Leicht gestiegene Kreditnachfrage – weiterhin außergewöhnlich

Zur Lage der Unternehmensfinanzierung
Leicht gestiegene Kreditnachfrage – weiterhin
außergewöhnlich günstige Finanzierungssituation
Mai 2015
Die wirtschaftliche Erholung in Deutschland hat sich im 1. Quartal 2015 in einem moderaten
Tempo fortgesetzt. Gleichzeitig fragten Unternehmen und Selbständige in diesem Zeitraum –
erstmals seit mehreren Quartalen – mehr Bankkredite nach. Nach den Angaben der Bundesbank stieg damit der Bestand der Kredite im Unternehmensbereich leicht an. Weiterhin ist die
Finanzierungssituation der Unternehmen in Deutschland außergewöhnlich gut. Kredite sind für
viele Unternehmen vergleichsweise leicht und zu konkurrenzlos günstigen Zinsen
zu bekommen.
Deutsche Wirtschaft – solide, aber ohne Glanz
Die deutsche Wirtschaft ist im 1. Quartal dieses Jahres nur recht moderat gewachsen. Preisund saisonbereinigt stieg die gesamtwirtschaftliche Leistung gegenüber dem Vorquartal um 0,3
%. Das ist eine spürbare Verlangsamung gegenüber dem 4. Quartal 2014 und unterstreicht
noch einmal, dass der damalige Wachstumsschub (+0,7 % gegenüber dem Vorquartal) durch
Sondereffekte überzeichnet war.
Die Wachstumsimpulse kamen zum Jahresbeginn ausschließlich von der inländischen Nachfrage: Der Konsum der privaten Haushalte stieg ebenso wie die Bau- und Ausrüstungsinvestitionen und der Staatsverbrauch. Zwar konnten auch die Exporte der deutschen Wirtschaft
weiter zulegen; die Importe nahmen aber deutlich stärker zu, so dass der Außenhandel insgesamt in den ersten drei Monaten dieses Jahres negativ zur BIP-Entwicklung beigetragen hat.
Der Dämpfer durch den Außenhandel ist wiederum auf die relativ schwache Entwicklung der
Weltwirtschaft zurückzuführen. Anders als vor kurzem noch erwartet, konnte die globale
Konjunktur zum Jahresbeginn nicht an Kraft gewinnen. Nach ersten, vorläufigen Daten sank
das Welthandelsvolumen Anfang dieses Jahres deutlich. Maßgeblich dafür waren die weiterhin
schwache Konjunktur in den Schwellenländern sowie das nur minimale Wachstum der USWirtschaft im 1.Quartal. Da die US-Konjunktur vor allem durch einen extrem kalten Winter
belastet wurde, ist im zweiten Quartal allerdings mit entsprechenden Nachholeffekten zu
rechnen. Zusammen mit der sich fortsetzenden Konjunkturerholung in den anderen Industrieländern ist trotz des schwachen Jahresauftakts in diesem Jahr weiterhin eine allmähliche
Belebung der Weltwirtschaft das wahrscheinlichste Szenario.
Analog dazu bleibt auch der Ausblick für die deutsche Binnenkonjunktur unverändert. Der sich
fortsetzende Beschäftigungsaufbau, höhere Lohnabschlüsse sowie die äußerst niedrigen Zinsen
werden die inländische Nachfrage weiterhin stützen. Ein „Wackelkandidat“ bleiben allerdings
die Ausrüstungsinvestitionen. Bei dieser für die konjunkturelle Dynamik besonders wichtigen
Komponente zeichnet sich noch immer kein Durchstarten ab. Die Gründe sind vielfältig und
reichen von geopolitischen Unsicherheiten (insb. Ukraine-Konflikt) über Ungewissheiten im
Zusammenhang mit der Energiewende bis hin zu Irritationen über eine zu wenig wachstumsorientierte nationale Wirtschaftspolitik. Hinzu kommt, dass die Lohnstückkosten inzwischen
kräftig anziehen und die wachsende Zahl von Streiks in den Unternehmen zumindest ein
latentes Unbehagen bereitet.
Nimmt man alles zusammen, dann dürfte sich die wirtschaftliche Erholung in Deutschland mit
einem moderaten Tempo fortsetzen. Im Jahresdurchschnitt wäre dann weiterhin ein
Wirtschaftswachstum von etwa 1,8 % möglich.
Kreditnachfrage im 1. Quartal 2015 leicht angestiegen
Mit Blick auf die Lage der Unternehmensfinanzierung lässt sich ebenfalls eine solide
Entwicklung erkennen. Der aktuellen Kreditnehmerstatistik der Bundesbank zufolge fragten
Unternehmen und Selbständige im 1. Quartal 2015 spürbar mehr Kredite nach. Damit wuchs
der Kreditbestand im Unternehmensbereich insgesamt um 1,6 % zum Vorjahresquartal. Ein
besonders deutliches Wachstum war mit + 4,8 % gegenüber dem Vorjahresquartal bei
Kreditbanken zu beobachten. Hier trugen insbesondere ein deutliches Wachstum bei Regionalbanken und den Zweigstellen ausländischer Banken zur positiven Entwicklung bei. Offensichtlich nehmen diese die deutschen Unternehmen als attraktive Kundengruppe wahr. Aber
auch im Sparkassen- und Genossenschaftssektor gab es im Berichtszeitraum in der Summe
positive Wachstumsraten gegenüber dem Vorjahreswert (siehe Tabelle auf Seite 3).
Diese Entwicklung ist insofern bemerkenswert, da der Bestand der Kredite an Unternehmen
und Selbständige in den letzten Quartalen tendenziell stagnierte beziehungsweise leicht
rückläufig war. Die Bundesbank sieht den zuletzt erhöhten Finanzierungsbedarf für Fusionen,
Übernahmen und Unternehmensumstrukturierungen als einen Grund für die gestiegene
Nachfrage der Unternehmen nach Bankkrediten im Berichtszeitraum. Insgesamt profitieren die
Unternehmen weiterhin von einer außergewöhnlich guten Finanzierungssituation mit
konkurrenzlos günstigen Zinsen für Bankkredite.
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Kredite an inländische Unternehmen und wirtschaftlich Selbständige
(ohne Wohnungsbau und ohne Finanzierungsinstitutionen)
Jahr
Insgesamt*
Kreditbanken
Sparkassen
Genossenschafts-
und
sektor
Landesbanken
Stand am Jahres- bzw. Quartalsende in Mrd. €
2009
860,61
220,98
387,56
132,30
2010
857,36
215,77
384,01
148,39
2011
866,65
222,23
384,34
151,88
2012
871,00
222,31
384,51
162,61
2013
856,96
219,27
376,43
167,74
1. Q. 2014
856,28
220,29
374,25
169,51
2. Q. 2014
862,74
224,38
375,18
171,42
860,09
224,12
375,27
172,83
838,51
224,82
364,29
171,74
847,10
228,28
368,13
173,83
3. Q. 2014
4. Q. 2014
1. Q. 2015
1
Veränderung gegenüber Vorjahr (in %)
2009
-4,6
-8,4
-3,6
+4,8
2010
-0,4
+2,3
-0,9
+12,1
2011
+0,6
+0,9
+0,1
+3,9
2012
+0,3
-2,3
+0,6
+5,3
2013
-1,5
-1,5
-2,0
+3,1
1. Q. 2014
-1,8
-2,1
-2,4
+2,7
2. Q. 2014
+0,6
+0,9
-1,5
+3,1
3. Q. 2014
+0,0
+1,7
-1,4
+3,4
4. Q. 2014
-0,6
+0,6
-0,8
+0,4
1. Q. 2015
+1,6
+4,8
+0,3
+3,9
* Zum Berichtskreis gehören zusätzlich: Realkreditinstitute, Bausparkassen und Banken mit Sonderaufgaben.
Quelle: Deutsche Bundesbank Februar 2015.
Investitionen in die Infrastruktur
Die Bereitstellung einer modernen Infrastruktur (v. a. Verkehr, Energie, Kommunikation,
Bildung) ist eine wesentliche Voraussetzung für weitere private Investitionen. Private
Investitionen bilden die Grundlage für wirtschaftliches und nachhaltiges Wachstum. Vor diesem
Hintergrund setzte Bundeswirtschaftsminister Gabriel im August 2014 eine unabhängige
Expertenkommission ein, die sich mit den strukturellen und aktuellen Hürden verstärkter
Investitionen sowie möglichen Handlungsoptionen auseinandergesetzt hat. Die Mitglieder der
1
Bei den Bestandszahlen für das Kreditvolumen gab es im Dezember 2014 einen (statistischen) Sondereffekt, da die Bundesbank
aufgrund der Umstellung der Meldeanforderungen der EZB (Europäisches System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen, ESVG
2010) Umklassifizierungen beispielsweise bei Holding-Gesellschaften vornehmen musste. Die Differenz der Bestände spiegelt daher
nicht die durch Transaktionen entstandenen Veränderungen wider. Diese sind in den (bereinigten) Veränderungszahlen dargestellt.
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Kommission bilden ein breites Meinungs- und Interessenspektrum ab und haben im April 2015
ihren Abschlussbericht vorgelegt. Sie analysieren darin die Herausforderungen und schlagen
verschiedene Handlungsoptionen für neue Beschaffungs- und Finanzierungsinstrumente zur
Diskussion vor. Die Fortschritte sollen von der Kommission im kommenden Jahr evaluiert
werden.
Die Expertenkommission identifiziert aktuell keine Engpässe in der Finanzierung langfristiger
Investitionen und bestätigt damit die Einschätzung der privaten Banken, dass Liquidität – auch
aufgrund eines stabilen und effizienten Bankensektors – ausreichend zur Verfügung steht.
Sowohl die öffentliche Hand als auch die Unternehmen können zu vergleichsweise sehr
günstigen Konditionen Fremdkapital aufnehmen. Dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass
die Finanzierungsbedingungen in Zukunft auch wieder restriktiver werden können. Zudem ist
bei der Regulierung des Finanzsektors darauf zu achten, dass die Finanzierungskapazitäten für
die Zukunft nicht unnötig und mehr als von der Politik beabsichtigt eingeschränkt werden.
Die Bereitstellung öffentlicher Infrastruktur erfolgt klassischerweise über den Staat und wird
mit Haushaltsmitteln (Steuern) oder Nutzungsentgelten (Gebühren) finanziert. Diese
Investitionen entziehen sich dem betriebswirtschaftlichen Begriff der Rentabilität, sie müssen
aus gesamtwirtschaftlicher Sicht rentabel sein. Privatwirtschaftliche Investitionen dienen
dagegen der Gewinnerzielung, private Investoren müssen mit Blick auf eine Investition mit
einer Rendite kalkulieren. Daher sind betriebswirtschaftlich unrentable Projekte (einschließlich
solcher, die als Öffentlich-Private-Partnerschaften/ÖPP durchgeführt werden) für sie nicht
darstellbar.
Gleichwohl kann die Einbeziehung von Privaten bei öffentlichen Infrastrukturinvestitionen (auch
als ÖPP) sinnvoll sein, sofern die Rahmenbedingungen stimmen. Nicht-öffentliche Partner
können Teil der Lösung sein, wenn ein echter Risikotransfer auf sie stattfindet. Das reine
Einsammeln von Kapital allein genügt dafür nicht. Die Übertragung des überwiegenden Teils
des unternehmerischen Risikos kann wichtige Vorteile für die öffentliche Hand bedeuten:
Kosten- und Terminsicherheit, eine höhere Effizienz und bessere Qualität, vor allem, wenn
auch die spätere Nutzungsphase mit in die Betrachtung einbezogen wird. Voraussetzung sind
stabile Einnahmen aus Steuern oder Nutzerentgelten. Die damit verbundene Streckung der
finanziellen Belastung der öffentlichen Hand schafft keine Schattenhaushalte – im Gegenteil:
Von Beginn an besteht für viele Jahre Klarheit über die Finanzlast.
Bei den von der Expertenkommission diskutierten neuen Lösungsansätzen ging es auch darum,
Fehler, die in der Vergangenheit teilweise bei Öffentlich-Privaten-Partnerschaften (ÖPP)
gemacht wurden (insbesondere unklare Risikoteilung und Vertragswerke) zu vermeiden.
Sinnvoll wäre es auch aus Sicht der privaten Banken, wenn Lösungsansätze möglichst
großvolumig – durch Pooling von Infrastrukturprojekten, Zentralisierung von Entscheidungsprozessen – und mit einem Risikotransfer erfolgen, so dass beide Seiten profitieren, und damit
eine Finanzierungslösung gefunden wird, die ökonomisch nachhaltig ist.
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Kreditvergabestandards für Unternehmen in Deutschland leicht…
Nach den Ergebnissen des Bank Lending Survey der EZB für das 1. Quartal 2015 haben die
deutschen Banken ihre Kreditstandards mit Unternehmen per Saldo wieder leicht gelockert. Die
Anwendung der Kreditstandards der Banken für die Gewährung von Krediten an kleinere und
mittlere Unternehmen wurde demzufolge recht deutlich gelockert, während sie für große Unternehmen marginal anzog. Bei den erfragten Bedingungen – erfasst werden unter anderem
Sicherheitenerfordernisse, Zusatzvereinbarungen und Kreditnebenkosten – kamen die Banken
ihren Unternehmenskunden etwas entgegen.
Bank Lending Survey
Anteil des Saldos von Verschärfungen und Erleichterungen der
Kreditvergabestandards der Banken an den Meldungen
70
Verschärfungen
50
Positive Salden zeigen
Verschärfungen, negative Salden
Erleichterungen der Kreditvergabestandards der Banken an.
30
10
-30
2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015
Euro-Raum
Deutschland
Lockerungen
-10
Quellen: EZB und Deutsche Bundesbank, April 2015.
… und im Euro-Raum spürbar gelockert
Im übrigen Euro-Raum haben die Banken ihre Vergabestandards im Firmenkundengeschäft
(gegenüber dem Vorquartal) spürbar gelockert. Besonders deutlich fielen diese Lockerungen in
Italien, Frankreich und den Niederlanden aus, während in Spanien die Kreditstandards gegenüber dem Vorquartal in der Summe unverändert blieben. Die Nachfrage nach Krediten vonseiten der Unternehmen im Euro-Raum nahm nach den Ergebnissen der Befragung im 1. Quartal 2015 nur leicht zu. Die Refinanzierungssituation verbesserte sich nach Angabe der Banken
im Euro-Raum weiter. Das Niveau ihrer Kreditstandards schätzen die Banken im Euro-Raum –
trotz der aktuellen Lockerung – derzeit als relativ straff ein.
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Niedriges Zinsniveau stützt Kreditnachfrage
Im 1. Quartal 2015 hat sich das extreme Niedrigzinsumfeld weiter verfestigt. Die Zinsen für
kurzfristige Bankkredite sanken leicht und für langfristige spürbar. So verlangten die Banken
für kurzfristige Kredite an
Effektivzinssätze von Krediten bis 1 Mio. €
an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften
(Neugeschäft)
inländische nichtfinanzielle
Unternehmen Ende März
2,7 % für kleinvolumige
beziehungsweise 1,5 % für
3,8
großvolumige Kredite. Die
3,3
Zinsen für kleinvolumige
2,8
und für großvolumige
langfristige Kredite an
2,3
nichtfinanzielle Unterneh-
1,8
1,3
Apr 13
men lagen zuletzt bei
Jul 13
Okt 13 Jan 14 Apr 14
Jul 14
Okt 14 Jan 15
1,9 % beziehungsweise
1,7 %. Die Zinssätze für
Kredite mit anfänglicher Zinsbindung bis 1 Jahr
Unternehmenskredite sind
Kredite mit anfänglicher Zinsbindung von über 1 bis 5 Jahren
damit weiterhin auf
Kredite mit anfänglicher Zinsbindung von über 5 Jahren
historisch niedrigem
Niveau.
Quelle: Deutsche Bundesbank, Mai 2015.
Effektivzinssätze von Krediten über 1 Mio. € an
nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften
(Neugeschäft) in %
3,5
3,0
2,5
2,0
1,5
1,0
Apr 13
Jul 13
Okt 13
Jan 14
Apr 14
Jul 14
Okt 14
Jan 15
Kredite mit anfänglicher Zinsbindung bis 1 Jahr
Kredite mit anfänglicher Zinsbindung von über 1 bis 5 Jahren
Kredite mit anfänglicher Zinsbindung von über 5 Jahren
Quelle: Deutsche Bundesbank, Mai 2015.
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