R e ch t i n t e r e ssa n t Angestellte Ärzte und Psychotherapeuten auf dem Vormarsch RECHT INTERESSANT 30 Aus einer Vielzahl von interessanten Entwicklungen, die derzeit in der ambulanten ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung zu beobachten sind, sticht ein Trend besonders hervor: die stetige Zunahme der Zahl der in Praxen niedergelassener Vertragsärzte, Vertragspsychotherapeuten und in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) angestellten Ärzte und Psychotherapeuten. W ährend im Jahr 2009 an der vertragsärztlichen Versorgung bundesweit noch 12.128 angestellte Ärzte und Psychotherapeuten teilgenommen haben, hat sich diese Zahl bis zum Ende des Jahres 2014 auf 24.560 erhöht und somit innerhalb von sechs Jahren mehr als verdoppelt. Bayern verzeichnet seit dem Jahr 2013 eine Steigerung der Zahl der Anstellungsverhältnisse um 31,4 Prozent. Grund genug, sich an dieser Stelle zukünftig in loser Folge mit den vertragsarztrechtlichen Vorgaben und ausgewählten Fragestellungen rund um das Thema Anstellung zu beschäftigen. Der „angestellte Arzt“ im Sinne des Vertragsarztrechts Der Begriff des „angestellten Arztes“ wird weder im SGB V [1], noch in der Ärzte-Zulassungsverordnung [2] (Ärzte-ZV) abschließend definiert. Lediglich im Bundesmantelvertrag- Ärzte (BMV-Ä) findet sich eine entsprechende Konkretisierung. Danach handelt es sich bei K V B F O R U M 6/2015 einem „angestellten Arzt“ um einen Arzt mit genehmigter Beschäftigung in einer Arztpraxis oder einem MVZ [3], dasselbe gilt für Psychotherapeuten [4]. Auch wenn diese Begriffsbestimmung sehr allgemein gehalten und nicht abschließend ist, beschreibt sie mit der Notwendigkeit eines (zivilrechtlichen) Beschäftigungsverhältnisses und der (öffentlich-rechtlichen) Genehmigung der Anstellung doch die zwei wesentlichen Merkmale des angestellten Arztes im Sinne des Vertragsarztrechts. 1. Aus der Bezeichnung als „angestellter“ Arzt, aber auch aus dessen Eingliederung in die Praxisorganisation unter Verantwortung des anstellenden Arztes beziehungsweise des MVZ ergibt sich, dass es sich bei dem Rechtsverhältnis zwischen dem angestellten Arzt und dem anstellenden Vertragsarzt oder MVZ um ein Arbeitsverhältnis [5] im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) handeln muss. In einem schriftlichen Arbeits- vertrag müssen daher die wesentlichen arbeitsrechtlichen Verpflichtungen (insbesondere Arbeitszeit, Arbeitsort, Vergütung etc.) niedergelegt sein [6]. 2. Zwingend erforderlich ist zudem eine Genehmigung zur Beschäftigung des angestellten Arztes in der Vertragsarztpraxis beziehungsweise im MVZ. Diese wird auf Antrag [7] des anstellenden Vertragsarztes oder MVZ durch den zuständigen Zulassungsausschuss erteilt [8]. Wichtig: Ohne eine entsprechende Genehmigung können vom angestellten Arzt keine Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erbracht und abgerechnet werden (Verstoß gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung [9]). Ein Anspruch auf Genehmigung der Anstellung durch den Zulassungsausschuss besteht, wenn für die jeweilige Fachgruppe im Planungsbereich keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, im Falle von Zulassungsbeschränkungen, R ec ht i n t er es sa nt wenn sich der anstellende Arzt oder das MVZ auf die Beschränkungen des „Job-Sharings“ [10] einlässt (insbesondere Fachgebietsidentität und Einhaltung der festgelegten Punktzahlobergrenze), ein bereits zugelassener Vertragsarzt auf seine Zulassung verzichtet, um sich anstellen zu lassen [11], ein ausgeschriebener Vertragsarztsitz übernommen [12] oder eine bereits vorhandene Stelle eines angestellten Arztes nachbesetzt werden kann [13]. Ungeachtet von Zulassungsbeschränkungen dürfen auch keine Hinderungsgründe für die Anstellung vorliegen (zum Beispiel Ungeeignetheit) [14]. wird ein angestellter Arzt mit einem Tätigkeitsumfang von mindestens zehn Wochenstunden mit dem Anrechnungsfaktor 0,25 bis zu 20 Wochenstunden mit dem Faktor 0,5 bis zu 30 Wochenstunden mit dem Faktor 0,75 und über 30 Wochenstunden mit dem Faktor 1,0 berücksichtigt [16]. Führt eine Änderung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit zu einer Erhöhung des Anrechnungsfaktors, ist eine (vorherige) Genehmigung des Zulassungsausschusses erforderlich, im Falle einer Verringerung der Arbeitszeit ist diese dem Zulassungsausschuss anzuzeigen [17]. assistenten) zu unterscheiden. Auch wenn deren Beschäftigung gleichermaßen wie die Beschäftigung eines angestellten Arztes auf einem zivilrechtlichen Arbeitsvertrag beruht, handelt es sich bei diesen nicht um angestellte Ärzte im Sinne des Vertragsarztrechts. Sowohl Vertreter als auch Assistenten werden lediglich zeitlich befristet und nur im Rahmen der dem Vertretenen beziehungsweise dem anstellenden Arzt eingeräumten Rechtsstellung in der vertragsärztlichen Versorgung tätig [18]. Zwar ist auch die Beschäftigung eines Assistenten genehmigungspflichtig. Insofern notwendige Genehmigungen werden aber nicht durch den Zulassungsausschuss, sondern durch die zuständige Kassenärztliche Vereinigung erteilt. Zahl der angestellten Ärzte im Zeitraum 1993 bis 2014 24.560 25.000 22.304 20.845 20.000 18.843 16.776 14.348 15.000 12.576 10.000 6.629 5.000 7.821 8.271 8.048 8.546 9.057 10.406 5.093 1993 1995 1998 2000 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Quellen: www.lass-dich-nieder.de; KBV Abbildung 1 Berücksichtigung des angestellten Arztes im Rahmen der Bedarfsplanung Abgrenzung zu Vertretern, Assistenten und ermächtigten Ärzten Auf Basis der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit erfolgt regelmäßig [15] eine Anrechnung des angestellten Arztes im Rahmen der Bedarfsplanung. Konkret Der angestellte Arzt im Sinne der oben genannten Definition ist streng von einem (Abwesenheits-) Vertreter sowie von einem Assistenten (Weiterbildungs-, Sicherstellungs- Ermächtigte Ärzte verfügen schon qua Gesetz über einen eigenen Teilnahmestatus an der vertragsärztlichen Versorgung und stellen daher ebenfalls keine angestellten Ärzte im Sinne des Vertragsarztrechts dar [19]. K V B F O R U M 6/2015 31 32 R e ch t i n t e r e ssa n t Teilnahmeberechtigung des angestellten Arztes Die einem MVZ oder einem Vertragsarzt erteilte Genehmigung zur Beschäftigung eines angestellten Arztes berechtigt diesen, im Rahmen seines Angestelltenstatus sowie entsprechend seiner fachlichen Qualifikation Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen. Diese Berechtigung stellt für den angestellten Arzt aber keinen einer Zulassung vergleichbaren eigenständigen öffentlichrechtlichen Status dar. Inhaber dieses Status ist allein der anstellende Vertragsarzt beziehungsweise das anstellende MVZ, die auch Adressat der jeweiligen Genehmigung sind. Diese können zudem, da sie die Verfügungsgewalt über die Angestelltenstelle besitzen, den vertragsarztrechtlichen Status jederzeit durch einseitige Erklärung gegenüber dem Zulassungsausschuss beenden [20]. Der öffentlich-rechtliche Status ist stets von dem zivilrechtlichen Arbeitsverhältnis mit dem angestellten Arzt zu unterscheiden, diese können divergieren. Es empfiehlt sich daher, in den Arbeitsvertrag mit einem angestellten Arzt entsprechende Regelungen aufzunehmen. So sollte zum Beispiel die Wirksamkeit eines Arbeitsvertrages von der aufschiebenden Bedingung der bestandskräftigen Genehmigung der Anstellung durch den Zulassungsausschuss abhängig gemacht und im Arbeitsvertrag eine kurzfristige Kündigungsmöglichkeit für den Fall, dass die Genehmigung aus Gründen, die in der Person des angestellten Arztes liegen, widerrufen wird, vorgesehen werden. Mitgliedsstatus angestellter Ärzte in der KVB Obwohl angestellte Ärzte nicht über einen eigenen TeilnahmestaV B F O R U M 6/2015 tus verfügen, werden sie, wenn sie zumindest halbtags beschäftigt sind, dennoch (Pflicht-) Mitglieder in der für ihren Arztsitz zuständigen KV und unterliegen damit deren Disziplinargewalt [21]. Die Satzung der KVB konkretisiert diese Vorgabe dahingehend, dass der angestellte Arzt insgesamt mindestens 20 Wochenstunden im Bezirk der KVB beschäftigt sein muss [22]. Ungeachtet des fehlenden Mitgliedsstatus müssen aber auch diejenigen angestellten Ärzte, die weniger als 20 Wochenstunden tätig sind, die sich aus der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ergebenden Pflichten beachten. Der anstellende Vertragsarzt beziehungsweise das MVZ haben diese zur Erfüllung ihrer diesbezüglichen Pflichten anzuhalten [23]. Aktueller Ausblick Um der zunehmenden Bedeutung von angestellten Ärzten in der ambulanten Versorgung Rechnung zu tragen, hat der Gesetzgeber im aktuellen Entwurf des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes (GKVVSG) vorgesehen, dass sowohl bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung als auch bei den Kassenärztlichen Vereinigungen zukünftig ein eigener beratender Fachausschuss für angestellte Ärzte eingerichtet werden soll [24]. Stefan Hochgesang (Rechtsabteilung der KVB) Fußnotenverzeichnis: [1] Siehe § 98 Abs. 2 Nr.13 SGB V, § 95 Abs. 9 SGB V [2] Siehe § 32b Ärzte-ZV [3] Siehe § 95 Abs. 9 SGB V bzw. § 95 Abs. 1 SGB V [4] Siehe § 1a S. 1 Ziff. 8 BMV-Ä; Der Begriff „angestellter Arzt“ umfasst im Folgenden grundsätzlich auch den „angestellten Psychotherapeuten“. [5] Siehe §§ 611 ff., 622 BGB [6] Schallen, Kommentar zur Zulassungs verordnung-Ärzte, 8. Aufl., § 32b Rn. 65 f. [7] Siehe § 58 Abs. 1, 7 der Bedarfsplanungs- richtlinie des G-BA [8] Siehe § 95 Abs. 2 S. 7, Abs. 9 SGB V, § 32b Abs. 2 S. 1 Ärzte-ZV [9] Siehe § 15 Abs. 1 BMV-Ä [10] Siehe § 58 Abs. 5, § 61 der Bedarfs planungsrichtlinie des G-BA [11] Siehe § 103 Abs. 4a, 4b SGB V [12] Vgl. Pawlita in Juris-PK-SGB V, 2. Aufl., § 103 Rn. 140 ff. [13] Vgl. Pawlita in Juris-PK-SGB V, 2. Aufl., § 103 Rn. 147 ff. [14] Siehe Schallen, Kommentar zur Zulassungsverordnung-Ärzte, § 32b Rn. 73 ff. [15] Keine Anrechnung zum Beispiel bei Anstellung eines Hochschullehrers, wissenschaftlichen Mitarbeiters durch einen Hausarzt gem. § 95 Abs. 9a S. 2 SGB V [16] Siehe § 51 Abs. 1, § 58 Abs. 2 der Bedarfsplanungsrichtlinie des G-BA [17] Siehe Schallen, Kommentar zur Zulassungsverordnung-Ärzte, § 32b Rn. 100 [18] Siehe Schallen, Kommentar zur Zulassungsverordnung-Ärzte, § 32 Rn. 14, Rn. 58 ff. m.w.N. [19] Siehe § 95 Abs. 1 S. 1 SGB V [20] Siehe Schallen, Kommentar zur Zulassungsverordnung-Ärzte, § 32b Rn. 122 [21] Siehe § 77 Abs. 3 S. 2 SGB V [22] Siehe § 1 Abs. 2 der Satzung der KVB [23] Siehe § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S.2 BMV-Ä [24] Siehe Gesetzentwurf der BReg zum GKV-VSG vom 08.12.2014, S. 19, Nr. 33, § 79c SGB V
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