Foto: Plattenfirma Positive Überraschungen sind für mich meistens die besten. Nichts erwarten und am Ende mit einem guten Gefühl aus der Sache rausgehen – top! Genau ein solches Erlebnis hatte ich mit den BUTCHER BABIES. Erste Hörproben auf Youtube fand ich ziemlich lasch, vor allem aufgrund des „Brüste hängen aus den Tops“-Gimmicks. Umso schöner, dass sich die Band nicht nur von der exhibitionistischen Ader gelöst, sondern für „Take it Like a Man“ auch noch den Härtegrad nach oben geschraubt und so ein ziemlich fettes Album an den Start gebracht hat. Zum Interview findet sich die gut gelaunte Sängerin Heidi Shepherd ein. Das Album „Take it Like a Man“ ist seit kurzem erhältlich. Wie empfindest du die aktuelle Release-Phase? Jedes Mal wenn ich über den Release nachdenke, kommt mir nur der Gedanke „Es wurde so langsam Zeit!“ Wir sind extrem aufgeregt. Vor etwas mehr als einem Jahr haben wir mit der Arbeit am neuen Album begonnen. Im November sind wir dann ins Studio gegangen. Insgesamt beschäftigen wir also echt schon eine Weile mit dem Material. Es ist total spannend, die Leute endlich das hören zu lassen, was wir seit Monaten mit uns rumschleppen. Die Songs sind sehr persönlich und emotional und ich bin sehr gespannt darauf, wie die Fans darauf reagieren. Da du bereits vom Inhalt der Songs sprichst: Viele sprechen von sehr realen Problemen und Grenzerfahrungen. Welche Lieder sind für Dich die persönlichsten? Insgesamt sind uns als Band alle Songs sehr wichtig. Derjenige, der mir persönlich am nähesten geht, ist „Dead Man Walking“. Das ist tatsächlich der Song, der uns zum Titel „Take it Like a Man“ inspiriert hat. Im Liedtext geht es um den Teil meiner Kindheit, während dem ich lernen musste, „ein Mann“ zu sein und Dinge hinnehmen zu können. Ich bin damit aufgewachsen, dass extreme Kindesmisshandlung Alltag war. Es gab einen Moment, in dem ich mich tot stellen musste. Der Song spricht 74 genau davon. Ich musste sehr früh erwachsen und selbstständig sein. So habe ich allerdings auch einen sehr eisernen Arbeitswillen erlangt. Ein weiteres sehr persönliches Stück ist „Thrown Away“, das sich mit meinem jetzigen Leben befasst. Als Musiker sind wir ständig unterwegs, oft weit weg von Familie und Freunden. Man kommt irgendwann zurück und hat das Gefühl, alles verpasst zu haben. Deine Beziehungen und Freundschaften gehen den Bach runter und du bist im Endeffekt dir selbst überlassen. Jedes Mal, wenn du zurück in deine Stadt kommst, fühlt es sich so an, als seist du ein Geist. Gab es auch Songs, bei denen es dir schwer fiel, sie überhaupt zu schreiben? Ich erinnere mich genau daran, wie ich „Dead Man Walking“ geschrieben habe. Wir waren auf Tour und saßen grade im Bus. Dann kamen mir aus dem Nichts all diese Worte. Das waren Emotionen, bei denen ich mir geschworen hatte, sie nie wieder zu fühlen, geschweige denn über sie zu reden. Je mehr Zeit ins Land ging, desto klarer wurde mir allerdings, dass Musik auch eine Form von Therapie für mich und den Rest der Band darstellt. Irgendwann wurde klar – ich MUSS über diese Dinge reden, da ich sie noch nie wirklich rausgelassen hatte. Also fing ich an, alles aufzuschreiben. Der Song hat einen Anfangsmonolog, den ich genau in diesem Moment verfasst habe. Ich habe stundenlang geweint. Ich habe da Emotionen hochgeholt, die jahrelang unterdrückt wurden und ich habe das Gefühl, dass man diese fast schon brutale Ehrlichkeit auch auf dem Album hören kann. War es denn am Ende auch ein Gefühl von Katharsis für dich, dir diese Dinge von der Seele zu reden? Ja, wobei ich wirklich Angst davor habe, dass mein Vater die Texte hört. Wir haben inzwischen eine ziemlich gute Beziehung, über die Dinge von damals wurde trotzdem noch nie gesprochen. Wir werden sehen was passiert. Ich bin jetzt 30 Jahre alt und ich glaube, es ist an der Zeit, meine Kindheit und die mit ihr verbundenen Gefühle loszulassen. Eine Sache, die mir beim Hören der Songs sofort aufgefallen ist, ist die Tatsache, dass sie um einiges härter ausfallen als die der Vorgängerplatte – auch weil es weniger oft Klargesang gibt. Gab es eine Art von Prämisse zu sagen „das neue Album muss härter klingen“? Die Sache ist die: Wir haben die Band als Thrash Metal Band gegründet. Da gab es ursprünglich also sowieso keine cleanen Vocals. Beim ersten Album hatten wir allerdings das Gefühl, eine Menge beweisen zu müssen. Deswegen ist es geworden, was es sein musste – ein Beweis unserer Fähigkeiten. Für die neue Platte haben wir allerdings wieder mehr unsere musikalischen Wurzeln mit einbezogen. Bei den Liveshows kommen vor allem die harten Songs unserer Anfangsphase gut an, weshalb wir einfach wussten, dass das der Stil ist, den die Leute lieben. Der Einfluss wird direkt klar, immerhin ist der letzte Song des neuen Albums „Blond Girls all Look the Same“, der erste Song, den wir jemals geschrieben haben. Über die Nummer habe ich mich zugegebenermaßen auch gewundert. Warum habt ihr ihn für „Take it Like a Man“ neu aufgenommen? Es ist einfach eine schöne Hommage an die Anfangstage. Viele Fans und Journalisten haben uns im Vorfeld nach der Ausrichtung der neuen Songs gefragt und wir haben immer betont, die Thrash Metal Elemente wieder mehr in den Vordergrund zu stellen, also einen harten und rauen Sound zu kreieren. Wer uns allerdings nur vom Album „Goliath“ kennt, könnte fast meinen, wir hätten mit Thrash nichts am Hut. Durch die Einbeziehung unseres ersten Songs können wir sagen – doch, haben wir (lacht). Ihr habt den Opener „Monster‘s Ball“ als ersten Eindruck für die Fans ausgewählt und ein Musikvideo dazu gedreht. Warum gerade dieser Song? „Monster‘s Ball“ ist wirklich lustig und ein bisschen eigenartig. Wir haben ihn schon ziemlich früh auf Liveshows gespielt, einfach auch, weil der Groove sich gut für Konzerte eignet. Da haben wir festgestellt, dass die Leute meistens ab dem zweiten Refrain schon mitsingen konnten. Der Text ist ziemlich simpel und „You can‘t stop movin‘“ bleibt in diesem Rhythmus irgendwie sofort hängen. Der Song funktioniert also wirklich hervorragend. Witzigerweise wollte ich anfangs eigentlich eine ganz andere Nummer als erste Single auswählen, aber irgendwann war nicht mehr zu verleugnen, dass „Mosnter‘s Ball“ sowas von offensichtlich die Erstauskopplung sein MUSSTE. Gleichzeitig zeigt der Song nur einen kleinen Ausschnitt dessen, was auf dem Album passiert, einfach, weil es so vielseitig ausgefallen ist. Von daher war es sowieso nicht möglich, ein Lied zu finden, das die Platte als Ganzes repräsentiert. Das Musikvideo zeigt Euch alle mit Horrorfilm Make-Up. Ist das ein Look den du dir auch für Liveshows vorstellen kannst? Immerhin waren einige Eurer früheren Bühnenoutfits ebenfalls Horrorfilm-artig. Nein, das war wirklich nur eine Idee für das Video. Es soll ja im Prinzip ein wortwörtlicher Eine weitere sehr lustige Sache, die Ihr Euch für „Monster‘s Ball“ überlegt habt ist eine Videomontage mit Musikvideos von Beyonce und Will Smith, die dann im Takt zu Eurer Musik tanzen. Habt ihr diese Videos selbst angefertigt oder wie kamen sie zustande? Um ehrlich zu sein – das war ein Marketing-Plan, der schon eine Weile feststand. Immer, wenn wir uns mit unserem Management zusammensetzen, entstehen Seiten voller Ideen und diese Montagen waren etwas, das wir zusammen ausgearbeitet haben. Das Management hat die Videos dann geschnitten und umgesetzt. Ich finde das Beyonce-Video am besten, ich habe mich wirklich totgelacht als ich es gesehen habe! ganz besonders drauf. Mit Slipknot haben wir schon einige Shows gespielt und ich kann sagen – das sind wirklich ein paar der nettesten Menschen, die ich bisher getroffen habe. Sie haben uns sehr respektvoll behandelt! Da hat sich für mich nur bestätigt, warum Slipknot eine meiner Lieblingsbands überhaupt ist. Da Du ja sagtest, dass Corey Taylor einen großen Einfluss auf Dich als Sängerin hatte, war es doch bestimmt etwas besonderes, ihn backstage persönlich zu treffen! (lacht) Oh Gott, ich habe damals den Security Leuten gesagt „Ich möchte ihn nicht treffen!“ Was sagt man einem seiner Idole? „Hi“? (lacht) Als ich ihn dann getroffen habe war er unfassbar nett. Er hat sich auch unsere Show ein paar Mal angesehen, das war wirklich toll. Dass sie uns dann für ihr eigenes Festival „Knotfest“ gebucht haben, ist natürlich dann auch nochmal ein schönes Kompliment für uns. BUTCHER BABIES Take it Like a Man Century Media Holla! Da haben die BUTCHER BABIES aber am Härte-Pegel gedreht. Von vorne bis hinten knallt einem in einer Manier eine heftige MetalNummer nach der anderen vors Fressbrett. Das „unsere Sängerinnen lassen auf der Bühne die Titten rausflattern“-Image haben sie auch abgelegt, weshalb es durchaus leichter fällt, die Band als solches auch ernst zu nehmen. Cleangesang gibt es wesentlich seltener als auf den vorherigen Scheiben, dafür wird hier gescreamt und gegrowlt, als gäbe es kein Morgen mehr. Hier und da erinnert der Übergang von Sprechgesang zu Screams an frühe Otep-Platten, wenngleich natürlich auf „Take it Like a Man“ zu keinem Zeitpunkt eine ähnlich beklemmende Stimmung aufkommt. Soll aber nicht heißen, dass das Album nicht hier und da mit einigen heftigen Texten aufwarten würde. Gerade „Thrown Away“, „Never Go Back“ und „Dead Man Walking“ wissen durch ihre Ehrlichkeit zu überzeugen. Ein großer Kritikpunkt ist aus meiner Sicht aber die musikalische Monotonie. Klar, das knallt, wummert und wütet an allen Ecken und Enden. Dennoch dürften Riffs und Drums auf der nächsten Scheibe etwas variantenreicher ausfallen. Bis dahin darf man die BUTCHER BABIES aber dennoch im Auge behalten und vor allem live besuchen. S.Z. In der Vergangenheit habt ihr oft Eure Vorliebe für Bands wie GWAR und Slipknot kundgetan. Mit genau diesen Bands werdet Ihr demnächst auf Tour sein. Ist das etwas, worauf Ihr Euch besonders freut? Absolut! Wir alle lieben GWAR. Ich habe schon so oft gehört, dass es absolut genial sein soll, mit den Jungs zu touren, also freue ich mich da Foto: Plattenfirma Auf der Platte wechselt ihr des öfteren hin und her zwischen aggressiverem Sprechgesang und harten Shouts und Growls. Der Übergang zwischen diesen beiden Elementen erinnert mich ein wenig an alte Otep-Platten. War sie ein Einfluss auf dich als Sängerin? Diese Frage bekomme ich öfter gestellt. Aber abgesehen von der Tatsache, dass wir beide weiblich sind und screamen, haben wir nicht viel gemeinsam. Auch hat sie nie wirklich einen Einfluss auf mich gehabt, da ich Otep nicht wirklich gehört habe – das kam erst später, nachdem wir mal mit ihr auf Tour waren. Für mich waren eher Corey Taylor, Phil Anselmo oder Jonathan Davis wichtige Einflüsse. Monsterball sein. Der eigentliche Text ist eine Hommage an den Moshpit, in dem alles Alltägliche egal wird und lediglich das gemeinsame Feiern wichtig ist. Das Video sollte dann ein größtmöglicher, etwas alberner Bruch mit dem Text sein und eine Art von JazzclubSzenerie darstellen. Deswegen haben wir alle etwas elegantere Outfits an und bewegen uns in diesem 20er-Jahre Diva-Style. Es soll so aussehen, als wären wir eine Jazzband, am Ende wird dann aber doch alles irgendwie chaotisch und verrückt. Passend zu diesem verrückten Song (lacht). Wenn man im Internet Nachforschungen über Euch als Band betreibt, liest man immer mal wieder den Begriff „female fronted Metalband“. Wie denkst du persönlich über dieses Attribut? Das ist auf jeden Fall etwas, das nicht als Genre behandelt werden sollte, immerhin klingen doch auch Sängerinnen oft anders. Ich empfinde BUTCHER BABIES einfach nur als Metalband und nicht als „female fronted“ Metalband. Ich meine, an sich sind wir das ja irgendwo, aber es definiert nicht die Musik, die wir machen. Es macht mir jetzt nichts aus, ich werde also nicht sauer wenn man uns so nennt, aber ich selbst würde diesen Begriff so nie benutzen. Man würde ja Slayer auch nie eine „male fronted“ Metalband nennen! Das ist genau das, was ich meine. Was soll das „female fronted“ denn bedeuten? Dass wir nicht so heavy sind wie die anderen? Dass wir nicht so heftig rocken können wie die anderen? Denn das stimmt so auf jeden Fall nicht. Ich weiß einfach nicht was ich davon halten soll. Es gibt auch Damen im Metal, die diesen Begriff gut finden – diese Auffassung teile ich aber nicht. Text: Sebastian Z. 75
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