Presseinformation Bankenregulierung gefährdet flächendeckende

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Bankenregulierung gefährdet flächendeckende Versorgung mit
Finanzdienstleistungen
 IG fordert grundlegende Änderungen der Aufsichtspraxis
 Klare Appelle an Regionalverbände und Produktpartner auf der
Mitgliederversammlung
 Michael Bockelmann, Georg Litmathe und Raimund Röseler referierten auf
Mitgliederversammlung der IG
Die seit 2008 im Zuge der Finanzmarktkrise vom deutschen und europäischen Gesetzgeber
praktizierte undifferenzierte Regulierung der Kreditwirtschaft gefährdet massiv die
flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Finanzdienstleistungen. Darauf weist die
Interessengemeinschaft kleiner und mittlerer Genossenschaftsbanken (IG) hin. Berend
Gortmann, Sprecher der IG und Vorstand der Volksbank Niedergrafschaft eG, stellte auf der
Mitgliederversammlung in Frankfurt in der vergangenen Woche unter starkem Applaus der Vertreter
von 122 der 424 Mitgliedsbanken fest: „Die Struktur der klassischen Ortsbank innerhalb der
deutschen Bankenlandschaft ist akut bedroht. Diese Entwicklung, die als Folge der
undifferenzierten Bankenregulierung immer deutlicher erkennbar ist, darf weder von der
europäischen noch von der deutschen Politik und den Aufsichtsbehörden hingenommen werden.“
Mit dem bisherigen Regulierungskurs drängten Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden nicht nur
ausgerechnet die Marktteilnehmer aus dem Markt, die sich während der Finanzmarktkrise am
stabilsten gezeigt haben, sondern sie setzten auch die flächendeckende Versorgung mit
Finanzdienstleistungen aufs Spiel. „Immerhin dreiviertel aller Genossenschaftsbanken in
Deutschland haben eine Bilanzsumme von nicht einmal 750 Millionen Euro“, so Gortmann. „Diese
gewährleisten gerade im ländlichen Raum ein flächendeckendes Netz an Bankstellen. Sollte die
derzeitige Regulierungspraxis beibehalten werden, wird diesen Instituten die notwendige Luft zum
Atmen genommen.“ Diese Banken könnten die zahlreichen umfangreichen regulatorischen Auflagen
weder personell noch finanziell verkraften. „Angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase und der
damit verbundenen Ertragsschmälerung ist dann der Weg in die Fusion vieler diese
Genossenschaftsbanken vorgezeichnet“, warnte Gortmann. Dadurch stiegen nicht nur die Risiken
für den Finanzsektor insgesamt, da immer weniger, dafür aber immer größere Banken das Geschäft
erledigten, damit sei auch unweigerlich eine Einschränkung der Finanzdienstleistung in der Fläche
verbunden. „Bei aller Beliebtheit des Online-Bankings sollte niemand annehmen, dies könne eine
persönliche Finanzdienstleistung vor Ort ersetzen“, mahnte Gortmann.
Die Mitglieder der IG erinnern Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden daran, es sei erklärtes und
unbestritten notwendiges Regulierungsziel, den Finanzsektor nach der Finanzkrise deutlich zu
stabilisieren. Kollateralschäden durch Probleme einzelner Banken sollten vermieden werden. Vor
diesem Hintergrund begrüßt die IG ausdrücklich den qualitativen Ansatz, bei der Aufsicht nach
Geschäftsmodell und Systemrelevanz zu unterscheiden. Allerdings ist die Umsetzung dieses Ziels
nach ihrer Auffassung gründlich misslungen. Deutlich macht dies ein Blick auf die
Größenordnungen im Markt. So werden beispielsweise systemrelevante Banken ab einer
Bilanzsumme von 30 Milliarden Euro einer direkten Beaufsichtigung durch die EZB unterworfen.
Eine genossenschaftliche Ortsbank mit gerade einmal 300 Millionen Euro Bilanzsumme, also einem
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Prozent des Größenanteils einer systemrelevanten Bank, werde aber mit vergleichbaren
regulatorischen Belastungen überzogen, betont die IG. Im Unterschied zur systemrelevanten Bank
betreibt sie jedoch ein einfaches und risikoarmes Geschäftsmodell, das sich ausschließlich auf ihr
Geschäftsgebiet konzentriert ('aus der Region für die Region').
Die derzeit praktizierte Umsetzung der Regulierung führt zu Wettbewerbsnachteilen der kleineren
Banken. Beispiele eines regulatorischen Overkills sind etwa das völlig aufgeblähte
Beauftragtenwesen, das bei kleineren Banken dazu führt, dass sie mehr Beauftragte als Mitarbeiter
haben, oder ein für Außenstehende geradezu skurriles Meldewesen. So umfasst die neue
europäische Meldevorschrift Corep (Common Reporting) unglaubliche 1.800 Seiten. Ein anderes
Beispiel: Die EZB plant ein umfangreiches Programm zur Erhebung von Kreditrisikodaten. Danach
sollen bereits bei Krediten ab 25.000 Euro bis zu 145 Einzelangaben gemeldet werden. „Damit wird
jede Finanzierung einer größeren Anschaffung zu einem umfangreichen Meldefall, ohne dass davon
auch nur ansatzweise eine Gefährdung des Finanzsektors ausginge“, kritisierte Gortmann.
Die IG fordert deshalb für kleine Banken durchgängig eine tatsächliche Anwendung des
verankerten Proportionalitätsprinzips mit Ausnahmeregelungen, Schwellenwerten und
Geringfügigkeitsgrenzen. “Wir nehmen gerne Geld in die Hand, um die Leistungen für unsere
Kunden zu verbessern. Wir sträuben uns aber dagegen, Erträge, die unseren genossenschaftlichen
Eigentümern zustehen, sinnlos für die Einhaltung aufsichtsrechtlicher Pflichten auszugeben, die für
unser Geschäftsmodell völlig überzogen sind. Um es einmal ganz klar zu sagen, wir brauchen keine
atomrechtliche Prüfung für Sonnenkollektoren auf Einfamilienhäusern“, forderte Gortmann unter
dem starken Beifall der Mitglieder.
Die Kunden der Mitgliedsbanken der IG schätzen deren Geschäftsmodell, wie die überproportional
hohen Marktanteile dieser Banken belegen. ‘Ihre’ Bank vor Ort sei für die Kunden durch die
Einbindung in den genossenschaftlichen Finanzverbund absolut konkurrenzfähig und „auf allen
heute üblichen Wegen erreichbar, persönlich oder digital“, so Gortmann. „Die Akzeptanz des
Geschäftsmodells mit unternehmerischer Verantwortung vor Ort ist hervorragend. Die Mitglieder
und Kunden schätzen ’Ihre’ Bank und wollen sie nicht missen.“
Klare Appelle an Regionalverbände und Produktpartner auf der Mitgliederversammlung
Ein weiteres wichtiges Thema der Mitgliederversammlung war die Zusammenarbeit mit den
genossenschaftlichen Regionalverbänden. Die Mitglieder der IG erwarten von ihren
Regionalverbänden eine praxisgerechte Unterstützung bei der Umsetzung allgemeiner
Grundsatzarbeiten, insbesondere bei der Bewältigung der hoch komplexen regulatorischen
Anforderungen. Erforderlich sind kostengünstige Leistungsangebote bis hin zu
Auslagerungsangeboten. Eigene Abteilungen, die sich ausschließlich um die Erfüllung
aufsichtsrechtlicher Pflichten kümmern, können und wollen sich die Mitglieder der IG nicht leisten.
Dadurch würden sich die Dienstleistungen für die Kunden unnötig stark verteuern. Damit die
Verbände diese Aufgaben den genossenschaftlichen Banken abnehmen können, bedarf es nach
Überzeugung der IG auf Verbandsebene Strukturen, Konzepte und Personalkompetenz, „die eine
mitgliedernahe Betreuung gewährleisten“.
Schließlich richteten die Mitglieder der IG auch einen Appell an die Produktanbieter aus dem
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genossenschaftlichen Finanzverbund. In Zeiten einer zunehmenden Mobilität und Digitalisierung
der Gesellschaft ist es für die IG unabdingbar, die Produkte der genossenschaftlichen
Produktanbieter von Flensburg bis zum Bodensee unabhängig von der Größe der Bank zu
vergleichbaren Preisen anbieten zu können. Dies werde aber dauerhaft nur gelingen, „wenn die
Vergütungsmodalitäten zwischen Verbundunternehmen und Primärbanken größen- und
mengenunabhängig, eben genossenschaftlich, ausgerichtet sind“, stellte Gortmann im Namen der
Mitglieder fest.
Michael Bockelmann, Georg
Mitgliederversammlung der IG
Litmathe
und
Raimund
Röseler
referierten
auf
Die jährliche Mitgliederversammlung der IG fand in diesem Jahr am 25. Juni 2015 in Frankfurt
statt. Neben dem Bericht des Vorstands standen Vorträge namhafter Referenten auf dem Programm.
Der Präsident des größten genossenschaftlichen Regionalverbandes, des Genossenschaftsverbandes,
Michael Bockelmann, sowie der Verbandsdirektor des kleinsten, oder wie Georg Litmathe es selbst
ausdrückte, „des fünftgrößten Genossenschaftsverbandes“, des Genossenschaftsverbandes WeserEms, präsentierten die jeweiligen Leistungsangebote ihrer Verbände.
Bockelmann betonte, für den Genossenschaftsverband gelte der Grundsatz: „Als Verband für alle
Mitglieder schaffen wir Lösungen, die unseren Mitgliedern ganz konkret nützen". Dabei ist der enge
Austausch mit den Mitgliedern unerlässlich, dies zeigt sich nicht nur in der Gremienstruktur des
Verbandes, sondern bestimmt auch den Ansatz, Prüfung immer mit Beratung zu kombinieren. Um
Banken aller Größenklassen zu unterstützen, hat der Verband unter anderem ein Pilotprojekt für
kleine und mittlere Banken als wichtige Mitgliedergruppe des Verbands durchgeführt, bei dem ein
spezialisiertes Team die Prüfung inhaltlich konsequent an institutsspezifischen Besonderheiten
ausrichtet. Gerade bei kleinen und mittleren Banken konnten so Prüfungszeiten deutlich reduziert
werden. Das Projekt soll nach dem erfolgreichen Abschluss im Verbandsgebiet ausgerollt werden.
Litmathe unterstrich für den Genossenschaftsverband Weser-Ems gelte: „Wir wollen die beste
Lösung für unsere Mitglieder.“ Der Verband lasse sich sowohl an der Qualität seiner Arbeit wie am
Preis-/Leistungsverhältnis seiner Dienstleistungen messen. Er empfahl, bei allen
Zukunftsüberlegungen den Grundsatz zu beherzigen, „so viel Dezentralität wie möglich, so viel
Zentralität wie nötig“. Für seinen Verband sei das Prinzip der Nähe wichtig, „und zwar nicht nur
räumlich, sondern auch emotional“.
Abgerundet wurde die Mitgliederversammlung durch einen Vortrag des Exekutivdirektors
Bankenaufsicht der BaFin, Raimund Röseler. Er referierte zu dem Vortragsthema „Kleine und
mittlere Genossenschaftsbanken im Spannungsfeld von Regulierung und Bankenaufsicht“
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