Verschwiegenheits-, Anzeige- und Meldepflichten der Gesundheitsberufe KAV-GED Vorstandsbereich Recht Mag.a Dr.in Kathrin Nell 08.10.2015 Dr. Kathrin Nell, KAV-GED Seite 1 Berufsrechtliche Schweigepflicht (1) § 54 ÄrzteG (gilt für Arzt und seine Hilfspersonen) § 6 GuKG, § 13 MAB, § 37 PsychologenG, § 11c MTD-G, § 7 HebammenG; § 16 Wr. KAG (subsidiär) Gelten für alle anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse (gesundheitliche, soziale, familiäre, wirtschaftliche und andere persönliche Umstände). § 121 StGB schützt Berufsgeheimnisse, die den Gesundheitszustand betreffen Geheimnis: Tatsachen, die nur dem Geheimnisträger oder einem beschränkten Personenkreis bekannt sind und bei denen ein Interesse besteht, sie Außenstehenden nicht bekannt zu machen. 08.10.2015 Dr. Kathrin Nell, KAV-GED Seite 2 Berufsrechtliche Schweigepflicht (2) Inhalt: „Verschwiegenheit“ uneingeschränkt gegenüber Ehepartnern, Familienangehörigen, Arztkollegen, Arbeitgebern (Sonderfall: Sachwalter Geheimnisträger) Bei Bewusstlosigkeit der PatientIn kann grundsätzlich von einer Zustimmung zur Information naher Angehöriger ausgegangen werden. Dauer: Zeitlich unbegrenzt, nach Behandlungsabschluss, Arztwechsel oder auch nach dem Tod der Patientin/des Patienten. Umfang: „über alle ihnen in Ausübung ihres Berufes anvertrauten und bekannt gewordenen Geheimnisse“. Geheimnis: „etwas, das eine Person oder ein bestimmter Personenkreis bewusst vor anderen verborgen hält.“ (Brockhaus – Wahrig. Deutsches Wörterbuch (2011) 08.10.2015 Dr. Kathrin Nell, KAV-GED Seite 3 Berufsrechtliche Schweigepflicht (3) insbesondere • • • • • die Tatsache der ärztlichen Behandlung die eigentliche Erkrankung Ursachen der Erkrankung Folgen der Erkrankung sowie persönliche, gesellschaftliche und psychosoziale Umstände Das Interesse an der Geheimhaltung muss nicht ausdrücklich erklärt werden. 08.10.2015 Dr. Kathrin Nell, KAV-GED Seite 4 Durchbrechung der berufsrechtlichen Schweigepflicht I 1. Meldepflichten (§ 54 Abs. 2 Z 1 ÄrzteG, § 8 GuKG) 2. Offenbarung gegenüber Kostenträgern (nicht vorgesehen bei MAB und Psychologen) 3. Entbindung durch PatientIn: nur durch urteils- und einsichtsfähige Personen (gesetzl. Vertreter; Sonderfall: bewusstlose Pat.) Formfrei (Empfehlung: Schriftform) Vor Weitergabe gesundheitlicher Informationen Einschränkung auf bestimmten Personenkreis, Erkrankung möglich Widerruf jederzeit möglich 08.10.2015 Dr. Kathrin Nell, KAV-GED Seite 5 Durchbrechung der berufsrechtlichen Schweigepflicht II 4. Schutz höherwertiger Interessen (Güterabwägung) der öffentlichen Gesundheits- oder Rechtspflege (ÄrzteG, MABG, HebammenG) - für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer (GuKG, MTD-G) - Offenbarung sofern unbedingt erforderlich (insbesondere, wenn Gerichte und Verwaltungsbehörden für ihre Entscheidungen auf Gesundheitsinformationen angewiesen sind, dürfen diese im unbedingt erforderlichen Ausmaß übermittelt werden.) AUSSER: Fachärzte für Psychiatrie, Psychotherapeuten, Psychologen ENTSCHLAGUNGSRECHTE 08.10.2015 Dr. Kathrin Nell, KAV-GED Seite 6 Anzeigepflichten (1) § 54 Abs. 4 ÄrzteG: bei Verdacht*, dass durch eine gerichtlich strafbare Handlung der Tod oder eine schwere Körperverletzung** herbeigeführt wurde bei Verdacht, dass eine volljährige Person, die ihre Interessen nicht selbst wahrzunehmen vermag, misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht worden ist unverzüglich Anzeige an die Sicherheitsbehörde * begründeter Verdacht: durch jeden Umstand, der nach der Lebens- erfahrung mit einiger Wahrscheinlichkeit auf die Begehung der strafbaren Handlung schließen lässt (auch bei Verdacht auf ArztkollegIn) ** > 24 Tage dauernde oder an sich schwere Gesundheitsschädigung (an sich schwer = wichtiges Körperteil oder Organ betroffen, ungewisser Heilungsverlauf, Gefährlichkeit des Zustandes an sich). 08.10.2015 Dr. Kathrin Nell, KAV-GED Seite 7 Anzeigepflichten (2) § 54 Abs. 5 ÄrzteG: bei Verdacht, dass ein/e Minderjährige/r misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht worden ist Anzeige an die Sicherheitsbehörde Ausnahme: Richtet sich der Verdacht gegen einen nahen Angehörigen*, kann die Anzeige so lange unterbleiben, als dies das Wohl der/des Minderjährigen erfordert und eine Zusammenarbeit mit dem Kinderund Jugendhilfeträger und ev. eine Einbeziehung einer Kinderschutzeinrichtung an einer Krankenanstalt erfolgt. Unverzüglich nachweisliche Meldung an Kinder- und Jugendhilfeträger 08.10.2015 Dr. Kathrin Nell, KAV-GED Seite 8 Anzeigepflichten (3) *naher Angehöriger = insb. Ehegatte, eingetragene PartnerIn, Verwandte in gerader Linie und Geschwister, Vater und Mutter ihres unehelichen Kindes, Wahl- und Pflegeeltern Eine Gefährdung des Wohls ist nicht mehr anzunehmen, wenn Kind stationär aufgenommen wird - daher dann Anzeige an die Sicherheitsbehörde Gewisse Pflicht der Ärztin/des Arztes zur Beobachtung des weiteren Schicksals der/des Minderjährigen CAVE: Meldung an Kinder- und Jugendhilfeträger hebt die Anzeigepflicht bei der Sicherheitsbehörde nicht zur Gänze auf! 08.10.2015 Dr. Kathrin Nell, KAV-GED Seite 9 Anzeigepflichten (4) § 54 Abs. 6 ÄrzteG: Im Fall einer vorsätzlichen schweren Körperverletzung Hinweis auf bestehende Opferschutzeinrichtungen § 7 GuKG: bei Verdacht, dass durch eine gerichtlich strafbare Handlung der Tod oder eine schwere Körperverletzung herbeigeführt wurde unverzüglich Anzeige an die Sicherheitsbehörde Ausnahme: Anzeigepflicht besteht nicht bei schwerer Körperverletzung, wenn die Anzeige eine Tätigkeit der Gesundheits- und Krankenpflege beeinträchtigte, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf. Hinweis auf bestehende Opferschutzeinrichtungen 08.10.2015 Dr. Kathrin Nell, KAV-GED Seite 10 Anzeigepflichten (5) Anzeige an die Sicherheitsbehörde: Für die in Wien gelegenen Häuser des KAV → Anzeige an das zuständige Polizeikommissariat; Anzeige hat einschlägigen Verdacht auf Fremdverschulden inkl. Begründung zu enthalten – keine bloße Übermittlung des Patientenbriefs! Falls mutmaßliche/r TäterIn eine/r MitarbeiterIn der Stadt Wien ist → Kopie der Anzeige an VB Personal GED-18/11/R „Strafanzeigen; Meldungen bei Verdacht strafbarer Handlungen“ Anzeigenformular (Anlage 2) Opferschutzeinrichtungen (Anlage 3) Polizeikommissariate Wien (Anlage 4) 08.10.2015 Dr. Kathrin Nell, KAV-GED Seite 11 Meldepflichten I § 54 Abs. 2 Z 1 ÄrzteG: sanitätspolizeiliche und gesundheitsrechtliche Vorschriften zB §§ 2, 3 EpidemieG, §§ 1ff AIDS-Gesetz, § 37 UbG, § 75 AMG, §§ 61, 70 MPG, § 4 GeschlechtskrankheitenG, § 24 SMG, §§ 11,12 TuberkuloseG, §§ 8, 9 BG über öffentliche Schutzimpfungen gegen übertragbare Kinderlähmung 08.10.2015 Dr. Kathrin Nell, KAV-GED Seite 12 Meldepflichten II § 8 (1) GuKG : DGKP sind ermächtigt, persönlich betroffene Personen, Behörden oder öffentlichen Dienststellen Mitteilung zu machen bei Verdacht, dass durch eine gerichtlich strafbare Handlung der Tod oder eine Körperverletzung herbeigeführt wurde bei Verdacht, dass ein/e Minderjährige/r oder eine sonstige Person, die ihre Interessen nicht selbst wahrzunehmen vermag, misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht wurde, sofern das Interesse an der Mitteilung das Geheimhaltungsinteresse überwiegt. § 8 (2) GuKG: Pflicht zur Meldung an Jugendwohlfahrtsträger oder Pflegschaftsgericht, sofern dies zur Verhinderung einer weiteren erheblichen Gefährdung des Wohls der betroffenen Person erforderlich ist. 08.10.2015 Dr. Kathrin Nell, KAV-GED Seite 13 Meldepflichten III • Nicht erwähnt bei Psychologen, MTD, MAB • Hebammen nur Meldung der Geburt an Personenstandsb. • § 37 Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013: → bei begründetem Verdacht (insb. auf Misshandlung, Quälen, Vernachlässigung, sex. Missbrauch von Minderjährigen) unverzüglich schriftliche Mitteilung an Kinder- und Jugendhilfeträger seitens Krankenanstalt. • § 80 Strafprozeßordnung 1975: → generell bei Kenntniserlangung einer strafbaren Handlung 08.10.2015 Dr. Kathrin Nell, KAV-GED Seite 14 Meldepflichten IV (Magistrat der Stadt Wien) • §§ 35 DO 1994, 4 Abs. 6 VBO 1995 → bei begründetem Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist, unverzüglich Meldung an die Vorgesetzte/den Vorgesetzen • § 15 GOM (Geschäftsordnung für den Magistrat der Stadt Wien) → Jede und jeder Bedienstete ist verpflichtet, wichtige im Dienst wahrgenommene und den Dienst betreffende Vorfälle oder dienstlich bekannt gewordene strafbare Handlungen dem bzw. der Vorgesetzten sofort zu melden. • GED-18/11/R „Strafanzeigen; Meldungen bei Verdacht strafbarer Handlungen“ 08.10.2015 Dr. Kathrin Nell, KAV-GED Seite 15 Vorstandsbereich Recht FB Medizinrecht 40 409 - 70043 - 70045 08.10.2015 Dr. Kathrin Nell, KAV-GED Seite 16
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