PRAXISBEISPIELE www.pflegenetz.sachsen.de VII.5 Digital vernetzt: Das Pflegenetzwerk Sachsen bietet auf dem Internetportal „PflegeNetz“ einen Überblick über alle Leistungserbringer des Netzwerks. Wie funktioniert ein Pflegenetzwerk vor Ort? Das Pflegenetzwerk Sachsen setzt auf vernetzte Pflegeberatung V i elfalt, Subsidiarität, Selbstbestimmtheit – mit diesen drei Handlungsmaximen stellt man sich im Freistaat Sachsen dem demografischen Wandel. Das bedeutet, eine Vielfalt der Angebote sowie Wahlfreiheit zu erreichen, eine klare Verantwortung vor Ort zu verankern und den möglichst langen Erhalt eines eigenständigen Lebens Pflegebedürftiger zu fördern. Der demografische Wandel stellt für Sachsen eine besondere Herausforderung dar. Dr. Judith Oexle, Referatsleiterin im Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz, rechnet mit einem „bis 2050 flächendeckend ansteigenden Altenquotienten – in einigen Landkreisen bis auf PRAXISSEITEN PFLEGE 09/2015 einen Wert von 90 – und einer deutlichen Zunahme von über achtzigjährigen Menschen mit einer hohen Pflegeprävalenz.“ Vor diesem Hintergrund hat sich das 2010 ins Leben gerufene Pflegenetzwerk Sachsen laut Dr. Judith Oexle zum Ziel gesetzt, „die professionelle ambulante und stationäre Pflege zu stärken und zugleich die informelle Unterstützung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen weiter auszubauen.“ Das bedeutet, leistungsfähige ergänzende Strukturen zu entwickeln, die mit der professionellen Anbieterpalette gut vernetzt sind. „Dies ist vor allem in denjenigen Regionen wichtig, in denen das familiäre Pflegepotenzial wegen Wegzugs kontinuierlich schrumpft“, so Frau Dr. Oexle. 1 Praxisbeispiele VII.5 Vernetzung vor Ort und transparente Informationen im Internet Daher hat man sich in Sachsen entschieden, eine vernetzte Pflegeberatung zu etablieren. Die Landkreise und kreisfreien Städte sollen in eigener Zuständigkeit mögliche Partner für eine vernetzte Pflegeberatung ansprechen und gewinnen. „Vor Ort sollten eigenständig Netzwerkkonferenzen durchgeführt werden, um die Angebote möglichst engmaschig miteinander zu verknüpfen“, so Frau Dr. Oexle. Ziel dabei ist, „vor Ort, in den Sozialräumen, passgerechte und schnittstellenorientierte Beratungen sowie ein leistungsfähiges Case and Care Management zu etablieren.“ Dabei kommt es darauf an, gleichzeitig die unterschiedlichen Aufgaben und Finanzierungspflichten von Pflegekassen, Kommunen und Freistaat sorgfältig zu beachten. Persönlich vernetzt: Auf den regelmäßigen Netzwerk konferenzen lernen sich die Netzwerkpartner beim fachlichen Austausch auch persönlich kennen. Ergänzend dazu wurde das Internetportal „PflegeNetz“ (www.pflegenetz.sachsen.de) gestartet. In enger Zusammenarbeit mit den Pflegekassen sowie den Erbringern pflegerischer und anderer Leistungen bietet dieses Internetportal einen schnellen Zugriff auf alle professionellen und niedrigschwelligen Leistungen und Leistungsanbieter im Freistaat. Das Portal befindet sich weiter im Ausbau und soll zukünftig noch differenziertere Such- und Vergleichsmöglichkeiten bieten. Durch die Mitarbeit des Statistischen Landesamtes können die Landkreise und kreisfreien Städte das „PflegeNetz“ künftig auch für ihre eigene Bedarfsplanung nutzen. Für das „Pflegenetzwerk Vogtlandkreis“ steht im Mittelpunkt, dass Pflegebedürftige möglichst lange zu Hause versorgt werden können. Um sie und ihre Angehörigen hier zu unterstützen und zu beraten, ist das koordinierte Zusammenwirken von Kommune, Pflegeanbietern, Pflegekassen, Medizinischem Dienst der Krankenkassen, Ärzteschaft, Betroffenenorganisationen u. a. notwendig. Auch Öffentlichkeits- und Informationsarbeit gehören zum Aufgabenprofil des Netzwerks. Das Erfolgsmodell Vogtlandkreis Doch wie funktioniert die Netzwerkarbeit praktisch vor Ort, jenseits der übergreifenden Landespolitik? Besonders gut gelungen ist der Aufbau eines leistungsstarken Netzwerks im Vogtlandkreis. Auch der Vogtlandkreis wird älter, während gleichzeitig die Bevölkerung schrumpft. Der Beratungsbedarf rund um das Thema Pflegebedürftigkeit wächst folglich stetig. Das dortige „Pflegenetzwerk Vogtlandkreis“ hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, eine wohnortnahe, unabhängige und kompetente Einzelfallberatung für 2 die Bewohnerinnen und Bewohner des Vogtlandkreises zu gewährleisten“, so Netzwerk-Koordinatorin Silke Schwabe. Als Koordinatorin ist sie Ansprechpartnerin für die aktuell 91 Netzwerkpartner aus dem Vogtlandkreis und aus Sachsen. Und das Netzwerk wächst kontinuierlich weiter. Ein starkes Netzwerk aufbauen Der Startschuss für das „Pflegenetzwerk Vogtlandkreis“ fiel auf der ersten Netzwerkkonferenz im Jahr 2010. → Nach einer konstituierenden Sitzung wurden vier themenbezogene Projektgruppen gebildet, die sich mit der Koordination, der Ist-Soll-Struktur, Schnittstellen und dem Überleitungsmanagement beschäftigten. → Außerdem wurde die Rahmenvereinbarung des „Pflegenetzwerks Vogtlandkreis“ beschlossen, die für alle Netzwerkpartner eine wichtige Arbeitsgrundlage darstellt. Praxisseiten Pflege 09/2015 VII.5 Praxisbeispiele → In weiteren Arbeitsschritten wurden ein Dienst leistungskatalog sowie ein Rahmenkonzept für die Nutzung einer Online-Plattform für Dienstleistungsangebote erarbeitet. → Zur Qualitätssicherung werden kostenlose Weiterbildungen angeboten und es gibt ein Qualitätshandbuch mit Standards für den Beratungsprozess. Heute bietet das Pflegenetzwerk auf der eigenen Homepage www.pflegenetz-vogtland.de Übersichten über Beratungsangebote, Leistungsanbieter sowie Schulungsangebote der Netzwerkpartner. „Ein Netzwerk muss aber auch lebendig gehalten werden. Dazu müssen sich die Menschen auch persönlich kennen“, empfiehlt Silke Schwabe. Auf regelmäßig stattfindenden Pflegenetzkonferenzen und Pflegefachtagen können sich alle Netzwerkpartner fachlich informieren, diskutieren und sich persönlich begegnen. Jenseits dieser größeren Veranstaltungsformate gibt es zusätzlich regelmäßige Arbeitsgruppentreffen. „Das sorgt für zusätzliche Kontinuität“, so Silke Schwabe. Den Pflege- und Versorgungsbedarf ermitteln Damit die Angebote möglichst passgenau sind, nutzt das Netzwerk verschiedenste Quellen zur Bedarfsanalyse. Dazu können Daten der Pflegekassen oder des Gesundheitsamts genutzt werden. Eine weitere wichtige Quelle für die Analyse und Bedarfsplanung bildet die regelmäßige Datenabfrage bei allen Netzwerkpartnern durch die Sozialplanung und das Pflegenetzwerk des Vogtlandkreises, da die Netzwerkpartner die Angebotsvielfalt in ihrer Umgebung meist sehr genau kennen. Und noch ein Tipp der Expertin: „Auch die aktive Öffentlichkeitsarbeit ist eine ergiebige Quelle – nicht nur um neue Netzwerkpartner zu gewinnen, sondern vor allem, wenn sich die Anbieter selbst mit ihren Angeboten im Pflegenetz vorstellen und über ihre Dienste informieren.“ Fünf Tipps als Voraussetzung für eine gute Vernetzung der Pflege 1. Die Angebotsübersicht aller Dienstleister muss bekannt und einfach nutzbar sein – dies kann leicht über eine Internetseite realisiert werden. 2. Alle Netzwerkpartner müssen sich kennen und miteinander im Austausch sein, um kurze Kommunikationswege zu gewährleisten. 4. Es gibt Beratung vor Ort und die Netzwerkpartner übernehmen eine Lotsenfunktion, da sie die regionalen Angebote und Besonderheiten kennen und diese vermitteln können. 5. Die kontinuierliche Analyse der lokalen Angebote ermöglicht es, Initiativen gezielt zu fördern, um mögliche Versorgungs lücken zu schließen. 3. Die Ansprechpersonen der Netzwerkpartner sind bekannt und für alle Beteiligten erreichbar. Praxisseiten Pflege 09/2015 3 Praxisbeispiele VII.5 Erfolgreiche Vernetzungsarbeit in der Kommune Passgenaue Angebote werden vor Ort gemacht Damit Netzwerke tragfähig sind, brauchen sie auch starke Knoten in den Kommunen. Ein Beispiel für so einen starken Knotenpunkt ist das Mehrgenerationenhaus „Buntes Haus“ im sächsischen Freiberg. Die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Mehrgenerationenhäuser sind offene Anlauf- und Begegnungsstätten für alle Generationen. Eine gute regionale Pflegelandschaft braucht solche Anlaufstellen für die Menschen vor Ort. „Um wirklich passende Angebote machen und koordinieren zu können, muss man ein offenes Ohr für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen haben und man braucht die richtigen Kooperationen“, so ein Rat von Birgitt Pasternak. Neben dem Haus ist direkt ein Pflegedienst angesiedelt, sodass sich hier eine Kooperation natürlich anbietet. „Wir bekommen über die Pflegekräfte viel fachliches Know-how vermittelt“, so Frau Pasternak weiter. „Wenn wir eine Betreuerin oder einen Betreuer an Menschen vermitteln, dann kennen sich die Pflege- und Betreuungskräfte. Sie können sich so absprechen und berichten sich gegenseitig, wenn es etwas Besonderes zu beachten gibt.“ Der ständige Kontakt zwischen Betreuung und Pflege schafft kurze Wege, die vor allem den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen zugutekommen. Neben der Kooperation mit dem Pflegedienst, gibt es eine Zusammenarbeit mit dem sozialen Dienst des Krankenhauses, der das Mehrgenerationenhaus kontaktiert, wenn jemand mit Betreuungsbedarf aus dem Krankenhaus nach Hause entlassen wird. Mittlerweile empfehlen die unterschiedlichen Verbände in Freiberg schon das Mehrgenerationenhaus, wenn es darum geht, die Pflege und Betreuung zu Hause zu koordinieren. Weiterlesen →Zum Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gehören bundesweit rund 450 Mehrgenerationenhäuser in nahezu allen Landkreisen und kreisfreien Städten. → Einer von vier Schwerpunkten des Aktionsprogramms liegt im Bereich „Alter und Pflege“. →Weitere Informationen zum Aktionsprogramm Mehrgenera tionenhäuser finden Sie unter www.mehrgenerationenhaeuser.de Die Menschen in Freiberg kennen das Haus. Sie wissen, dass sie hier immer jemanden ansprechen können und haben über die Jahre das Vertrauen aufgebaut, um sich auch mit den sehr persönlichen Fragen rund um die eigene Pflegebedürftigkeit oder diejenige der Angehörigen an die haupt- und ehrenamtlich Tätigen zu wenden. Der Zugang zum Pflegenetzwerk Sachsen erfolgt in Freiberg also meist durch die Tür des Mehrgenerationenhauses. 4 Betreuung auswählen, ausbilden und begleiten Das Mehrgenerationenhaus ist nicht nur für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen ein wichtiger Knotenpunkt im sächsischen Pflegenetz. Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen, wenden sich an die Koordinatorin des Mehrgenerationenhauses. „Mittlerweile habe ich eine Warteliste mit Menschen, die gerne als Betreuungskräfte tätig werden wollen“, berichtet Frau Pasternak. Für die Betreuungskräfte im Freiberger Mehrgenerationenhaus gibt es eine Weiterbildungsreihe, die für alle freiwillig ist und gemeinsam mit den verschiedenen Kooperationspartnerinnen und -partnern angeboten wird. „Diese Weiterbildungen und die Begleitung der ehrenamtlich Tätigen sind meiner Ansicht nach das Wichtigste“, meint Pasternak. „Die Leute brauchen eine feste Praxisseiten Pflege 09/2015
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