INNOVATION & ORGANISATION KOLUMNE Markenexperte Martin Hilzinger über die Neupositionierung der Sorell Hotels Switzerland Wie positioniert man eine ganze Hotelgruppe? S trategische Positionierung, effektive Markenbotschaften, effiziente Massnahmenpakete, stringente Corporate Identity und so weiter. Das Marketing bedient sich, auch wenn es um Hotels geht, gerne einer imposanten Sprache. Das trägt wenig zum Verständnis bei, wenn man weiss, dass sich die meisten schon unter dem Wort «Marke» etwas völlig Falsches vorstellen. Die Diskussionen um die Rolle von Marken und die Vorteile einer starken Marke sind in der Hotellerie allgegenwärtig. Auf die Frage, was denn eine Marke genau sei, bekommt man allerdings ganz unterschiedliche Antworten: Die einen benutzen «Marke» schlicht als Synonym für «Logo». Andere sind der Ansicht, eine Marke sei einfach der optische «Look» eines Hotels. Wieder andere sagen einfach «Marke», wenn sie das Produkt meinen. «Eine Marke ist die Gesamtheit der wettbewerbsdifferenzierenden Eigenschaften eines Produktes», sagt Wikipedia. Damit ist auch klar, wie man eine Marke wird: Mit möglichst starken und/oder vielen differenzierenden Produkteigenschaften. Eine Positionierung – das wird oft übersehen – ist keine Entscheidung, sondern ein Resultat! Die beiden Parameter, die zu diesem Resultat führen, sind einerseits der Markt (die Gäste) und andererseits das Produkt (das Hotel). Für alle mit einem Faible für Mathematik: Markt + Produkt = Positionierung. Ob Hotdog, Hotel oder Hotelgruppe, der Mechanismus bleibt immer derselbe: Der Markt und das Produkt bestimmen die Positionierung. Will man also eine andere Positionierung, zum Beispiel in einem ausgabefreudigeren Segment, muss man am Markt und/oder am Produkt «schrauben». Einfach die Positionierung zu verändern ohne den Markt neu zu definie- « OB HOTDOG, HOTEL ODER HOTELGRUPPE, DER MECHANISMUS BLEIBT IMMER DERSELBE: DER MARKT UND DAS PRODUKT BESTIMMEN DIE POSITIONIERUNG. » MARTIN HILZINGER ren oder das Produkt anzupassen, ist kein zielführender Lösungsansatz. Ähnliches kennt man von der Kommunikation: Wegen eines neuen Logos allein kommt kein einziger zusätzlicher Gast. Auch in der Hotellerie gilt: Man muss den Markt kennen – was schwierig ist, denn es gibt den Markt gar nicht. Jedenfalls nicht 102 11 I2015 als statisches Gebilde. Der Markt ist dynamisch. Man muss also ter Zukunft – immer im Hinblick auf die Verstärkung der auch kommende Entwicklungen antizipieren: Was wollen die Kernwerte – weiterentwickelt. Das alles sind «wettbewerbsGäste heute, was wollen sie in fünf Jahren und was wollen sie differenzierende Eigenschaften», ohne die eine Marke nicht in fünf Jahren nicht mehr? Und vielleicht auch umgekehrt: Wel- lebensfähig ist. Der Relaunch der Marke wird seit dem 1. Juli che Gäste will man selbst in fünf Jahren nicht mehr? Wer mit der 2015, dem Go-Live der neuen Website, kontinuierlich umgeMasse schwimmt, macht es gut. Wer etwas vorher los schwimmt, setzt. Diverse neue Broschüren wurden ebenfalls produziert, macht es besser. Und wer die Dynamik des Marktes verschläft, ver- und im Oktober wurde eine Brand-Launch-Kampagne lanliert Gäste. Einfaches Beispiel: das Internet. Viele Hotels präsentie- ciert. Für die kommenden zwölf Monate wird das Marketing ren sich im Web noch heute im Look & Feel von vor zehn Jahren. sehr aktiv geführt, um die Bekanntheit der Marke Sorell Hotels Welche Rückschlüsse man auf das Hotel zieht, ist ziemlich klar. weiter zu steigern. H Um zu einer erfolgreichen Positionierung zu gelangen, muss man das Produkt analysieren und werten. Das ist schwierig, wenn man – zum Beispiel als Direktor/Gastgeber – selbst Teil des Produktes ist. So ist die vermeintliche «Analyse» nicht selten das Produkt einer reinen Selbstwahrnehmung. Und die hat für den Markt wenig Relevanz Gefragt ist die Sicht des Gastes! Hier liegt noch sehr viel Potenzial brach. Die Gäste-Perspektive wird immer noch unterschätzt oder ganz vernachlässigt. Ein Fehler mit oft dramatischen Konsequenzen. Die Gruppe «Sorell Hotels Switzerland» besteht aus 17 Hotels in acht Destinationen. Das ist gut. Auf den ersten Blick ist die einzige Gemeinsamkeit der Hotels, zu dieser Gruppe zu gehören. Das ist markentechnisch und kommunikativ weniger gut, zumal das Spektrum innerhalb der Gruppe recht gross ist: Es gibt City- und Ferienhotels, reine Seminar- und Businesshotels, preisgünstige Dreisterne-Häuser mit Frühstück, gehobene Häuser im Viersterne-Segment sowie das Gourmet-Restaurant «Spice» im «Sorell Hotel Rigiblick» mit 16 Punkte-Küche. Die Gruppe präsentiert sich als sehr heterogeMARTIN HILZINGER nes Produkt. Trotzdem entschieden wir uns gemeinsam mit dem Kunden für eine konsequente Dachmarkenstrategie und gegen eine Cluster-Lösung oder eine Positionierung der einzelnen Häuser. Nur mit einer Dachmarke können nämlich Synergie-Effekte genutzt werden: Gemeinsame Kommunikation, Kosteneffizienz, Marken-Impact, Cross-Selling etc. Das Markenversprechen der Hotelgruppe ist nicht aufgesetzt, es resultiert aus den «Genen» des Produktes und den Wünschen des Marktes: «Die Sorell Hotels stehen für eine standardisierte Qualität bei gleichzeitiger Wahrung der individuellen Persönlichkeit der einzelnen Häuser.» Individualität, Qualität, Happiness und Cosiness wurden als Marken-Kernwerte definiert und werden nun bei den Entwicklungen in sämtlichen 17 Häusern berücksichtigt. Die MarkenKernwerte werden kommunikativ transportiert durch: Bildwelten (Happiness und Cosiness), Corporate Colors und wertige Anmutung (Qualität) sowie Einzigartigkeit der Umsetzungen (Indivi- DER AUTOR Martin Hilzinger, Inhaber der Trimarca, ist Marketingstratege, dualität). Gleichzeitig zur Kommunikation wird das Produkt opti- Produktentwickler und ein Kenner der Schweizer Hotellerie. Er hat miert. An internen Programmen wird beispielsweise die «Service die Sorell Hotels nicht nur bei der Markenentwicklung und dem Excellence» auf das nächste Level gehoben und das «Sorell-Früh- Positionierungsprozess unterstützt, sondern mit seiner Agentur auch stück» als Beweis für ein überdurchschnittliches Qualitäts-Ver- Design & Kommunikation umgesetzt. ständnis lanciert. Ausserdem wird das Interior-Design in nächs- www.trimarca.ch « DIE GÄSTE-PERSPEKTIVE WIRD IMMER NOCH UNTERSCHÄTZT ODER GANZ VERNACHLÄSSIGT. EIN FEHLER MIT OFT DRAMATISCHEN KONSEQUENZEN. » 11 I2015 103
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