Ansätze zur Bekämpfung der (Kinder-)Armut Walter Werner Einführung in AG 2 bei der Konferenz des Mannheimer Bündnisses UMfairTEILEN «Kinderarmut in einem reichen Land. Die Situation in Mannheim» am 11. April 2015 im Jugendkulturzentrum Forum Kontakt: [email protected] 1 1 Inhalt 1. Stimmen zur Kinderarmut 2. Methodisches zur Kinderarmut 3. Akteure und Aktivitäten gegen Kinderarmut in MA 4. Daten und Informationen zur Kinderarmut in MA 5. Programm und Politik gegen Kinderarmut in MA 6. Gute Praxis anderswo kopieren – Impulse für MA 2 1. Stimmen zur Kinderarmut «Kinderarmut ist ein politischer Skandal.» Ev. Dekan Ralph Hartmann MA «Entscheidende Risikofaktoren für die Armut von Kindern sind der Haushaltstyp, der Migrationsstatus sowie die Erwerbsintegration bzw. der soziale Status und der Bildungsstatus der erwachsenen Haushaltsmitglieder.» 5. Armuts- und Reichtumsbericht Rheinland-Pfalz, März 2015, Seite 214 «Arme Kinder sind bei der Einschulung häufiger auffällig, sprechen schlechter Deutsch, können schlechter zählen, sich weniger konzentrieren als Kinder, die keine Leistungen nach dem SGB II beziehen.» Groos/Jehles, ZEFIR, Mülheim-Studie, Bertelsmann-Projekt «Kein Kind zurücklassen» «Kinder brauchen mehr – eine Kindergrundsicherung.» Bündnis Kindergrundsicherung 3 2. Methodisches zur Kinderarmut Kinderarmut – erst in den 90er Jahren Thema für Sozialberichterstattung alarmierende Trends: «Infantilisierung» der Armut (Hauser, Butterwegge) und Verfestigung der Armut in «Armutsinseln» (Zander) Kinderarmut in der UN-Kinderrechtskonvention (Art. 27, 1992 von Deutschland ratifiziert) Eigenständiges Recht des Kindes auf einen Lebensstandard, der seine körperlichen, geistigen, seelischen, sittlichen und sozialen Entwicklung angemessen ist Kinderarmut – das zentrale Entwicklungsrisiko für kindliches Wohlergehen für viele Kinder keine Episode mehr, sondern Dauer- und Normalzustand Kinderarmut – Blick auf Kontexte der Kinder nehmen Kinder in Paar-Haushalten, bei Alleinerziehenden, mit Migrationsbiografie, Kinder in Regenbogenfamilien, Flüchtlingskinder, Heimkinder, Straßenkinder ... Kinderarmut – lokal mit SGB II-Bezug (Hartz IV) gemessen weil lokal keine Haushaltseinkommen von Familien vorliegen Kinderarmut = Familienarmut = Frauenarmut = Alleinerziehendenarmut 4 2. Methodisches zur Kinderarmut Von Kinderarmut besonders betroffen sind Kinder und Jugendliche, deren Eltern nicht erwerbstätig sind, deren Eltern gering qualifiziert sind, die aus kinderreichen Familien stammen. die bei einem alleinerziehenden Elternteil aufwachsen, die eine Migrationsbiografie mitbringen. Mehr als die Hälfte aller Kinder, die sehr früh Armut erfahren, findet keinen Weg aus der Armut. Zentraler Befund der seit 1999 laufenden AWO-ISS-Studie Ein Analyse- und Handlungsprogramm gegen Kinderarmut braucht eine Altersdifferenzierung, das insbes. auf markante Übergänge in den kindlichen Lebensphasen abstellt. Vorschlag der AG: Erweiterung der Altersspanne auf U18, um Übergänge in Ausbildung und Erwerbsleben zu erfassen, deshalb Titel weiter fassen in «Kinder- und Jugendarmut» 5 3. Akteure & Aktivitäten gegen Kinderarmut in MA MA kennt viele Ansätze ..... vieles wird kombiniert und ist anschlussfähig in der Verwaltung, bei Einrichtungen, Trägern, Netzwerken Familienpass (PassPlus) Frühe Hilfen/Eltern-Kind-Zentren TAG- und schulische Betreuungsangebote Sprachförderung & Integrationskurse Bildung- und Integrationsplanung Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) Hilfen zur Erziehung, Hilfen in Notlagen Integrations-Projekte in der Quartierentwicklung etc. etc. ... und hat das Thema in einer Reihe von Vorlagen kommunalpolitisch aufgenommen: «Runder Tisch Kinderarmut» (2008), «Kommunale Leitlinien gegen die Armut junger Menschen» (2010) [Selbstverpflichtung], «Umsetzung des BuT» (2011 ff.). «1. / 2. MA Bildungsbericht» (2010/2013), «Bericht zur Gesundheitsstudie» (2015) 6 4. Daten & Informationen zur Kinderarmut in MA Kinderarmutsquote Kinderarmutsquote in MA 2005 - 2014 (Standard U15) liegt 2014 bei 22,4% i. Vgl. zu 11,9% allg. SGB II-Quote (SGB II U15) 25,0 Dauer SGB II-Bezug U15 mehr als die Hälfte der 6-J. und Älteren seit mindestens 4 Jahren im Hilfebezug Kinder nach BG-Typ 56% aller Hartz IV-Kinder leben bei Alleinerziehenden Kleinräumige Verteilung SGB II-Bezüger_innen U15 anteilig die meisten Kinder in Hartz IV leben in den klassischen Brennpunkten 20,0 15,0 10,0 5,0 0,0 2005 2006 2007 2008 SGB II-Quote 2009 2010 2011 2012 2013 2014 nef-Quote (nef unter 15 Jahren) Datenquelle: www.statistik.arbeitsagentur.de 7 4. Daten & Informationen zur Kinderarmut in MA Wo wohnen die «Armutskinder»? Regionale Analysen = unverzichtbar zur Erfassung der Verteilung der Kinderarmut Teilräumlichen Längsschnittbetrachtung Differenzierung nach einzelnen Kindergruppen Analyse von Segregationsprozessen Sichtung von Kinder-Lebenswelten Beteiligung von Kindern und Familien Analysevorschlag für die räumliche Verteilung der Kinderarmut in MA (SGB II-Bezieher/innen U7/U15/U18) ..... und schließlich als Basis für ein teilräumlich differenziertes Programm zur Prävention und Bekämpfung der Kinderarmut sowie seiner Wirkungskontrolle 8 4. Daten & Informationen zur Kinderarmut MRN Wie entwickelt sich Kinderarmut in der Metropolregion Rhein-Neckar? – Hartz IV-Bilanz 2005 – 2014 in den MRN-Städten (Blick über die Stadtgrenzen) Quellen: BA-SGBII; StaBu-MZ 9 5. Programm & Politik gegen Kinderarmut Konkrete Maßnahmen, wie man Kindern in Armut helfen könnte – aus der Kinder-/Elternbefragung im neuen Kinderreport 2015 des DKHW Kostenloses Essen, Bücher, Lehrmittel und Aktivitäten in Kita und Schule Kostenloser Zugang zu Kultur- und Freizeiteinrichtungen Mehr SozialarbeiterInnen in Schulen und Kitas, die sich um benachteiligte Kinder kümmern Mehr Aufklärung über Kinderarmut in Medien Höhere Einkommen für Menschen, die wenig Geld verdienen Mehr Kindergeld Arme und reiche Kinder sollten mehr Zeit zusammen verbringen Zu vergleichbaren oder anderen Maßnahmenvorschlägen vgl. Quellenangaben (Zander, Bertram, World Vision, UNICEF) 10 5. Programm & Politik gegen Kinderarmut in MA Strategien gegen Kinderarmut erfordern neben Rahmenbedingungen auf Bundes- und Landesebene für eine ausreichende Kindergrundsicherung, Einkommenssicherung über gute Arbeit und bedarfsgerechte Kinderbetreuung (systemrelevante Faktoren für die Kommunen) einen der lokalen Situation angemessenen Programmfächer Deklaration als städtisches Vorrangziel; praktische Politik mit Ressourcen und Investitionen; Kinder als Rechtssubjekte betrachten und beteiligen; angemessene Existenzsicherung der Familien; Inklusion von Familien und Kindern im Alltag fördern; Vielfalt von Familien fördern; kinder- und familienfreundliche Umwelt; familienfreundliche Arbeitswelt, Netzwerke und Engagementstrukturen etc. ..... der aufsetzt auf Strategien, Angebotstrukturen und Netzwerken örtl. Praxis und das alles mit aktuellen fachlichen Standards einer kritischen Prüfung unterzieht ..... also ein integriertes mehrdimensionales verbindliches Vorgehen mit konkreten Zielvorgaben, Dialogforen und Aktionsprogrammen 11 5. Programm & Politik gegen Kinderarmut in MA Lokale Bausteine für ein Programm/Plan zur Bekämpfung der Kinderarmut Strukturell: Ratsbeschluss, Verwaltungsleitlinien, Netzwerk, Koord.Stelle Konzept mit Handlungsempfehlungen von Frühen Hilfen, Stärkung bildungsrelevanter Kompetenzen, Resilienzförderung, Präventionsketten, Übergangsmanagement für die Abfolge kindlicher Lebensphasen, Familienpass Plus, bis zu inklusiver Infrastruktur und Quartiersentwicklung gegen soziale Ausgrenzung Format als eigener Rahmenplan oder Masterplan gegen Kinderarmut oder als Teil eines künftigen Armuts- und Reichtumsberichtes MA mit einem Indikatoren-/Kennzahlen-gestützten System zur Umsetzung und Umsetzungskontrolle; aus der Präventionsperspektivedifferenzieren kann frau/man dabei zwischen kind- und familienbezogenen Ansätzen (Verhaltensprävention), Infrastruktur-und quartierbezogenen Ansätzen (Verhältnisprävention) ..... und ihre Integration in die Strat. Ziele der Stadt und ihre Indikatoren 12 6. Impulse für MA Eine Auswahl ..... (gute Ansätze von anderswo, auch wenn das Rad in MA erfunden wurde) Kommunale Konzepte gegen Kinderarmut Nürnberg-Programm gegen Kinderarmut Braunschweig für alle Kinder – Handlungskonzept gegen Kinderarmut Landschaftsverband Rheinland – Netzwerke gegen Kinderarmut Projekte «NEFF – Netzwerke Frühe Förderung», «MoKi – Monheim für Kinder» NRW «Kein Kind zurücklassen» – Entwicklung von Präventionsketten KECK-Atlas der Bertelsmann Stiftung KECK = Kommunale Entwicklung – Chancen für Kinder DKHW-Kinderreport 2015 «Kinderarmut kann nur effizient und nachhaltig bekämpft werden, wenn alle Maßnahmen zu diesem Zweck unter einem Gesamtkonzept verknüpft und mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet werden ..... Eine Gesamtstrategie setzt eine Vernetzung der Hilfen und Akteure in den Lebensräumen voraus.» 13 Quellen Bertram, Hans/Deuflhard, Carolin, 2015: Die überforderte Generation. Arbeit und Familie in der Wissensgesellschaft, Opladen. Deutsches Kinderhilfswerk (DKHW), 2015: Kinderreport 2015, Rechte von Kindern in D, Berlin. Groos, Thomas/Jehles, Nora, 2015: Der Einfluss von Armut auf die Entwicklung von Kindern: Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchung, Bochum/Gütersloh. Holz, Gerda/Laubstein, Claudia/Sthamer, Evelyn, 2012: Lebenslagen und Zukunftschancen von (armen) Kindern in Deutschland – 15 Jahre AWO-ISS-Studie, Frankfurt a. M. Hopfengärtner, Georg (Hg.), 2014: Kinderarmut in der Erwerbsgesellschaft. Armutsprävention in Wissenschaft, Politik und Praxis, Nürnberg. Hurrelmann, Klaus/Andresen, Sabine: Kinder in D. World Vision Kinderstudie 2007, 2010, 2013. MSAGD (Hg.), 2015: Armut und Reichtum in Rheinland-Pfalz. 5. Armuts- und Reichtumsbericht. Reichwein, Eva, 2012: Kinderarmut in der Bundesrepublik Deutschland. Lebenslagen, gesellschaftliche Wahrnehmung und Sozialpolitik, Wiesbaden. UNICEF, 2001ff.: Reports zur Kinderarmut 2001, 2005. 2007, 2012. Zander, Margherita, 2015: Laut gegen Armut – leise für Resilienz. Was gegen Kinderarmut hilft, Weinheim und Basel. 14
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