Inhaltsübersicht: Schutz des Mieters und der

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Erscheinungsdatum:
10.03.2016
Erscheinungsweise:
vierzehntäglich
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10,- € monatlich
zzgl. MwSt.
Norbert Eisenschmid, RA
5/2016
Inhaltsübersicht:
Anm.
1
Schutz des Mieters und der Mietsache vor Eindringen von Wildschweinen
auf Grundstück
Anmerkung zu LG Berlin, Urteil vom 21.12.2015, 67 S 65/14
von Norbert Eisenschmid, RA
Anm.
2
Unwirksame Schönheitsreparaturklausel bei vertraglicher Verpflichtung
zum Anstrich der Einbaumöbel durch Mieter
Anmerkung zu LG Berlin, Beschluss vom 17.11.2015, 67 S 359/15
von Claudia Mummenhoff, RA'in und FA'in für Miet- und Wohnungseigentumsrecht,
Mummenhoff Rechtsanwälte Notar
Anm.
3
Berechnungsgrundlage für Kürzungsrecht nach § 12 HeizkV bei
verordnungswidriger Vorverteilung der Heizkosten auf Nutzergruppen
Anmerkung zu BGH, Urteil vom 20.01.2016, VIII ZR 329/14
von Dietmar Wall, RA
Anm.
4
Verbrauchsabhängige Heizkostenabrechnung bei Einrohrheizung
Anmerkung zu AG Berlin-Schöneberg, Urteil vom 24.07.2015, 8 C 149/15
von Prof. Dr. Siegbert Lammel
Anm.
5
Berufungsverfahren: Notwendiger Inhalt der Berufungsbegründung
Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 04.11.2015, XII ZB 12/14
von Bernd Jahreis, RA, FA für Miet- und Wohnungseigentumsrecht und FA für Erbrecht,
Jahreis Fachanwaltskanzlei für Erb-, Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Bayreuth
Anm.
6
WEG-Verfahrensrecht: Beklagte einer allgemeinen Feststellungsklage nach
§ 256 Abs. 1 ZPO
Anmerkung zu AG Würzburg, Urteil vom 28.01.2016, 30 C 1909/15 WEG
von Wolfgang Dötsch, RiOLG
Zitiervorschlag: Eisenschmid, jurisPR-MietR 5/2016 Anm. 1
ISSN 1860-157X
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jurisPR-MietR 5/2016
1
Schutz des Mieters und der Mietsache
vor Eindringen von Wildschweinen auf
Grundstück
Leitsätze:
1. Der Vermieter ist gemäß § 535 Abs. 1
Satz 2 BGB verpflichtet, die Mietsache und
den Mieter durch geeignete Maßnahmen vor
dem Eindringen von Wildschweinen auf dem
Grundstück zu schützen.
2. Die Lage der Mietsache in der Nähe eines Waldgebietes allein begründet keine
Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis
des Mieters i.S.d. § 536b BGB von bestehendem oder drohendem Wildschweinbefall.
Anmerkung zu LG Berlin, Urteil vom 21.12.2015,
67 S 65/14
von Norbert Eisenschmid, RA
A. Problemstellung
Wann kann sich der Vermieter im Rahmen seiner Instandhaltungspflicht auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen? Welche Voraussetzungen gelten bei Annahme einer Opfergrenze? Wann liegt Kenntnis des Mieters vor mit der
Rechtsfolge des Minderungsausschlusses?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Mieter bewohnt eine Wohnung auf dem
Grundstück in der Nähe eines Waldgebietes.
Die mangelhafte Umzäunung des Grundstückes
führt dazu, dass Wildschweine in das Grundstück eindringen und es dadurch zur Gefährdung kommt. Der Mieter hat die Miete gemindert, weil der Vermieter keine entsprechenden
Abwehrmaßnahmen getroffen hat. Nach Auffassung des Vermieters hat der Mieter den von
ihm installierten stromgeladenen Sicherungsdraht von seiner Terrasse auf die dahinterliegenden Rasengrundstücke zu entfernen.
Das Landgericht hat dem Begehren des Mieters auf Durchführung geeigneter Maßnahmen
durch den Vermieter zur Sicherung des Grund-
stücks vor Wildschweinen sowie auf Feststellung eines 10%igen Mietminderungsrechts als
auch das mit der Widerklage geltend gemachte Begehren des Vermieters auf Entfernung des
stromgeladenen Sicherungsdrahtes stattgegeben.
Da der das Grundstück umgebene Zaun an
zahlreichen Stellen defekt, löcherig oder untergraben war, hat das Landgericht den Vermieter aufgrund der ihm obliegenden Schutzpflichten verpflichtet, geeignete Vorkehrungen
gegen die Gefährdung und Beeinträchtigung
des Mieters zu treffen. Die Belästigung und Bedrohung durch Wildschweine entspreche nicht
mehr dem allgemeinen Lebensrisiko. Vielmehr
habe der Vermieter dafür Sorge zu tragen, dass
der Mieter die Mietsache ohne Befürchtung einer Gefährdung benutzen könne (OLG Hamm,
Urt. v. 13.02.2002 - 30 U 20/01). Die besondere Gefährdungslage zeige sich schon darin,
dass im Juli 2015 eine Mieterin im Bereich der
Müllstandflächen von einer Bache angegriffen
worden sei. Der Vermieter könne seiner Leistungspflicht nicht den Einwand der Opfergrenze entgegenstellen, da die gemäß § 275 Abs. 2
BGB erforderliche Abwägung der gegenseitigen
Interessen zu seinen Lasten ausfalle. Die Zumutbarkeitsgrenze für den Vermieter sei in Anbetracht der Gefährdungssituation des Mieters
nicht überschritten. Zudem müsse sich der Mieter auch nicht eine Kenntnis der Umstände entgegenhalten lassen, so dass auch die Mietminderung gerechtfertigt sei. Allein aus der Lage
der Wohnung in der Nähe des Tegeler Forstes
sowie aus dem Vorhandensein eines Biotops auf
dem Grundstück könne nicht von einer Kenntnis ausgegangen werden, dass beim Betreten
des Grundstücks eine Gefährdung durch Wildschweine gegeben sei. Ohne weitere besondere Anhaltspunkte habe der Mieter nicht damit
rechnen müssen.
Allerdings sei der Mieter verpflichtet, den von
ihm gelegten stromgeladenen Sicherungsdraht
zu entfernen, da dieser auch Gemeinschaftsflächen erfasse. Es obliege allein dem Vermieter, welche Sicherungsmaßnahmen er vornehmen wolle. Auch wenn ursprünglich dem Mieter das Verlegen des Sicherungsdrahtes erlaubt
worden sei, so könne es sich dabei nur um eine
Genehmigung handeln, die frei widerruflich sei.
jurisPR-MietR 5/2016
C. Kontext der Entscheidung
Dem Urteil ist im Ergebnis zuzustimmen. Die
mietvertragliche Fürsorgepflicht des Vermieters
bedeutet zunächst, dass er grundsätzlich alle
Einwirkungen auf die Mietsache zu unterlassen
hat, die den Mieter beeinträchtigen oder gar
schädigen können (BGH, Urt. v. 16.10.1963 - VIII
ZR 28/62 - NJW 1964, 33). Sie kann den Vermieter aber auch zu einem positiven Tun verpflichten, die Mietsache so zu erhalten, dass dem
Mieter kein Schaden entsteht (OLG Koblenz,
Urt. v. 01.06.1992 - 5 W 293/92 - ZMR 1993,
68) bzw. Gefahren für das Eigentum des Mieters verhindert oder abgewendet werden (BGH,
Urt. v. 20.06.1990 - VIII ZR 182/89 - WuM 1991,
83). Als Unterfall der allgemeinen Fürsorgepflicht hat der Vermieter auch Schutzpflichten
(Blank, WuM 2004, 243, 244) im engeren Sinne zu beachten. Derartige Schutzpflichten gegenüber dem Mieter kommen für den Vermieter
dann in Betracht, wenn etwaige Gefahren nicht
unmittelbar durch die Mietsache selbst drohen.
Er hat dazu die erforderlichen und zumutbaren
Maßnahmen und Schutzvorkehrungen zu treffen (KG, Urt. v. 20.09.2001 - 8 U 3441/00 - NZM
2003, 27), wenn die Störungen oder Gefahren
den Mietgebrauch und damit den räumlichen
Bereich der Mietsache betreffen.
Auch wenn die dafür erforderliche Reparaturund Sicherungsarbeiten sehr aufwendig und
teuer sind, steht dem Schuldner doch kein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 275 Abs. 2
BGB zu. Nach dieser Vorschrift kann der Schuldner die Leistung verweigern, soweit diese einen
Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote
von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Das Missverhältnis zwischen Gläubigerinteresse und Aufwand des Schuldners muss
derart hoch sein, dass ein Beharren auf der
Leistungspflicht sich als Verstoß gegen Treu
und Glauben darstellen würde. Das Rechtsinstitut der Opfergrenze hat der BGH zuletzt mit
seiner Entscheidung vom 22.01.2014 bestätigt
(BGH, Beschl. v. 22.01.2014 - VIII ZR 135/13 WuM 2014, 277 - Schach, jurisPR-MietR 9/2014
Anm. 3). Das Landgericht kommt hier folgerichtig zu dem Ergebnis, dass der Vermieter gehalten ist, entsprechende Sicherungsmaßnahmen
durchzuführen, zumal hier Gesundheit und Leben der Mieter in Gefahr sind.
Das Landgericht hat dem Mieter zu Recht nicht
angelastet, dass er bei Anmietung Kenntnis von
dem Mangel gehabt habe. Kennt der Mieter
beim Abschluss des Vertrages den Mangel, stehen ihm nämlich die Rechte aus den §§ 536,
536a BGB nicht zu. Allerdings ist eine positive Kenntnis vom Mangel bei Vertragsschluss erforderlich (LG Mannheim, Urt. v. 20.03.1996 4 S 213/95 - WuM 1996, 338; AG HamburgWandsbek, Urt. v. 21.11.2012 - 711a C 104/12
- ZMR 2013, 967; AG Charlottenburg, Urt. v.
19.06.2009 - 206 C 317/07 - Grundeigentum
2010, 129). Es genügt somit nicht die Kenntnis des Mieters vom äußeren Erscheinungsbild
eines Mangels, solange der Mieter nicht auch
das Wissen um die Ursachen und die konkreten
Auswirkungen des Mangels auf die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache hat (OLG Düsseldorf,
Urt. v. 07.03.2006 - I-24 U 112/05, 24 U 112/05
- ZMR 2006, 518). Daher reicht es für die positive Kenntnis nicht aus, dass der Mieter die Lage der Wohnung am Waldrand kennt (LG Berlin,
Grundeigentum 2002, 1065 zum feuchten Wintergarten bei einfach verglasten Scheiben; LG
Köln, Urt. v. 03.01.1996 - 10 S 314/95 - WuM
1996, 334 für das Fehlen einer Abwasserhebeanlage; LG Frankfurt/M., Urt. v. 04.10.1988 2/11 S 18/88 - WuM 1990, 384 für Bleiwasserrohre; weitere Nachweise bei Schmidt-Futterer,
Mietrecht, § 536b BGB Rn. 9).
Der Umfang des Nutzungsrechts ergibt sich aus
dem Vertrag oder sonstigen Vereinbarungen
der Parteien. Dabei ist zu prüfen, ob dem Mieter
die Nutzung einer bestimmten Sache lediglich
gestattet wird (Sternel, NZM 1998, 833, 842)
oder ob sie vom Mietgebrauch erfasst ist (AG
Lörrach, Urt. v. 09.09.1998 - 6 C 1192/98 - WuM
1998, 662). Fehlt zu den einzelnen Punkten eine Vereinbarung oder sind nur unvollständige
Abreden getroffen worden, muss der Umfang
des Gebrauchsrechts durch Auslegung des Vertrages gemäß § 157 BGB nach Treu und Glauben und der Verkehrsanschauung ermittelt werden. So spricht beispielsweise die im Mietvertrag verankerte Pflicht des Mieters, Gartengeräte auf eigene Kosten bereitzuhalten, dafür, dass
die Gartennutzung nicht nur gestattet, sondern
Bestandteil des Vertragsumfanges ist (LG Hamburg, Urt. v. 21.12.1999 - 316 S 77/99 - WuM
2000, 180). Andererseits ist mangels anderweitiger Vereinbarung die widerspruchslose Nutzung einer Dachterrasse oder die aus temporären Gründen erteilte Erlaubnis zum Abstellen
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von Fahrrädern auf dem Hof (LG Berlin, Urt. v.
23.06.2011 - 57 S 60/11 - Grundeigentum 2011,
1087; AG Hamburg, Urt. v. 20.07.2012 - 41 C
6/12 - ZMR 2012, 963) lediglich eine Gestattung
und somit vom Vermieter frei widerruflich (KG
Berlin, Urt. v. 01.12.2008 - 8 U 121/08 - WuM
2009, 654). Es war hier somit eine Auslegungsfrage, die zu der Annahme eines widerruflichen
Gestattungsrechts führte.
D. Auswirkungen für die Praxis
Vermieter sollten stärker im Auge haben, dass
Sie für Ihre Immobilie verantwortlich sind. Es
dient keiner Vertragspartei, wenn die erforderlichen Maßnahmen mit dem Argument der Kosten ausbleiben, zumal das Kostenargument im
Regelfall dem Vermieter nicht zur Seite steht.
2
Unwirksame Schönheitsreparaturklausel
bei vertraglicher Verpflichtung zum
Anstrich der Einbaumöbel durch Mieter
Leitsatz:
Eine Formularklausel, die den Mieter einer
mit Einbaumöbeln versehenen Wohnung im
Rahmen der auf ihn abgewälzten Schönheitsreparaturlast auch zum Anstrich der
Einbaumöbel verpflichtet, ist wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.
Anmerkung zu LG Berlin, Beschluss vom
17.11.2015, 67 S 359/15
von Claudia Mummenhoff, RA'in und FA'in für
Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Mummenhoff Rechtsanwälte Notar
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin, Vermieterin einer Wohnung, verlangte von den Beklagten als ehemalige Mieter
die Zahlung von 1.881,51 Euro infolge unterbliebener Schönheitsreparaturen. Nach den Regelungen des formularmäßig geschlossenen Mietvertrages wurde den Beklagten unter anderem
die Pflicht auferlegt, vorhandene Einbaumöbel
zu streichen. Dieser vertraglichen Verpflichtung
kamen die Beklagten nicht nach. Das AG Wedding hatte der Klägerin den Anspruch aus den
§§ 280, 281 BGB versagt.
Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin
hatte keinen Erfolg. Das LG Berlin hat die Klägerin durch Beschluss darauf hingewiesen, dass
die Kammer erwägt, die Berufung als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
Das LG Berlin ist – wie bereits das AG Wedding –
der Ansicht, dass die Klägerin keinen Anspruch
auf Ausführung der streitigen Schönheitsreparaturen gegen die Beklagten hat. Die formularmäßig getroffene Vereinbarung zum Anstreichen von Einbaumöbeln sei nach § 307 Abs. 1
BGB unwirksam, da sie den Beklagten Schönheitsreparaturen auferlege, welche nicht in dem
Schönheitsreparaturkatalog des § 28 Abs 4 Satz
3 II. BV enthalten seien. Demnach stehe der Klägerin der behauptete Zahlungsanspruch gegen
die Beklagten nicht zu.
Dem folgend vermochte das LG Berlin auch keine Entscheidung darüber zu treffen, ob die Klausel bereits deshalb unwirksam sei, weil sich die
streitgegenständliche Wohnung bei Übergabe
in einem unrenovierten Zustand befand und den
Beklagten kein angemessener wirtschaftlicher
Ausgleich durch die Klägerin gewährt worden
sei.
Aufgrund des Hinweises des LG Berlin wurde die
Berufung zurückgenommen.
A. Problemstellung
Das LG Berlin hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob ein Vermieter rechtswirksam seinen Mieter – formularvertraglich – zum Anstreichen von Einbaumöbeln als sog. Schönheitsreparatur verpflichten kann.
C. Kontext der Entscheidung
Das LG Berlin schließt sich mit seinem Beschluss der höchstrichterlichen Rechtsprechung
an, welche zur Frage, ob einzelne formularmäßig auferlegte Instandsetzungsmaßnahmen
als zulässige Schönheitsreparaturen gelten, den
Gesetzestext aus § 28 Abs. 4 Satz 3 II. BV
heranzieht (vgl. BGH, Urt. v. 13.01.2010 - VIII
jurisPR-MietR 5/2016
ZR 48/09 Rn. 11). Danach umfassen Schönheitsreparaturen ausschließlich das Tapezieren,
Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, Heizkörper
einschließlich Heizrohre, der Innentüren sowie
der Fenster und Außentüren von innen. Insoweit eine formularmäßig getroffene Vereinbarung ein Mehr dieser Arbeiten vorsieht, wird sie
als unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307
Abs. 1 BGB angesehen, da die in § 28 Abs. 4
Satz 3 II. BV aufgezählten Schönheitsreparaturen die Grenze dessen bilden, was einem Mieter vertraglich auferlegt werden kann (so auch
BGH,Urt. v. 13.01.2010 - VIII ZR 48/09 Rn. 11).
D. Auswirkungen für die Praxis
Der Hinweisbeschluss des LG Berlin zeigt wieder
einmal, dass Vermieter bei der Verwendung von
Schönheitsreparaturklauseln in ihren vorformulierten Mietverträgen insbesondere darauf achten sollten, nicht über den in § 28 Abs. 4 Satz
3 II. BV benannten Katalog der Schönheitsreparaturen hinauszugehen. Nach nunmehr gängiger höchstrichterlicher Rechtsprechung werden Schönheitsreparaturklauseln, welche den
Mieter nach § 307 Abs. 1 BGB unangemessen
benachteiligen, in ihrer Gesamtheit unwirksam;
das auch selbst dann, wenn die jeweilige benachteiligende Klausel in einer separaten Klausel geregelt ist (so BGH, Urt. v. 18.03.2015 - VIII
ZR 21/13 Rn. 17; BGH, Beschl. v. 20.11.2012 VIII ZR 137/12 Rn. 12; BGH, Urt. v. 13.01.2010
- VIII ZR 48/09 Rn. 13, 14). Um späteren Streitigkeiten vorzubeugen, sollte der Zustand der
Mietsache bei Beginn des Mietvertrages in einem Übergabeprotokoll eindeutig und konkret
beschrieben werden, das von beiden Vertragsparteien unterzeichnet wird.
3
Berechnungsgrundlage für
Kürzungsrecht nach § 12 HeizkV bei
verordnungswidriger Vorverteilung der
Heizkosten auf Nutzergruppen
Leitsatz:
Hat der Vermieter den Verbrauch unter Verstoß gegen § 5 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV ermittelt, ist in der Regel gleichwohl der ermittelte Verbrauch der Abrechnung zu Grunde
zu legen und nicht allein nach der Wohnfläche abzurechnen. In diesem Fall ist eine Kürzung gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV
vorzunehmen. Der Kürzungsbetrag ist dabei
von dem für den Nutzer in der Abrechnung
ausgewiesenen Anteil der Gesamtkosten zu
errechnen.
Anmerkung zu BGH, Urteil vom 20.01.2016,
VIII ZR 329/14
von Dietmar Wall, RA
A. Problemstellung
Die Heizkostenverordnung schreibt vor, dass
die Heiz- und Warmwasserkosten einer zentralen Anlage verbrauchsabhängig zu verteilen
sind. Beachtet der Vermieter diese Vorschriften nicht, kann dem Mieter das Recht zustehen,
die ihm berechneten Kosten um 15% zu kürzen. Hier hatte der Vermieter bei der Kostenaufteilung auf zwei Nutzergruppen die Vorgaben der Heizkostenverordnung missachtet. Das
hatte unstrittig zur Folge, dass der Mieter von
dem Kürzungsrecht Gebrauch machen durfte.
Die Mietvertragsparteien waren sich aber uneins über den Ausgangspunkt für die Kostenreduzierung.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
In dem Gebäude wurden zur Erfassung des individuellen Heizwärmeverbrauchs zum Teil Wärmezähler und zum Teil Heizkostenverteiler eingesetzt. Eine einheitliche Abrechnung der Heizkosten war somit nicht möglich. § 5 Abs. 2 Satz
1 HeizkV schreibt deshalb vor, die Kosten zunächst aufzuteilen. Es sind zwei Nutzergruppen zu bilden, bevor die Kosten auf die einzelnen Wohnungen verteilt werden. Dabei ist der
Verbrauch jeder Nutzergruppe durch einen eigenen Wärmezähler zu erfassen. Die Vermieterin griff jedoch auf die sog. Differenzmethode zurück. Sie ermittelte die verbrauchten Kilowattstunden für die Wohnungen, die mit einem
Wärmemengenzähler ausgestattet waren. Diesen Wert brachte sie von den Kilowattstunden
in Abzug, die der Versorger geliefert hatte. Sie
berechnete die sich aus dieser Differenz ergebenden anteiligen Heizkosten und legte diese
jurisPR-MietR 5/2016
auf die mit Heizkostenverteilern ausgestatteten
Wohnungen um.
Wegen der verordnungswidrigen Kostenverteilung stand der Mieterin das Kürzungsrecht nach
§ 12 HeizkV zu. Das hatte der BGH bereits früher
entschieden (BGH, Urt. v. 16.07.2008 - VIII ZR
57/07 - WuM 2008, 556). Streitig war, von welchen Kosten die 15% in Abzug zu bringen sind.
Die Vorinstanz – das LG Leipzig – urteilte, dass
die Vermieterin zunächst eine neue Heizkostenabrechnung erstellen müsse und dabei die Kosten komplett nach Wohnfläche zu verteilen habe. Der sich daraus für die Mieterin ergebende
Betrag sei dann die Basis für die vorzunehmende Kürzung.
Damit ist der BGH nicht einverstanden gewesen. Er hat entschieden, dass die fehlerhaft ermittelten Heizkosten die Grundlage für die Anwendung des Kürzungsrechts darstellen. Der
zu kürzende Prozentsatz von 15% ist anhand
des dem Nutzer berechneten Kostenanteils zu
bestimmen. Dabei stellt der BGH klar, dass
vom Kürzungsrecht die gesamten dem Nutzer
in Rechnung gestellten Heizkosten erfasst werden, einschließlich des mit 30% bis 50% verbrauchsunabhängig berechneten Anteils.
Zur Begründung hat sich der BGH zum einen
auf den Wortlaut von § 12 Abs. 1 HeizkV berufen. Zum anderen entspreche es dem Sinn und
Zweck der Heizkostenverordnung, die Kürzung
auf der Grundlage der bereits erteilten fehlerhaften Abrechnung vorzunehmen. Der Zweck
der Verordnung bestehe darin, das Verbrauchsverhalten der Nutzer nachhaltig zu beeinflussen und damit Energieeinspareffekte zu erzielen. Deshalb sei grundsätzlich eine den Verbrauch des Nutzers einbeziehende Abrechnung
einer ausschließlichen Abrechnung nach Wohnfläche vorzuziehen, auch wenn sie nicht in jedem Punkt den Vorschriften der Heizkostenverordnung entspreche.
Der BGH hat darauf hingewiesen, dass Ausnahmen gelten können. Sie bestünden, wenn
der verbrauchsabhängig berechnete Kostenanteil das tatsächliche Nutzerverhalten nicht annähernd abbilde. Im Übrigen sei eine rein wohnflächenbezogene Abrechnung mangels Alternative nur dann angezeigt, wenn gar keine Verbrauchswerte ermittelt wurden, also auch keine
fehlerhaften.
C. Kontext der Entscheidung
In den meisten Fällen, in denen der Mieter
vom Kürzungsrecht nach § 12 HeizkV Gebrauch
macht, hat der Vermieter eine verbrauchsunabhängige Abrechnung vorgelegt. Zumeist sind
die Heizkosten dann komplett nach Wohnflächenanteilen verteilt worden. Das betrifft vor allem die Konstellationen, dass gar keine Erfassungsgeräte installiert sind oder sie nicht abgelesen wurden.
Dieses BGH-Urteil zum Kürzungsrecht befasst
sich damit, dass der Vermieter eine verbrauchsabhängige Abrechnung erstellt, den Verbrauch
aber verordnungswidrig ermittelt hat. Es betrifft
die unterbliebene Vorfassung von sog. Nutzergruppen. Es ist auch auf andere Fälle anwendbar, in denen Verbrauchswerte fehlerhaft zustande gekommen sind. Dazu können unter anderem folgende Fallgestaltungen gehören:
1. Die individuellen Verbrauchswerte sind verfälscht, weil die Heizkostenverteiler nicht korrekt auf den Heizkörper abgestimmt wurden
(falscher Bewertungsfaktor). Zum einen muss
die Wärmeleistung des jeweiligen Heizkörpers
zutreffend bestimmt worden sein. Zum anderen ist der korrekte Wärmeübergangswert zu
ermitteln. Er gibt wieder, wie gut die Wärme
von dem Heizkörper auf den Heizkostenverteiler übertragen wird. Beide Werte zusammen –
Wärmeleistung und Wärmeübergangswert – bilden den Bewertungsfaktor (vgl. zu dieser Thematik AG Hamburg-Barmbek, Urt. v. 24.09.2010
- 820 C 293/09 - ZMR 2011, 293).
2. Die Verbrauchswerte sind fehlerhaft, weil die
Erfassungsgeräte an der falschen Stelle installiert wurden. Nach DIN EN 834 für elektronische Heizkostenverteiler und DIN EN 835 für
Verdunstungsgeräte müssen sie zwischen 66%
bis 80% der Bauhöhe des Heizkörpers – von unten gemessen – angebracht sein. Beim Einsatz
von Thermostatventilen sehen die Normen vor,
die Geräte in 75% der Bauhöhe des Heizkörpers
und in horizontaler Heizkörpermitte zu montieren (vgl. dazu LG Hamburg, Urt. v. 15.04.1988
- 11 S 265/87 - WuM 1988, 310 mit Bezugnahme auf die inzwischen außer Kraft getretene DIN 4713 Teil 2; AG Hamburg-Barmbek,
Urt. v. 24.09.2010 - 820 C 293/09 Rn. 18 - ZMR
2011, 293; AG Jülich, Urt. v. 22.04.1987 - 4 C
676/86 - WuM 1987, 397). Auch Wärmezähler
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müssen korrekt eingebaut und ihre Temperaturfühler ordnungsgemäß platziert sein.
3. Die Erfassungsgeräte sind für das Heizungssystem nicht geeignet. Zum Beispiel dürfen
Verdunstungsgeräte nicht eingesetzt werden
bei Heizungsanlagen mit niedrigen Auslegungstemperaturen. Einzelheiten sind ebenfalls in
DIN EN 834 und 835 festgelegt.
Nach der hier besprochenen BGH-Entscheidung
ist in allen drei Fällen Voraussetzung, dass die
Verbrauchswerte den tatsächlichen Verbrauch
annähernd widerspiegeln und nicht vollkommen unrealistisch sind (Rn. 18 der Entscheidungsgründe). Andernfalls ist eine Kostenverteilung anhand der erfassten Verbrauchswerte
nicht zulässig. Die Kosten sind komplett flächenabhängig zu verteilen. Weitere Voraussetzung
für die vom BGH aufgezeigte Vorgehensweise
ist, dass die gesamte Liegenschaft oder größere Teile fehlerhaft erfasst wurden. Sind nur einzelne Räume oder einzelne Geräte betroffen,
kann sich der Vermieter unter den Voraussetzungen von § 9a Abs. 1 HeizkV mit einer Schätzung behelfen. Hat er einzelne Verbrauchswerte
zulässigerweise geschätzt, ist eine Kürzung um
15% nach § 12 HeizkV unzulässig (BGH, Urt. v.
16.11.2005 - VIII ZR 373/04 - WuM 2005, 776).
Zu beachten ist die 25%-Grenze nach § 9a Abs. 2
HeizkV.
4. Die Eichfristen für Wärme- oder Warmwasserzähler sind abgelaufen und der Vermieter
weist nicht nach, dass die Geräte dennoch korrekt gemessen haben (vgl. dazu BGH, Urt. v.
17.11.2010 - VIII ZR 112/10 - WuM 2011, 21).
5. In Gebäuden mit einer sog. verbundenen Anlage werden die Warmwasserkosten nicht mithilfe eines Wärmezählers abgetrennt, sondern
anhand eines der beiden Hilfsverfahren nach
§ 9 Abs. 2 Satz 2 (Formel mit der Aufwandzahl von 2,5) oder § 9 Abs. 2 Satz 4 HeizkV (wohnflächenabhängige Aufteilung mit dem
Faktor 32). Es ist umstritten, ob das Kürzungsrecht besteht (befürwortend Pfeifer, Grundeigentum 2013, 462; Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 14. Aufl. 2014, Rn. 6321a; Wall,
Betriebs- und Heizkostenkommentar, 4. Aufl.
2015, Rn. 6329; ablehnend Kinne, Grundeigentum 2012, 303, 308; Lammel, ZMR 2016, 6 –
nur bei wohnflächenabhängiger Aufteilung mit
dem Faktor 32). Diese Fallkonstellation gleicht
der hier besprochenen bei einer Nutzergruppen-
trennung. Die Heizkosten wurden nicht wie vorgeschrieben durch den ausreichenden Einsatz
von Wärmezählern vorverteilt. Deshalb ist der
Rückgriff auf das Kürzungsrecht gerechtfertigt.
D. Auswirkungen für die Praxis
Der BGH hat eine pragmatische Entscheidung
getroffen. Sie ist unter dem Blickwinkel des
zugrunde liegenden Sachverhalts als sachgerecht anzusehen. Offen bleibt, wann eine Ausnahme vorliegt und nicht anhand der fehlerhaft
ermittelten Verbrauchswerte abgerechnet werden darf. Nach dem BGH ist eine Ausnahme
anzuerkennen, wenn der in Ansatz gebrachte
Kostenanteil das Nutzerverhalten nicht wenigstens annähend widerspiegelt. Das soll bei der
vorgenommenen Differenzmethode zur Nutzergruppentrennung im Folgenden näher betrachtet werden.
Die durch diese Methode entstehenden Ungenauigkeiten gehen einseitig zulasten der nicht
vorerfassten Nutzergruppe. Das hat der BGH
in dieser Entscheidung herausgestellt (unter
Rn. 19). In dem hier entschiedenen Fall wurde das Haus offenbar über eine Wärmelieferung versorgt (Fern- oder Nahwärme). Denn es
sind „Kilowattstunden“ erwähnt, die der Versorger angeliefert hat. Dann sind die sich aus
der Differenzmethode ergebenden Kostenverteilungsfehler nicht so gravierend. Sie resultieren im Wesentlichen lediglich aus Messungenauigkeiten. Wärmezähler sind zwar eichpflichtig, nach den eichrechtlichen Vorschriften sind aber Messabweichungen im Rahmen
der sog. Verkehrsfehlergrenzen zulässig. Dabei
wirkt sich der Messfehler in der Regel dahingehend aus, dass die Geräte einen zu geringen
Verbrauch anzeigen.
Die Ungenauigkeiten vergrößern sich, wenn das
Gebäude über eine Kesselanlage mit Wärme
versorgt wird, also z.B. mittels Öl- oder Gaszentralheizung. Dann entstehen bei der Erzeugung
der Wärme Verluste. Wird nur der Verbrauch
einer von zwei Nutzergruppen gemessen, gehen diese Verluste gänzlich zulasten der anderen, nicht vorerfassten Gruppe. Zur Verdeutlichung werden Fälle gebildet. Diesen Beispielsberechnungen liegen wie im Fall des BGH zwei
Nutzergruppen zugrunde: eine Nutzergruppe, in
der die Räume mit Wärmezählern ausgestattet
sind (Nutzergruppe „WZ“) und eine andere, in
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der in den Wohnungen Heizkostenverteiler installiert sind (Nutzergruppe „HKV“). Im Abrechnungsjahr wurden für das Gebäude laut Heizkostenabrechnung umgerechnet 100.000 kWh
für die Brennstofflieferung berechnet, z.B für Öl
oder Gas. Dafür wurden 6.000 Euro berechnet.
Fall 1a)
Zunächst soll ein Beispiel für ein Gebäude
mit durchschnittlicher Energieeffizienz betrachtet werden. Bei der Umwandlung der zugeführten Brennstoffenergie in Heizwärme geht Energie verloren durch Abgas-, Kessel- und Bereitstellungsverluste. Wie hoch diese Verluste sind, wird durch den Jahresnutzungsgrad
der Heizungsanlage zum Ausdruck gebracht.
Er beträgt in diesem Beispiel 80%. Das entspricht in etwa einem durchschnittlichen Wert.
100.000 kWh Brennstoffenergie ergeben demnach 80.000 kWh Energie in Form von Heizwärme. Die vorgeschriebene Vorerfassung durch
zwei Wärmezähler würde ergeben, dass davon
auf jede Nutzergruppe die Hälfte, also jeweils
40.000 kWh entfielen. Dementsprechend müsste jede Nutzergruppe 3.000 Euro tragen. (Eine
Aufteilung der gesamten Heizkosten zu 100%
nach gemessenen Verbrauchswerten ist allgemein üblich, auch wenn nach § 6 Abs. 2 HeizkV
ein Teil der Kosten nach Flächenanteilen aufgeteilt werden kann.)
Wird nur der Wärmeverbrauch der Nutzergruppe „WZ“ gemessen, sind das 40.000 kWh. Der
Nutzergruppe „HKV“ wird die Differenz zugeordnet: 100.000 kWh abzüglich 40.000 kWh =
60.000 kWh. Auf Nutzergruppe „WZ“ entfallen somit 2.400 Euro, auf Nutzergruppe „HKV“
3.600 Euro. Die nicht erfasste Nutzergruppe
muss also 60% der Kosten übernehmen, obwohl
50% korrekt wären. Folglich wird jeder Nutzer
der Nutzergruppe „HKV“ mit Kosten belastet,
die um 20% zu hoch sind. Das betrifft die gesamten Heizkosten, die verbrauchsunabhängig
nach Wohnfläche verteilten Kosten eingeschlossen. Denn die Kosten werden, wie erwähnt, üblicherweise zu 100% nach Verbrauchswerten
vorverteilt. Die Mehrbelastung in Nutzergruppe
„HKV“ wird bereits in diesem Beispiel durch das
Kürzungsrecht von 15% nicht aufgefangen.
Fall 1b)
Gravierender werden die Verteilungsfehler,
wenn auch der Wärmeverbrauch der zweiten
Nutzergruppe nicht durch einen eigenen Wärmezähler vorerfasst wird. In dem hier besprochenen Fall des BGH hat die Vermieterin den
Wärmeverbrauch der Nutzergruppe „WZ“ vermutlich dadurch ermittelt, dass sie die Anzeigen
auf den Wärmezählern in den Wohnungen addiert hat. Die Angaben zum Tatbestand unter
Rn. 2 legen das nahe, auch wenn es nicht klar
ersichtlich ist.
Bei dieser Berechnungsmethode vergrößern
sich die Verteilungsfehler. Zu den Wärmeverlusten, die bei der Erzeugung der Wärme entstehen, treten weitere hinzu. Das sind Wärmeabgaben, die bedingt sind durch den Transport der Wärme zu den Wohnungen und ggf.
für die Beheizung von Gemeinschaftsräumen
wie Treppenhaus und Trockenraum. Das Ausmaß dieser Verluste wird zum Ausdruck gebracht durch den Verbrauchswärmeanteil (= Erfassungsrate). Hier wird angenommen, dass der
Verbrauchswärmeanteil 70% beträgt. Demnach
werden 70% der Wärme, die in das Gebäude
einfließt, in den Wohnungen erfasst. Es sei betont, dass das ein überdurchschnittlich guter
Wert ist.
Die Summe der Wärmezähler ergibt somit
28.000 kWh (70% von 40.000 kWh) für Nutzergruppe „WZ“. Nutzergruppe „HKV“ wird die
Differenz zugeordnet. Das sind 72.000 kWh
(100.000 kWh abzüglich 28.000 kWh).
Nutzergruppe „WZ“ wird folglich mit nur 1.680
Euro belastet, Nutzergruppe „HKV“ mit 4.320
Euro. Korrekt wären 3.000 Euro für jede Gruppe.
Jede Wohnung der Nutzergruppe „HKV“ wird also mit 72% der gesamten Heizkosten belastet
anstatt mit 50%.
Fall 2a)
Abschließend wird ein Beispiel mit unterdurchschnittlich schlechten Werten gebildet. Der Jahresnutzungsgrad der Heizungsanlage beträgt
60%. Das ist ein realistischer Wert für einen alten Konstanttemperaturkessel oder einen älteren, schlecht gewarteten Niedertemperaturkessel.
100.000 kWh Brennstoffenergie ergeben dann
60.000 kWh Heizwärme. Bei einer Messung
durch zwei Wärmezähler entfielen – wie oben –
auf jede Nutzergruppe die Hälfte, also jeweils
30.000 kWh. Für jede Nutzergruppe wären das
jurisPR-MietR 5/2016
entsprechend 3.000 Euro. Da aber nur der Wärmeverbrauch der Nutzergruppe „WZ“ gemessen und der anderen die Differenz zugeordnet
wird, sind das für Nutzergruppe „HKV“ 70.000
kWh (100.000 kWh abzüglich 30.000 kWh). Daraus resultiert eine Kostenbelastung von 4.200
Euro.
Fall 2b)
Wird der Verbrauchswert für Nutzergruppe
„WZ“ wie im Fall 1b) aus der Summe der Einzelzähler bestimmt, vergrößern sich die Abweichungen. Bei einem Verbrauchswärmeanteil von 50%, wie er in einem älteren Gebäude anzutreffen ist, halbiert sich der Verbrauch,
der Nutzergruppe „WZ“ zugewiesen wird. Das
sind dann nur 15.000 kWh. Auf die Nutzergruppe „HKV“ entfallen entsprechend 85.000 kWh
(100.000 kWh abzüglich 15.000 kWh).
Für Nutzergruppe „WZ“ ergeben sich dann anstatt 3.000 Euro nur 900 Euro. Nutzergruppe
„HKV“ muss 5.100 Euro tragen. Die gesamten
Heizkosten werden also 85% zu 15% aufgeteilt,
anstatt 50% zu 50%.
Abschließende Anmerkungen
Die sich durch eine verordnungswidrige Kostenverteilung ergebenden Verteilungsfehler können gravierende Ausmaße annehmen. Bereits
im Beispielsfall 1a) stellt sich die Frage, ob eine verbrauchsabhängige Abrechnung noch angemessen ist. Zu bedenken ist aber, dass der
Sparanreiz bei einer Abrechnung komplett nach
Wohnfläche herabgesetzt wird. Hier wäre eine Abrechnung auf Grundlage der verordnungswidrig vorgenommenen Aufteilung auf die Nutzergruppe noch vertretbar. Bei allen anderen
Beispielsfällen (1b, 2a und 2b), ist die Schieflage jedoch so gewaltig, dass eine Anwendung
der Differenzmethode nicht zu einer annähernd
sachgerechten Kostenverteilung führt, was der
BGH aber als Voraussetzung für die von ihm abgesegnete Verfahrensweise ansieht.
– Die durch die Anwendung der Differenzmethode entstehenden Verteilungsfehler lassen sich
abmildern. Für alle Gebäude, in denen zur Nutzergruppentrennung nur ein Wärmezähler installiert ist, wird empfohlen nur 50% der Kosten anhand des gemessenen Verbrauchswerts
und der zugeordneten Differenz aufzuteilen. Die
anderen 50% sollten nach Flächenanteilen zu-
geordnet werden. Diese Verfahrensweise ist gemäß § 6 Abs. 1 Satz HeizkV zulässig. Bei ihrer
Anwendung erhält jeder Nutzer nach wie vor eine verbrauchsabhängige Abrechnung und die
Kostenverteilungsfehler werden halbiert.
– In den Beispielsfällen entfallen auf die beiden
Nutzergruppen jeweils 50% der Heizwärme für
das Gebäude. Ist die Nutzergruppe „WZ“ im Verhältnis zur anderen Nutzergruppe jedoch relativ
klein, besteht sie z.B. nur aus einer Nutzeinheit
(Wohnung, Geschäftsraum) und die andere Nutzergruppe aus vielen Wohnungen, sind die sich
ergebenden Ungenauigkeiten entsprechend geringer.
– Nutzer, die der benachteiligten, nicht gemessenen Nutzergruppe angehören, sollten auf den
Einbau von Wärmezählern zur Vorerfassung bestehen. Der Anspruch hierauf ergibt sich aus § 4
Abs. 4 HeizkV. Es ist aber darauf hinzuweisen,
dass solche Geräte nicht immer zu angemessenen Kosten installiert werden können. Wäre der
Einbau nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten
zu verwirklichen, kann hiervon ausnahmsweise
abgesehen werden (BGH, Urt. v. 16.07.2008 VIII ZR 57/07 Rn. 25 f. - WuM 2008, 556). Ist
aber bereits ein Wärmezähler zur Vorerfassung
installiert, dürfte eine solche Ausnahme für einen weiteren Zähler eher selten bestehen (vgl.
dazu BGH wie vorstehend).
4
Verbrauchsabhängige
Heizkostenabrechnung bei
Einrohrheizung
Orientierungssätze:
1. Befinden sich in einem Wohngebäude überwiegend freiliegende ungedämmte
Heizrohre, ist der Vermieter berechtigt, zur
Wärmemessung an den vorhandenen Rohrleitungen Heizkostenverteiler anzubringen
und anhand dieser den Wärmeverbrauch zu
messen.
2. Die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkV ist als verfassungsrechtlich unbedenklich
einzustufen.
3. Es stellt keinen Mangel der Mietwohnung
dar, dass die ungedämmten Rohre einer Ein-
jurisPR-MietR 5/2016
rohrheizung in der Heizperiode heiß werden
und dass die über sie abgegebene Wärme
vom Mieter nicht gesteuert werden kann.
Dies gilt selbst dann, wenn Innentemperaturen von 24 bis 26 Grad C erreicht werden.
Anmerkung zu AG Berlin-Schöneberg, Urteil
vom 24.07.2015, 8 C 149/15
von Prof. Dr. Siegbert Lammel
A. Problemstellung
Kann ein Mieter einer durch Rohrwärme beheizten Wohnung mit materiell-rechtlichen Einwendungen (Minderung, Schadensersatz) gegen die
formal dem Beiblatt Rohrwärme zu VDI 2077
entsprechende Abrechnung vorgehen?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Vermieter verlangt von seinem Wohnraummieter Bezahlung der Heizkostenabrechnung.
In der Wohnung ist eine Heizung mit horizontal
verlaufenden freiliegenden ungedämmten Heizrohren verlegt, an die der Vermieter Heizkostenverteiler angebracht hat, wonach er seine Abrechnung erstellt. Der Mieter hält dies für nicht
der HeizKV entsprechend und hat moniert, dass
die Heizung nicht reguliert werden könne. Er
hält die darauf beruhende Abrechnung für unwirtschaftlich und meint schließlich, dass ihm
wegen der Unregulierbarkeit ein Minderungsrecht zustehen würde.
Das AG Berlin-Schöneberg hat der Zahlungsklage des Vermieters vollständig stattgegeben.
Die Erstellung der Heizkostenabrechnung sei
den Vorgaben der HeizKV entsprechend. Denn
die Verbrauchswerte seien nach den anerkannten Regeln der Technik gemäß § 7 Abs. 1 Satz
3 HeizKV erfasst worden. Nach dem hierdurch
in Bezug genommenen Beiblatt Rohrwärme zu
VDI 2077 sei die Anbringung von Heizkostenverteilern an den wärmeführenden ungedämmten
Rohren zulässig. Verfassungsrechtliche Bedenken an der Verweisung auf diese technischen
Regelungen hege das Gericht nicht.
Eine Minderung, gestützt auf die zu hohen Temperaturwerte mangels Regulierbarkeit der Hei-
zung, sei deshalb zu verneinen, weil der Mieter die Wohnung mit einer solchen Heizung angemietet habe, die systembedingt nicht regulierbar sei. Der Vermieter habe also das geleistet, was er nach dem Mietvertrag geschuldet habe. Zu einer technischen Umgestaltung der Heizung sei er mangels einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung nicht verpflichtet. Im
Übrigen könne der Mieter den zu hohen Temperaturen dadurch begegnen, dass er die Wärme
durch Öffnen der Fenster reguliere.
Einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot sei auch nicht zu erkennen. Die in Rechnung
gestellten Verbrauchswerte würden noch unter den Durchschnittswerten liegen, die das Gericht anhand der Berliner Betriebskostenübersichten festgestellt habe. Im Übrigen sei der
Mieter seinen Darlegungs- und Beweispflichten
für das Vorliegen eines Verstoßes gegen das
Wirtschaftlichkeitsgebot nicht nachgekommen.
C. Kontext der Entscheidung
Während die Mehrzahl der Entscheidungen zum
Problem der Rohrwärme sich mit der unterlassenen Anwendung der sog. anerkannten Regeln der Technik im Beiblatt Rohrwärme zur
VDI 2077 befassen mussten (dazu zuletzt Pfeifer, WuM 2016, 32 m.w.N.), liegt hier eine Entscheidung zu einem Sachverhalt vor, in dem
sich der Mieter gegen die nach diesen technischen Regelwerk vorgenommene Heizkostenverteilung wendet.
Formal gesehen hält sich die Entscheidung im
Rahmen der von der HeizKV und der Rechtsprechung vorgezeichneten Vorgaben. Das Beiblatt Rohrwärme zu VDI 2077 sieht drei unterschiedliche Verfahren vor, mit denen die
Rohrwärme „erfasst“ werden kann: eine messtechnische Ermittlung, das Bilanzverfahren und
ein sog. rechnerisches Verfahren. Der Gebäudeeigentümer (= Vermieter) kann unter diesen Methoden wählen, wird allerdings das nach
den vorliegenden technischen Gegebenheiten
am passendste aussuchen müssen, um die Abrechnung unter Zugrundelegung der gewählten technischen Methode noch nachvollziehbar
zu machen. Bei der im Streitfall (wohl) vorliegenden Einrohrringheizung nach dem RietschelHenneberg-System bot sich die messtechnische Methode an. Denn bei dieser Heizungsart werden rechteckige Profilrohre, in denen das
jurisPR-MietR 5/2016
Heizwasser fließt, an den Fußleisten der Wände in der Wohnung entlanggeführt. An diesen
Rohren können und müssen Heizkostenverteiler angebracht werden (und zwar nach dem
Verdunstungsprinzip, vgl. Hampel/Faulhaber in:
Kreuzberg/Wien, Handbuch der Heizkostenabrechnung, 8. Aufl. 2013, 390, 391), um zu einer verbrauchsabhängigen Verteilung zu gelangen (vgl. Peters, Handbuch zur Wärmekostenabrechnung, 14. Aufl. 2010, 123, 124). Wie
das AG Berlin-Schöneberg hegt auch der BGH
(BGH, Urt. v. 06.05.2015 - VIII ZR 193/14 - WuM
2015, 423 m. krit. Anm. Lammel, jurisPR-MietR
16/2015 Anm. 4) keine verfassungsrechtlichen
Bedenken an der Verweisung auf das technische Regelwerk.
Die materiellen Einwände sind nicht so einfach
zu beurteilen. Denn bevor auf eine, die Mängelrechte ausschließende Kenntnis des Mieters
abgestellt werden kann, sollte zunächst untersucht werden, ob überhaupt ein Mangel vorliegt. Drei Tatbestände kämen hierfür in Betracht: Zunächst das Vorliegen der Einrohrheizung selbst, dann deren individuelle Nichtregulierbarkeit und schließlich die Überheizung der
Räume. Unter heutigen Gesichtspunkten mag
zwar eine Einrohrheizung den technischen Erfordernissen an eine Heizung nicht mehr entsprechen. Für die Beurteilung des Vorliegens eines Mangels kommt es aber auf das Baualter
des Gebäudes an. Zwar wird dieses im Sachverhalt nicht mitgeteilt; aber diese Heizungsarten wurden früher durchaus häufiger eingebaut.
Unter Gewährleistungsgesichtspunkten ist eine
Nach- oder Umrüstung des Heizungssystems
nicht geboten; die Austauschpflicht nach § 10
Abs. 1 EnEV betrifft nur die Heizkessel. Auch
die Pflicht zur Dämmung der wärmeleitenden
Rohre nach den §§ 10 Abs. 2, 14 Abs. 5 EnEV
greift hier nicht ein; denn eine Dämmung würde die Heizung systembedingt unbrauchbar machen; insoweit besteht ein Unterschied zu den
ungedämmten Zuführungsrohren zu den Heizkörpern. Systembedingt ist die Einrohrringleitung auch nicht individuell regulierbar. Denn ihrer Rohre sind etagenweise an ein durch die
Stockwerke gehendes Vorlaufrohr angeschlossen, wobei pro Etage nur ein Anschluss für
Vorlauf (und Rücklauf) vorhanden ist, was dazu führt, dass die Ringleitung sämtliche Räume/Wohnungen der Etage durchläuft. Eine Unterbrechung durch individuelle Regulierung in
einem Raum/einer Wohnung ist daher nicht
möglich, weil sie die „Hinterlieger“ in ihrem Nutzungsumfang beeinträchtigen würde.
Fraglich bleibt, ob dies zu einem Mangel der
Wohnung führt, zu einer Beeinträchtigung des
nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauchs.
Angesichts des geltenden subjektiven Mangelbegriffs, der (auch) auf die Erwartungshaltung
des potentiellen Mieters abstellt, kann die Mangelhaftigkeit nicht per se verneint werden. Denn
infolge der gemäß § 14 Abs. 2 EnEV geltenden Nachrüstpflicht der Heizungen mit Thermostatventilen und der daraus folgenden augenscheinlichen Üblichkeit derartiger Einrichtungen konnte der Mieter davon ausgehen, dass
die vorgegebene Heizung ebenfalls individuell
regulierbar ist. Die vom Amtsgericht benutzte
Argumentation, dass eine Regulierbarkeit angesichts der Anmietung einer Wohnung mit
Einrohrheizung nicht geschuldet gewesen sei,
dreht diesen Mangelbegriff um: Es war nicht Sache des Mieters, sich über den vom Üblichen abweichenden Zustand zu informieren, sondern es
war Aufgabe des Vermieters, den Mietinteressenten auf diese Besonderheit hinzuweisen, die
einem Laien nicht von vornherein bekannt sein
konnte. Diese Informationspflicht bestand umso mehr, als die Heizkosten vereinbarungsgemäß zu 50% nach Verbrauch abgerechnet werden sollten; Verbrauch setzt aber Regulierbarkeit voraus. Die überschießende unerwünschte Wärme stellt eine aufgedrängte Bereicherung dar und ist keinesfalls zu bezahlen (dazu Sprau in: Palandt, BGB, § 812 Rn. 52). Die
vom erwarteten üblichen Zustand abweichende Gestaltung der Heizung konnte daher mangels entsprechender Kenntnis nicht zur vertraglichen Erfüllung werden. Insoweit wäre durchaus eine Minderung in Erwägung zu ziehen gewesen.
Letztlich ist noch das Wirtschaftlichkeitsgebot
zu überprüfen. Hier zeigt sich, dass mit der Beweislastverteilung dem Mieter eine nahezu unmögliche Aufgabe gestellt wird; denn nach einer
alten Rechtsregel (negativa non sunt probanda)
kann das Nichtvorliegen einer Tatsache nicht
bewiesen werden, vielmehr muss das Vorliegen
nachgewiesen werden. Es wäre daher Aufgabe
des Vermieters darzulegen, dass die Heizung
wirtschaftlich betrieben wird. Außerdem wäre
die „Überheizung“ dem Mängelrecht zuzuordnen gewesen. Denn eine Heizung, deren Wirkung zum Fenster hinaus geht, mindert die Möglichkeit des vertragsgemäßen Gebrauchs der
jurisPR-MietR 5/2016
Mietsache. Und bei dieser Einordnung brauchte der Mieter nur den Mangel (= Überheizung)
nachzuweisen, nicht aber – wie beim Gebot
der Wirtschaftlichkeit – einen Schaden dergestalt, dass ihm mehr als Verbrauch zugewiesen worden ist, als er tatsächlich gebraucht
hat. Die im einzelnen sicher schwierig vorzunehmende Trennung zwischen Mangel und Verstoß gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit ist
daher danach vorzunehmen, in welchem Bereich der „Fehler“ auftritt: Handelt es sich um
einen objektbezogenen Fehler, liegt ein Mangel
i.S.d. § 536 BGB vor; beruht der Fehler hingegen auf dem unsorgfältigen Handeln des Vermieters, liegt ein Verstoß gegen das Gebot der
Wirtschaftlichkeit vor (dazu Wall, Betriebskostenkommentar, 4. Aufl. 2015, Rn. 5619, 5620).
Schließlich beruht auch die negative Einstellung des Gerichts zu einer Pflichtverletzung des
Vermieters (vgl. auch Wall, Betriebskostenkommentar, 4. Aufl. 2015, Rn. 5910) auf einer Nichtbeachtung der im Beiblatt Rohrwärme zu VDI
2077 enthaltenen Vorschläge, wie dem Phänomen der Rohrwärme durch optimierende Einstellung der Heizungsanlage begegnet werden
kann, insbesondere durch Absenkung der Heizkurve.
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Ausführungen des Urteils insbesondere zum
Gebot der Wirtschaftlichkeit zeigen deutlich,
wie sorgfältig ein Parteivertreter seinen Vortrag
– ggf. unter entsprechendem Beweisantritt –
gestalten muss, um ein derartiges abweisendes Argumentieren zu vermeiden. Insbesondere
hätte darauf hingewiesen werden müssen, dass
die über die gewünschten 20° C hinausgehende
Wärme durchaus kostenrelevant gewesen ist,
denn jedes Grad über die 20° C hinaus bedarf
kostenträchtiger Energie.
5
Berufungsverfahren: Notwendiger Inhalt
der Berufungsbegründung
Leitsatz:
Zum notwendigen Inhalt einer Berufungsbegründung (im Anschluss an BGH, Urt. v.
24.06.2003 - IX ZR 228/02 - NJW 2003, 3345).
Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 04.11.2015,
XII ZB 12/14
von Bernd Jahreis, RA, FA für Miet- und Wohnungseigentumsrecht und FA für Erbrecht, Jahreis
Fachanwaltskanzlei für Erb-, Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Bayreuth
A. Problemstellung
Welche zwingenden Anforderungen muss eine
Berufungsbegründung erfüllen, damit eine zulässige Berufung vorliegt?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger ist Mieter von Räumlichkeiten in dem
von der Beklagten betriebenen Krankenhaus
und betreibt einen Friseursalon. In dem von
der Vormieterin des Klägers abgeschlossenen
Mietvertrag wurde vereinbart, dass die Beklagte
bei zeitlich begrenzter Einschränkung oder völligem Stillstand des Gewerbebetriebs durch Umbaumaßnahmen einen Verdienstausfall für die
Dauer der Geschäftsbeeinträchtigung zu ersetzen hat, dessen Höhe durch einen Steuerberater nachzuweisen ist. In der Folgezeit ließ die
Beklagte Umbaumaßnahmen durchführen, welche mit einer Schließung des neben dem Ladenlokal gelegenen Hintereingangs des Krankenhauses verbunden waren.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger den Ersatz
eines Verdienstausfalls von 20.946 Euro für die
Zeit von Juni bis Dezember 2011 nebst Zinsen,
den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und die Feststellung weiterer Ersatzansprüche und einer in Höhe von 90% gerechtfertigten
Mietminderung. Hilfsweise hat der Kläger beantragt, seine Berechtigung festzustellen, wegen
überzahlter Miete gegen künftige Mietansprüche aufzurechnen.
Das Landgericht hatte die Klage in erster Instanz abgewiesen, weil es die Kausalität zwischen der Schließung des Eingangs und dem geminderten Kundenstrom als nicht erwiesen ansah.
Das Oberlandesgericht hatte die Berufung des
Klägers wegen nicht ausreichender Berufungs-
jurisPR-MietR 5/2016
begründung als unzulässig verworfen. Dagegen
richtete sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.
Der BGH hat die Rechtsbeschwerde gegen den
Beschluss des Oberlandesgerichts verworfen.
Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO müsse
die Berufungsbegründung die Bezeichnung aller Umstände enthalten, aus denen sich nach
Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergebe. Die Berufungsbegründung solle dabei erkennen lassen, aus
welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen
der Berufungskläger das angefochtene Urteil für
unrichtig halte. Der Berufungskläger habe daher diejenigen Punkte darzulegen, die er als unzutreffend ansehe und dazu die Gründe anzugeben, aus denen er die Fehlerhaftigkeit dieser Punkte und deren Entscheidungserheblichkeit herleite.
Hieran sind nach Ansicht des BGH zunächst
nicht allzu hohe Anforderungen zu stellen. So
müsse die Berufungsbegründung keine ausdrückliche Benennung einer bestimmten Norm
enthalten. Auch die Schlüssigkeit oder Vertretbarkeit der erhobenen Rügen sei keine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Berufung.
Allerdings hätte sich der Klägervertreter im vorliegenden Fall gegen alle die Klageabweisung
tragenden Gründe der landgerichtlichen Entscheidung wenden müssen. Dass sich der Berufungsangriff nur gegen die Begründung des
Landgerichts zur Schadenshöhe wende, sei dagegen nicht ausreichend.
Auch der Rechtsvortrag des Klägervertreters,
die entsprechende Vertragsklausel beziehe sich
ausschließlich darauf, dass nur die Höhe des
Schadens, nicht aber der Rückgang des Kundenstroms nachzuweisen sei, ändere daran nichts.
Denn aus dem landgerichtlichen Urteil gehe eindeutig hervor, dass das Landgericht die Klage auch deshalb abgewiesen habe, weil seitens
des Klägers eine Beeinträchtigung des Betriebes nicht hinreichend dargelegt werde.
Selbst wenn man die Berufungsbegründung so
auslegen würde, dass sie sich auch auf den Anspruchsgrund beziehen würde, sei ein zulässiger Berufungsangriff nicht gegeben.
Denn die Berufungsbegründung müsse nach
§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3 ZPO die
Bezeichnung der Rechtsverletzung und deren
Entscheidungserheblichkeit oder konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder
Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen begründen, enthalten. Hierzu gehöre auch die Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger angreife und
welche Gründe er ihnen entgegensetzen wolle.
Daher müsse der Berufungsbegründung unbedingt entnommen werden können, ob der Berufungskläger sich gegen die Rechtsauffassung
des Landgerichts wenden wolle oder dagegen,
dass das Landgericht zu hohe Anforderungen
an den Nachweis einer Voraussetzung gestellt
habe (so bereits BGH, Urt. v. 24.06.2003 - IX
ZR 228/02 und BGH, Beschl. v. 22.11.2006 - XII
ZB 130/02). Der Berufungsbegründung sei aber
gerade nicht zu entnehmen, ob sich der Kläger
gegen die Rechtsauffassung des Landgerichts
oder die Beweiswürdigung richten wolle.
C. Kontext der Entscheidung
Der XII. Zivilsenat des BGH hält damit an seiner bisherigen und auch richtigen Rechtsprechung fest, wonach eine Berufungsbegründung
erkennen lassen soll, aus welchen tatsächlichen
und rechtlichen Gründen ein Berufungskläger
ein von ihm angefochtenes Urteil für nicht zutreffend hält. Dabei muss er die Gründe angeben, aus denen er die Fehlerhaftigkeit jener
Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleitet (BGH, Urt. v.
22.11.2006 - XII ZB 130/02), wobei in dieser Entscheidung jedoch auch ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit eines Urteils lediglich die Mitteilung
der Umstände erforderlich ist, die das Urteil aus
seiner Sicht infrage stellen. Besondere formale
Anforderungen sind nach Ansicht des BGH nicht
erforderlich. Eine Berufungsbegründung erfordert insoweit weder die ausdrückliche Benennung einer bestimmten Norm noch die Schlüssigkeit oder jedenfalls Vertretbarkeit der erhobenen Rügen.
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung setzt sich eingehend mit den
an eine Berufungsbegründung zu stellenden An-
jurisPR-MietR 5/2016
forderungen auseinander und besitzt daher unter anderem für die Anwaltshaftung besondere
Relevanz. Bei Fertigung einer Berufungsschrift
ist stets darauf zu achten, dass sich der Berufungsangriff gegen alle die Klageabweisung
tragenden Gründe richtet. Dabei muss sich aus
der Berufungsbegründung ergeben, ob sich der
Berufungsangriff gegen die Rechtsauffassung
oder die Beweiswürdigung des Gerichts richtet.
6
WEG-Verfahrensrecht: Beklagte einer
allgemeinen Feststellungsklage nach
§ 256 Abs. 1 ZPO
Orientierungssatz:
Eine allgemeine Feststellungsklage nach
§ 256 Abs. 1 ZPO ist in entsprechender Anwendung des § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG gegen alle übrigen Wohnungseigentümer als
notwendige Streitgenossen zu richten, (jedenfalls) wenn das Rechtsverhältnis, dessen
Feststellung begehrt wird, allein für die Frage der formellen Rechtmäßigkeit eines in einer Wohnungseigentümerversammlung gefassten Beschlusses von Bedeutung ist.
Anmerkung zu AG Würzburg, Urteil vom
28.01.2016, 30 C 1909/15 WEG
von Wolfgang Dötsch, RiOLG
A. Problemstellung
Untergemeinschaften werfen im WEG schon
materiell-rechtlich genug Probleme auf, doch
sind gerade auch prozessuale Fragestellungen
aus diesem Bereich streitanfällig. Die Entscheidung betrifft die Frage des richtigen Beklagten
bei einer allgemeinen Feststellungsklage (§ 256
ZPO), ist im Kern aber übertragbar auf Konstellationen ohne Untergemeinschafter und schon
deswegen von allgemeinem Interesse.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Parteien bilden – mit unterschiedlichen Miteigentumsanteilen – eine Untergemeinschaft
im Rahmen einer aus weiteren 60 Miteigen-
tümern bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft. In einer Eigentümerversammlung
der Untergemeinschaft verkündete der Verwalter unter Abstellen auf die Miteigentumsanteile mehrere Beschlüsse, für die allein die Beklagten mit „ja“ gestimmt hatten. Die Klägerin, die die Ansicht vertritt, dass sich sowohl
aus Gesetz als auch aus der Teilungserklärung
ergebe, dass das Kopfteilprinzip gelte, hat Beschlussmängelklage (nur) gegen die Beklagten
erhoben, die mit der Begründung als unzulässig abgewiesen worden ist, dass die Klägerin
sämtliche Miteigentümer hätte verklagen müssen. Die Klägerin begehrt nunmehr im Wege der
Feststellungsklage Feststellung, dass sich das
Stimmrecht der Parteien nach dem Kopfteilprinzip bestimme. Sie ist der Ansicht, dass sich diese Feststellungsklage allein gegen die übrigen
Mitglieder der Untergemeinschaft zu richten habe. Eine Feststellungsklage auch gegen die weiteren 60 Miteigentümer sei schon aus Kostengründen nicht zumutbar. Zudem fehle das Feststellungsinteresse in Bezug auf die weiteren 60
Miteigentümer, weil diese das Stimmrecht überhaupt nicht in Zweifel ziehen würden.
Das Amtsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, da sie gegen alle übrigen Miteigentümer der WEG zu richten gewesen wäre.
Dies folge allerdings nicht unmittelbar aus § 46
Abs. 1 Satz 1 WEG, wonach die Beschlussmängelklage gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richten sei. Der BGH habe mit Urteil vom
11.11.2011 (V ZR 45/11 - NJW 2012, 1224) entschieden, dass § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG auch
im Rahmen von Untergemeinschaften nicht einschränkend auszulegen sei. Zu verklagen seien ausnahmslos alle übrigen Miteigentümer
der Wohnungseigentümergemeinschaft. Diese
Rechtsprechung betreffe nur die Auslegung von
§ 46 Abs. 1 Satz 1 WEG. Vorliegend handele es
sich um eine allgemeine zivilrechtliche Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO, deren Ziel
die gerichtliche Klärung und Feststellung des
Stimmengewichts im Rahmen von Abstimmungen bei Eigentümerversammlungen der Untergemeinschaft sei.
Rechtsprechung zu der Frage, ob auch in diesen
Fällen die Klage gegen alle übrigen Miteigentümer zu richten sei, sei nicht ersichtlich. Dies sei
aber der Fall: Bei der Frage der zutreffenden Gewichtung der Stimmen handele es sich um eine solche, die die formelle Rechtmäßigkeit der
jurisPR-MietR 5/2016
Beschlussfassung betreffe und die allein im Verfahren nach § 43 Nr. 4 WEG einer Klärung zugeführt werden könne. Dort seien die übrigen Miteigentümer notwendige Streitgenossen, weil eine Entscheidung über die Gültigkeit oder Ungültigkeit von Beschlüssen im Rahmen der Gestaltungsklage ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen könne. Würde man eine allgemeine Feststellungsklage über Fragen der formellen Rechtmäßigkeit nur gegen die weiteren Personen,
mit denen die Klagepartei eine Untergemeinschaft bilde, für zulässig erachten, würde dies
dazu führen, dass bei einer nachfolgenden Beschlussmängelklage das Ergebnis der Feststellungsklage (nur) im Verhältnis der Parteien der
vorangehenden Feststellungsklage ohne weitere Prüfung zugrunde zu legen wäre. Für alle
übrigen Wohnungseigentümer würde dies nicht
gelten. Mit der Vorgabe, dass im Rahmen der
Beschlussmängelklage alle übrigen Wohnungseigentümer notwendige Streitgenossen seien,
weil die Entscheidung ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen könne, sei dies nicht in Einklang zu bringen.
Ob die weiteren 60 Miteigentümer das Stimmrecht bei einer künftigen Beschlussmängelklage
in Zweifel ziehen werden, stehe derzeit im Übrigen noch nicht fest. Die Feststellungsklage über
das Stimmengewicht bezwecke gerade die Vermeidung weiterer Beschlussmängelklagen über
diese Frage. Sie habe sich daher auch gegen all
diejenigen Personen zu richten, die Parteien einer Beschlussmängelklage seien.
Das gefundene Ergebnis füge sich in die Reihe ähnlicher Fallgestaltungen ein. So sei bei einer Klage auf Feststellung des Bedeutungsgehalts und der Reichweite eines verkündeten Beschlusses anerkannt, dass sich diese – obwohl
keine Beschlussmängelklage – in entsprechender Anwendung von § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG gegen alle übrigen Wohnungseigentümer zu richten habe (Bärmann/Roth, WEG, 13. Aufl. 2015,
§ 46 Rn. 21). Ein solcher enger Sachzusammenhang bestehe jedenfalls auch bei Fragen, die die
formelle Rechtmäßigkeit von Beschlüssen betreffen und die deshalb im Falle einer Beschlussfassung allein im Rahmen von Beschlussmängelklagen zu klären seien.
C. Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung ist zwar gut und folgerichtig
begründet, bedenkt aber leider mit keinem Wort
die Frage, ob die übrigen Mitglieder der WEG
nicht einfach auch über eine Beiladung nach
§ 48 Abs. 1 WEG in den Prozess eingebunden
hätten werden können und die vom Amtsgericht
vermisste Bindung an den Prozessausgang des
Feststellungsverfahrens dann nicht ggf. über
§ 48 Abs. 3 WEG hätte erreicht werden können. Die statt dessen vom Amstgericht für zwingend notwendig erachtete Klage gegen alle übrigen Wohnungseigentümer erscheint in der Tat
spätestens dann befremdlich, wenn das Gros
der anderen Wohnungseigentümer die Rechtsauffassung des Klägers teilt und unter Verweis
auf § 93 ZPO anerkennen will. Ob man ihnen
dies dann unter Verweis auf die angebliche notwendige Streitgenossenschaft (§ 62 ZPO) einfach so verweigern kann – das Thema wird
bei Beschlussmängelklagen diskutiert (zu § 93
ZPO in diesem Bereich etwa Dötsch, jurisPRMietR 1/2012 Anm. 5) –, ist dunkel, wird aber
von der ganz h.M. angenommen, die eben nur
ein einheitliches Anerkenntnis aller notwendigen Streitgenossen erlaubt (vgl. etwa Elzer in:
BeckOK-ZPO, Ed. 19, § 307 Rn. 23; zur möglichen Anerkennung durch den einzig nicht Säumigen und einen späteren Widerruf zudem BGH,
Urt. v. 23.10.2015 - V ZR 76/14 - NZM 2016,
101). Die Ergebnisse hier wären einem normalen Menschen wahrscheinlich gar nicht mehr zu
vermitteln; insbesondere wenn die anderen 60
Eigentümer einig die Rechtsauffassung des Klägers geteilt haben und nunmehr anteilig Kosten eines sinnfreien Verfahrens (auch) gegen
sie selbst zu tragen haben sollen.
Das Problem ist übrigens nicht neu: Auch die
Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Eigentümerbeschlusses soll – wie die Anfechtungsklage (§ 46 WEG), deren untrennbarer
siamesischer Zwilling sie sein soll – notwendigerweise immer gegen alle anderen Wohnungseigentümer zu richten sein (BGH, Urt. v.
10.02.2012 - V ZR 145/11 - NZM 2012, 767, Tz.
5; BGH, Urt. v. 02.03.2012 - V ZR 89/11 - BeckRS
2012, 07793, Tz. 6). Wegen der in § 23 Abs. 4
Satz 1 und 2 WEG angelegten strikten Unterscheidung von nichtigen und (nur) anfechtbaren
Beschlüssen und der in § 46 Abs. 1 WEG nach
Wortlaut und amtlicher Überschrift allein geregelten „Anfechtungsklage“ spricht allerdings
auf den ersten Blick auch dort einiges dafür, die
jurisPR-MietR 5/2016
– logischerweise nicht fristgebundene – Klage
auf Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses nur als Unterfall der allgemeinen Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) zu verstehen, mit
der die ipso iure eintretende Nichtigkeit nur deklaratorisch festgestellt wird. Aufbauend darauf
wird die Linie des BGH mit gutem Grund angegriffen: Richtig sei zwar, dass (auch) bei einer
Nichtigkeitsfeststellungsklage sämtliche Eigentümer die Möglichkeit haben müssten, sich am
Rechtsstreit zu beteiligen, doch ließe sich dies
eben auch durch eine analoge Anwendung des
§ 48 Abs. 1 WEG erreichen. Es fehle schon am
Rechtsschutzbedürfnis, jemanden auf Feststellung zu verklagen, der – wie der Kläger – selbst
von einer Nichtigkeit des Beschlusses ausgehe und sich keiner Beschlusswirkungen „berühme“. Sei im Personengesellschaftsrecht eine Nichtigkeitsfeststellungsklage anerkanntermaßen nur gegen diejenigen Gesellschafter zu
richten, die der beantragten Feststellung widersprechen, sei gerade nicht ersichtlich, weswegen ausgerechnet im WEG anderes gelten solle
(Elzer, FD-ZVR 2012, 330659; IMR 2012, 433).
Auch im Bereich des Änderungsanspruchs aus
§ 10 Abs. 2 Satz 3 WEG werden ähnliche Fragen diskutiert (Dötsch in: BeckOK-WEG, Ed. 25,
§ 10 Rn. 293; vgl. auch Elzer, MietRB 2011, 299,
300): Anspruchsgegner sind dort richtigerweise wohl auch nur diejenigen Eigentümer, die
ihre verbindliche (vgl. ggf. § 29 GBO!) Zustimmung zur erstrebten Vereinbarung verweigern
und nicht – wie teilweise vertreten – stets alle
übrigen Eigentümer; auch hier kann u.U. § 48
WEG weiterhelfen.
D. Auswirkungen für die Praxis
Der Fall zeigt einmal mehr, dass § 46 WEG der
Reform bedarf, soweit danach Beschlussmängelfragen durch Klage gegen alle übrigen Wohnungseigentümer (und nicht gegen den Verband) zu klären sind. De lege lata sind Entscheidungen wie die vorliegende aber letztlich nur
folgerichtig – wenn auch den Betroffenen unverständlich.