Seite 1 von 1 Musik und Demenz Oliver Sacks

Musik und Demenz
Oliver Sacks, Schriftsteller und Professor der Neurologie an der New York University (NYU)
beschreibt in einem Interview, was das Hören der persönlichen Musik für Menschen, die an
Demenz erkrankt sind, bedeuten kann:
„Ich arbeite in Krankenhäusern und in verschiedenen Arten von Seniorenheimen. Dort leiden
viele Personen unter Alzheimer oder einer anderen Form von Demenz. Viele von ihnen sind
verwirrt, einige aufgeregt, andere lethargisch. Einige haben ihre Sprache fast völlig verloren.
Aber alle von ihnen, ohne Ausnahme, reagieren auf Musik. Speziell auf frühere Musikstücke
und Stücke, welche sie damals kannten. Diese Musikstücke scheinen Quellen von
Erinnerungen und Gefühlen anzuregen, welche ihnen sonst nicht mehr zugänglich sind. Es
ist phantastisch zu erleben, wenn Menschen, welche versunken sind, plötzlich irgendwie
ansprechen auf Musik, auf ihnen vertraute Lieder. Sie gewinnen irgendwie einen
Lebensabschnitt und dadurch ihre Identität zurück. Es ist erstaunlich zu sehen und
mitzuerleben, wie diese Klarheit und Freude ein paar Stunden anhalten kann.“
Musik gibt den an Demenz erkrankten Menschen etwas Vertrautes wieder, ein Stück
Identität. Es ist erstaunlich, dass einige sich nicht mehr an das Frühstück vom Morgen
erinnern, aber ganze Strophen von Liedern mitsingen können.
Wichtig ist, die persönliche Musik zu finden, welche die Bewohner in ihrer Jugend gehört und
gemocht haben. Als Jugend oder die Zeit, in welcher sich die damalige Musik besonders
stark im Gehirn einprägt, werden die Lebensjahre 12-22 bei Frauen und 15-25 bei Männern
betrachtet.
Zitat aus dem Film „Alive Inside“:
„Wir alle spüren, dass Musik magisch ist. Und für Menschen mit Demenz kann es ein
Zugang zu ihrer Seele sein. Diejenigen Regionen des Hirns, welche beteiligt sind am
Erinnern an Musik und welche auf Musik reagieren, sind nicht allzu sehr beeinträchtigt durch
Alzheimer oder andere Formen von Demenz. Ein Grund, warum das musikalische
Gedächtnis so stark ist, hat etwas zu tun mit der Art, wie Musik überhaupt erst in unser
Gehirn gelangt. Musik eignet sich besser, mehrere Bereiche des Gehirns zu aktivieren, als
jeder andere Stimulus. Musik scheint eine kulturelle Erfindung zu sein, die sich Regionen des
Gehirns zu Nutze macht, welche für andere Zwecke entwickelt wurden. Nicht nur auditive
Regionen, sondern visuelle und emotionale Regionen und auf der unteren Ebene im
Kleinhirn, alle Regionen für Koordination. Wenn wir jung sind, zeichnet sich Musik in unseren
Bewegungen und Emotionen auf. Zum Glück sind dies die letzten Regionen des Gehirns,
welche durch Alzheimer beeinträchtigt werden.“
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