Lösung - Lehrstuhl für Mechanische Verfahrenstechnik

Musterlösung: Partikelbewegung im Fluid
20. Januar 2016
Wiederholung
Ein Ausschnitt notwendiger Grundlagen für die Berechnung stationärer Sinkgeschwindigkeiten von Partikeln im Fluid.
Annahmen:
• Partikel starr, glatt und kugelförmig
• keine Wirkung anderer Partikel auf das betrachtete Partikel
• umgebendes Fluid turbulenzfrei abgesehen von den Verwirbelungen durch das Partikel
Das Kräftegleichgewicht auf das Partikel resultiert aus der Gewichtskraft FG , der Auftriebskraft FA und der Wiederstandskraft FW mit
FG − FA − FW = 0 ,
(1)
wie in Abbildung 1 dargestellt.
Dabei resultieren die Gewichts- und die Auftriebskraft aus dem Partikelvolumen Vp , dem
vorliegenden Beschleunigungsfeld a und der jeweiligen Dichte des Fluids ρf bzw. des Partikels
ρs , so dass
πd3p ρs a
6
πd3p ρf a
FA = mp a = Vp ρf a =
6
FG = mp a = Vp ρs a =
(2)
(3)
gilt. Die Widerstandskraft kann über
FW =
ρf 2
ρf 2 2
vs Apro cw =
v πd cw
2
8 s p
1
(4)
Wiederholung
Partikelbewegung vs ↓
FA
FG
FW
Abbildung 1: Kräftegleichgewicht am Partikel bei stationärer Umströmung
beschrieben werden, mit der Anströmfläche des Partikels Apro , der stationären Sinkgeschwindkeit vs und dem von der Reynolds-Zahl abhängigen Widerstandsbeiwert cw . Das
Einsetzen von Gl. (2), (3), (4) in Gl. (1) und Umstellen nach vs ergibt
vs2 =
4dp (ρs − ρf ) a
,
3cw ρf
(5)
eine Formel für die stationäre Sinkgeschwindigkeit, die für ein Partikel mit gegebenem Durchmesser dp , gegebener Dichte ρs und einem Fluid der Dichte ρf nur noch von dem Wiederstandsbeiwert cw abhängig ist. Dieser ist wiederum von der Art der Partikelumströmung und
somit von der Partikel-Reynolds-Zahl
Re =
vdp ρf
η
(6)
abhängig, mit der Dynamischen Viskosität η. Da die Reynolds-Zahl von der Sinkgeschwindigkeit und damit wiederum von sich selbst abhängig ist, empfiehlt es sich häufig die Umströmung über die Archimedes-Zahl zu charakterisieren.
d3p a(ρs − ρf )
3
Ar = Re 2 cw =
4
ν 2 ρf
Die kinematische Viskosität lässt sich hierfür über
η
ν=
ρf
(7)
(8)
bestimmen. Der Wiederstandsbeiwert kann für verschiedene Reynolds-Zahl-Bereiche durch
folgende Gleichungen angenähert werden:
Für den Stokes-Bereich bei Re < 0,5 respektive Ar < 9 durch
cw =
2
24
,
Re
(9)
Wiederholung
wodurch sich für die stationäre Sinkgeschwindigkeit nach Gl. (5)
vs =
d2p a (ρs − ρf )
18η
(10)
ergibt.
Für den Newton-Bereich 103 < Re < 2 · 105 bzw. 3 · 105 < Ar < 109 kann der cw -Wert
mit
cw ≈ 0,44
(11)
angenähert werden. Damit resultiert für die Sinkgeschwindigkeit
s
vs ≈
3dp g (ρs − ρf )
.
ρf
(12)
Für Reynolds-Zahl-Bereich 0 < Re < 2 · 105 und somit auch für den Übergangsbereich
0,5 < Re ≤ 2 < 103 bzw. 9 < Ar < 3 · 105 kann der Wiederstandsbeiwert über
cw =
24
4
+√
+ 0,4
Re
Re
(13)
nach Kaskas [1] zitiert nach [2, S.106] angenähert werden. Da durch Einsetzen von Gl. (13)
in Gl. (5) keine algebraisch nach vs auflösbare Gleichung entsteht, werden nachfolgend drei
Lösungswege empfohlen.
Iteratives Vorgehen Die stationäre Sinkgeschwindigkeit wird abgeschätzt, z. B. über die
stationäre Sinkgeschwindigkeit im Stokes-Bereich nach Gl. (10). Anschließend werden iterativ
folgende Schritte ausgeführt, bis die gewünschte Genauigkeit für vs erreicht ist:
1. Berechne Re über Gl. (6)
2. Berechne cw für den Übergangsbereich über Gl. (13)
3. Berechne vs über Gl. (5)
Sukzessive wird durch diese Iteration die Sinkgeschwindigkeit angenähert.
Grafisches Vorgehen Bei Kenntnis der Archimedes-Zahl lässt sich die Ljaŝĉenko-Zahl aus
Abbildung 2 ablesen. Aus der Ljaŝĉenko-Zahl
Lj =
4 Re
v 3 ρf
= s
3 cw
νa ρs − ρf
(14)
lässt sich durch Umstellen und Einsetzen von Gl. (8) die stationäre Sinkgeschwindigkeit
bestimmen.
v
u
u ηLj(ρs − ρf )a
3
vs = t
(15)
ρ2f
3
Aufgabe 1
2
10-1 5
2
10-2 5
2
10-3 5
2
10-4 5
2
10-5 5
2
10-6 5
2
10-7 5
-8 2
10
104
103
102
10
Re
Lj
106 5
2
105 5
2
104 5
2
103 5
2
102 5
2
10 5
2
1 5
1
10-1
10-2
10-3
2 5 25 25
25 25
25 25
25 25
25 25 25
10-2 10-1 1 10 102 103 104 105 106 107 108 109 1010
Ar
Abbildung 2: Kennlinie Ljaŝĉenko- über Archimedes-Zahl für kugelförmige Partikel im Fluid
[3, Fol. 4.7]
Wahl der richtigen Approximation Zur Berechnung der stat. Sinkgeschwindigkeit im
Übergangsbereich bei höherer geforderter Genauigkeit existieren verschiedene Approximationen der Form cw = aRe α , mit denen die Sinkgeschwindigkeit für verschiedene Umströmungsarten leicht algebraisch bestimmt werden kann. Eine Auflistung solcher Funktionen
mit zugehörigen Reynolds- und Archimes-Zahlbereichen befindet sich im Handbuch der Mechanischen Verfahrenstechnik [2, S. 105, Tab. 3-1].
Aufgabe 1
Aufgabenstellung: Berechnen Sie die stationären Sink- bzw. Wandergeschwindigkeiten
zweier kugelförmiger Kalksteinpartikel a) im Schwerefeld der Erde und b) im Zentrifugalfeld
(z = 200g).
Gegeben:
d1 = 1 µm
d2 = 40 µm
ρs = 2,65 g/cm3
η = 1 mPa · s
g = 9,81 m/s2
z = 200g
ρf = 0,998 g/cm3
4
Gesucht:
vs (d1 ,g)
vs (d2 ,g)
vs (d1 ,z)
vs (d2 ,z)
Aufgabe 2
Lösung: Für jede Partikel-Beschleunigungsfeld-Kombination wird die Archimedes-Zahl nach
Gl. (7) ermittelt, um den Umströmungsbereich zu bestimmen. Anschließend wird mit der jeweiligen Vorgehensweise die stationäre Sinkgeschwindigkeit bestimmt.
1a) Ar = 1,62 · 10−5 < 9
−→ Stokes-Bereich
Berechnung von vs durch Gl. (10):
vs = 9 · 10−7 ms = 3,2 mm
h
1b) Ar = 3,23 · 10−3 < 9
vs = 1,8 · 10−4 ms = 0,65 m
h
−→ Stokes-Bereich
2a) Ar = 1,04 < 9
−→ Stokes-Bereich
m
−3
vs = 1,44 · 10 s = 5,2 m
h
2b) Ar = 207
9 < 207 < 3 · 105
−→ Übergangsbereich
Durch das Ablesen im Diagramm in Abb. 2, kann eine Ljaŝĉenko-Zahl Lj ≈ 1,4 ermittelt
werden. Durch Gl. (15) erhält man die stationäre Sinkgeschwindigkeit mit vs ≈ 0,17 ms .
Aufgabe 2
Aufgabenstellung: Berechnen Sie die stationäre Sinkgeschwindigkeit des d50|3 eines Quarzhaufwerks mit einer RRSB-Größenverteilung (d63|3 = 0,35 mm, n = 1,55).
Gegeben:
RRSB-Verteilung:
n = 1,55
d63|3 = 0,35 mm
ηf = 0,9 mPa · s
Q3 (d) = 1 − exp −
d
d63|3
g
ρs = 3,15 cm
3
g
ρf = 0,998 cm
3
n Gesucht:
vs (d50|3 )
Lösung: Durch Umstellen der Formel für die RRSB-Verteilung nach d und Einsetzen von
Q3 (d50|3 ) = 0,5 lässt sich der d50|3 bestimmen.
d = d63|3
q
n
− ln(1 − Q3 (d)).
(16)
Es ergibt sich d50|3 = 0,276 mm = 2,76·10−4 m. Anschließend lässt sich die Archimedes-Zahl
sowie die stationäre Sinkgeschwindigkeit bestimmen.
Ar = 547
9 < 547 < 3 · 105
−→ Übergangsbereich
Lj ≈ 5,3
vs ≈ 0,047 ms
5
Literatur
Literatur
1.
Kaskas, A. A. Schwarmgeschwindigkeiten in Mehrkornsuspensionen am Beispeil der Sedimentation Diss. (TU Berlin, 1970).
2.
Schubert, H. Handbuch der Mechanischen Verfahrenstechnik (John Wiley & Sons,
2012).
3.
Tomas, J. Folien MVT 4 <http://www.mvt.ovgu.de/mvt_media/Vorlesungen/
VO_MVT/Folien_MVT_4.pdf> (2015).
6