Ernährungswende im Alltag – Strategien für mehr Nachhaltigkeit im Handlungsfeld Umwelt-Ernährung-Gesundheit Dr. Doris Hayn, Institut für sozial-ökologische Forschung im Rahmen der Tagung „Impulse für Landwirtschaft und Ernährung – Ergebnisse der sozial-ökologischen Forschung“ gefördert durch Das Projekt „Ernährungswende“ Problem: Nicht-nachhaltiger Umgang mit Nahrungswohlstand Ziel: Strategien für eine Ernährungswende, d.h. für Veränderungen in Richtung einer nachhaltigeren Ernährung Fragen: • Welche gesellschaftlichen Veränderungen sind notwendig, • Welchen Beitrag können verschiedene Akteursgruppen (Politik, Landwirtschaft, Industrie, Handel, Außer Haus-Anbieter, Verbraucherorganisationen, Krankenkassen, Bildungseinrichtungen etc.) leisten? Gesellschaftliche Veränderungen anstoßen, um individuelle Veränderungen zu erleichtern und zu fördern www. ernaehrungswende.de www.ernaehrungswende damit eine nachhaltige Ernährungspraxis im Alltag möglich ist? 2 Ziele nachhaltiger Ernährung (1) Nachhaltige Ernährung ist eine zugleich umweltverträgliche und gesundheitsfördernde Ernährung; Angebote und Strukturen sind alltagsadäquat gestaltet und ermöglichen soziokulturelle Vielfalt. • Vermeidung von Umweltbelastungen durch Erzeugung, Verarbeitung und Konsum von Lebensmitteln (Gewässer-, Boden- und Klimaschutz), Erhalt der biologischen Vielfalt • Vermeidung von Umweltrisiken • Auch: Angebote und Strukturen, die eine umweltverträgliche Ernährung fördern www. ernaehrungswende.de www.ernaehrungswende umweltverträglich 3 Ziele nachhaltiger Ernährung (2) gesundheitsfördernd und sozialem Wohlbefinden beitragen: entsprechende Veränderungen des Ernährungsalltags in gesundheitsrelevanten Settings wie Schule, Betrieb, Stadtteil soziokulturell vielfältig Nachhaltige Ernährung so gestalten, dass sie unterschiedliche Formen des Ernährungshandelns ermöglicht. Sie muss • die Pluralisierung von Lebensstilen aufnehmen sowie • unterschiedliche Lebenslagen und Genderzugänge berücksichtigen Nicht der eine richtige nachhaltige Ernährungsstil www. ernaehrungswende.de www.ernaehrungswende • Ausreichende Versorgung mit „gesunden“ Nahrungsmitteln • Vermeidung von Mangel- und Fehlernährung • Auch: Rahmenbedingungen, die zu körperlichem, geistigem 4 Ziele nachhaltiger Ernährung (3) alltagsadäquat Nachhaltige Ernährung ist im Alltag praktikabel und lässt sich in die individuelle alltägliche Lebensführung einbinden, d.h. • Angebote und Strukturen, die sich einfach in bestehende Alltagsroutinen • Ernährungsrelevante Informationen, die Komplexität reduzieren und damit Entlastung im Alltag schaffen • Leitbilder einer nachhaltigen Ernährung, die den KonsumentInnen Orientierung im Alltag geben und die symbolische Seite von Ernährung berücksichtigen www. ernaehrungswende.de www.ernaehrungswende integrieren lassen, mit diesen kompatibel sind oder selbst zur Routine werden können und die Ernährungsarbeit im privaten Haushalt erleichtern 5 Alltag als Ausgangspunkt einer Ernährungswende (1) Untersuchung der Alltagsorganisation und -gestaltung: Einbettung von Ernährung in den Alltag • Differenziertes Bild des Zusammenhangs von Ernährungsorientierungen und verhalten, Lebensstilorientierungen und sozialer Situiertheit • Besseres Verständnis des Ernährungshandelns unterschiedlicher Gruppen, Entwicklung einer Typologie von Ernährungsstilen • Identifikation von Handlungsmöglichkeiten und -barrieren in unterschiedlichen Alltags- und Lebensstil-Arrangements • Anregungen für eine zielgruppenspezifische Gestaltung von Lebensmitteln und Mahlzeiten, Informations- und Beratungsangeboten • Aufzeigen gesellschaftlicher „Notwendigkeiten“ Anforderungen an eine Ernährungswende aus KonsumentInnenperspektive www. ernaehrungswende.de www.ernaehrungswende insbesondere die Einstellungen und Motive „hinter“ dem Verhalten 6 Alltag als Ausgangspunkt einer Ernährungswende (2) Konventionelle Gesundheitsorientierte 20% Desinteressierte Fast-Fooder 12% Ernährungsbewusste Anspruchsvolle 13% Gestresste AlltagsmanagerInnen 16% Fitnessorientierte Ambitionierte 9% Freudlose GewohnheitsköchInnen 17% www. ernaehrungswende.de www.ernaehrungswende Billig- und Fleisch-Esser 13% 7 Alltag als Ausgangspunkt einer Ernährungswende (3) Die Ernährungsstile-Typologie ermöglicht: • Relativierung von weit verbreiteten Vorurteilen bzw. „Entschleierung“ von Mythen über den Ernährungsalltag als zentrales ernährungsstil-übergreifendes Hemmnis in Bezug auf nachhaltige Ernährung www. ernaehrungswende.de www.ernaehrungswende • Identifizierung von Be- und Überlastung im Alltag 8 Alltag als Ausgangspunkt einer Ernährungswende (4) „Entschleierung“ von Mythen über den Ernährungsalltag • Wachsende Bedeutung des Außer-Haus-Verzehrs und Verlagerung der Ernährung vom privaten in den öffentlichen Raum, aber keine totale Enthäuslichung der Ernährung • Hohe Wertschätzung von und Wunsch nach gemeinsamen Mahlzeiten • Verbreitung flexibler Mahlzeitengestaltung ist Tribut an Alltagsanforderungen und unterschiedliche Zeitrhythmen: neue, angepasste Rhythmen, keine Entrhythmisierung des Ernährungsalltags • Kein „Verlust der Ernährungskultur“, sondern Herausbilden neuer Handlungsmuster: gelungene Versuche, äußere Anforderungen, verinnerlichte gesellschaftliche Ansprüche und individuelle Motive sowie zeitliche und finanzielle Ressourcen im Kontext von Marktgegebenheiten und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zusammenzubringen www. ernaehrungswende.de www.ernaehrungswende und kommunikativer Esskultur: kein situatives „Einzelessen“ 9 Alltag als Ausgangspunkt einer Ernährungswende (5) Be- und Überlastung im Alltag als zentrales Hemmnis • Bedürfnis nach Entlastung, Wunsch nach Vereinfachung und Komplexitätsreduktion als Ansatzpunkt einer Ernährungswende • Unterschiedliche Art und Höhe der Belastung bei Ernährungsstilen • Zeit- und Arbeitsaufwand • Belastungen durch Mangel an Orientierungshilfen (alltagsadäquate Informationen und Ernährungsleitbilder) • Schlechte Verfügbarkeit nachhaltiger Ernährungsangebote (Versorgungsstrukturen) • Belastungen durch fehlende Unterstützung (von außen: Ernährung in Settings, im Haushaltskontext) • Geschlechtsspezifik der Be- und Überlastung (überwiegend alleinige Zuständigkeit der Frauen für Ernährungsarbeit und -verantwortung) www. ernaehrungswende.de www.ernaehrungswende • Finanzielle Belastung 10 Handlungsgrundsätze (1) Verantwortung teilen Kompetenzen stärken Qualitäten bündeln www. ernaehrungswende.de www.ernaehrungswende Strukturen bilden 11 Handlungsgrundsätze (2) Verantwortung teilen • KonsumentInnen auch einer gesellschaftlichen Verantwortungsübernahme: Entlastung und Unterstützung der Haushalte durch Akteure aus Wirtschaft und Politik, zivilgesellschaftliche Organisationen, Vereinigungen und Verbände Geteilte Verantwortung entsprechend den Handlungsmöglichkeiten und -spielräumen der Akteure Kompetenzen stärken • Stärkung der Fähigkeit, theoretische Kenntnisse und praktische • Fertigkeiten in konkreten Situationen in adäquates Handeln umzusetzen, z.B. Beurteilung der Qualität von Angeboten, Zubereitung, Einschätzung der Ernähungsausgaben (Alltagskompetenzen) Förderung der Kompetenzen für nachhaltigen Ernährung bei professionellen Akteuren (Fachkompetenzen) www. ernaehrungswende.de www.ernaehrungswende • Nachhaltige Ernährung bedarf neben der Eigenverantwortung der 12 Handlungsgrundsätze (3) Qualitäten bündeln • Verknüpfung unterschiedlicher Qualitäten: „bio“, „regional“, alltagsadäquat, gesundheitsfördernd, artgerechte Tierhaltung, fair gehandelt etc. • bei Produkten und Dienstleistungen sowie bei Ess- und Strukturen bilden • Aufbau verbindlicher und dauerhafter Strukturen für eine nachhaltige Ernährung in Organisationen (Betrieb, Schule, Krankenhaus) • Veränderung des Ernährungsalltags in Organisationen (Etablierung von Ernährung als relevante Themen, Überprüfung von Abläufen und Organisationskultur im Hinblick auf Ernährung und Lebensqualität) www. ernaehrungswende.de www.ernaehrungswende Einkaufssituationen 13 Ausblick Keine Kehrtwende, kein „Zurück zu Altem“ oder „alles neu und anders“ Aufgreifen und Ausbauen der Vielfalt bestehender Initiativen, akteursgruppenübergreifende Kooperationen und Netzwerke Anstatt Antworten auf die Frage „Wie sollen die KonsumentInnen sich ernähren?“ ein gesellschaftlicher Verständigungsprozess über die Frage „Wie wollen wir uns (als Gesellschaft) ernähren“ www. ernaehrungswende.de www.ernaehrungswende Ernährungswende als gesellschaftliches Gemeinschaftsprojekt Eine Ernährungswende muss im Alltag beginnen, sie kann jedoch nicht von den KonsumentInnen allein umgesetzt werden Verantwortungsübernahme ist grundlegende Voraussetzung: Beitrag von Politik, Unternehmen und Gesellschaft 14
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