1 Beitrag Partikelforschung Autor: David Globig Gesprächspartner: Prof. Holger Schulz, kommissarischer Leiter des GSF-Instituts für Inhalationsbiologie; Prof. Erich Wichmann, Leiter des GSF-Instituts für Epidemiologie BEITRAG GERÄUSCH Drei Autos starten kurz nacheinander ihre Motoren und geben Gas, darüber: Tag für Tag pusten Autos, aber auch Heizungen, Kraftwerke und Industrieanlagen allein in Deutschland mehrere hundert Tonnen winziger Partikel in die Luft. Wir atmen diese Luft ein. Und damit beginnt für so manches der kleinen Teilchen eine Reise durch unseren Körper. Erläutert Prof. Holger Schulz, kommissarischer Leiter des Instituts für Inhalationsbiologie am GSF - Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in Neuherberg. O-TON Schulz: "Wenn es in der Lunge abgeschieden ist, dann kann es ins Lungengewebe eindringen. Und unsere Untersuchungen zeigen auch, dass es von dort in die Blutbahn gelangen kann. Und über das Blutsystem dann in andere Organe transportiert wird. D.h. das ist quasi eine Eintrittspforte, wie es sich im ganzen Organismus verteilen kann." Über die Lunge schaffen die Teilchen den Zugang am leichtesten. Für Feinstaub oder die noch kleineren, ultrafeinen Partikel sind die dünnen Membranen der Lungenbläschen keine besonders schwierige Hürde. Mit einer Größe von maximal einem Zehntausendstel Millimeter können Ultrafeinstäube bzw. Nanoteilchen auch über Magen und Darm oder über die Haut ihren Weg in und durch unseren Körper nehmen. Die Zahl der Partikel, die auf diesem Pfad durchkommen, ist allerdings viel geringer. Sind die Teilchen aber einmal im Organismus drin, können sie zum Problem werden. Dabei spielt unter anderem wieder ihre Größe eine wichtige Rolle. 2 O-TON Schulz: "Weil die Partikel über ihre sehr kleine Größe direkt in Zellen eindringen können und dort z.B. mit Proteinen interagieren können oder mit anderen Zellstrukturen. Das andere ist, dass diese ganz kleinen Partikel insgesamt gesehen aber eine extrem große Oberfläche haben. Man kann sich das so vorstellen, wenn man einen Fußball hat und würde den Fußball mit Tischtennisbällen ausfüllen, dann ist die Summe der Tischtennisbälle, die Oberfläche, deutlich größer als die des Fußballes. So ähnlich ist das mit den Nanopartikeln. Die haben eine ungeheuer große Oberfläche, mit der sie mit den biologischen Komponenten reagieren können." Die Wissenschaftler vom GSF - Forschungszentrum, das zur HelmholtzGemeinschaft gehört, haben in den vergangenen Jahren genauer untersucht, was Feinstaub und ultrafeine Partikel im Körper anrichten - besonders im HerzKreislaufsystem. Die winzigen Teilchen können z.B. Entzündungen fördern; außerdem das EKG verändern. Und sie haben einen Einfluss auf den Blutdruck. Besonders fatal ist allerdings, dass sie auch das Blutgerinnungssystem aktivieren können und Zellen zum Wachsen anregen, die unsere Blutgefäße auskleiden. Die möglichen Folgen reichen bis zum Herzinfarkt. In einer Studie mit Patienten aus Augsburg konnten die GSF-Forscher zeigen, dass das Infarktrisiko offenbar steigt, wenn man am Straßenverkehr teilnimmt, der ja besonders viel Feinstaub produziert. Das GSF-Institut für Epidemiologie versucht jetzt, mehr über diese Zusammenhänge herauszufinden. Dazu Institutsleiter Prof. Erich Wichmann: O-TON Wichmann: "Wir haben gerade eine Studie begonnen, wo Freiwillige mit Messgeräten, die ultrafeine Partikel messen können, über eine gewisse Zeit durch die Stadt gehen, sich an verschiedenen Stellen aufhalten. So dass wir dann gleichzeitig sehen können, wo waren die Personen, was haben sie getan, wie war dort die Belastung. Und auf der anderen Seite haben wir Symptom-Angaben und insbesondere eben auch Langzeit-EKGs, die mitlaufen. So dass man sieht: Gibt es hier einen Zusammenhang, schlägt sich diese Partikelbelastung auch kurzfristig innerhalb von Minuten oder Stunden auf EKG-Veränderungen nieder." Solche Erkenntnisse darüber, wie Umweltstäube wirken, wollen die GSF-Forscher auch auf synthetische Nanoteilchen übertragen. Also auf Winzigst-Partikel, die extra hergestellt werden. Zwar hat die Nanotechnologie - trotz aller Euphorie - noch nicht den großen Durchbruch geschafft. Aber sie steckt bereits in einigen Produkten: nanopartikelhaltigen Felgensprays etwa oder entsprechenden Badreinigern. In den kommenden Jahren dürften etliche Einsatzgebiete hinzukommen. Damit steigt 3 natürlich die Konzentration dieser Teilchen in der Umwelt. Außerdem möchten auch Mediziner Nanopartikel einsetzen, als mikroskopisch kleine Transportgefäße für Medikamente. Diese Behälter könnten Wirkstoffe direkt ins Innere von kranken Zellen hineinbringen. Unser Organismus dürfte also mehr und mehr mit Nanoteilchen konfrontiert werden. Holger Schulz und die anderen GSF-Forscher möchten deshalb schon jetzt die möglichen Risiken abschätzen. Dazu wollen sie beispielsweise untersuchen, wie Größe, Form und chemische Zusammensetzung das Verhalten dieser synthetischen Teilchen im Körper bestimmen. O-TON Schulz: "Unser Ziel ist eigentlich ganz klar, dass wir versuchen wollen, dort eine Systematik zu entdecken. D.h. festzustellen, welche Partikeleigenschaften führen zu einer hohen Aufnahme, welche Partikeleigenschaften zu einer niedrigen Aufnahme. Und dementsprechend könnte man z.B. synthetisch hergestellte Nanopartikel modifizieren, um eine Aufnahme in den Organismus zu reduzieren." Die GSF bietet sich hier als kompetenter Partner für die Industrie an. Sämtliches notwendige Fachwissen ist im Forschungszentrum bereits gebündelt - betont auch Erich Wichmann. O-TON Wichmann: "Wir arbeiten seit Jahrzehnten auf dem Gebiet der feinen und ultrafeinen Partikel in der Atmosphäre. Wir haben also hier große Institute, die nicht nur die Messtechnik beherrschen, die nicht nur die Verteilung in den Atemwegen und im Körper untersuchen können, sondern die auch epidemiologisch arbeiten. Vor zwei Jahren gab es eine Bewertung der Forschungsleistungen im Bereich der Luftschadstoffforschung. Und hier stand die GSF in Europa an erster Stelle. Also wir haben sozusagen den Nachweis erbracht, dass wir auf diesem Gebiet eine Kompetenz haben." Eine Kompetenz, die sich jetzt sehr gut für die Fragen nutzen lässt, die die Nanotechnologie aufwirft. ENDE
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