das neue Album und Wölfe gesprochen. Eure Musik scheint über die Jahre im Kern immer gleich zu bleiben, klingt dabei aber immer frisch. Wie schafft ihr das? Es ist das sechste Album und jedes Vorgänger Album ist wichtig, um das nächste zu schreiben. Dadurch entwickelt man seinen ganz persönlichen Stil, den wir auch gefunden haben. Insofern gebe ich dir Recht, wenn du sagst, es gibt einen Grundstil von POWERWOLF, das ist klar. Wenn du sagst „immer frisch bleiben“: Vielleicht liegt ist daran, dass wir uns unmittelbar nach der Live Saison gar keine Pause gönnen, sondern direkt mit dem Songwriting beginnen, weil wir diese Live Energie auch gerne auf das Songwriting übertragen. Ein anderer Grund liegt vielleicht darin, dass wir alle, wenn wir Songs schreiben, in erster Linie nicht unsere Instrumente benutzen, sondern unsere Stimmen, indem wir Refrains und zum Teil Strophen zuerst singen und erst danach die Gitarrenriffs oder die Orgel drum herum bauen. Wir fangen eigentlich nie damit an, auf einem Gitarrenriff eine Melodie zu schreiben. Wir sagen immer, es klingt wie Gitarristen Gesang, das heißt, der Gitarrist singt die Melodie die er spielt. Das ist meistens recht langweilig. Daran könnte es liegen, dass es frischer klingt, weil man ganz andere Grenzen nicht hat wenn man singt, als wenn man an einem Instrument sitzt. Ich kenne das von mir: Wenn ich auf der Orgel komponiere, kommen relativ schnell relativ gleiche Melodien bei raus, meistens cisMoll. Wenn ich singe, bin ich frei von jeglicher Tonart. Das gibt mir mehr Möglichkeiten im Songwriting. Euer letztes Album „Preachers Of The Night“ hat es bis an die Spitze der Charts geschafft. Was erhofft ihr euch von „Blessed & Possessed“? Momentan ist es so, dass wir froh sind, dass alles gut gelaufen ist, weil wir quasi zwei Alben aufgenommen haben mit einem Bonus Coverartwork. Wir erwarten nicht, dass es wieder auf die 1 geht. Das ist grundsätzlich nicht das, was wir 28 von einer Platte erwarten. Wir freuen uns natürlich, wenn die Fans es mögen. Wir haben das beste dazu gegeben, dass Beste, was wir abliefern können, haben wir getan und wir stehen voll und ganz dahinter. Das ist das, was wir als Band planen können. Wir können nur hoffen, dass alles gut läuft und die Fans es auch mögen. Aber ob es wieder eine Nummer Eins wird oder eine andere Chartposition oder gar nicht, ist mir gar nicht wichtig. Für mich ist es wichtig, dass die Fans es mögen und lieben und das die „Wolfsnächte“ Tour im Herbst der Kracher wird. Das ist mir wichtiger als eine Position in den Charts. Wieso heißt euer neues Album „Blessed & Possesed“? Da gibt es mehrere Gründe. Zum einen war das eine spontane Sache: Wir hatten eine Show in London. Da ist der Bauer mit mir durchgegangen und ich bin Richtung Bühnenrand gestürmt und habe in die Menge geschrien: „Are you possessed with Heavy Metal?“ Und es ist auch so, wenn man Heavy Metal hört oder spielt, dass es mehr ist als wenn man mal Musik hört. Das ist eine Leidenschaft, eine Besessenheit von der Musik und dem Ganzen, was dazu gehört. Ich kann mich auch erinnern, dass ich die Texte bei IRON MAIDEN oder KREATOR oder auch anderen Bands komplett aufgesogen habe. Es war mir sehr wichtig. Besessenheit ist das eine, passt natürlich perfekt zu POWERWOLF, weil wir auch von der Musik besessen sind. Das „Blessed“ ist dann das sakrale Element, das natürlich auch in unserer Musik durch die Orgel, durch die Chöre und des Gleichen vorkommt. Wenn du es auf das lyrische Konzept übertragen willst, deutet es auch auf die Widersprüchlichkeit hin, die es in der Gesellschaft gibt. Insbesondere auch in der Religion, da oft mit Schwarz Weiß gearbeitet wird, graue Töne sind da meistens draußen. Und wenn du dir das Cover ansiehst, geht es da auch ein bisschen darum. Es handelt ja davon, dass Lucifer aus dem Himmel vertrieben wird vom Erzengel Michael. Da hat der Matthew (Greywolf, Gitarre) ganz bewusst nicht alles in Schwarz Weiß gemacht, sondern auch graue Töne benutzt. Das ist facettenreicht, der Albumtitel kann für vieles stehen. Aber du kannst auch sagen, dass der Albumtitel für unsere Musik steht und diese auch repräsentiert. Du hast ja vorhin bereits was zur Produktion gesagt. Gab es bei der Produktion von „Blessed & Possessed“ etwas neues? Ja, wir arbeiten schon etwas länger mit den Chören zusammen. Dabei betone ich immer gerne, dass wir die Chöre wirklich im Detail einsetzen. Die Chöre sollen den Song stärker machen, nicht irgendwie aufpumpen, das ist nicht unser Ziel. Aber wir haben etwas gemacht, was dem Rechnung trägt: Wir haben die Parts von 35 einzelnen Sängern in allen Stimmlagen nicht gemeinsam aufgenommen, sondern einzeln im Studio. Das war natürlich vom Aufwand und von der Zeit her enorm, es gab uns aber im Mix mehr Möglichkeiten, die helleren und tieferen Stimmen entsprechend einzusetzen. Fredrik Nordström in Schweden, unser Produzent, war dann sehr begeistert, dass er Tausende von Stimmen hatte (lacht). Wir haben mit Orchester Percussions gearbeitet, was wir so in der Form auch noch nicht hatten. Wir haben Jens Borgrön mit ins Team genommen, der das Mastering gemacht hatte. Ich finde es richtig geil, es hatte diese sehr gute Produktion von Fredrik Nordström nochmal gepusht. Also haben wir im Prinzip im Detail neu gearbeitet, haben aber unser Team so wie immer belassen, Kohlekeller, Nordström halt. Auch unser Co Producer, David Guballa, der viel mit den Chor Arrangement gearbeitet, hat gute Arbeit geleistet. Das ist eine Art Familie geworden. Wir sehen auf dem Cover den Erzengel Michael. Woher kommt in eurer Musik dieser christliche Einfluss? Das ist ganz interessant und witzig. Ich denke gar nicht, dass wir sagen, wir seien eine religiöse Band. Das ist gar nicht der Punkt, der uns wichtig ist. Wir wollen auch keine religiösen Gefühle verletzen oder irgendwas bewerten. Aber bei mir und auch bei Matthew ist es so, dass wir uns seit Ewigkeiten mit geschichtlichen Aspekten vor allem aus dem Bereich der Religion beschäftigt haben. Ich zum Beispiel fand es damals, als ich Groß wurde, unglaublich und auch unheimlich in der Kirche, wenn man Frauen und Männer separiert, wenn die Kirchenorgel spielte. Das war für mich alles andere als feierlich, eher unheimlich. Ich habe damals begonnen, das Orgelspielen zu erlernen. Ich habe genau wie Matthew begonnen, sehr viele andere Bücher zu lesen, die wir gar nicht in Texte umgewandelt haben, sondern die unsere Interesse wiederspiegelten. Beim Songwriting merkt man irgendwann, dass es Ideen gibt, mit denen man sich beschäftigen will. Für die Sachen die Matthew für „Armata Strigoi“ geschrieben hatte, hat er sich viel mit dem Urvampir aus den Rumänischen Sagen beschäftigt. Allerdings schon seit Jahren. Es hat wiederum jetzt zu dem Song gepasst. Wir setzen uns nicht hin und sagen: „Jetzt müssen wir über dieses und jenes Thema schreiben“. Zuerst ist die Musik da und dann merken wir, was man dazu schreiben könnte. Es ist auch eine Leidenschaft und ein Interesse. Ich gehöre zu den Menschen hier in meiner Heimatstadt, also Saarbrücken, die gerne auch in Antiquariate gehen, rumstöbern und querlesen. Leider sterben die Teile fast aus. Die verkaufen kaum Bücher, bzw. kriegen nur alte gebracht. Könntest du dir vorstellen, dass auch mal was aus anderen Religionen, zum Beispiel aus dem Islam, in eurer Musik vorkommen könnte? Gar nicht. Das hat einfach mit dem Grund zu tun, dass ich keine Ahnung davon habe. Ich finde, dass wenn ich über etwas schreibe, in das ich wenig Einblick habe und wo mir die Ahnung fehlt, fast schon respektlos ist. In dem Fall hier kennen wir uns einfach aus. Wir wissen, wie wir schreiben können, wir wissen, wie wir auch Ironie einsetzen können. Viele Songs schreiben wir auch mit Augenzwinkern. Bei anderen Religionen hätte ich Angst, dass ich mich erstens nicht auskenne und zweitens, es irgendwie verletzend sein könnte. Und das will ich auf gar keinen Fall. Das ist nicht unser Ziel. Zurück zur Musik: Auf „Blessed & Possessed“ gibt es wieder viele Songs, die super live funktionieren sollten. Schreibt ihr eure Songs vor allem mit dem Blick auf die Live Bühnen? Nein. Es ist ein ähnlicher Ansatz, aber irgendwie doch anders als wenn du sagt, nur live Auftritte. Wir stellen uns beim Songwriting die Frage, ob du diesen Song live spielen würdest. Es bedeutet nicht, dass du diesen Song live spielen musst, aber es hat für uns etwas mit Spaß am Songwriting zu tun. Wenn ich eine Passage Beispiel etwas auf der Orgel spiele, und Attila (Dorn, Gesang) singt dazu, stelle ich die Frage, ob er es jemals live singen würde. Und wir merken beide, dass da vielleicht nicht genug Energie drin ist oder es einfach langweilig vom Melodiebogen her ist. Dann wir es der Song vermutlich nicht auf die Bühne packen. Das bedeutet aber nicht, dass wir jeden Song mit dem Ziel Live Auftritt schreiben. Es ist im Grunde ein Zwischending, welches wir uns selbst stellen. Ich gebe dir natürlich sonst recht. Ich finde, auf „Blessed & Possessed“ ist verdammt viel Live Potenzial drinnen. Wir kommen gerade zurück vom „Masters Of Rock“ in Tschechien, wo wir geheadlinet haben. Wir haben drei Songs vom neuen Album zum Besten gegeben. „Armata Strigoi“ ist zum Beispiel so ein Song, bei dem wir bereits auf dem Album gemerkt haben, dass er vermutlich live krachen wird. Es wurde auch bestätigt. Es war etwas sehr bemerkenswertes. Ich habe jetzt noch Gänsehaut. Gibt es auf dem Album einen roten Faden, welcher den lyrischen Inhalt durchzieht? Wir haben im Gegensatz zu „Preachers Of The Night“ mehr die beschreibende Rolle angenommen, was die Lyriks betrifft. „Christ & Combat“ beschreibt zum Beispiel die Eroberung von Konstantinopel während der Kreuzzüge. Bei „Preachers Of The Night“ sind wir auch noch philosophischer an die Texte rangegangen. Jetzt sind wir konkreter geworden. Die andere Sache ist diese Widersprüchlichkeit, die ich bereits angesprochen haben. Wir haben beim Song „Sacramental Sister“ Texte geschrieben, die ironisch sind. Es geht um eine Nonne, die sexuelle Wünsche hat, oder auf Deutsch gesagt geil ist, auf der anderen Seit in Regeln und Zwängen gefangen ist. Mit diesen haben wir uns auch beschäftigt und es ist auch ein Thema von „Blessed & Possessed“. Das kann man auch au Konzerte beziehen, wenn du am Tag das machst, was du eigentlich nur aus Zwang machst und Abends mal die Sau raus lassen kannst. Ähnlich ist es auch mit religiösen Zwängen, welche die Kirche auferlegt. Aber auch hier ist das eine Beschreibung, wir sagen nicht: „Handelt anders“ oder „Tut dies oder jenes“. Das wollen wir bewusst außen vor lassen. Wir beschäftigen uns mit diesem Spannungsbogen. Es ist kein Konzept Album, welches die ganze Zeit ein Thema behandelt. Außerdem finde ich Konzeptalben sehr konstruiert. Da lassen wir lieber die Finger davon. Bei „Sanctus Dominus“ habt ihr wieder Latein verwendet. Wie ist es Songs in einer toten Sprache zu schreiben? Es hat etwas mit Klangfarbe zu tun. Wir sind eine Band, für die ein Song rund sein muss. Einerseits in der Aussprache. Wir benutzen oft Alliterationen: „Blessed & Possessed“, „Christ & Combat“ „Saturday Satan“ usw. Wir spielen gerne mit solchen Stilmitteln. Ein Song muss in sich geschlossen sein und wenn wir das Gefühl haben, dass ein Song auch in der Aussprache anders klingen muss, ist eine andere Sprache passend. Z. B. härter, wie bei „Kreuzfeuer“, wo wir zum ersten Mal die deutsche Sprache verwendet haben. Bei „Sanctus Dominus“ hatten wir auch das Gefühl, es müsse anders klingen, und deshalb haben wir die lateinische Sprache verwendet. Natürlich auch im Kontext von unseren Lyriks. Es ist auch eine gewisse Leidenschaft. Es wurde auch die Frage gestellt, ob wir das Latinum haben. Ja. Und auch die Frage: „Sagt mal, der Genitiv klingt jetzt anders, da muss ein i hin“. Ich sage ja, aber die künstlerische Freiheit nehme ich mir heraus, wenn ich den Nominativ singe, weil es einfach scheiße klingt, wenn ich zwei Mal i hintereinander singe. Die lateinische Sprache, und da kann sich niemand drüber beschweren, ist an sich eine tote Sprache. Die wird nach unserem Denken wieder lebendig gemacht und mal falsch dekliniert (lacht). Obwohl es auch eine Sache ist, die wir bewusst machen. Wenn du das Album inzwischen siehst, gibt es viele Lateinische Verse oder Zitate, die wir hin schreiben. Da sind wir sehr genau, was die Deklination angeht. Aber beim Singen nehmen wir uns mal die Freiheit heraus, einfach mal falsch zu deklinieren. Da bin ich auch ehrlich und wir gehen damit offen um (lacht). Eine letzte Frage: Neuesten Statistiken nach gibt es in Deutschland immer mehr Wölfe. Wie findest du das? Ich finde das großartig. Witziger weise ging es bei einem Song auf „Lupus Die“ um dieses Thema, da ich vorher in der Zeitung gelesen habe, dass sich die Wölfe wieder ansiedeln. Das ist wunderbar. Man hat ja das Tier auch viel zu lange vertrieben und es gehört einfach in die deutschen Wälder. Ich bin mal gespannt, wann die ersten in der Stadt zu sehen sind und wie dann die Menschen reagieren (lacht). Ich finde das großartig. Ich hatte vorhin ein Interview bei dem gefragt wurde, wieso PowerWOLF, wieso der Wolf? Das war 2004 oder 2003, als wir uns so genannt haben und da war das Tier noch gar nicht so populär. Auf einmal habe ich bemerkt, dass jede zweite Band irgendwas mit Wolf im Namen hat und du läufst an Modegeschäften vorbei und siehst Wolfsköpfe auf T – Shirts. Wir waren definitiv die Ersten. Ich weiß nicht, woher die Begeisterung dafür herkommt, aber ich finde es gut, dass das Tier sich wieder ansiedelt. Es ist ein sehr mächtiges Tier und auch ein unheimliches Tier, aber auch ein sehr scheues Tier. Ich bin aber sehr froh über die aktuelle Entwicklung. Text: David G. 29
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