Die Großschlachten des Weltkriegs und ihre Filmbilder Verdun, Somme, Skagerrak, Isonzo: Wie Mahnrufe stehen die Namen für das erbarmungslose Jahr 1916, in dem die Kombattanten des Ersten Weltkriegs mit einer bis dato ungekannten Mobilisierung von Menschen und Material an allen Fronten Entscheidungen zu erzwingen suchten. 1916 steht für die verlustreichsten Schlachten, für die „Blutmühlen“ an der Westfront. Es steht für das größte Seegefecht des Weltkriegs wie auch für seine erbitterten Gebirgskämpfe. Es steht für den Durchbruch Russlands in der Bukowina, den Feldzug Österreich-Ungarns gegen Montenegro, das Scheitern der Entente-Truppen in der Schlacht von Gallipoli und den Kriegseintritt Rumäniens. In der Erinnerung an den Krieg nahmen die Großschlachten von 1916 früh eine zentrale Stellung ein. Das manifestiert sich auch im Repertoire bewegter Bilder über den Weltkrieg: Vom bekanntesten Filmdokument aus der Kriegszeit selbst, dem britischen Propagandaerfolg THE BATTLE OF THE SOMME (1916), bis hin zu jüngeren Repräsentationen wie THE TRENCH (1999) oder UN LONG DIMANCHE DE FIANÇAILLES (2004) thematisieren Weltkriegsfilme beständig Ereignisse von 1916. Viele der ikonisch gewordenen Filmbilder, die der visuellen Imagination des Kriegs heute ihre Gestalt geben, beziehen sich auf jenes Jahr. Anlässlich der 100. Wiederkehr der Ereignisse gibt die vom Forschungszentrum Historische Geisteswissenschaften in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Filminstitut konzipierte Reihe an vier Abenden im Laufe des Jahres 2016 Gelegenheit, ausgewählte Werke von Filmschaffenden aus jener Generation in den Blick zu nehmen, die 1916 selbst erlebt hat. Jeder Film thematisiert ein Ereignis von 1916 und wird jeweils von einem Kurzfilm aus dem Kriegsjahr begleitet, der einen Eindruck davon gibt, was für Bilder der Kämpfe das damalige Kinopublikum zu sehen bekam. Zur Kontextualisierung der Filme wird jeder Abend mit zwei kurzen Fachvorträgen eingeführt, einem historischen und einem filmhistorischen. VERDUN, VISIONS D’HISTOIRE Donnerstag, 21. April 2016 · 20:00 Uhr Eröffnung und Empfang um 19.00 Uhr Die Schlacht um Verdun Filmkopie zur Verfügung gestellt von VERDUN, VISIONS D’HISTOIRE Frankreich · 1928 · stumm · s/w · 151 Minuten · DCP · frz. Zwischentitel mit engl. UT · Restaurierte Musikfassung mit der Originalmusik Produktion: Compagnie Universelle Cinématographique · Regie und Drehbuch: Léon Poirier · Kamera: Georges Million · Darsteller: Albert Préjean, Jeanne Marie-Laurent, Suzanne Bianchetti Als Vorläufer des Doku-Dramas zählt Léon Poiriers lange verschollener Semidokumentarfilm über die Schlacht von Verdun heute fast schon zu den kanonischen Werken unter den Weltkriegsfilmen. Anlässlich des zehnten Jahrestags des Waffenstillstands von Compiègne wollte Poirier ein pazifistisches Signal setzen, zumal das Kino den Krieg bis dahin auffallend selten thematisiert hatte. Um den größtmöglichen Authentizitätseffekt zu erzielen, ließ der Regisseur die Kämpfe an Originalschauplätzen durch Veteranen nachstellen und montierte die so entstandenen Aufnahmen mit Archivmaterial. Zur Dramatisierung des Geschehens und zur Universalisierung der Botschaft treten fiktionale Figuren auf, die jeweils symbolisch für größere Akteursgruppen stehen. Wie eindrucksvoll Poirier der angestrebte Eindruck von Echtheit gelang, wird durch den Umstand erhellt, dass manche Fragmente und Standfotos lange für Originaldokumente aus dem Krieg gehalten wurden, bis die Wiederentdeckung des Films 2006 ihre tatsächliche Herkunft enthüllte. Einführungen: Steffen Bruendel (Forschungszentrum Historische Geisteswissenschaften, Goethe-Universität Frankfurt), Vinzenz Hediger (Filmwissenschaft, Goethe-Universität Frankfurt) Vorfilm: Guerre 1914-15-16. Le Président de la République, le Prince de Serbie et le Général en Chef sur le Front de Verdun (FR 1916 · 8 Min.) Eintritt: 9 Euro (ermäßigt: 7 Euro) Dienstag, 05. Juli 2016 · 20:15 Uhr Die Schlacht an der Somme THE BATTLE OF THE SOMME Großbritannien · 1916 · stumm · s/w · 74 Minuten · DCP · Restaurierte Fassung mit Orchestermusik komponiert von Laura Rossi Produktion: British Topical Committee for War Films · Produzent: William F. Jury Regie: Geoffrey Malins · Kamera: Geoffrey Malins, John McDowell Das britische Kriegsministerium hatte Filmaufnahmen im Kampfgebiet generell untersagt, bis es 1916 aus propagandistischen Erwägungen die Entsendung zweier Kameramänner an die Westfront zuließ. Im Juni und Juli filmten diese die Vorbereitungen und ersten Kampfhandlungen der britisch-französischen Großoffensive an der Somme. Aus den Aufnahmen entstand – unter Beimischung nachgestellter Szenen – der erste dokumentarische Langfilm der Geschichte. In seiner Darstellung von Verwundeten und Toten verschob der Film die Grenzen dessen, was für die Leinwand als akzeptabel galt. Obwohl oder gerade weil die bis dato ungekannte Direktheit des Films das zeitgenössische Publikum schockierte, avancierte THE BATTLE OF THE SOMME zum ersten Kassenschlager der filmischen Auseinandersetzung mit Krieg – nicht nur in Großbritannien, sondern auch in verbündeten und neutralen Ländern. Einführungen: Monika Dommann (Historisches Seminar, Universität Zürich), Marli Feldvoß (Publizistin und Filmkritikerin, Frankfurt) Vorfilm: Sur le front de la Somme (Frankreich 1916, 5 Min.) THE BATTLE OF THE SOMME Eintritt frei Donnerstag, 13. Oktober 2016 · 20:15 Uhr Die Skagerrakschlacht DIE VERSUNKENE FLOTTE / WHEN FLEET MEETS FLEET Deutschland/Großbritannien · 1926/1927 · stumm · s/w · 97 Minuten · 35 mm · Engl. Fassung · Klavierbegleitung: Uwe Oberg Produktion: Lothar Stark-Film · Produzent: Lothar Stark · Regie: Manfred Noa, Graham Hewett · Drehbuch: Margarete-Maria Langen, Willy Rath · Kamera: Otto Kanturek, Bruno Timm · Darsteller: Bernhard Goetzke, Agnes Esterhazy, Nils Asther Die Ikonografie des Weltkriegs wird von Bildern seiner Materialschlachten zu Lande dominiert. Nur wenige Spielfilme thematisieren seine maritimen Schauplätze, DIE VERSUNKENE FLOTTE war der erste. Basierend auf einem Roman des früheren Marineoffiziers Helmut Lorenz, der dem Film auch als historischer Berater zur Seite stand, wurden, wie bei manch anderen Spielfilmen der 1920er Jahre, verschiedene Versionen für verschiedene Länder hergestellt. Erhalten ist einzig eine Kopie für den britischen Markt, die einige Aspekte der Romanvorlage im Hinblick auf die angenommenen Erwartungen des dortigen Publikums variiert. Eine komplexe Erzählung über die Möglichkeiten von Freundschaft unter Offizieren der deutschen und britischen Marine, über die Treue von Soldatenfrauen und über Schiffskameraden als Nebenbuhler gibt dem Film einen melodramatischen Handlungsrahmen. Die Schicksale der Figuren sind unausweichlich mit den Wendungen des Seekriegs verwoben, unter denen die Skagerrakschlacht als inszenatorischer Höhepunkt heraussticht. In Nebenrollen sind unter anderem Hans Albers und Heinrich George in der Frühphase ihrer Filmkarrieren zu sehen. Einführungen: Kai Nowak (Historisches Institut, Justus-Liebig-Universität Gießen), Philipp Stiasny (Cinegraph Babelsberg, Filmuniversität Potsdam) Vorfilm: Home on Leave (GB 1916, 7 Min.) Eintritt: 9 Euro (ermäßigt: 7 Euro) Dienstag, 13. Dezember 2016 · 20:15 Uhr Die Isonzoschlachten BERGE IN FLAMMEN Deutschland · 1931 · s/w · 109 Minuten · 35 mm Produktion: Les Films Marcel Vandal et Charles Delac · Produzenten: Charles Delac, Marcel Vandal · Regie und Drehbuch: Karl Hartl, Luis Trenker · Kamera: Sepp Allgeier, Albert Benitz, Giovanni Vitrotti · Darsteller: Luis Trenker, Lissy Arna, Claus Clausen In der Verfilmung seines gleichnamigen Romans verband Luis Trenker erstmals den Kriegsfilm mit dem Bergfilm, einem seinerzeit ebenfalls noch jungen Genre. An die Seite der neuzeitlichen Bedrohung des mechanisierten Kriegs tritt die überzeitliche Bedrohung der Naturgewalten. Die so situierte Handlung folgt einer simplen Grundidee: Der Beginn der Kämpfe in den Alpen macht aus zwei befreundeten Bergsteigern unversehens Feinde, weil der eine Österreicher ist und der andere Italiener. Indem der Italiener mit seinen Leuten die Sprengung der Gipfelstellung vorbereitet, die der Österreicher mit seinen Leuten hält, droht nicht nur der Hauptfigur, sondern auch der majestätisch-erhabenen Landschaft die Vernichtung. Schließlich erweist sich das Verbindende der Freundschaft – in Trenkers Worten: der Bergkameradschaft – als stärker als das Trennende des Kriegs. In seiner Anlage verbindet der Film das Motiv der nationalen Heldenbewährung mit dem der Verbrüderung und Versöhnung. Nach der Fertigstellung von BERGE IN FLAMMEN – der in einer deutschen und einer französischen Version zugleich gedreht wurde – realisierte Trenker eine zweite Verfilmung des Romans durch Universal Pictures, um auch den US-amerikanischen Markt für das Genre des Bergfilms zu erschließen. Einführungen: Peter Hoeres (Institut für Geschichte, Universität Würzburg), Rembert Hüser (Medienwissenschaft, Goethe-Universität) Vorfilm: La Guerra d’Italia a 3000 Metri Sull’Adamello (IT 1916, 12 Min.) BERGE IN FLAMMEN Eintritt: 9 Euro (ermäßigt: 7 Euro) Ein Projekt des Deutschen Filminstituts zusammen mit dem Gefördert von DR. BODO SPONHOLZ-STIFTUNG FÜR WOHLFAHRT, KUNST UND WISSEN Partner: Deutsches Filminstitut Deutsches Filmmuseum Schaumainkai 41 60596 Frankfurt am Main www.deutsches-filminstitut.de
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