FB-11-Pr_sentation

Fallbesprechungen zum Grundkurs BGB II
für Wirtschaftsjuristen
Fallbesprechung XI
Philipp Ziegler
07.07.2015
Fallbesprechung XI
Sommersemester 2015
Fallbesprechungen zum Grundkurs BGB II
Philipp Ziegler
Sachverhalt:
Iffi Zenker betreibt in Augsburg einen Fahrradladen. Da sie die zur Reparatur des
Fahrrads von Berta Griese nötigen Ersatzteile nicht auf Lager hat, schickt sie am 7.3.
gleich zu Geschäftsbeginn ihren Angestellten Momo Sperling (M) mit dem
betriebseigenen Mountainbike nach Göggingen, um dort bei einem Großhändler die
Ersatzteile zu besorgen. M, der bei I und den Kunden ihres Ladens für seine
verwegene Fahrweise berühmt-berüchtigt ist, überfährt in der Hermanstraße eine
rote Ampel und kollidiert dabei mit dem Rolls-Royce des Phil Seeger (S). Bei dem
Unfall entsteht am Auto ein Sachschaden von 2500 Euro. M kommt mit dem
Schrecken davon, begibt sich aber auf Anraten der Polizei vorsorglich zu einer
Untersuchung ins Augsburger Zentralklinikum, von wo er sich bei I meldet und ihr
mitteilt, dass er die Ersatzteile heute nicht mehr beibringen könne.
07.07.2015
Fallbesprechung XI
Wintersemester 2014/2015
Fallbesprechungen zum Grundkurs BGB II
Philipp Ziegler
I beschließt deshalb, in der Mittagspause selbst mit der Straßenbahn nach Göggingen zu fahren.
Sie merkt jedoch erst an der Haltestelle, dass sie kein Geld zum Lösen eines Fahrscheines bei sich
hat. Da sie jedoch bei Berta Griese im Wort steht, deren Rad bis zum Abend repariert zu haben,
steigt sie ohne gültige Fahrkarte in die nächste Tram ein und gerät prompt in eine Kontrolle. Als
der Fahrkartenkontrolleur Theo Klages (K) gerade im Begriff ist, ihre Personalien aufzunehmen,
flüchtet sie beim nächsten Halt in den nahe gelegenen, ihr gut bekannten Stadtpark. K setzt ihr
jedoch nach. I erkennt bald, dass sie den besser trainierten K nicht abschütteln kann. Sie läuft
daher direkt auf einen Wassergraben zu und springt über diesen hinweg, wobei sie darauf hofft,
K werde dies nicht wagen. Aufgrund des dichten Bewuchses erkennt K den Graben jedoch zu
spät, so dass er ins Wasser fällt und sich den linken Knöchel bricht. Der Vorfall wird aber von dem
gerade im Park spazierenden Rentner Franz Wittig beobachtet, der die I erkennt und ihre
Identität sofort der von anderen Passanten herbeigerufenen Polizei offenbart.
Eine Woche später melden sich S und K bei I. Da M völlig mittellos ist, verlangt S von I 2.500 Euro
Schadensersatz. K will von I 1.500 Euro für ihm entstandene Heilungskosten sowie ein
Schmerzensgeld in Höhe von 2.500 Euro.
Zu Recht?
07.07.2015
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Teil 1
I. Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 I BGB?
– Keine Verletzungshandlung durch I
– Keine Zurechnung der Handlung des M, da § 823 BGB keine
Zurechnungsnorm
– Kein Fall des Organisationsverschuldens im Rahmen des § 823 BGB
II. Anspruch aus § 831 I S. 1 BGB?
1.
Verrichtungsgehilfe: Wer eine bestimmte ihm übertragene Aufgabe
weisungsgebunden für einen anderen ausführt und in sozialer Abhängigkeit
zu diesem steht (+)
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2.
Tatbestandsmäßige und rechtswidrige unerlaubte Handlung des Gehilfen
Inzidentprüfung von TB und RW eines Anspruchs aus § 823 I BGB des S gegen M
a)
b)
c)
d)
Eigentumsverletzung bei S (+)
Handlung des M (+)
Haftungsbegründende Kausalität (+)
Rechtswidrigkeit
– [L.v.Erfolgsunrecht: Rw dann gegeben, wenn Verletzungserfolg
eingetreten und keine Rechtfertigungsgründe vorhanden
(regelmäßig indiziert, wenn Tb (+);
L.v.Handlungsunrecht: Rw setzt voraus, dass Verletzungshandlung
rechtlich zu missbilligen war
e) Nicht (!) Verschulden des Gehilfen
3.
In Ausführung der Verrichtung
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4.
Verschulden der I
a) Eigenes Verschulden vom Gesetz widerleglich vermutet, § 831 I S. 2
BGB
b) Exkulpationsmöglichkeit, § 831 I S. 2 BGB (-)
5. Schaden/haftungsausfüllende Kausalität: 2500€
Ergebnis: Anspruch S gegen I in Höhe von 2500€ aus § 831 I
BGB
Teil 2: Ansprüche K gegen I
I. Anspruch auf Ersatz des ents. Schadens und
Schmerzensgeld gem. § 823 I BGB?
1.
Tatbestandsmäßigkeit?
a)
Rechtsgutverletzung?
Hier: Körperverletzung: Knöchelbruch
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b) Verletzungshandlung? (Flucht)
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Philipp Ziegler
Liegt der Schwerpunkt in einem Tun oder Unterlassen (Stehenbleiben?)
-> H.M.: Tun, da Flucht aktive Körperbetätigung darstellt
c) Haftungsbegründende Kausalität
(1) Äquivalenz (conditio sine qua non)
– Kausal ist danach jede Handlung, die nicht hinweggedacht werden
kann, ohne dass der Erfolg entfällt
– Hier: Flucht ist ursächlich für den Knochenbruch (+)
(2) Adäquanz
– Die Möglichkeit des Schadenseintritts darf nicht außerhalb aller
Wahrscheinlichkeit liegen. Ausschluss gänzlich unwahrscheinlicher
Kausalverläufe
– Hier: Nicht ganz unwahrscheinlich, dass sich Kontrolleur auf der
Flucht verletzt
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(3) Objektive Zurechnung: Schutzzweck der Norm
– Hat sich in der konkreten Rechtsgutsverletzung gerade die Gefahr
realisiert, vor der die vom Schädiger verletzte Verhaltenspflicht
schützen sollte. Eine bloß zufällige äußere Verbindung genügt nicht.
– Wertende Kriterien zur Einschränkung der Kausalität
– Häufig bei längeren Kausalketten zwischen Handlung und
Verletzungserfolg nötig, um ausufernde Haftung zu vermeiden
– Problematik der Verfolgerfälle: Eigener Willensentschluss des
Verfolgers tritt in die Kausalkette
– Frage: Ist der Verletzungserfolg noch einer Handlung des Verfolgten
zuzurechnen, oder dem Verfolger selbst?
– Rspr: Zurechnungszusammenhang (+), wenn folgende
Voraussetzungen gegeben (psychische Kausalität):
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– Zurechnungszusammenhang:
1) Herausforderung zu selbstgefährdenden Handeln
2) Verletzung beruht auf durch Herausforderung gesteigertem
Risiko (nicht mehr allgemeines Lebensrisiko)
3) Angemessenes Verhältnis zwischen Verfolgungszweck- und
Verfolgungsrisiko (Zweck-Mittel-Relation; billigenswerte
Motivation aus Sicht des Verfolgers)
– Hier:
1) I wusste, dass K beruflich dazu verpflichtet ist die Verfolgung
aufzunehmen (Herausforderung +)
2) K hat mit dem Sprung über den Graben eine erhöhte
Gefahrenlage geschaffen, die über das hinausgeht, womit man
auf einer Flucht allgemein rechnet
3) Nacheilen ist ein geeignetes und erforderliches Mittel zum
Ergreifen von Schwarzfahrern (auch verhältnismäßig)
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2.
Rechtswidrigkeit
• Lehre vom Handlungsunrecht: Tatbestandsmäßigkeit indiziert
Rechtswidrigkeit
• Rechtfertigungsgründe:
– Notwehrrecht der I nach § 227 BGB?
» Nein, da Festnahmerecht des K aus §§ 229 BGB, 127 stop
– Keine Rechtfertigung, I handelte rechtswidrig
3. Schuld?
a) Schuldfähigkeit, §§ 827, 828 BGB
b) Verschulden gem. § 276 I S. 1 BGB oder § 276 II BGB
– Hier: I hat die Verletzung bewusst in Kauf genommen (+)
4. Schaden/Haftungsausfüllende Kausalität?
a) Behandlungskosten, § 249 II S. 1 BGB
b) Schmerzensgeld § 253 I, II BGB, da Körperverletzung
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5.
Mitverschulden, § 254 BGB?
– (+) wenn durch Handlungsweise des Verfolgers (Geschädigten) der
Eintritt des Schadens in wesentlich höherem Maß wahrscheinlich ist.
Bewusstes Eingehen eines überzogenen Risikos.
– Hier: K kannte den Graben nicht, Schadenseintritt war für K nicht
vorhersehbar, für Gefahrensituation war allein I verantwortlich
Ergebnis: 1500€ Behandlungskosten aus § 823 I BGB und
2500€ Schmerzensgeld aus §§ 823 I, 253 II BGB
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II. Anspruch nach § 823 II S. 1 BGB i.V.m. § 223 I StGB
1.
Schutzgesetzverletzung?
a) Schutzgesetz
• Def: Jede Rechtsnorm, die, wenn auch nur neben dem Schutz der
Allgemeinheit, gerade dem Schutz Einzelner oder eines abgrenzbaren
Personenkreises gegen die Verletzung eines Rechts bzw. Rechtsguts dient
• Hier: §§ 223 I, 229 StGB Schutzgesetze (+)
b) Verletzung des Schutzgesetzes
•
•
Wenn vorsätzliche Körperverletzung, § 223 I StGB (+)
Wenn fahrlässige Körperverletzung, § 229 StGB (+)
2. Rechtswidrigkeit/Verschulden: siehe 1b)
3. Schaden, Mitverschulden s.o.
Ergebnis: Anspruch auf 1500€ Schadensersatz und 2500€ Schmerzensgeld
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