Unterrichtung des Personalrats über Leistungsprämien Ein

VG Frankfurt v. 28.7.2014 – 23 K 1741/14.F.PV
Unterrichtung des Personalrats über Leistungsprämien
Ein Personalrat kann aufgrund von § 62 Abs. 2 S. 1 HPVG verlangen, über die im einzelnen gewährten
Leistungsprämien, die Begründungen dieser Leistungsprämien und die Grundlagen der Leistungsfeststellungen unterrichtet zu werden.
VG Frankfurt/Main, Beschluss v. 28.7.2014 – 23 K 1741/14.F.PV –
Zum Sachverhalt
Der Antragsteller möchte über die Einzelheiten der Vergabe von Leistungsprämien an die Beschäftigten
im Eigenbetrieb Stadtentwässerung der A-Stadt während des Jahres 2013 unterrichtet werden.
Grundlage der Vergabe dieser Prämien sind vom Magistrat der A-Stadt beschlossene Richtlinien für
Leistungsträger/innen im Beschäftigungsverhältnis, letzter Stand 5. April 2012 (Bl. 4-6 d. A.). Diese
Richtlinien werden im Eigenbetrieb angewandt und waren Grundlage für die Vergabe der Prämien im
Jahr 2013. Zwischen den Beteiligten konnte vorprozessual keine Einigkeit darüber erzielt werden, in
welchem Umfang der Antragsteller über die Vergabe der Prämien an einzelne Beschäftigte zu
unterrichten ist. Der Antragsteller erhielt lediglich eine Auflistung, in der die Namen der Beschäftigten,
das Datum der Bewilligung, ihre Einsatzabteilung und der Betrag ausgewiesen waren (Bl. 7 f. d. A.).
Der Antragsteller will auch über die Begründungen der Einzelprämiengewährungen unterrichtet werden
einschließlich der Grundlagen der Leistungsfeststellungen. Er meint, diese weiteren Informationen
benötige er, um seinen Aufgaben nach § 61 Abs. 1, § 62 Abs. 1 Nr. 2 HPVG gerecht zu werden, da es sich
bei den Richtlinien um eine Verwaltungsanordnung handele.
Der Antragsteller beantragt, den Beteiligten zu verurteilen, den Antragsteller über die Begründungen
der im Jahr 23013 an Beschäftigte der Stadtentwässerung A-Stadt gewährten Leistungsprämien, über
die Begründungen der im Einzelnen gewährten Prämienhöhe sowie über die Grundlagen der Leistungsfeststellungen zu unterrichten.
Der Beteiligte beantragt, den Antrag abzuweisen.
Er macht geltend, der pauschale Hinweis auf § 61 Abs. 1, § 62 Abs. 1 HPVG genüge nicht. Es sei ein Bezug
zu einer konkreten Aufgabe erforderlich, da der Antragsteller kein allgemeines Aufsichtsorgan sei. Die
übermittelten Daten genügten für die in § 61 Abs. 1 HPVG festgelegte Überwachungsaufgabe. Einer
weitergehenden Datenübermittlung stünden auch Gründe des Persönlichkeitsschutzes entgegen.
Schließlich sei zweifelhaft, ob es sich bei den Richtlinien um eine Verwaltungsanordnung handele, da
die Vergabe der Prämien freiwillig erfolge und die Amtsleitung über deren Vergabe allein entscheide.
Außerdem verstoße die Einleitung des Beschlussverfahrens gegen den Grundsatz der vertrauensvollen
Zusammenarbeit, da die vorprozessualen Einigungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft worden seien.
Ein Heftstreifen Verwaltungsvorgänge ist zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht
worden. Auf seinen Inhalt und den der Gerichtsakte wird zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes
Bezug genommen.
Aus den Gründen
Der Leistungsantrag ist zulässig. Insbesondere fehlt nicht das Rechtsschutzinteresse, da die vorprozessualen Einigungsmöglichkeiten ausgeschöpft waren. Die Beteiligten hatten monatelang versucht,
einen einvernehmlichen Umgang mit der Streitfrage zu finden, ohne dass ihnen dies gelungen war.
Auch der Versuch einer gütlichen Einigung in der mündlichen Verhandlung blieb erfolglos, sodass jedenfalls für den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung von einem offenen und außergerichtlich nicht
beilegbaren Streit auszugehen ist.
Der Antragsteller kann die im Antrag zusammengefasste Unterrichtung nach § 62 Abs. 2 S. 1 HPVG
verlangen. Danach ist der Personalrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu
unterrichten. Ob und in welchem Umfang ihm dabei auch Unterlagen entsprechend § 62 Abs. 2 S. 2
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HPVG vorzulegen sind, ist nicht Streitgegenstand, da sich der Antragsteller für die Erfüllung seines
Unterrichtungsanspruchs jedenfalls derzeit mit jeder Art der Unterrichtung zufrieden gibt.
Die für den Unterrichtungsanspruch vorausgesetzte Aufgabenstellung ergibt sich aus § 61 Abs. 1 S. 1
HPVG. Danach hat neben dem Dienststellenleiter auch der Personalrat darüber zu wachen, dass die
Beschäftigten nach Recht und Billigkeit behandelt werden und Benachteiligungen aus Diskriminierungsgründen unterbleiben. Ergänzt wird diese Aufgabenstellung hier durch die Aufgabe, die zur
Vereinheitlichung der Prämiengewährung erlassenen und im Bereich des Beteiligten auch tatsächlich
angewandten Richtlinien für Leistungsträger/innen im Beschäftigungsverhältnis auf ihre korrekte
Anwendung zu überwachen (§ 62 Abs. 1 Nr. 2, letzte Alt. HPVG). Es handelt sich bei diesen Richtlinien
um eine Verwaltungsanordnung i. S. d. HPVG, da die Richtlinien einen gewissen Rahmen für das
Verfahren zur Gewährung von Prämien schaffen, die Höhe der Einzelprämien begrenzen und auch den
Leistungsgrund näher ausgestalten. Der Umstand, dass die Prämiengewährung selbst eine übertarifliche freiwillige Arbeitgeberleistung darstellt, ändert nichts daran, dass der Personalrat dazu berufen ist,
die vom Arbeitgeber insoweit selbst gesetzten Rahmenbedingungen auf ihre gleichmäßige und vollständige Anwendung im Verhältnis zu den Beschäftigten zu überwachen, um Verstöße im Einzelfall zu
ermitteln und dann ggf. gegenüber die Dienststellenleitung zu rügen, ggf. auch durch einen konkreten
Antrag i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 1 HPVG.
Die bisher an den Antragsteller übermittelten Informationen zur Prämiengewährung genügen nicht, um
eine korrekte Anwendung der erlassenen und auch tatsächlich angewandten Richtlinien überprüfen zu
können. Das betrifft insbesondere die Begründungen für die unterschiedlichen Prämienhöhen und die
Grundlagen der jeweiligen Leistungsfeststellungen als Basis der einzelnen Prämienzuteilung. Ziff. 3.4
Abs. 2 S. 1 der Richtlinien sieht ausdrücklich vor, dass die Gewährung der übertariflichen Prämien den
jeweiligen Beschäftigten begründet mitzuteilen ist. Diese Begründungen muss auch der Personalrat zur
Kenntnis erhalten, um prüfen zu können, ob die Annahme einer herausgehobenen besonderen Leistung
sich mit den Vorgaben der Richtlinien in deren Ziff. 1 vereinbar ist. So ist es durchaus vorstellbar, dass
einzelne Beschäftigte die Prämie lediglich zur Herstellung einer Grundmotivation erhalten, z. B. für ein
regelmäßiges pünktliches Erscheinen am Arbeitsplatz, was nach den Vergabegrundsätzen der Richtlinien offensichtlich keine herausgehobene besondere Arbeitsleitung und damit nicht prämienwürdig
wäre. Der Beteiligte hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass an ihn bzw. Vorgesetzte derartige Vorschläge jedoch herangetragen worden seien. Sie seien allerdings unberücksichtigt geblieben. Die
muss der Antragsteller nicht glauben, sondern hat Anspruch darauf, durch eine Unterrichtung über die
jeweiligen Leistungsgrundlagen selbst nachvollziehen zu können, ob tatsächlich nur herausgehobene
besondere Arbeitsleistungen honoriert wurden, bzw. was der Beteiligte unter solchen Leistungen
tatsächlich verstanden hatte. Nur dann kann er auch eigenverantwortlich prüfen, ob die Grenzen des
§ 61 Abs. 1 HPVG eingehalten wurden.
Ferner muss der Antragsteller in der Lage sein, die Einhaltung der Prämienhöchstsätze prüfen zu
können. Dazu ist er bisher ebenfalls nicht in der Lage.
Gründe des Persönlichkeitsschutzes stehen der Unterrichtung des Antragstellers nicht entgegen, da der
Unterrichtungsanspruch des Personalrats in seiner Ausgestaltung durch § 62 Abs. 2 HPVG eine
abschließende personalvertretungsrechtliche Konkretisierung des Datenschutzes und der Eingriffsbefugnisse in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung enthält. Dabei ist zu berücksichtigen,
dass die Mitglieder des Personalrats nach § 68 HPVG insoweit eine eigenständige qualifizierte
Verschwiegenheitsplicht trifft.
§ 62 Abs. 2 S. 5 HPVG steht dem Unterrichtungsanspruch nicht entgegen, da die individuellen Leistungsfeststellungen keine dienstlichen Beurteilungen darstellen. Diese nehmen eine Beurteilung der
gesamten Leistungen wie auch der individuellen Befähigung vor (vgl. § 40 HLVO). Damit sind die
begründeten Prämiengewährungen i. S. d. Ziff. 3.4 Abs. 2 S. 1 der Richtlinien nicht vergleichbar.
Der Antragsteller nimmt mit seinem Begehren nicht die Stellung eines allgemeinen Aufsichtsorgans ein,
überdehnt also seine Zuständigkeiten nicht. Der gegenteiligen Annahme des OVG NW (B. v. 20.9.2002 –
1 A 1061/01.PVB – PersR 2003, 161) vermag die Fachkammer aus den oben genannten Gründen nicht zu
folgen, da der Personalrat dann letztlich darauf verwiesen wäre, dem Beteiligten lediglich zu glauben,
ohne dessen Erwägungen auch nur nachvollziehen zu können.
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Die Fachkammer bezieht sich stattdessen auf die Rechtsprechung des BAG. Es nimmt für den vergleichbaren Anspruch aus § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG zu Recht an, dass ein Betriebsrat verlangen kann, bei
Prämienzahlungen aufgrund eines Zielvereinbarungssystems auch über den individuellen Zielerreichungsgrad unterrichtet zu werden (BAG B. v. 21.10.2003 – 1 ABR 39/02 – NZA 2004, 936; dem folgend
ArbG München B. v. 10.11.2010 – 38 BV 257/10 juris Rn. 13 ff.).
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