WP-17 Florian Betz - Bündnis 90/Die Grünen

39. Ordentliche Bundesdelegiertenkonferenz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
20. - 22. November 2015, Halle, Messe
WP-17
Florian Betz
Florian Betz
Von Beruf bin ich Musiker und Bewegungspädagoge. Ich
darf Schönheit in diese Welt bringen und kann mir
eigentlich auch keinen schöneren Beruf vorstellen. Ich bin
aber zu sehr von der Politik mitgenommen, als dass ich
meine Finger davon lassen kann.
Nachdem ich in Meschede eine Protestbewegung gegen
den Irakkrieg angestoßen hatte, habe ich einen
Kreisverband der Grünen Jugend initiiert, war ihr Sprecher
und war im Kreisvorstand der Partei.
Im Bundesverband der Grünen Jugend habe ich mich zum
Thema Klimaschutz engagiert.
Während meines Studiums der Elementaren
Musikpädagogik in Nürnberg war ich Stipendiat im
Studienwerk der Heinrich Böll Stiftung.
Seit Ende meines Studiums bin ich freischaffender Musiker und Bewegungspädagoge.
Meine Bewegungsworshops gebe ich mittlerweile vorwiegend im politischen Kontext um in der
Auseinandersetzung zu unseren Zukunftsfragen dem Kopf seinen Körper und der Kognition die
Emotion zurück zu geben. Für diese Workshops werde ich von verschiedenen sozialen
Bewegungen eingeladen. Diese sehr persönliche Arbeit lässt mich sehr nah miterleben, was
die Menschen in Hinblick auf unsere Zukunft besonders bewegt.
Unsere Bundespartei ist von unten nach oben organisiert und erfordert in der Regel eine gute
Verankerung vor Ort, um sich auf Bundesebene einzubringen. Ich habe in den letzten Jahren
in NRW, Sachsen, Bayern, Berlin und jetzt Sachsen-Anhalt gelebt und bin nicht tief in die
Parteistrukturen eingestiegen. Deswegen kann ich im Parteirat auch keine der Parteiorgane
vertreten, um deren Vernetzung es in unserem Vernetzungs- und Beratungsgremium unter
anderem geht. Ich bin aber nah an den Themen und brenne für die Inhalte. Ich glaube, dass
ich den Parteirat durch meine Perspektive bereichern kann. Deswegen werbe ich um eure
Stimme.
Terroristische Gefahr in Europa und der Welt
Die Terroranschläge von Paris, Beirut, Suruc, Scharm El-Sheikh und vielen anderen Orten der Welt erschüttern uns
zutiefst.
Wir debattieren in diesem Zusammenhang schon viel über die Folgen für unsere Außenpolitik, ich möchte in dem
Zusammenhang einen anderen Aspekt betonen:
Bezeichnend an den Anschlägen in Paris ist, dass alle bisher identifizierten Attentäter Franzosen oder Belgier
waren, die hier in Europa aufgewachsen sind. Die meist jungen Menschen fühlen sich scheinbar so
abgeschnitten von der Mehrheitsgesellschaft, dass für sie das sinnlose Morden als Lebensziel sinnvoll erscheint
und sie ihr eigenes Leben und das von Anderen beenden wollen.
Ich selbst bin Belgier und kenne Molenbeek. Auch erinnere ich mich an die Unruhen in den französischen
Banlieues im Jahr 2005, die der damalige Innenminister Nicolas Sarkozy mit brutaler Härte niederschlagen lassen
hat. Die Banlieues sind es, in denen jetzt der Terror gedeihen konnte.
Die Attentäter waren Teil des IS, haben sich von einer Rhetorik der Scharfmacher anstiften und in Syrien und dem
Irak ausbilden lassen. Natürlich muss uns die Situation in diesen Ländern besorgen und die Internationale
Staatengemeinschaft muss darauf reagieren.
Mir bleiben aber erhebliche Zweifel, ob die Französische Reaktion auf die Terroranschläge mit der Rhetorik
des „Totalen Kriegs“ und dem Entsenden von Kampfflugzeugen in diese Länder die richtige Strategie ist.
Ich habe die Befürchtung, dass dies die Spirale der Gewalt nur weiter anfeuern wird nach jedem getöteten
Terroristen drei neue Terroristen zum Vorschein kommen.
„Sich mit Kampfbombern gegen Terrorismus wehren zu wollen, ist wie auf ein Wespennest einzuschlagen,
um sich gegen Wespenstiche zu wehren“
39. Ordentliche Bundesdelegiertenkonferenz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
20. - 22. November 2015, Halle, Messe
WP-17
Florian Betz
Mir erscheint es viel erfolgsversprechender, die Zustände in den Banlieues dieser Welt anzugehen. Der Jugend
eine Perspektive zu geben ist der beste Schutz gegen Extremismus und Terrorismus und zwar sowohl gegen
den Islamistischen Terror wie den Rechtsterrorismus.
Das fängt an bei der Jugend in unseren Stadtteilen und ländlichen Regionen, geht dann weiter bei der Integration
der Flüchtenden. Aber auch in der Außenpolitik sollte dies ein Schwerpunkt sein. Die Flüchtenden dürfen uns
nicht erst dann interessieren wenn sie eine Lebensbedrohliche Flucht hinter sich haben! Wir müssen sie
über die Vereinten Nationen und den UNHCR auch entschieden in der Nachbarschaft ihrer Herkunftsländer
unterstützen.
Wir sollten überall im Umfeld von Konfliktherden die Samen der Hoffnung säen. Mit Bomben und Kampfflugzeugen
hingegen, sollten wir uns zurückhalten.
Der Bürgerkrieg in Syrien wird teilweise als Folge des Klimawandels gesehen, denn eine jahrelange Dürre hat die
Menschen entmutigt und entkräftet.
Der Zusammenhang von sozialem Notstand und Radikalisierung bis hin zum Bürgerkrieg und Terrorismus muss
gesehen werden. Die Weltgemeinschaft sollte überall auf der Welt viel entschiedener Menschen unterstützen die in
Not sind. Darin sehe ich positive Sicherheitspolitik.
Die Flüchtlingspolitik liegt mir ebenfalls sehr nahe. Es ist schon viel gesagt worden, deswegen hebe ich an dieser
Stelle nur einen Aspekt hervor:
Ich mache mir besondere Sorgen um das Schicksal der Roma.
Deutschland sollte sich seiner historischen Verantwortung gegenüber den Roma bewusst sein.
Wahrer Klimaschutz erfordert einen Paradigmenwechsel in der
Landwirtschaft, der Energieversorgung und dem Wirtschaften und
Konsumieren
Der Klimawandel stellt uns vor eine nie da gewesene Herausforderung und wir Grünen sind es, die sich
authentisch und glaubhaft dieser Verantwortung stellen.
Uns dieser Herausforderung zu stellen, bedeutet nicht weniger als ein progressives Umkrempeln unserer
Wirtschaft, damit sie im ursprünglichen Sinne des Wortes wahrhaft nachhaltig wird und Rohstoffe in Kreisläufen
hält, wie die Natur es uns vormacht. Ein „weiter so“ im immer Mehr und immer Größer kann es nicht geben. Wir
müssen die industrielle Wachstumsgesellschaft in ihrer ungezügelten Form überwinden. Deswegen fordern wir
Grünen die doppelte Entkopplung unserer Wirtschaft: entkoppelt vom Wachstumszwang und entkoppelt vom
Ressourcenverbrauch.
Klimaschutz bedeutet aber auch ein Umwälzen unserer Landwirtschaft, die Achtung und Erhaltung unserer
fruchtbaren Böden, sensibler Ökosysteme und Tiere.
Die Energiewende ist alles andere als abgeschlossen, aber für eine ernst gemeinte Klimapolitik braucht es ebenso
eine Ernährungs-, Agrar-, Konstum- und Verkehrswende.
Wir Grüne haben schon einige wichtige Erfolge erzielt, dürfen uns aber nicht darüber hinwegtäuschen: noch steigt
der weltweite Klimagasausstoß täglich, wir stehen immer noch ganz am Anfang des Weges hin zu einer
klimagerechten Politik.
Der gewaltige Wandel gelingt nur, wenn es eine positive Zukunftsvision gibt und er nicht als notweniges Übel
sondern als eine enorme Chance wahrgenommen wird. Er bietet die Chance auf Verbundenheit mit unserer
Umwelt und der Natur. Eine auf Nachhaltigkeit, Transparenz und kurze Wege ausgelegte Wirtschaft verspricht
zudem auch Verbundenheit mit unseren Produkten und den Menschen, die dahinter stehen.
Haben wir in Deutschland eine Lügenpresse?
Längst werden die sogenannten „Massenmedien“ nicht mehr bloß in „Lügenpresse“-Schlachtrufen der Pegida
attackiert. Die Russische Propagandamachinerie mit Russia Today & Co ist ein Zweckbündnis mit kommerziell
orientierten Internetseiten eingegangen, die sich als Alternative zu den traditionellen Presseorganen etablieren
wollen. Ihre gemeinsame Botschaft, die vehement über die sozialen Netzwerke verbreitet wird, ist: „Traut den
Massenmedien nicht“. Die Informationen in den „Massenmedien“ seien gelenkt, manipuliert und propagandistisch
motiviert,...
Sind die Internetuser erst einmal verunsichert, lässt sich ihnen gut eine alternative (meist pro-russische)
Narrative des Weltgeschehens weismachen.
Leider kann ich in meinem Freundeskreis beobachten, dass diese Strategie sehr erfolgreich ist und auch bei
zahlreichen jungen, umweltbewegten, engagierten, vernünftigen Menschen greift. Das bereitet mir große Sorgen
39. Ordentliche Bundesdelegiertenkonferenz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
20. - 22. November 2015, Halle, Messe
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Florian Betz
und sollte uns allen eine Warnung sein. Denn eine pluralistische, seriöse und kritische Presse, die das Vertrauen
der Bevölkerung genießt, ist das Rückgrad der Demokratie.
Der Angriff gilt aber nicht nur der Presse, sondern dem gesamten Etablissement inklusive der gesamten
politischen Klasse - also uns allen.
Wie sieht es tatsächlich mit unserer Presselandschaft aus?
Reporter ohne Grenzen bescheinigt der Bundesrepublik eine der besten Presselandschaften der Welt, zeigt aber
auch Handlungsempfehlungen und Luft nach oben auf. Diese sollten wir nutzen und die pluralistische
Presselandschaft in Deutschland entschieden verteidigen und ausbauen. Den berechtigten Anteil der
aktuellen Medienkritik müssen wir herausgreifen und handeln. Die Einflussnahme aus Politik und Wirtschaft auf die
Inhalte muss weiter begrenzt werden, die Verflechtungen zwischen den Presseorganen reduziert werden. Wir
müssen uns darüber Gedanken machen, wie in Zeiten des kostenlosen Internetangebots kostspielige
Vollredaktionen finanzierbar bleiben.
Aber auch bei den Internetangeboten müssen wir die Transparenz über die Nachrichtenquellen erhöhen und die
Bevölkerung über die Machenschaften zwielichtiger Informationsangebote im Internet aufklären. Wir dürfen die
öffentliche Meinungsbildung eines großen Teils der Bevölkerung nicht der russischen Propaganda
überlassen.