Bilanz-Pressekonferenz 2015 Langfassung

Bilanz-Pressekonferenz 2015
20.01.2016
Monika Breuch-Moritz
Präsidentin
Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie
Es gilt das gesprochene Wort!
Sperrfrist: 20. 01. 2016, 11.00 Uhr
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Einleitung:
herzlich willkommen hier im GAUSS-Saal des BSH. Ich freue mich über die rege Teilnahme an
unserer Bilanz-Pressekonferenz. Wir blicken zurück auf das Jahr 2015 und geben einen Ausblick auf
die Arbeit des laufenden Jahres.

Zuerst der Blick auf unser 25. Jähriges Jubiläum als Bundesamt für Seeschifffahrt und
Hydrographie.

Dann werden wir an einigen Beispielen zeigen, wie das BSH mit seiner Arbeit technische
Innovationen voranbringt oder Entwicklungen anstößt. Dazu gehören

die Modernisierung und Digitalisierung von Seevermessung, Seekarten und nautischen
Informationssystemen an Bord von Schiffen,

Fortschritte für den Meeresumweltschutz sowie zur Überwachung von Schifffahrt und Meer
und

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unsere aktive Unterstützung bei der Entwicklung der Offshore-Windindustrie.
Und nicht zuletzt engagieren wir uns, ein attraktiver und moderner Arbeitgeber zu sein.
25 Jahre BSH

2015 war ein spannendes und ereignisreiches Jahr. Die Veranstaltungen rund um den 25.
Jahrestag des BSH unter dem Motto „25 Jahre BSH im wiedervereinigten Deutschland“
sorgten für außergewöhnliche Arbeit, aber auch für Spaß. Wir öffneten unsere Dienstsitze in
Hamburg und Rostock sowie die Schiffe WEGA und DENEB für jeweils einen Tag. Das Interesse
und die positiven Rückmeldungen unserer insgesamt rund 2.500 Besucherinnen und Besucher
waren eine tolle Bestätigung unserer Arbeit und für uns eine besondere Anerkennung.

Besonders bedanken möchten wir uns für den feierlichen Empfang der Stadt Hamburg im
Rathaus. Er wird uns allen in langer und besonderer Erinnerung bleiben.
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Der 25. Geburtstag des BSH war Anlass für einen Rückblick auf die Geschichte: Natürlich sind
viele Aufgaben des BSH viel älter und reichen bis zur Gründung der norddeutschen Seewarte im
Jahr 1868 zurück. Am 1. Juli 1990 fasste die Bundesrepublik Deutschland wesentliche maritime
Aufgaben unter dem Dach des BSH zusammen. Es entstand eine Behörde mit neuen Aufgaben
in der Schifffahrtsverwaltung. Gleichzeitig wurden die vorhandenen Aufgaben aus den
Bereichen Schifffahrt, Seevermessung, Kartographie und Meereskunde sowie die
angewandte Forschung kontinuierlich fortgeführt.

Während der Vorbereitung der Neuorganisation fiel die Mauer und die deutsche
Wiedervereinigung war absehbar. Mit dem 3. Oktober 1990 übernahm das BSH die
Zuständigkeit für die maritimen Aufgaben auch in den neuen Bundesländern – so, dass die
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Schifffahrt nichts von der Umorganisation merkte. Das war eine besondere Leistung aller
Verantwortlichen der damaligen Zeit.

Die Küstenlinie Deutschlands verdoppelte sich fast – von 1.835 km auf rund 3.550 km - und
das BSH hat mit Rostock und Hamburg seither zwei Dienstsitze.
25. Meeresumweltsymposium

Auch das Meeresumweltsymposium feierte 2015 sein 25. Jubiläum. Über 300
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diskutierten Themen wie Meeresgovernance
(international geltende Regelungssysteme für die Meere), Meeresmüll, Tiefseebergbau und
Meeresüberwachung. Vertreter der Schifffahrt stellten ihre bemerkenswerte Entwicklung im
Umweltschutz dar, z.B. zur Senkung von Schiffsemissionen.
Beispiele technischer Innovationen und Entwicklungen
1990 markiert auch die Geburtsstunde der digitalen Welt, denn das Internet wurde für die
kommerzielle Nutzung freigegeben. Parallel entwickelten sich immer größere und umfangreichere
Rechenkapazitäten; die Möglichkeiten zur Datenspeicherung und –verarbeitung vervielfachten sich.

Die digitale Welt veränderte auch die Arbeit des BSH. Die Behörde war bei der Digitalisierung von
Seekarten und Informationssystemen, der Entwicklung neuester Technik zur Meeresüberwachung, Umweltschutz und Offshore-Windenergie an vorderster Front dabei.
Modernisierung und Digitalisierung von Seevermessung, Seekarten und Informationssystemen
an Bord von Schiffen - Anstoß von ECDIS und AIS
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Die Entwicklung des elektronischen Seekartendarstellungs- und Informationssystem ECDIS
(Electronic Chart Display and Information System) und des automatischen
Schiffsidentifikationssystems AIS initiierte das BSH schon früh.

1999 ließ das BSH das erste ECDIS weltweit zu. Damit begann die Entwicklung der ENavigation, einer der wichtigsten Initiativen der Weltschifffahrtsorganisation IMO zur sicheren
Schiffsführung und Navigation. Heute ist ECDIS das zentrale Brückensystem an Bord der
Schiffe. Für die Sicherheit der Seeschifffahrt und den Schutz der marinen Umwelt ist es
unentbehrlich geworden.

16 Jahre später, am 16. September 2015, fanden hier im BSH, an dem Ort, an dem die
weltweit erste ECDIS-Anlage zugelassen wurde, Präsentationen und Workshops des weltweit
ersten „World ECDIS Day“ statt - initiiert von der Firma SevenCs und unterstützt unter
anderem von der IMO. Rund 300 Teilnehmer diskutierten über die Bedeutung und
Weiterentwicklung von ECDIS und E-Navigation für die Schifffahrt.
3
Digitalisierung in der Kartographie und Konzept neuer Herstellungsprozesse

Die Herstellung von Seekarten ist eines unserer Kerngeschäfte. 1990 haben wir für
Tiefenmesswertaufzeichnungen Magnetbänder ausgelesen. Topographische Karten wurden mit
der Hand gezeichnet. Für Korrekturen verwendeten die Kartographinnen und Kartographen
geklebte Buchstaben und Seezeichen. Linien tuschten sie mit der Hand.
Heute werden die Daten von der Vermessung über die fertige elektronische Seekarte (der ENC Electronic Navigational Chart), bis zur Darstellung in ECDIS (dem Electronic Chart Display and
Information System) digital und ohne Medienbruch be- und verarbeitet.

Um die digitale Herstellung von Papierseekarten, Seehandbüchern und ENC-Daten zu
ermöglichen, entwickelte das BSH 1990 das Konzept des "Nautisch-Hydrographischen
Informationssystems NAUTHIS". Weiterentwickelt zu einer Hydrographischen
Produktionsdatenbank ist es heute die Basis für die die Herausgabe nautischer Publikationen.
ECDIS ist als System akzeptiert

Dieser Schritt spielte eine wichtige Rolle für den Einsatz von ECDIS. Seit dem 1. Juli 2012
wird die Ausrüstungspflicht mit ECDIS für Schiffe schrittweise eingeführt. Ab 2018 müssen
nahezu alle Schiffe in der internationalen Fahrt ECDIS an Bord haben.

2015 fuhr erstmals die Mehrheit der rund 60.000 Schiffe, die unter das SOLAS
Übereinkommen fallen, mit ECDIS. (SOLAS = International Convention for the Safety of
Life at Sea, Internationales Übereinkommen von 1974 zum Schutz des menschlichen
Lebens auf See). Die Technologie ist in der Schifffahrt akzeptiert; auch Schiffe, die noch nicht
ausrüstungspflichtig sind, setzen sie ein.

Mit diesem System hat sich die Navigation grundlegend geändert. Auch wenn die Grundidee
von ECDIS mit dem Konzept eines Navigationssystems auf der Straße vergleichbar ist, bietet
es sehr viel mehr Funktionen. Vereinfacht gesprochen ist es ein Navigationssystem, das den
aktuellen Wetterbericht und den Bericht zur „Verkehrslage“ in Echtzeit mit Warnberichten über
Gefahrenlagen und mit Informationen über den aktuellen Zustand des „Verkehrsweges“
kombiniert.

ECDIS ist heute also das zentrale System zur sicheren Schiffsführung und Navigation.
AIS - Informationen über andere Schiffe, unter anderem deren Name, IMO-Nummer,
Reiseziel, Kurs, Geschwindigkeit, gegebenenfalls auch Auskünfte über gefährliche
Ladung, können direkt im ECDIS dargestellt werden. In das System eingegebene
Informationen zum Tiefgang des eigenen Schiffes kombiniert mit Echolotdaten und den
Seekarteninformationen können vor zu geringer Wassertiefe warnen. Kombinierte
Seekarten- und Eigenschiffsbewegungsdaten informieren über die Annäherung an ein
Sperrgebiet. ECDIS wird zu einem Geodateninformationssystem an Bord der Schiffe und
damit langfristig ein Baustein auf dem Weg zum autonomen Fahren.
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Neue Produkte in der Kartographie

ECDIS verbessert die Möglichkeiten der Navigation erheblich. Doch wenn ein Schiff in den
Hafen fährt, sind die Fähigkeit der Verkehrszentralen und der Lotsen gefragt. Sie müssen vor
allem große Schiffe und Schiffe, die einen besonderen Tiefgang haben, sicher in den Hafen
bringen. Sehr detailgenaue Karten „ihrer Fahrwasser“ sollen sie bei dieser
verantwortungsvollen Aufgabe unterstützen. Das BSH hat 2015 in Zusammenarbeit mit der
Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) und der Bundeslotsenkammer
digitale Spezialkarten für die Revierfahrt entwickelt. Die Pilotphase für die Reviere
Rostock und Emden ist bereits angelaufen.
Fortschritt für den Meeresumweltschutz und die Überwachung von Schifffahrt und Meer

In den vergangenen 25 Jahren hat der Schutz der marinen Umwelt stark an Bedeutung
gewonnen. Damit wurden zahlreiche Innovationen auch in der Schifffahrt angestoßen und
eingeführt. Das BSH gewährleistet wichtige Anteile des Umweltmonitoring in Nord- und Ostsee kontinuierliche Meeresbeobachtungen ebenso wie Untersuchungen, die analysieren, wie sich die
Schifffahrt und die Meeresnutzung auf die Umwelt auswirken. Dabei wird eng mit
Forschungsinstituten und Universitäten, aber auch mit Partnern aus der Industrie
zusammengearbeitet.

Nur dauerhafte und regelmäßige Datenerhebungen zeigen, wie sich der Zustand der
Meere entwickelt, ob Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt greifen oder ob
ein Bedarf zur Nachsteuerung besteht.

Ergebnisse aus der Arbeit des BSH 2015
Letztes Jahr habe ich Ihnen berichtet, dass die Einleitung von Öl in das Meer erheblich
zurückgegangen ist. Insgesamt können wir auf der Basis unserer chemischen und physikalischen
Monitoring-Ergebnisse feststellen, dass in beiden Meeren die Konzentration solcher Schadstoffe,
die verboten oder streng geregelt wurden, immer weiter zurückgeht. Bei Paraffin-Einleitungen in
das Meer ist das leider noch nicht zu beobachten.

Auch auf Grundlage der Ergebnisse des BSH zu den Paraffinverschmutzungen hat die IMO
Ende 2015 den Regelungsbedarf für das Einleiten von Paraffin in die Meere auf die
Tagesordnung gesetzt. Wir freuen uns darüber, denn damit ist das Thema international
anerkannt.

Wir gehen davon aus, dass in der IMO eine internationale Regelung entwickelt wird, und wir
arbeiten bereits an einem Verfahren, um – ähnlich wie bei Ölverschmutzungen - die Herkunft
des Paraffins eindeutig identifizieren zu können.
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Ganz andere „Einleitungen“ haben auch positive Effekte:

Die Ostsee kann seit Dezember 2014 zum dritten Mal tief durchatmen. Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW)
berichteten von einem erneuten Einstrom großer Mengen Nordseewassers mit hohem
Sauerstoffgehalt in die Ostsee zwischen dem 14. und 22. November 2015. Insgesamt kamen
1,4 Gigatonnen Salz hinzu, eine Menge, die die Fläche der Größe der Stadt Hamburg fast
einen Meter hoch bedecken würde. Der Dezembereinbruch 2014 transportierte insgesamt
3,98 Gigatonnen Salz in die Ostsee.

Das IOW untersucht und überwacht im Auftrag des BSH den Zustand der Ostsee und
erhält seine Erstinformation durch das marine Umweltmessnetz (MARNET) des BSH.

Das Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut für Ostseefischerei geht davon aus, dass
sich mit diesem weiteren Salzwassereinbruch vor allem für Dorsche in der westlichen
Ostsee die Lebensbedingungen deutlich verbessern werden. Sehr vereinzelt fanden
Fischer „exotische“ Fische wie Mondfische, Dornhaie und Seehechte, die in
salzhaltigeren Meeren heimisch sind.
Neues zum Klima - wieder Rekordtemperaturen in der Nordsee

15°C und mehr an Heiligabend, Grillen statt Glühwein, offene Straßencafés – solche Bilder
sah man Weihnachten in Deutschland. Nach Aussagen des Deutschen Wetterdienstes (DWD)
war der Dezember 2015 der wärmste Dezember seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die
Wärme kam auch in der Nordsee an.

Dezember 2015 und Dezember 2006 wiesen mit 9,5 C die höchsten
Oberflächenwassertemperaturen seit Beginn der Messungen 1971 auf. Auffallend war,
dass zwischen dem 22. und dem 24. Dezember die Oberflächentemperatur ganz leicht
anstieg – ein im Dezember sehr ungewöhnliches Phänomen.

Die langfristigen Beobachtungen zeigen, dass die Temperaturen von Randmeeren wie Nord- und
Ostsee in den letzten Jahrzehnten erkennbar steigen. Ob dies noch im Bereich normaler
Temperaturschwankungen liegt, muss weiter untersucht werden. Generell ist die Bedeutung der
Meere ein großes Thema für die Klimaforschung, denn der Wärmehaushalt der Meere gibt
weiteren Aufschluss über den Klimawandel. Das BSH unterstützt auch diese Meeresforschung mit
Daten.
Erkenntnis braucht Daten - Automatisierung der Datenerfassung

Datenerfassung und -übertragung haben sich in den vergangenen Jahrzehnten gewaltig
verändert. Statt der 1990 noch üblichen Verbreitung mit Telex können heute Daten in „Echtzeit“,
d.h. zum Zeitpunkt der Messung, übermittelt werden. Das ermöglicht, Beobachtungen von
Satelliten mit sogenannten „InSitu“ (vor Ort erfassten)-Daten zu vergleichen, zu kombinieren und
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unmittelbar in Computermodellen weiter zu verarbeiten. Dieses Zusammenspiel macht heute auch
in der Ozeanographie immer bessere Vorhersagen möglich.

Seit 2005 sind alle 12 ortsfesten automatischen Messstationen des Marinen Umweltnetzes
MARNET des BSH in Nord- und Ostsee dauerhaft im Einsatz. Das BSH betreibt dieses
Messnetz arbeitsteilig mit dem IOW. Die MARNET-Stationen erheben im Stundentakt in
mehreren Wassertiefen Temperatur, Salzgehalt, Sauerstoff, Strömung und
Bruttogammastrahlung sowie wichtige meteorologische Daten wie Lufttemperatur,
Windrichtung und –geschwindigkeit.

Satelliten empfangen (einmal pro Stunde) die Daten der einzelnen Stationen und senden
sie in Echtzeit an das BSH und den DWD – unverzichtbare Daten unter anderem für die
Warndienste. Eine Station sendet pro Jahr 8.760 Datensätze. Ein Datensatz besteht aus
rund 25 Messwerten.

Um das Messnetz betreiben zu können, arbeiten wir sehr gut und eng mit der Wasserund Schifffahrtsverwaltung des Bundes zusammen. Sie unterhält die unbemannten
Feuerschiffe Ems, Deutsche Bucht und Elbe.

International von Bedeutung ist das Messsystem der ARGO-Floats – automatisierte
Treibbojen, die in den Weltmeeren ausgesetzt werden. Seit 1999 sind bis zu 4000 Floats
gleichzeitig unterwegs, das BSH steuert jährlich 35 Floats bei. Auch deren Ergebnisse sind
Bestandteil des Meeres-Monitorings.

Diese Floats erheben physikalische Daten wie Temperatur, Salzgehalt und Wasserdruck
für die Ozean-, Wetter- und Klimaforschung. Die ersten Floats aus dem Jahr 1999
erfassten Daten über 50 Tiefenstufen bis zu einer Tiefe von knapp 2000 m. Heute messen
sie über zirka 1.000 Tiefenstufen.

Erst die ARGO-Daten ermöglichten, das seit dem 16. Jahrhundert bekannte Phänomen
El-Niño wissenschaftlich aufzuklären und seine weltweiten Wechselwirkungen zu
erkennen.

Nach jetzigem Kenntnisstand hat El-Niño zwar kaum Auswirkungen auf Europa, das
derzeitige El-Niño Ereignis ist aber eines der heftigsten der letzten Jahrzehnte und richtet
in vielen Ländern dramatische Schäden an.

Ich sehe die Klima- und Meeresforschung der entwickelten Länder in der Pflicht, auch
weiterhin mit modernsten Beobachtungssystemen und intensiver Forschung dazu
beizutragen, verbesserte Vorhersagen und Warnungen zu entwickeln. Das gelingt nur in
enger internationaler Zusammenarbeit. Das BSH wird dies auch weiter nach Kräften
unterstützen.
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
Ein Beispiel dafür ist die europäische wissenschaftliche Kooperation EuroARGO, an der
auch das BSH mitwirkt. 2015 kamen im Rahmen dieser Kooperation erstmals Prototypen von
ARGO-Floats zum Einsatz, die bis zu 4.000 Meter tief tauchen und damit auch in die für die
Klimaforschung relevanten Tiefenwassermassen vordringen können.

Neben festen Stationen wie MARNET, Satelliten und ARGO Floats sind die Daten, die im
Rahmen schiffsgestützter Monitoringfahrten gewonnen werden, nach wie vor unentbehrlich.
Die Verteilung umweltrelevanter Stoffe - zum Beispiel von Chemikalien - in Nord- und Ostsee
können wir flächendeckend nur im Rahmen von Forschungsfahrten erfassen. Seit den sechziger
Jahren gehören die Fahrten durch die gesamte Nordsee mit ihren umfangreichen Sammlungen
von chemischen und physikalischen Umweltdaten zum festen Monitoring-Programm des BSH.

Die vom BSH erhobenen Daten werden nationalen und internationalen
Forschungsinstitutionen wie dem Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel,
dem Leibnitz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), dem Helmholz-Zentrum
Geesthacht (HZG) und anderen Einrichtungen für ihre Forschung zur Verfügung gestellt.

Mit dem weltweiten Datenaustausch steigt die Nachfrage nach Mobilfunkverbindungen und
Funkfrequenzen. Das betrifft den wissenschaftlichen Datenaustausch ebenso wie die
Navigationsunterstützung durch ECDIS und AIS. Der Aufteilung und sauberen Trennung der
einzelnen Frequenzen kommt eine immer größere Bedeutung zu, da das zur Verfügung stehende
Frequenzspektrum eine endliche Ressource ist. Mit dieser Aufgabe befasste sich die
Weltfunkkonferenz 2015, an der auch das BSH teilnahm. Frequenzen für neue Systeme der
Erdbeobachtung über Satelliten waren ebenso Thema wie Frequenzen und Regelungen für AnBord-Kommunikation von Schiffen.

Seit 1995 tagt die Weltfunkkonferenz alle 2 bis 4 Jahre, um unter anderem
Funkbetriebsverfahren zu definieren, Qualitätsanforderungen für Funkpersonal festzulegen
und Frequenzbänder an die verschiedenen Funkdienste wie zum Beispiel Seefunkdienst,
Flugfunkdienst und Rundfunkdienst zuzuweisen.
Internationale Übereinkommen und ihre Wirksamkeit – Anstoß für Innovationen

Ziel des Monitorings ist auch, herauszufinden, wie internationale Übereinkommen wirken. So sind
nicht nur die Wasserqualität, sondern auch die Luftverschmutzung durch Schiffe ständige und
hochaktuelle Themen.

Seit dem 1. Januar 2015 ist ein neuer Grenzwert für den Anteil von Schwefel in Kraft, der die
SO2 – Belastung in sogenannten Schwefelemissionsüberwachungsgebieten (SECA) um 90
Prozent senken soll; ein guter Grund, rechtzeitig die Entwicklung von Messstationen für
die Überwachung von Schiffsemissionen anzustoßen. Damit befasst sich das
Forschungsprojekt MeSMarT (Measurements of Shipping emissions in the Marine
Troposphere), das vom Institut für Umweltphysik der Universität Bremen im Auftrag und in
Kooperation mit dem BSH durchgeführt wird.
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
Um die Einhaltung der Grenzwerte durch die Schifffahrt zu überwachen, werden an Stationen
in Wedel und auf Neuwerk Messungen der Emissionen von Schiffen im Elbetransit
durchgeführt. Die Stationen erfassen den Schadstoffausstoß vorbeifahrender Schiffe
unmittelbar, und damit kann auf die Verwendung regelkonformen Kraftstoffs rückgeschlossen
werden.

Die ermittelte Zusammensetzung der Abgasfahnen liefert Hinweise auf mögliche Verstöße.
Damit können von den jeweiligen Schiffen Kraftstoffproben veranlasst und im BSH-Labor in
Sülldorf analysiert werden. Dieser zweite Schritt ist für einen gerichtsfesten Nachweis von
Verstößen notwendig.

Unsere Messungen im Jahr 2015 - seit Einführung des neuen Grenzwerts von 0,1 Prozent
Schwefel – zeigen, dass die Schifffahrt die Grenzwerte sehr gut einhält. Die Verschärfung
der Grenzwerte hat nachweisbar zu einer Verbesserung der Luftqualität geführt. Reeder und
die Motorenhersteller haben schnell reagiert.

Unsere Beobachtungen decken sich mit den Ergebnissen von Untersuchungen anderer
Länder, z.B. von Dänemark, die kürzlich veröffentlicht wurden.

Als nächster Schritt ist vorgesehen, die Stationen zu automatisieren und das Stationsnetz auf
6 Stationen weiter auszubauen. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur
unterstützt das Vorhaben und wird den Ausbau finanzieren.

Als weitere Technik zur Überwachung untersuchen die European Maritime Safety Agency
(EMSA) und die European Space Agency (ESA) den Einsatz von sogenannten Drohnen
(Remotely Piloted Airborne Systems), die direkt in die Abgasfahnen fliegen sollen. Auch
hieran beteiligt sich das BSH.

Wir ergänzen die stationären Messungen mit Messkampagnen auf einem
Forschungsschiff während der großen Sommeraufnahme. Mit diesen Daten kalibrieren wir
Daten, die über Satellit von dem Seegebiet der Nordsee erhoben werden. Dadurch lässt sich
ableiten, wie sich die neuen Grenzwerte über dem Seegebiet der Nordsee insgesamt
auswirken.
Das BSH beabsichtigt, den noch in der Ausschreibung befindlichen Ersatzbau unseres Vermessungs-,
Wracksuch- und Forschungsschiffes ATAIR mit einem Antrieb für LNG auszustatten.
Wir setzen uns schon lange für andere Optionen ein, die geeignet sind, die Emissionen von Schiffen
zu reduzieren. Um die Einführung des schadstoffarmen verflüssigten Gases (LNG) als
Schiffsbrennstoff anzustoßen, holte das BSH schon vor ein paar Jahren relevante Branchen –
Reedereien, Werften, Motorenhersteller, Klassifikationsgesellschaften und LNG-Lieferanten - an einen
Tisch. Inzwischen ist die Verwendung von LNG als alternativer Treibstoff anerkannt.
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Neues vom Ballastwasser-Übereinkommen

Ein weiteres wichtiges Umweltübereinkommen, mit dem wir uns seit Jahren befassen, ist das
Internationale Übereinkommen zur Kontrolle und Behandlung von Ballastwasser und
Sedimenten von Schiffen, das sogenannte Ballastwasser-Übereinkommen.

Seine ausreichende Ratifizierung rückt nun endlich in greifbare Nähe: Anfang Dezember 2015
haben 47 Staaten (notwendig sind 30) mit 34,56 Prozent der Welthandelstonnage das
Übereinkommen ratifiziert. Hier fehlen nur noch 0,44 Prozent an dem notwendigen 35 Prozent
Tonnagekriterium.

Auch die Einhaltung dieses neuen Übereinkommens muss überwacht werden. Dafür werden
effiziente Verfahren benötigt, mit denen das Ballastwasser der Schiffe schnell und zuverlässig
analysiert werden kann.

Nachdem das BSH 2013 mit einem Wettbewerb die Entwicklung solcher Verfahren
angestoßen hat, stehen inzwischen eine Reihe vielversprechender Lösungen zur Verfügung.
2015 hat das BSH mit Unterstützung des Kanadischen Ministeriums für Fischerei und Ozeane
das Projekt "Reliability of Ballastwater Testprocedures" (ReBaT) aufgesetzt.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 11 Ländern unter Leitung des BSH prüften an
Bord des Forschungsschiffs Meteor, das über eine Behandlungsanlage verfügt, 14 Verfahren
auf ihre Wirksamkeit. Der zulässige Anteil und die zulässige Größe fremder Organismen im
Ballastwasser darf nicht überschritten werden und die Analyseverfahren müssen hierüber
schnell und zuverlässig Auskunft liefern können.
 Ein erster Bericht über das Projekt auf der Londoner Ballast-Wasser-ManagementTechnologie-Konferenz am 08. Dezember 2015 erregte großes Interesse im Markt.
Abschließende Ergebnisse des Vergleichs der Verfahren erwarten wir im Februar 2016.
Aktive Unterstützung der Offshore-Windenergie
Nicht nur in der technologischen Entwicklung auf Schiffen oder bei der Umweltüberwachung ist das
BSH Innovationstreiber. Auch mit der Entwicklung der Verfahren zur Zulassung von OffshoreWindenergieanlagen und der Raumordnung auf See war das BSH weltweit Vorreiter.
Offshore-Windenergie – von der Genehmigung zur Bauaufsicht

2015 war ein ereignisreiches Jahr für die Offshore-Windenergie und damit auch für die Arbeit des
BSH. Auf See wird an vielen Stellen gebaut und damit hat sich der Schwerpunkt unserer Arbeit
von der Erteilung von Genehmigungen auf die Bauaufsicht verschoben.

Aktuell sind 4 Windparks in der Nordsee im Bau. 11 Windparks laufen bereits im Probebetrieb.
Wenn alle Nebenbestimmungen erfüllt sind, können die Windparks die abschließende
Betriebsfreigabe erhalten. Unter wirtschaftlichen Aspekten gibt es keinen Unterschied
zwischen einem Probebetrieb und einem Betrieb nach Betriebsfreigabe, da der eingespeiste
Strom regulär vergütet wird.
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
Ende des Jahres 2014 waren 135 Windenergieanlagen am Netz, Ende 2015 speisten 738
Anlagen mit 3 041 MW installierter Leistung Strom ein. Wir haben also heute bereits rund 50
Prozent der Ausbauziele für 2020 (6 500 MW) erreicht.

Für eine noch effizientere Arbeit in den Windparks hat das BSH zusammen mit dem
Havariekommando, der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger „DGzRS“, der GDWS
und Anlagebetreibern Seekarten und ein Handbuch „Windparks in deutschen Seegewässern“
entwickelt. Sie werden im Moment in Zusammenarbeit mit den zukünftigen Nutzern im
Praxisbetrieb geprüft und optimiert.
Das BSH – ein moderner und attraktiver Arbeitgeber
Wir engagieren uns auch dafür, das BSH als modernen und attraktiven Arbeitgeber zu gestalten
und bekannt zu machen.

So haben wir moderne und wirksame Methoden zur Personalauswahl und –gewinnung
eingeführt. In Ausschreibungen und Personalauswahlverfahren spielen sogenannte
„Softskills“ eine große Rolle, die mit Verfahren wie Rollenspielen oder praktischen Übungen
„abgeprüft“ werden.

Vor allem Führungskräfte stehen vor großen Herausforderungen. Sie werden den Wandel
managen, den die „Digital Natives“ – die schon mit der Digitalisierung aufgewachsenen jungen
Leute – mit sich bringen. Geeignete Foren und Führungskräftefortbildungen werden diesen
Prozess unterstützen.

Auf die „Neue Arbeitswelt“ haben wir uns schon 2014 mit einer neuen „Dienstvereinbarung
Gleitzeit“ eingestellt, die den Beschäftigten großen Spielraum in der individuellen Gestaltung
der Arbeitszeit gibt und gut angenommen wird. Telearbeit und flexible Teilzeitmodelle
ergänzen unsere Angebote.

Auf die besondere Herausforderung im Zusammenhang mit dem im Mai/Juni 2015 lang
andauernden Streik in Kindertagesstätten reagierte das BSH schnell mit flexiblen Angeboten
für seine Beschäftigten. Beispielsweise wurde die Möglichkeit eröffnet, von zuhause zu
arbeiten, Kinder mit zur Arbeit zu bringen oder noch mehr Gleittage zu nehmen.

Inzwischen haben wir die Möglichkeit geschaffen, bis zu 10 Tage mobil zu arbeiten. Dies hilft
den Beschäftigten in kurzfristigen Sondersituationen wie Streiks oder Verkehrsproblemen und
ist an keine persönlichen Voraussetzungen gebunden. Das Angebot wurde umgehend sehr
gut angenommen.
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Ausblick auf 2016

Das Wissenschaftsjahr 2016 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) steht
unter dem Thema „Unsere Ozeane – Deine Zukunft“. Das BSH wird sich gemeinsam mit dem
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) auf dem
Meeresumweltsymposium am 31. Mai und 1. Juni 2016 diesem Thema widmen.

Am 20. April werden das BSH und der DWD im Verbund des Klimacampus an die höchste
Sturmflut in Hamburg vor 40 Jahren erinnern und über Vorhersagen und Vorsorge informieren.

Am 8. Juni 2016 findet in Rostock der Ostseetag des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung
Warnemünde, des Thünen-Instituts, des Deutschen Meeresmuseum Stralsund und des BSH statt.
Freuen Sie sich auf Ergebnisse der Forschung des IOW und des Thünen-Instituts zum
Salzwassereinbruch in der Ostsee – das wird mit Sicherheit spannend.
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Aus Anlass des Wissenschaftsjahres wird auch unser Labor in Hamburg Sülldorf am 1. Oktober
einen Tag der Offenen Tür veranstalten. Dort erfahren Sie das Neueste rund um
Umweltüberwachung und Auswirkungen von Schifffahrt und Meeresnutzung.

Um Seeleute und Reeder noch besser zu betreuen, werden wir in 2016 einen 24/7/365-Dienst im
BSH einrichten. Die Fachabteilung ist dann rund um die Uhr - nicht mehr nur durch einen NotfallPlan - sondern auf direktem Wege über eine Service-Nummer erreichbar und steht durch eine
ständige Rufbereitschaft Reedern, Seeleuten und Behörden bei all ihren Fragen zur Verfügung.
Neuzuschnitte der Seekarten und Print on Demand
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Wir beobachten, dass sich durch den Einsatz von ECDIS der Bedarf an Papierseekarten
verändert. Daher werden wir in diesem Jahr die Seekarten für die Nordsee neu zuschneiden und
dabei ihre Gesamtzahl verringern, im Einklang mit den Bedürfnissen der Kunden. Zudem werden
wir ab 2016 im Bereich der Seekarten „Print on Demand“ einführen. Damit entfällt die händische
Berichtigung vor Auslieferung der Karten.
Neue Satelliten unterstützen die Meereskunde
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Die Analyse und Interpretation von Satellitendaten spielt für das Verständnis der Prozesse und
Systeme und ihrer Wirkungen im Meer eine immer wichtigere Rolle. Im Rahmen des europäischen
COPERNICUS-Programms (ehemals GMES – Global Monitoring for Environment and Security)
schickt die ESA (European Space Agency) den Sentinel 3a – Erdbeobachtungssatelliten am 4.
Februar 2016 in die Erdumlaufbahn. Er wird Land- und Ozeanfarben aufnehmen sowie Land- und
Meerestemperatur messen. Darüber hinaus erfasst er die Topographie von Meeresoberfläche und
Eis. Diese kombinierten Messungen sind wichtig für die Überwachung von Küsten, Vorhersagen
über Strömungen und Wellengang auf den Meeren und für Umweltdaten an Land. Das BSH wird
die Daten von Nord- und Ostsee auswerten und für die Nutzer aufbereiten.
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
Diese Daten werden die COPERNICUS-Dienste für marine Sicherheit, Meeresumwelt- und
Küstenschutz, Wetter, saisonale Vorhersagen, Klima und Fischbestandsmanagement
kontinuierlich verbessern.
Ersatzbau Atair
Die Baubeschreibung für den Ersatzbau ATAIR ist fertiggestellt. Die Ausschreibung läuft. Die Frist für
die Abgabe von Angeboten endet am 2. Februar 2016.
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