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Produkte Food
Die Schweizer Schokolade-Story
Von Peter Laternser
Die Schweizer Milchschokolade hatte für viele Leute eine beinahe magische
Bedeutung. Doch das Image bröckelt seit Jahren. Die Gründe dafür sind vielschichtig, zeigen aber exemplarisch die Marktverzerrungen bei Luxusrohstoffen
aus der dritten Welt.
Noch vor hundert Jahren war Schweizer Schokolade Spitze. Eine ganze Anzahl von Unternehmen entwickelte
neue Technologien, was dazu führte,
dass rund 70% der grundlegenden Erfindungen der Schokoladetechnologie
aus der Schweiz stammen.
Dass Schweizer Schokolade damals
gut und teuer war, versteht sich von
selbst. Auch die Anmutung der Milchschokolade als Kraftnährmittel lässt
darauf schliessen, dass die Bevölkerung das Produkt Schokolade anders
wahrnahm als heute. Die Unterteilung der Tafel in kleine Täfelchen ist
ein Hinweis darauf, dass Schokolade
in kleinen Portionen konsumiert wurde und man sich das Produkt buchstäblich «auf der Zunge zergehen»
liess. Damit wurden schon die Kinder
dazu angehalten Schokolade zu «degustieren», bewusst wahrzunehmen.
Das ermöglichte ganzen Generationen, die Qualität einer Schokolade zu
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beurteilen. Leider ist dies heute nicht
mehr der Fall.
Dass Schokolade auch noch süss und
sehr wohlschmeckend war, erhöhte
natürlich schon damals die Anzahl der
Personen, die Schokolade vordergründig als Stärkungsmittel nutzten – und
sich mit Genuss an der kleinen Freude
erlabten. Ein Phänomen, das auch
dem Eierlikör den Weg in jede Stube
öffnete. Etwas später fand die Schokolade – bis heute – den Weg in die Notportionen der Soldaten und in den
Rucksack der Touristen. Und während
der Weltkriege war dies ein Bombengeschäft für die Fabrikanten. Immerhin: Die guten Erträge führten
schon sehr früh dazu, dass investiert
wurde: In die Entwicklung von Rezepturen mit teueren Ingredienzien:
­Liqueure, Essenzen wie Orangen­Rosen- oder Kaffeeessenz, Mandeln
und Nüsse. Man legte Wert auf erstklassige Rohstoffe: ausgewählte
­ akaobohnen, die man aufwendig
K
röstete und presste, um die teure
Kakao­butter zu gewinnen, für den
­Eigengebrauch und als Ingredienz für
viele Arznei- und Kosmetikprodukte.
Raffinierter Zucker und Kondensmilch,
das eigentliche Geheimnis der Milchschokolade, welche damals aus
der buchstäblich bitteren Medizin
der ­gezuckerten Kakaomasse eine
wunderbare Leckerei machte.
Mit dem Wirtschaftswunder nach
dem zweiten Weltkrieg änderte sich
zwar vorerst nichts an der Qualität
der Schweizer Schokolade, aber an der
Verfügbarkeit. Die Armeen als Grossabnehmer des Produktes Tafelschokolade fielen weg, und die Kaufkraft der
Bevölkerung war schlecht. Die Schokoladeindustrie litt unter Überkapazitäten. Damit begann der Zerfall der
Qualität, weil sich der Markt vom Produzentenmarkt zum Konsumentenmarkt entwickelte. Wer billig anbot,
konnte nicht nur verkaufen, er konnte
auch um ein Mehrfaches grössere
Mengen verkaufen.
Billigprodukte wurden zur simplen
unkontrollierten Nascherei. Kinder
und Erwachsene sind heute fähig,
­eine Tafel Schokolade oder einen
Schokolade-Osterhasen in fünf Minuten aufzuessen. Von einem Mars-­
Riegel gar nicht zu sprechen. Diese
werden schon beinahe ganz verschluckt. Dass damit die Bedeutung
der Qualität, die Wahrnehmung des
komplexen und vielschichtigen Geschmacks auf der Strecke bleibt, ist
klar. Ehemals wurde Schokolade mit
allen Sinnen wie Zunge, Gaumen und
Nase degustiert und verinnerlicht.
Was vor hundert Jahren als grober
Verstoss gegen die guten Sitten
­schockiert hätte, ist heute normal.
– leider –
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Eine Trendwende
In dieser Situation investierte die Industrie daher nicht mehr in die Entwicklung von besseren Produkten,
sondern in billigere Produkte. Alles
nach dem Motto: Billige Rohstoffe
mit wenig Arbeit schnell zu einem
«preiswerten» Produkt verarbeitet.
Das Marketing orientierte sich gleichzeitig an den Wünschen der Kinder
und nicht mehr am verfeinerten Geschmack der besseren Gesellschaft.
Damit wurde Schokolade zum Massenprodukt in einem bigotten Markt,
in dem Zahnpasta teurer verkauft
wird als Schokolade, nur weil die Einkäufer auf Billigangebote und Schwellenpreise fixiert sind. Schokolade ist
für die Einkäufer zum Generikum
­geworden. Der Begriff «Premium»
wurde einzig zum Synonym für teure
Verpackungen, nicht aber für Qualität.
Heute hat sich die Situation wieder
gewendet: Der Käufermarkt ist gesättigt mit Billigstprodukten auf tiefstem
Qualitätsniveau. Das ist aber auch die
Basis für ein Umdenken von Konsumenten, die es leid sind, bestimmte
Produkte überhaupt noch zu kaufen,
weil das Angebot den Gaumen beleidigt und die Enttäuschung vorprogrammiert ist. Ein neues Produkt zu
Tiefstpreisen in diesen Markt hineinzudrücken ist heute auch für Produzenten uninteressant. Hingegen kann
es sich wieder lohnen, Extraqualität
zu produzieren und einen hohen Preis
zu fordern, wenn man die Liebhaber
für sich gewinnen kann.
Schöne Worte sind aber immer noch
wohlfeiler als Qualität. Im Prinzip ist
es heute einfacher, Schokolade von
guter Qualität zu produzieren als
noch vor zehn Jahren. Die Anlagen
sind besser, Rohstoffe werden besser
kontrolliert, und das Hygieneniveau
hat sich gehoben. Es frägt sich nur,
warum die Qualität von Premiumprodukten im Schnitt nicht besser wird.
Ein Grund liegt darin, dass die Kakaoplantagen vielerorts auf Grund der
tiefen Preise vernachlässigt wurden.
Arbeitskräfte waren zwar billig, aber
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für Investitionen reichte es nicht
mehr. Damit fiel die Qualität. Denn
vernachlässigte alte Bäume bringen
keine Spitzenqualität mehr.
Der Gegentrend
Mittlerweile hat sich ein Gegentrend
etabliert. Die Tafelschokolade bringt
das Image des Billigproduktes nicht
mehr los. Auch wenn sich beispielsweise Nestlé wieder mehr um die
Qualität kümmert. Nach langen Jahren der Vernachlässigung der Tafelschokolade ist man im Schweizer Produktionsbetrieb von Nestlé im freiburgischen Broc zur erstklassigen Qualität zurückgekehrt. In Form der neuen
«klassischen» Cailler Schokolade.
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CCA Wein & Bar
Für Weinschmecker
Der Trend geht jedoch weg von der
­industriellen Tafelschokolade zur gewerblichen «Frischschokolade», der
Schokolade, die nicht mehr bis zu einem Jahr oder noch länger im Kühllager und im Laden liegt, sondern die
­innerhalb von zwei Tagen nach der
Fertigstellung als gebrochene Tafeln
in den Laden kommt und sofort verkauft werden kann. Dieser Frisch­effekt
ist ein klarer Qualitätsgewinn. Und
Schokolade ist zum Frischprodukt geworden, das Preise löst, die bis zum
10-fachen der Tafelschokolade gehen.
Und damit in die Preiskategorie der
Pralinées gehört.
Der Erfinder dieses Konzepts «Frischschokolade», das Glarner Unternehmen Läderach, will nun noch eine
­Stufe weiterkommen. Anstatt die
Schokolade einzukaufen und der Produktionsqualität der Schweizer Schokolade- und Couvertureproduzenten
ausgeliefert zu bleiben, wird man in
Zukunft alles selber produzieren. Von
der Kakaobohne bis zur konsumfertigen Schokolade, die dann im eigenen
Laden verkauft wird. Gleichzeitig setzt
man auf Kacaoproduzenten, welche
Plantagen neu angelegt haben und
daher bessere Qualität zu höheren
Preisen produzieren können. – Damit
durchbricht Läderach das Billig-Image
von Schokolade nachhaltig. Sofern die
Rohstoff-Lieferanten auch in Zukunft
sehr gut bezahlt werden. Ω
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