VEA Bundesverband der Energie-Abnehmer

STELLUNGNAHME
des Bundesverbandes der Energie-Abnehmer e.V. (VEA)
zum „Leitfaden zur Eigenversorgung“ der BNetzA
(Konsultationsfassung, Stand: 16. Oktober 2016)
Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat den vorstehenden Leitfaden veröffentlicht und bis zum
20. November 2015 zur Konsultation gestellt. Der Bundesverband der Energie-Abnehmer
e.V. (VEA) nimmt im Folgenden für seine Mitglieder die Möglichkeit zur Stellungnahme wahr.
Die Rechtsanwälte RITTER GENT COLLEGEN haben den VEA bei der Fertigung der
Stellungnahme unterstützt.
I.
Vorbemerkung
Der energieintensive Mittelstand ist auf die Privilegierung der Eigenversorgung gemäß § 61
EEG in besonderem Maße angewiesen, da dieser nur in wenigen Einzelfällen auf die
Besondere Ausgleichsregelung der §§ 63 ff. EEG zurückgreifen kann. Die Eigenversorgung
stellt ein notwendiges Mittel dar, mit welchem der Mittelstand seine Energiekosten zum
Erhalt der (internationalen) Wettbewerbsfähigkeit reduzieren kann und zugleich einen
wesentlichen Beitrag zur Energiewende leistet. Die umgesetzte Eigenversorgung ist
regelmäßig hocheffizient und umweltschonend.
Der VEA begrüßt daher die Veröffentlichung des Leitfadens, da es bei der Auslegung der
Vorschriften zur Eigenversorgung des § 61 EEG bisher große Rechtsunsicherheiten gibt. Der
Leitfaden beseitigt diese Unsicherheiten in vielen Punkten. Dabei sind seine klare
Formulierung, die Verdeutlichung des Gesagten anhand zahlreicher plakativ dargestellter
Beispiele und seine insgesamt ausgewogen Prägung besonders zu loben.
Der VEA sieht jedoch die Notwendigkeit, den Leitfaden in einigen sehr praxisrelevanten
Auslegungsfragen weiter zu konkretisieren, und es gibt hierneben einige Kritikpunkte.
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II.
Zu ergänzende und zu vertiefende Regelungspunkte
1.
Zur sicheren Bestimmung der Betreiberstellung muss der Begriff des
wirtschaftlichen Risikos konkretisiert werden.
Die BNetzA führt zutreffend auf Seite 19 des Leitfadens aus, dass nur derjenige
Betreiber einer Anlage sein kann, der das wirtschaftliche Risiko an der Anlage trägt.
Versäumt wird jedoch, Kriterien zu formulieren, anhand derer das wirtschaftliche
Risiko zu bewerten ist. Hieraus resultieren in der Praxis große Unsicherheiten bei
der Gestaltung gängiger und von der BNetzA grds. akzeptierter Pachtmodelle und
es sind Streitigkeiten im beträchtlichen Ausmaß abzusehen. Es besteht folglich eine
große Notwendigkeit, dass die BNetzA Kriterien zur Bewertung des wirtschaftlichen
Betreiberrisikos definiert.
2.
Die BNetzA muss klarstellen, in welchen Fällen eine umlagebefreite
„Eigenerzeugung“ gemäß § 61 Abs. 3 und 4 EEG vorliegt.
§ 61 Abs. 3 und 4 EEG regelt, unter welchen Voraussetzungen eine „Eigenerzeugung“ Bestandschutz genießt. Die BNetzA führt zu Recht auf Seite 55 des
Leitfadens aus, dass das Vorliegen einer „Eigenerzeugung“ auf Grundlage der
Vorgaben des § 37 Abs. 3 EEG 2012 zu bewerten ist. Es genügt jedoch nicht, dass
die BNetzA insoweit auf die alte Rechtslage und in Fußnote 112 auf die dort
aufgeführten Rechtsgutachten verweist. Über diesen Verweis lässt sich keine
Rechtssicherheit herbeiführen. Denn die beiden Gutachten kommen gerade bei der
Auslegung der erforderlichen Personenidentität und der damit einhergehenden
Bewertung von gängigen „Eigenerzeugungskonstellationen“ teilweise zu unklaren
oder sogar widersprüchlichen Ergebnissen. Bespielhaft wird auf die unklaren und
sich widersprechenden Beurteilungen von Mehrpersonenbetreiberverhältnissen
verwiesen (vgl. Salans-Gutachten, S. 33 – zweifelt Eigenerzeugung bei Eigentumsgemeinschaft und beim Scheibenmodell an; Gleiss/Lutz-Gutachten, S. 15 – bejaht
Eigenerzeugung bei Eigentumsgemeinschaft).
Diese Unklarheiten müssen beseitigt werden. Die Unternehmen dürfen nicht erst
durch den Bundesgerichtshof erfahren, ob das von ihnen praktizierte Modell die
Voraussetzungen erfüllt, die § 37 Abs. 3 EEG 2012 an eine „Eigenerzeugung“
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stellte. Die von ihnen dann zu leistenden Nachzahlungen würden sie häufig bis zur
Zahlungsunfähigkeit belasten.
3.
Es besteht ein großer Bedarf daran, dass die BNetzA praktikable Methoden
aufzeigt, wie Eigenversorgungsmengen und die an dritte Personen am selben
Standort gelieferten Strommengen einerseits zum Nachweis der Zeitgleichheit
(§ 61 Abs. 7 EEG) und anderseits zur Bestimmung der mit der (vollen) EEGUmlage belasteten Drittliefermengen (§ 60 Abs. 1 EEG) abzugrenzen sind.
Weder praktikabel noch gesetzlich vorgegeben ist es, alle Drittmengen durch
geeichte Zähler und erst Recht nicht durch Lastgangzähler abgrenzen zu müssen.
Es gibt in Kundenanlagen häufig dritte Kleinstabnehmer (Reinigungspersonal,
Gewerkschaftsbüros, Dienstleister, Getränkeautomaten, Kantinen, Kioske etc.),
deren messtechnische Erfassung über (Lastgang-)Zähler nicht möglich oder gänzlich unverhältnismäßig ist/wäre. Die BNetzA sollte daher klarstellen, dass es Eigenversorgern freisteht, den eigenen Verbrauch und den abzugrenzenden Fremdverbrauch innerhalb einer Kundenanlage auch auf anderen anerkannten Wegen zu
ermitteln, wie z.B. durch Anwendung von Standardlastprofilen oder plausible
Schätzungen. Diesen Weg hat im Übrigen auch die Beschlusskammer 4 der BNetzA
in ihrer Festlegung zu individuellen Netzentgelten anerkannt (BK 4-13-739, S. 52).
Dem steht § 61 Abs. 7 S. 2 EEG nicht entgegen. Dort wird nur geregelt, wann für die
"Ist-Einspeisung" eine Messung erforderlich ist. Von der Wortbedeutung kann
Einspeisung nur entweder die Überschusseinspeisung ins Netz der allgemeinen
Versorgung oder die Einspeisung aus der Erzeugungsanlage in die Kundenanlage
meinen. Einspeisung kann von seinem Wortsinn aber keinesfalls gleichgesetzt
werden mit Verbrauch. Einspeisung und Verbrauch sind unterschiedliche Dinge.
Folge ist, dass aus § 61 Abs. 7 S. 2 EEG ausschließlich geschlussfolgert werden
kann, dass der Netzverknüpfungspunkt bei einer Überschussstromeinspeisung oder
die Erzeugungsanlage selbst bei einer Einspeisung in eine Kundenanlage mit einem
Lastgangzähler ausgestattet werden müssen. § 61 Abs. 7 S. 2 EEG verpflichtet
hingegen nicht, auch den eigenen oder dritten Verbrauch mit solchen Zählern zu
erfassen. Eine gesetzliche Verpflichtung hierzu vermag auch die EEG-Clearingstelle
in ihrer Empfehlung 2014/13 nicht zu nennen.
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III.
Kritikpunkte
1. Die BNetzA legt das Kriterium des „unmittelbaren räumlichen Zusammenhangs“ i.S.v. § 5 Nr. 12 EEG zu eng aus.
Zunächst ist der Begriff des „unmittelbaren räumlichen Zusammenhangs“ sprachlich
nicht gleichbedeutend mit dem der „unmittelbaren räumlichen Nähe“. „Zusammenhang“ drückt eine funktionale Verbindung, „Nähe“ eine (enge) räumliche Distanz aus.
Die von der BNetzA auf den Seiten 28 f. des Leitfadens zur Begründung ihres engen
Begriffsverständnisses ausgeführte Argumentation überzeugt daher nicht.
Zudem ist es widersinnig und mit Sinn und Zweck der Regelung des § 61 EEG
unvereinbar, den unmittelbaren räumlichen Zusammenhang und das Vorliegen einer
Eigenversorgung i.S.v. § 5 Nr. 12 EEG zu verneinen, bloß, weil ein Grundstück oder
eine Straße den Letztverbraucher von seinem BHKW trennt. Denn häufig kann ein
BHKW nicht auf demselben oder auf dem unmittelbar benachbarten Grundstück
errichtet werden, weil diese schlicht schon vollständig überbaut sind. Wenn dann der
Letztverbraucher ein Grundstück in nächster Nachbarschaft kauft/pachtet, darf dieser
Umstand den unmittelbaren räumlichen Zusammenhang nicht unterbrechen.
Außerdem ist es im Regelfall so, dass als Betriebsgelände diverse Grundstücke,
teilweise von unterschiedlichen Eigentümern, zusammengefasst sind. Ebenso wenig
erschließt es sich, warum eine „Eingrünung“ der Erzeugungsanlage, z.B. durch einen
Waldabschnitt, dazu führen sollte, eine Eigenversorgung i.S.v. § 5 Nr. 12 EEG zu
verneinen. Hierbei handelt es sich nicht um ein „störendes Hindernis“, das den
(funktionalen) unmittelbaren Zusammenhang aller auf demselben Betriebsgrundstück
gelegenen Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen aufhebt.
2. Es ist eine mehrfache Ersetzung/Erneuerung/Erweiterung gemäß § 61 Abs. 3 S.
2 Nr. 3 EEG möglich, ohne dass der Bestandschutz entfällt.
Die entgegengesetzte Rechtsansicht der BNetzA (vgl. S. 62. des Leitfadens) überzeugt nicht. Nach seinem Wortlaut stellt § 61 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 EEG zwar auf eine
Stromerzeugungsanlage nach Nr. 1 oder Nr. 2 ab. Dies ist aber nur der Bezugspunkt
für das eigentlich limitierende Element der 30%-Grenze. Auch die weitere Argumentation der BNetzA, anderenfalls könne die Leistung schrittweise auf 160 % etc. geVEA-Stellungnahme 18.11.2015
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steigert werden, ist unzutreffend. Denn der Gesetzgeber hat die Formulierung „nach
Nr. 1 oder Nr. 2“ nur deswegen aufgenommen, um gerade hierfür eine Grenze zu
ziehen. Mehr wollte auch der Gesetzgeber nicht erreichen. Die Formulierung dient
also ausschließlich als Marke für die 30%-Grenze und limitiert nicht – wie die BNetzA
argumentiert – die Zahl der Modernisierungen.
3. Es gibt keine Dokumentations-, Darlegungs- und Meldepflichten des Eigenversorgers bei einer Ersetzung/Erneuerung/Erweiterung der Erzeugungsanlage
gemäß § 61 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 EEG.
Die BNetzA erwähnt die vorstehend genannten Pflichten, ohne hierfür eine
Rechtsgrundlage zu nennen (vgl. S. 66 des Leitfadens). Eine solche gibt es nach
Ansicht des VEA auch nicht. Zur Begründung kann auf die Ausführungen in folgender
Ziffer 4. verwiesen werden. Sollte die Rechtsansicht des VEA nicht zutreffend sein,
müsste die BNetzA diese Pflichten zumindest näher konkretisieren.
4. Es gibt keine Meldepflichten für Eigenversorger, die gemäß § 61 Abs. 3 oder 4
EEG von der EEG-Umlage befreit sind.
Die BNetzA meint, dass Eigenversorger auch dann Meldepflichten treffen, wenn sie
wegen § 61 Abs. 3 oder 4 EEG nicht zur Zahlung der EEG-Umlage verpflichtet sind
(S. 88 ff. des Leitfadens). Diese Rechtsansicht teilt der VEA nicht.
Die Meldepflichten lassen sich nicht aus den allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregelungen ableiten. Denn diese gelten nur für gerichtliche oder behördliche
Rechtsstreitigkeiten. Aus ihnen ergibt sich aber keine allgemeine initiative Mitteilungsverpflichtung gegenüber potenziellen Gläubigern. Das schon gar nicht, wenn man –
wie bei Bestandsanlagen – davon ausgeht, dass ein Anspruch auf Zahlung überhaupt
nicht besteht.
Auch die weiteren von der BNetzA angeführten Vorschriften begründen keine Meldepflichten:
§ 61 Abs. 1 S. 4 EEG ordnet zwar eine entsprechende Anwendung der Bestimmungen für Elektrizitätsversorgungsunternehmen (Meldepflichten nach §§ 70 ff. EEG) auf
Eigenversorger und sonstige Letztverbraucher an, aber nur für solche, „die nach den
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Sätzen 1 bis 3 zur Zahlung verpflichtet sind“. Das ist für Bestandseigenerzeuger
gerade nicht der Fall.
Direkt unter § 70 oder § 71 EEG fallen nur Betreiber einer EEG-Anlage, nicht Betreiber einer Stromerzeugungsanlage im Allgemeinen.
§ 9 Abs. 1 AusglMechV dehnt § 70 EEG nur auf solche Letztverbraucher aus, „die
§ 61 Absatz 1“ EEG unterfallen. Auch das trifft auf Bestandsanlagen nach § 61 Abs.
3 oder 4 EEG nicht zu.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 9 Abs. 2 AusglMechV. Dort heißt es:
„In Anpassung von § 71 Nr. 1 und § 74 S. 3 EEG müssen Betreiber von
Stromerzeugungsanlagen dem Netzbetreiber, der von ihnen nach § 7 die
EEG-Umlage verlangen kann, bis zum 28. Februar eines Kalenderjahres alle
Angaben zur Verfügung stellen, die für die Endabrechnung der EEGUmlage nach § 61 EEG für das vorangegangene Kalenderjahr erforderlich
sind.“
Gegen eine (auch analoge) Mitteilungspflicht aus dieser Vorschrift für Bestandsanlagen spricht:
•
Der Netzbetreiber kann für dort erzeugte und selbst verbrauchte Strommengen gerade nicht nach § 7 AusglMechV die EEG-Umlage verlangen.
•
Die Angaben sind auch nicht erforderlich für die Endabrechnung der EEGUmlage nach § 61, da die bestandsgeschützten Mengen gerade nicht in den
Belastungsausgleich einfließen.
•
Der Begründung zur AusglMechV lässt sich an keiner Stelle entnehmen, dass
Bestandsanlagen hiernach meldepflichtig sind. Sogar das Gegenteil ist der
Fall. Dort heißt es zu § 9 Abs. 2 unter anderem:
„Aus Absatz 2 ergibt sich weiterhin, dass eine Pflicht zur Mitteilung der
Angaben nur für die Betreiber von Stromerzeugungsanlagen besteht,
deren Eigenversorgung umlagebelastet ist. Denn nur von diesen
Betreibern kann der Netzbetreiber nach § 7 die EEG-Umlage
verlangen.
Dies
entspricht
auch
der
Ausnahme
von
der
Mitteilungspflicht, die in § 74 S. 3 zweiter HS EEG 2014 geregelt ist.“
BT-Drs. 18/3416, S. 32.
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IV.
Zum Hintergrund des VEA
Der Bundesverband der Energie-Abnehmer e.V. (VEA) vertritt über 4.500 energieintensive Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft und des öffentlichen Sektors.
Als größte Energieinteressengemeinschaft Deutschlands spricht er somit für einen
Anteil von 15 Prozent am gesamten deutschen Industrieenergiebedarf. Seit über
60 Jahren berät der VEA den Mittelstand unabhängig von Energieversorgern in allen
Fragen der Energiekostenreduzierung und des Energiemanagements – bei der
Strom- und Gasbeschaffung, beim Prüfen von Rechnungen und Verträgen oder der
Energie-Effizienz. Die vom Bundesverband veröffentlichten Preisvergleiche geben
regelmäßig einen fundierten Überblick über die Preisentwicklungen auf dem Energieund Wärmemarkt.
Ansprechpartner
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Christian Otto
Telefax: (05 11) 98 48-2 88
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