Therapie der AlzheimerDemenz state-of-the-art Lutz Frölich Abteilung für Gerontopsychiatrie Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Medizinische Fakultät Mannheim Universität Heidelberg 17. Kongress für Klinische Pharmakologie, Köln, 2.10.2015 Mögliche Interessenskonflikte In den letzten 3 Jahren habe ich Honorare für Forschungstätigkeit, Vorträge oder Beratungsleistungen von folgenden Firmen erhalten: – Axon Neuroscience, Boehringer Ingelheim, Eisai, Eli Lilly & Co, GE Health Care, Lundbeck, Merck Sharpe&Dohme, Merz Pharma, Novartis, Nutricia, Otsuka, Piramal, Pfizer, Roche. Pathophysiologie der Alzheimer Krankheit: Relevanz für therapeutische Interventionen therapeutisches Fenster symptomatische Therapien Krankheitsmodifizierende Therapien Pathologische Veränderungen 100 % A B MCI 15 - 30 Jahre Zunahme pathologischer Hirnveränderungen Demenz kognitive Leistung 7 - 10 Jahre Klinische Symptomprogression State of the Art integrative Behandlung der Demenzen Update November 2014 Wirkmechanismus der symptomatischen Antidementiva - Verstärkung der cholinergen Aktivität • • Frühere Versuche, die cholinerge Neurotransmission bei AD zu verbessern erstreckten sich auf: – Präkursor-Loading, z.B. Cholin oder Lecithin – muskarinerge oder nicotinerge Agonisten, z.B. Xanomeline, Talsaclidin, AZD3480 Unter diesen Ansätzen haben sich nur die ChE-Inhibitoren als sicher und wirksam in der Behandlung der leichten - mäßigen AD erwiesen. • Drei ChE Inhibitoren sind weltweit zugelassen für die symptomatische Behandlung der AD: Donepezil - Galantamin - Rivastigmin • Neue Entwicklungen: a7-nicotinerge Agonisten, z.B. EVP-6124 oder HT6-Antagonisten, z.B. Idalopirdine Giacobini E. 2000. Cholinesterase inhibitors: from the Calabar bean to Alzheimer therapy. In: Cholinesterase and Cholinesterase Inhibitors, Giacobini E (ed.). Martin Donitz: London;181–226. Evidenzen: Kognitive Effekte von Cholinesterase Inhibitoren bei AD Meta-analysis der derzeitig zugelassenen ChE-I: Effekte optimaler Dosierungen vs. Placebo auf ADAScog Werte Schneider et al. JIM 2014 Insgesamt entspricht dies 2-3 Punkte auf der ADAScog Skala = 10-12% Überlegenheit über Placebo in a typischen AD Population Cholinesterase Inhibitoren bei AD Balance zwischen Wirksamkeit und Verträglichkeit Efficacy Tolerability • Improving cognition • Nausea • Maintaining ability to perform ADL • Diarrhoea • Preserving patients’ quality of life • Vomiting • Cholinergic effects Sicherheit und Verträglichkeit von ChE-I bei AD Häufige Nebenwirkungen: Gastrointestinale Stimulation Placebo Donepezil 5–10 mg Übelkeit Erbrechen Diarrhoe 6 -12 % 3- 6% 4 -11% 14% 8% 12% Galantamin 16 or 24 mg 24% 13% 9% Rivastigmin 6–12 mg 47% 31% 19% Seltene klinisch bedeutsame Ereignisse: AChE-I scheinen das Risiko für Synkopen (OR 1,53) bei älteren kognitiv gestörten Patienten zu erhöhen, jedoch ohne relevanten Einfluss auf das Sturz-, Fraktur- und Verletzungsrisiko Memantine scheint das Sturzrisiko zu verringern (OR 0,21) Klinische Schlussfolgerungen • Überzeugende Evidenzen für klinisch relevante Wirksamkeit von ChE-I bei leichter - mäßiger (und schwerer) AD - auf der Ebene der Kognition (z.B. ADAScog) - sowie auf der Ebene der globalen Einschätzung und ADL’s • Die Effektstärke entspricht einer mäßigen Verbesserung (= 10-12% Überlegenheit vs. plc) in einer typischen Patientenpopulation (Cohen’s d = 0,30 - 0,40) • Effekte sind klinisch relevant für Patienten, pflegende Angehörige und das Gesundheitssystem – Vorzeitiges Absetzen sollte vermieden werden, kognitive Verschlechterung bedeutet nicht immer einen Wirksamkeitsverlust – Da die Substanzen inzwischen generisch verfügbar sind, sollten ökonomische Erwägungen den Einsatz nicht limitieren European Federation of the Neurological Societies (EFNS) guidelines for the diagnosis and management of Alzheimer’s disease 2010 • Cholinesterase inhibitors should be considered at the time of diagnosis taking into account expected therapeutic benefits and potential safety issues. • Cholinesterase inhibitors have shown efficacy on Cognitive & NonCognitive Functions in patients with mild to moderate & severe Alzheimer’s disease. • 1 and 3-year studies have been reported with donepezil, which suggest the benefits of Cholinesterase inhibitors continue in the longer run of treatment. NICE (National Institute of Health and Care Excellence, UK) 2011 Guidance • Acetyl Cholinesterase Inhibitors (ChE-I’s) e.g. donepezil, galantamine and rivastigmine are recommended for mild to moderate AD • Memantine is recommended for moderate AD in those intolerant to or who should avoid ChE-Is, and for severe AD Hort J et al EFNS guidelines for the diagnosis and management of Alzheimers disease European Journal of Neurology 2010, 17: 1236–1248 Die Zukunft: Optimierung der cholinergen Therapie • Individualisierte Therapie – Krankheits-spezifische Biomarker zur Vorhrsage des Ansprechens, z.B. durch Ausschluss von non-Alzheimer Demenzen – Pharmakologie-spezifische Biomarker zur Identifizierung / Monitoring von Wirksamkeit: z.B. cholinerge Marker auf Thrombozyten • Individualisierte Hoch-Dosis Therapie – Donepezil und Rivastigmine-Pflaster sind in höherer Dosierung verfügbar, Anwendung ist durch Verträglichkeitsprobleme begrenzt. -> Gibt es Subgruppen von Patienten mit höhere Toleranz • Langzeit Behandlung – ChE-I werden oft bei schwerer Demenz vorzeitig abgesetzt. -> Lassen sich die Verordner z.B. durch Registerstudien von Langzeittherapie überzeugen? Evidenzlücken: ChE-I bei AD – Kombinationstherapie (mit Memantine oder anderen Substanzen)? – Wirksamkeit der ChE-I in prä-Demenz Stadien der AD? – Wirksamkeit der ChE-I bei schwerer AD ? – Gibt es alternative (pharmakologische) Therapien? State-of-the-art: Memantine bei leichter und moderater AD Arch Neurol 2011;68(8):991-8 ADAScog bei moderater AD ADAScog CIBIC+ ADCS-ADL NPI CIBIC+ bei moderater AD Keine Evidenz für Memantine in leichten (MMSE 20-23) und nur geringe Evidenz in moderaten (MMSE 10-19) AD-Stadien -> Therapie ist nicht sinnvoll in AD-Stadien mit MMSE > 14 22,23 Cognition Behavior and mood Meta-Analyse von 4 klinischen Studien mit 1549 Patienten Empfehlung: Kombination von ChE-I plus Memantine (im Vergleich zu ChE-I alleine) bei mäßiger-schwerer AD. Die Empfehlungsstärke ist schwach (GRADE). Die Zukunft: Rationale und komplexe Kombinationstherapie • Es fehlen Evidenzen zur Kombinationstherapie mit anderen Substanzen / Vorgehensweisen als mit Memantine – mit zukünftigen „disease-modifying drugs“; ChE-I sind bereits Teil der laufenden klinischen Studien mit diesen Substanzen – mit anderen “small molecules”, die mit dem cholinergen System interagieren, wie (muskarinerge und) nikotinerge Agonisten, PartialAgonisten und allosterische Modulatoren, sowie 5-HT Rezeptor Subtyp-spezifische Moleküle – mit anderen biologischen Therapieverfahren, z.B. rTMS und (kognitiven) Trainingsverfahren Evidenzlücken: ChE-I bei AD – Kombinationstherapie (mit Memantine oder anderen Substanzen)? – Wirksamkeit der ChE-I in prä-Demenz Stadien der AD? – Wirksamkeit der ChE-I bei schwerer AD ? – Gibt es alternative (pharmakologische) Therapien? Kein Effekt von ChE-Is auf die Progression von prä-Demenz Stadien der AD („MCI“) zur AD Schneider et al. JIM 2014 Die Zukunft: optimaler Zeitpunktes für den Beginn cholinerger Behandlung • Die bisherigen klinischen Studien waren in ihrer Aussagekraft eingeschränkt wegen der limitierten diagnostischen Validität von „MCI“ (keine Biomarker). – Optimierung der Zielpopulation mit beginnender AD (entsprechend den neuen Diagnose-Kriterien) – Nur eine klinische Studie ist bisher publiziert, die die neuen Kriterien für prodromale AD verwendete, e.g. Dubois et al. Alzheimer Dement 2014. (Ergebnis: Donepezil klinisch negativ) Evidenzlücken: ChE-I bei AD – Kombinationstherapie (mit Memantine oder anderen Substanzen)? – Wirksamkeit der ChE-I in prä-Demenz Stadien der AD? – Wirksamkeit der ChE-I bei schwerer AD ? – Gibt es alternative (pharmakologische) Therapien? • Several clinical trials have shown efficacy on cognition and global impression in severe AD [MMSE: (1-5) – (10-17)] • However, efficacy on ADL‘s was variable • Feldman et al. Neurology 2001; 5:613-620; Winblad et al. Lancet. 2006; 367:1057-65; Black et al. Neurology. 2007; 69:459-69; Homma et al. Dementia Ger Cogn Dis. 2008; 25:399-407, Farlow et al. Poster AAIC 2012, Burns et al. Lancet Neurology 9: 39-47 Empfehlung : Entsprechend derzeitiger Evidenzlage ist eine Beschränkung der Verordnung von ChE-I’s nur für bestimmte AD Patienten z.B. anhand von cut-off’s (MMSE), wie in vielen Ländern üblich, nicht gerechtfertigt. Die Zukunft: Komplexes Management bei schwerer Alzheimer Demenz Pharmakologie: - Antidementive Therapie mit ChE-i und/oder Memantine. - Behandlung neuropsychiatrischer Symptome (zunächst: nonpharmakologische Verhaltensmodifikation, Umweltänderungen). - schwere Agitation, Aggression und psychotisches Erleben: bei Gefahr atypische Antipsychotika, (cave: CVI, Mortalität), evtl. serotonerge Medikation - sorgfältiges Monitoring und periodisch wiederholtes Re-assessment (Notwendigkeit der Medikation?) - Nebenwirkungen/Interaktionen anderer Pharmaka - Behandlung von Schmerz und körperlichen Funktionseinschränkungen - Intensive pflegerische Massnahmen Evidenzlücken: ChE-I bei AD – Kombinationstherapie (mit Memantine oder anderen Substanzen)? – Wirksamkeit der ChE-I in prä-Demenz Stadien der AD? – Wirksamkeit der ChE-I bei schwerer AD ? – Gibt es alternative (pharmakologische) Therapien? Klinische Studien mit ginkgo biloba WFSBP Leitlinie Kanowski et Le Bars et al. Schneider et al. al. 1996 2000 (1997) 2005 Napryeyenko et al. 2007 Ihl et al. 2010 Yancheva et al. 2009 Germany 222 USA 309 USA 513 Ucraine 395 Ucraine 410 Bulgaria 94 n.a. n.a. n.a. n.a. n.a. yes 6 41 (5) 12 6 (51.5) 6 44 (11.6) 6 14 (28.2) 6 20 (20.5) 6 4 (23.5) AD, VD AD, VD AD, VD DSM III R + NINDS/AIREN DSM III R + + + n.a. >54 13-25 ICD-10/ DSM III R ICD-10/ DSM III R >44 9-26 NPS in AD and VD + AD NINCDS/ADRDA NPS in AD and VD + >59 10-24 >49 (14-25) n.a. n.a. n.a. 25 20 53 63 20 23 20 22 8 6 Location N Donepezil comparator Duration [month] Study centers Diagnoses Age MMSE Dropouts EGb % Placebo % + Ihl, Frölich et al. World J Biol Psychiat 12(1): 2-32. DGN/DGPPN S3-Leitlinie: Antidementive Pharmakotherapie bei Alzheimer-Demenz 3 neue Studien zu Ginkgo Biloba EGb 761 bei Patienten mit leichter bis mittelgradiger Alzheimer- Demenz oder vaskulärer Demenz und nichtpsychotischen Verhaltenssymptomen. 2 von den drei Studien waren positiv (Ihl et al. 2011, Herrschaft et al. 2012). Aber: gemischtes Patientenkollektiv, andere Endpunkte, unklare Definition der Verhaltensstörungen, spezielles Versorgungsumfeld (Russland, Ukraine) Empfehlung: • Es gibt Hinweise für die Wirksamkeit von Ginkgo Biloba EGb 761 auf Kognition bei Patienten mit leichter bis mittelgradiger Alzheimer- Demenz oder vaskulärer Demenz und nicht-psychotischen Verhaltenssymptomen. Eine Behandlung kann erwogen werden. 28 medizinische Ergänzungsnahrung SOUVENAID Effekte auf kognitive Funktionen bei leichter AD • Uridin (UMP), Omega-3 Fettsäuren, Cholin, Phospholipide, B-Vitamine, Antioxidantien RCT über 24 Wochen: 259 AD Patienten Souvenaid vs Placebo -> Kognitive Funktion (NTB z-score), EEG bessere kognitive Funktionen unter Souvenaid über 24 Wo (p=0.02) Hinweise auf bessere synaptische Konnektivität im EEG-Delta-Band (p=0.05) Scheltens et al. J Alzheimers Dis. 2012;31(1):225-36.23 Schlussfolgerungen und Fazit Die verfügbare antidementive Therapie ist relevant wirksam, wird aber noch unzureichend umgesetzt. – Viele relevante Wissenslücken zur Optimierung von ChE-I – Generika für ChE-I und Memantine sind eingeführt, deshalb keine ökonomische Limitierung. – Hochdosis-Therapie mit ChE-I bei zunehmender Demenz – Kombinations- und Augmentationstrategien sind in der Entwicklung Innovative (Immun)-Therapieansätze sind weiterhin nicht verfügbar. – Zulassungswahrscheinlichkeit für Anti-Amyloid AK unsicher – Andere Anti-Amyloid oder Anti-Tau-Strategien in klinischen Studien (Phase II) – Kombinationstherapien neuer Ansätze mit AChE-I in klinischen Studien Diskussion
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