ICOM Deutschland Mitteilungen 2015 ISSN 1865-6749 | Heft 37 (22. Jahrgang) Kulturgüterschutz ICOM Deutschland bezieht Stellung Das Museum für alle Wenn Grundrecht auf Ressourcenknappheit trifft Syrien und Irak ICOM ächtet „kulturelle Säuberungen“ des IS Vorstand Präsident: Dr. Michael Henker, [email protected] Vorstandsmitglieder: Dr. Matthias Henkel, [email protected] Katrin Hieke, [email protected] Dr. Franziska Nentwig (bis 31.12.2014) Dr. Gabriele Pieke, [email protected] Prof. Dr. Beate Reifenscheid-Ronnisch, [email protected] Prof. Dr. Friederike Waentig, [email protected] Impressum Herausgeber: Dr. Michael Henker, Johanna Westphal M. A. Geschäftsstelle ICOM Deutschland e. V.: Johanna Westphal M. A. Beate von Törne M. A. Juliana Ullmann M. A. In der Halde 1 14195 Berlin Tel.: +49 30 69504525 Fax: +49 30 69504526 [email protected] www.icom-deutschland.de Redaktion: Anke Ziemer Gestaltung: Claudia Bachmann, Berlin, www.besseresdesign.de Druck: Oktoberdruck AG Copyrights liegen bei den Autoren und Fotografen. Inhaber von Bildrechten, die wir nicht ermitteln konnten, bitten wir um Kontaktaufnahme. Namentlich gekennzeichnete Beiträge entsprechen nicht unbedingt der Meinung der Redaktion oder der Herausgeber. Großes Titelfoto: Innenansicht der Kathedrale Peter und Paul in Sankt Petersburg, ICOM Russland Kleine Fotos v.l.o.n.r.u.: K. Bostelmann, Landesamt für Archäologie Sachsen; flickr.com, Luka Hvalc; Historisches und Völkerkundemuseum St. Gallen; Matthias Kästner; David Iliff, License: CC-BY-SA 3.0; Gerhard Winter; ICOM Deutschland; Tuulia Tuomi; Historisches und Völkerkundemuseum St. Gallen; Mark Ahsmann, License: CC-BY- SA 3.0 Heft 37 (22. Jahrgang) Erscheinungsweise: seit 2004 einmal im Jahr Auflage: 6.500 Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien Berlin, Mai 2015 ISSN 1865-6749 Editorial Foto: Garage Museum of Contemporary Art, Moskau Wie nicht anders zu erwarten, war die internationale Tagung „Museen und Politik“, die wir nach fast zweijähriger Vor bereitung gemeinsam mit ICOM Russland und ICOM USA vom 9. bis 12. September 2014 in Sankt Petersburg und mit einer Anschlusstagung vom 13. bis 14. September zum The ma „Industrial Heritage and Regional Aspects of Museum Developement“ in Jekaterinburg und Umgebung abgehal ten haben, ein Schwerpunkt der Tätigkeit für Präsident, Vorstand und Geschäftsstelle von ICOM Deutschland im Jahr 2014. Das vielfältige und qualitätsvolle Themenspek trum, das in den Plenarsitzungen und den thematischen Sek tionen von einem zahlreichen, internationalen Publikum vorgestellt und diskutiert wurde, das anregende Begleitpro gramm, das Ambiente der Veranstaltungsorte, die Begeg nungen mit alten und neuen Kolleginnen und Freunden, machten die Tagung zu einem echten Erfolg. Davon konnte man angesichts der schwierigen politischen Entwicklungen vor und während der Tagung nicht unbe dingt ausgehen. Im Rückblick dürfen wir uns in unserem Festhalten an der Planung auch gegenüber kritischen Äu ßerungen, die wir ernst genommen, diskutiert und gewür digt haben, bestätigt fühlen. Wir haben gerade angesichts der internationalen Aspekte der Arbeit von ICOM durch die Tagung den wissenschaftlichen und professionellen Aus tausch aufrechterhalten und seine Fortsetzung ermöglicht. Mein besonderer Dank gilt allen deutschen ICOM-Mitglie dern, die – als nach den russischen Kolleginnen größte Grup pe – durch ihre Teilnahme an der Tagung uns in unserer Haltung bestärkt und unterstützt haben. Herzlich danken wir auch unseren Kooperationspartnern von ICOM Russ land, der Staatlichen Eremitage in Sankt Petersburg, den Museen in Jekaterinburg und den jeweils zuständigen Ver waltungen, die die Hauptlast der Organisation zu tragen hatten und dies auf eine Weise bewältigt haben, die für eine angenehme, gleichwohl hoch professionelle Atmosphäre ge sorgt und aus Teilnehmern und Besuchern Freunde gemacht hat. Die ganze Rubrik Rückblick des diesjährigen Heftes ist der Tagung, in deren Rahmen ja gleichzeitig unsere Mit gliederversammlung stattfand, gewidmet. Am besonderen Ertrag – nämlich der Veröffentlichung der Tagungsbeiträ ge als E-Publikation – arbeiten wir noch. Auch dabei laufen die Fäden bei Afanasi Gnedowski, dem Geschäftsführer von ICOM Russland, in Moskau zusammen. Hatten wir die Politik schon im Titel der letztjährigen Ta gung, so war und ist unsere Arbeit auch im weiteren Ver lauf sehr stark auf die politischen und spezifisch kulturpo litischen Entwicklungen in Deutschland, Europa und den aktuellen Krisenherden ausgerichtet. Hinsichtlich des ge nerellen Themas Sicherung und Wahrung des kulturellen Erbes und speziell zum Kulturgutschutz geht die Arbeit schrittweise voran. Dazu, ebenso wie zu der durch die Ver käufe von Warhol-Arbeiten heiß diskutierten Frage nach dem Umgang mit Kulturgut in öffentlichem Besitz, ist ICOM Deutschland um Rat gefragt worden. Wir haben Stel lungnahmen und Gutachten dazu verfasst und sind seitens der Bundesregierung als Ansprechpartner in die entspre chenden Vorhaben eingebunden. Zusammen mit ICOM Schweiz und ICOM Österreich arbeiten wir seit Juni 2014 an der Vorbereitung des Boden see-Symposiums, zu dem uns ICOM Schweiz ja mit einem interessanten Programmangebot zu einem hochaktuellen Thema vom 18. bis 20. Juni nach St. Gallen einlädt. Auch diesmal findet unsere Mitgliederversammlung im Rahmen dieser Tagung statt, so dass wir auch deshalb auf Ihre zahl reiche Teilnahme hoffen. Erneut hinweisen darf ich auf unseren als Band 5 in der Reihe „Beiträge zur Museologie“ erschienenen Leitfaden Präventive Konservierung, der Ihnen zugesandt und von Fachkollegen im In- und Ausland positiv beurteilt und ger ne aufgenommen wurde. Als einen für ICOM Deutschland naheliegenden Schwerpunkt meiner Arbeit habe ich seit langem die Provenienzforschung genannt, und zwar im weiteren Sinn des Begriffs, den ich nicht nur auf die For schung nach durch NS-Unrecht entfremdetes Kulturgut ein geschränkt sehe. Wir hatten daher die Zweckmäßigkeit, aber auch die Möglichkeiten der schrittweisen Gründung eines Internationalen Komitees zur Provenienzrecherche sondiert und festgestellt, dass ein solcher Plan vielerorts als proble matisch angesehen wird, zudem kaum zeitnah umzusetzen ist. Um Expertise, Kräfte und Mittel zu diesem Thema aber optimal sowie zielführend zu gewinnen und einsetzen zu können, planen wir die Erarbeitung und Herausgabe eines Leitfadens Provenienzrecherche. Eine solche Publikation wird ein allerseits als großes Desiderat angesehenes Hilfs mittel für die vielschichtige Arbeit auf diesem weiten The mengebiet endlich bieten. Auch bei der Erfüllung dieser Aufgabe, wie insgesamt der Arbeit von ICOM Deutschland, hoffe ich auf Ihre Unter stützung. Ich wünsche eine anregende Lektüre der Mitteilungen. Ihr Michael Henker Präsident ICOM Deutschland Foto: Toffel, cc by-sa 3.0 Foto: ICOM Deutschland Inhalt Aktuelles Internationale Komitees Museen und Gesetzgebung ICOM Deutschland bezieht Stellung zum Schutz von Kulturgut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Kulturgutschutz in Irak und Syrien UNESCO und ICOM leisten Hilfe gegen „kulturelle Säuberungen“ des IS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Wann wird Blue Shield Deutschland gegründet? Gastbeitrag von Birte Brugmann und Rolf Gundlach . . . . . . . . . . . . 8 Tagungsberichte 38. Internationaler Museumstag 2015 Museums for a Sustainable Society. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Das Museum für alle – Imperativ oder Illusion? Einladung zum Bodensee-Symposium und zur Mitgliederversammlung 2015. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Access and Understanding – Networking in the Digital Era CIDOC – International Committee for Documentation. . . . . . . . . 29 Archaeological Sources and Resources in the Context of Museums CIPEG – International Committee for Egyptology. . . . . . . . . . . . . . . 30 Rückblick Collecting and Collections in Times of War or Political and Social Change COMCOL – International Committee for Collecting. . . . . . . . . . . . . 31 Museum Macht Politik Macht Museum Höhepunkte der gemeinsamen Tagung von ICOM Russland, ICOM USA und ICOM Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Rumänien – traditionelle Glasikonen und modernes Glas GLASS – International Committee for Museums and Collections of Glass. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Protokoll der Mitgliederversammlung 2014. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Involving New Museums, New Partners and New Incentives in Exhibition Making and Exchange ICEE – International Committee for Exhibition Exchanges. . . . . . 33 Museums and Innovations ICME – International Committee for Museums of Ethnography. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Memory and Learning in a Changing World IC MEMO – International Committee of Memorial Museums in Remembrance of the Victims of Public Crimes. . . . . . . . . . . . . . . 36 2 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 Foto: David Iliff, License: CC-BY-SA 3.0 Foto: Christine Müller-Radloff Umschau Implementing and Maintaining Security and Safety at Cultural Institutions ICMS – International Committee for Museum Security. . . . . . . . . . 37 Military History Museums: Contemporary History and Social Relevance ICOMAM – International Committee of Museums of Arms and Military History . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Museum Collections Make Connections ICR – International Committee for Regional Museums. . . . . . . . . . 39 Building Strong Culture through Conservation ICOM-CC – International Committee for Conservation. . . . . . . . . . 40 Ausbildungswege Ein Praxissemester in Australien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Forschen für das Kulturerbe Kulturerbe-Forschung in Zeiten begrenzter Fördermöglichkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Museum International ICOM hat die Herausgeberschaft übernommen . . . . . . . . . . . . . . . 45 70 Jahre UNESCO Rückblick und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Publikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Veranstaltungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 |3 AK Tuelles Museen und Gesetzgebung Die überarbeitete PSI-Richtlinie soll in nationales Gesetz umgewandelt und das deutsche Kulturgüterschutzgesetz soll novelliert werden. ICOM Deutschland bezieht Position, damit die Vorhaben nicht durch wirtschaftliche Gewinninteressen bestimmt, sondern Kulturgut geschützt und Museen in ihrer Autonomie gesichert werden. Ein Zwischenbericht. Gabriele Pieke Als die internationale Organisation für Museen und Mu seumsfachleute ist ICOM nicht nur dem Erhalt, der Pflege und der Vermittlung des kulturellen und natürlichen Welt erbes verpflichtet, sondern möchte auch einen grundlegen den Beitrag zum öffentlichen Kulturdialog leisten. Zu den Zielen von ICOM gehört demzufolge auch die Teilnahme an gesellschaftlichen Diskursen wie auch die Stärkung der Position von Museen und Kulturgutschutz. ICOM ist in seiner Funktion als Fachverband in zwei aktuellen Fällen vom Bundesbeauftragen für Kultur und Medien (BKM) um Stellungnahme angefragt worden. 1. PSI-Richtlinie der Europäischen Union und nationale Gesetzesnovellierungen Seit 2003 besteht für die Europäische Union eine PublicSector-Information-Richtlinie (PSI), die eine Weiterverwer tung von Informationen des öffentlichen Sektors regelt. Daran knüpft die bis dato in Deutschland rechtsverbind liche Grundlage, ein 2006 in Kraft getretenes Gesetz über die Weiterverwendung von Informationen öffentlicher Stel len, das lnformationsweiterverwendungsgesetz (IWG), an. Im Juni 2013 wurde eine Revision der PSI-Richtlinie von der Europäischen Union verabschiedet und den Mitglieder staaten eine Zweijahresfrist gewährt, um ihre nationalen Gesetzgebungen entsprechend anzupassen. Erklärte Ziel setzung der Novellierung ist die unentgeltliche Zurver fügungstellung von im öffentlichen Sektor erarbeiteten Informationen, dies unter vornehmlich ökonomischen be ziehungsweise gewinnorientierten Aspekten: „It encourages the Member States to make as much information available for re-use as possible. It addresses 4 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 material held by public sector bodies in the Member States, at national, regional and local levels, such as ministries, state agencies, municipalities, as well as organisations funded for the most part by or under the control of public authorities (e. g. meteorological institutes). The Directive covers written texts, databases, audio files and film fragments; it does not apply to the educational, scientific, broadcasting and cultural sectors.“1 Mit dieser, auf wirtschaftliche Gewinninteressen ausge richteten Fokussierung stellt die EU-Richtlinie eine essen tielle Bedrohung für die Autonomie von Museen mit all ihren wissenschaftlichen Arbeitsleistungen und Erkennt nissen zu Sammlungsbeständen dar. Urheberrechtsfragen sind ein ausgesprochen komplexes und für Museumsmitar beiter immer wieder herausforderndes Thema, das durch die neue Richtlinie an Brisanz gewinnt. Vor dem Hinter grund einer zunehmenden Aufweichung des Schutzes von geistigem Eigentum versucht ICOM derzeit, seine Position in der World Intellectual Property Organisation (WIPO) zu stärken, um die in Museen und Sammlungen erarbeiteten Leistungen stärker schützen zu können. Insbesondere der EU gilt es hier entgegenzuhalten, da sie keineswegs als Be fürworter von intellectural property auftritt, sondern – befeuert von zahlreichen Interessen der Wirtschaft – eine weitgehende Freigabe jeglichen Urheberrechts anstrebt. So sind die vornehmlichen Beweggründe für die Novellierung der PSI-Richtlinie und für eine Open-Data-Politik folgen der Passage zu entnehmen: 1 European legislation on reuse of public sector information. http://ec.europa. eu/digital-agenda/en/european-legislation-reuse-public-sector-information [17.4.2015] Foto: Deutsches Hygiene-Museum, Sandra Neuhaus Ak tue lles Deutsches Hygiene-Museum in Dresden, ständige Ausstellung: Öffentliche Museen erarbeiten und präsentieren Erkenntnisse zu ihren Sammlungsbeständen – sie erbringen wissenschaftliche Leistungen. Über Eintrittspreise, Gebühren, Publikationen, Begleitveranstaltungen und Erteilung von Nutzungsrechten erwirtschaften sie einen Teil ihres jährlichen Budgets. Wenn sie durch die PSI-Richtlinie gezwungen werden, das erarbeitete Wissen kostenfrei an Dritte abzugeben, werden sie in ihrer Autonomie essentiell bedroht. „Public Sector Information is one of the single largest sources of information in Europe. Its estimated market value is € 32 billion. The re-use of public data could generate new business opportunities, jobs and open up choices for consumers.“2 Die von der EU beabsichtigte Copyright-Freigabe im gro ßen Stil würde die bisherige Praxis der museumseigenen Verwertung von genuin durch die Sammlungen erbrachten wissenschaftlichen Informationsleistungen und Erkennt nissen zu Sammlungsobjekten, Dokumenten, Ausstellun gen etc. nicht mehr erlauben und damit essentielle Funda mente der Museumsarbeit zunichte machen. Hingegen würden kommerzielle Anbieter zukünftig kostenlos auf Informationen – und damit kulturelle Werte und Arbeits leistungen – von Museen des öffentlichen Sektors zugrei fen können und diese für eigenen, wirtschaftlichen Nut zen weiterverwerten können. PSI: Teilerfolg für die Museen Freigabe jeglicher Urheberrechtsansprüche verweist und mit folgendem Résumé schließt: „Aus Sicht von ICOM Deutschland muss es den Museen selbst überlassen bleiben, welche Text- und Bildinformationen sie zum Zweck der Nutzung für Wissenschaft und Bildung für eine kostenfreie Weiterverwendung allgemein zugänglich machen, wobei die Maßgaben derjenigen zu berücksichtigen sind, die die Erstellung solcher Daten finanzieren.“3 Am 11. Februar 2015 ist die Änderung des Informations weiterverwendungsetzes (IWG) durch das Bundeskabinett beschlossen worden und wird nun dem Parlament zur Ver abschiedung vorgelegt. Es erscheint durchaus erfreulich für Museen, dass in diese Gesetzesvorlage ein neuer Un terparagraph eingearbeitet wurde, der ganz konkret ver schiedene Kulturträger anspricht: Paragraph 2a, Grund satz der Weiterverwendung: Auf Anfrage des Beauftragten der Bundesrepublik für Kul tur und Medien hat ICOM Deutschland bereits 2012 eine Stellungnahme zur Novellierung dieser Richtlinie verfasst, die eindringlich auf die signifikanten Gefahren einer völligen „Informationen, die in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen, dürfen weiterverwendet werden. Für Informationen, an denen Bibliotheken, einschließlich Hochschulbibliotheken, Museen oder Archiven, Urheber- oder verwandte Schutzrechte oder gewerbliche Schutzrechte zustehen, gilt dies nur, soweit deren Nutzung nach den 2 Siehe Digital Agenda in the Europe 2020 Strategy: http://ec.europa.eu/digitalagenda/en/pillar-i-digital-single-market/action-3-open-public-data-resourcesre-use [12.3.2015] 3 Stellungnahme ICOM Deutschland vom 17. 1. 2012, S. 7. www.icom-deutsch land.de/client /media /447/stellungnahme_icom _d_ zur_psirichtlinie.pdf [17.4.2015] ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 |5 Ak tue lles für diese Schutzrechte geltenden Vorschriften zulässig ist oder die Einrichtung die Nutzung zugelassen hat; die Bedingungen der Nutzung müssen den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechen.“4 Dem Gesetzesentwurf ist zudem in Paragraph 5 (2.3) zu entnehmen, dass Bibliotheken, Museen und Archive von der Regelung ausgenommen sind, Entgelte für die Weiter verwendung von Informationen auf die Kosten zu beschrän ken, die durch die Reproduktion, Bereitstellung und Wei terverbreitung verursacht werden. Einige der zentralen Einwände, vor allem die unkontrol lierte Freigabe aller erbrachten Leistungen von Museen und Sammlungen, wurden somit von der Politik zunächst ein mal berücksichtigt, was ICOM mit großer Erleichterung zur Kenntnis nimmt. Gemeinsam mit anderen Interessen vertretungen beabsichtigt ICOM Deutschland, seinen Mit gliedern nach der Verabschiedung des Gesetzes Informa tionsmaterial zum Umgang mit dem veränderten Gesetz bereitzustellen. Einem aktuellen Bericht der Bundesregierung zufolge be dürfen das Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes (KultgSchG), das auf das Jahr 1955 zurückgeht, sowie das Kulturgüterrückgabegesetz (KultGüRückG) von 2007 einer Überarbeitung und gleichzeitigen Anpassung an internatio nale und EU-Standards (siehe Mitteilungen 2013, S. 16). Die angestrebte Novellierung der zentralen Gesetzgebung für Kulturgutschutz in Deutschland soll gleichzeitig mit der Umsetzung der Neufassung der EU-Richtlinie 93/7/EWG zur Kulturgüterrückgabe im europäischen Binnenmarkt verbunden werden. Nach der Verabschiedung der Richtlinie 2014/60/EU über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 (Neufassung) im Mai 2014 haben die Mitgliedstaaten der Europäischen Union achtzehn Monate Zeit, diese in natio nales Recht umzusetzen. Das BKM hat Fachverbänden wie ICOM Deutschland die Möglichkeit gegeben, schriftlich Stellung zu nehmen, und in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass die Bundes regierung beabsichtigt, ein für den Kulturgutschutz kohä rentes Gesetz zu schaffen, um „sowohl illegal ausgeführtes Kulturgut anderer Staaten effektiv an diese zurückzugeben als auch deutsches Kulturgut besser vor Abwanderung ins Ausland zu schützen.“5 Der angestrebte Gesetzesentwurf soll gleichzeitig die EU- und völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik aus der EU-Richtlinie und UNESCO-KulturgüterrückgabeKonvention von 1970 berücksichtigen, die Regelungen des Kulturgutschutzes vereinfachen und auch vereinheitlichen. 4 Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Informationsweiterverwen dungsgesetzes, S. 4. w ww.bmwi.de/DE/Presse/pressemitteilungen,did=689688. html [17.4. 2015] 5 Siehe auch Regierungspressekonferenz vom 20.10. 2014. www.bundesregie rung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/10/2014-10-20-regpk. html [17.4. 2015] 6 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 Foto: Philip Pikart, Wikimedia 2. Novellierung des Kulturgüterschutzgesetzes Die Büste der Nofretete ist rechtmäßig nach Europa gekommen, dennoch wurde sie von einzelnen Vertretern der ägyptischen Behörden in der Vergangenheit medienwirksam zurückgefordert. ICOM Deutschland plädiert dafür, rückfordernden Parteien angemessene Nachweise für die Berechtigung ihrer Forderungen abzuverlangen. ICOM Deutschland unterstützt Novellierung Im August 2014 hat ICOM Deutschland seine schriftliche Stellungnahme abgegeben, in der diese Bestrebung grund sätzlich begrüßt wird. Ebenso befürwortet ICOM Deutsch land das Ziel, bestehende Schutzlücken zu schließen. Denn derzeit fällt nur Kulturgut unter die Richtlinie, das als na tional wertvoll eingetragen ist. Zukünftig soll der Schutz an Umfang gewinnen und auf öffentliche Sammlungen und denkmalrechtlich geschützte Einrichtungen erweitert wer den. Die bisher erforderliche Eintragung als national wert voll würde künftig entbehrlich sein. In diesem Rahmen soll auch die Verjährungsfrist des Rückgabeanspruches für Kulturgut aus öffentlichen Sammlungen auf 75 Jahre festgeschrieben werden. Dieses Ansinnen und eine damit verbundene generelle Aufwertung von Museen und Samm lungen werden von ICOM ausdrücklich befürwortet. Die Museumslandschaft beklagt eine zunehmende Ver schlechterung der finanziellen Ressourcen öffentlicher Sammlungen, wie sie 2013 in der von ICOM verfassten Lisbon Declaration to Support Culture and Museums to Face the Global Crisis and Build the Future festgehalten ist und auch im Kontext von Abwanderung und dem Schutz von Kulturgut eine Rolle spielt. Museen und Sammlungen der öffentlichen Hand verfügen meist nicht mehr über aus Ak tue lles reichende Mittel zum Erwerb von hochrangigen Objekten, was in Konsequenz bedeutet, dass wertvolle Kulturgüter zunehmend in nicht öffentlich zugänglichen Privatsamm lungen „verschwinden“. Eine Novellierung des Kulturgut schutzgesetzes sollte daher auch die Bedeutung öffentlicher Sammlungen für die Gesellschaft betonen und ihre Po sition stärken, indem die Kernaufgaben Sammeln, Bewah ren, Erforschen, Ausstellen und Vermitteln gesetzlich ver ankert werden. Die angedachte Zusammenführung verschiedener Ge setze ist ausdrücklich zu befürworten, da sie die rechtliche Lage im Umgang mit Objekten überschaubarer gestaltet. Im Kontext des weltweiten Schutzes von kulturellem Erbe hat ICOM Deutschland darauf verwiesen, dass neben der UNESCO-Konvention von 1970 die Einbeziehung anderer zentraler Abkommen sinnvoll erscheint, so etwa: UNESCO Convention concerning the Protection of the World Cultural and Natural Heritage (1972), ICOMOS Charter for Archaeological Heritage Management (1990), UNIDROIT Convention on the International Return of Stolen or Illegally Exported Cultural Objects (1995), UNESCO Convention on the Protection of the Underwater Cultural Heritage (2001), UNESCO Declaration concerning the Intentional Destruction of Cultural Heritage (2003). Auch die Bewahrung und eine generelle Sorgfaltspflicht im Umgang mit Kulturgut sollte gesetzlich besser verankert werden. Hier sei vor allem auf die im Jahre 2000 verabschie dete Charta of Krakow on Principles of Conservation and Restoration of Heritage hingewiesen. Da die Umsetzung der UNESCO-Konvention von 1970 bis dato in weiten Tei len nicht praktikabel war, sollen durch die verbesserte Ge setzgebung die Ein- und Ausfuhrregelungen grundlegend anders gehandhabt werden. So stellt das BKM fest: „Notwendig ist eine Regelung, nach der Kulturgut, das nach dem Inkrafttreten der Konvention für Deutschland im Jahre 2008 unrechtmäßig aus einem anderen Vertrags staat der UNESCO-Konvention ausgeführt wurde, als unrechtmäßig nach Deutschland eingeführt gilt. Dies kann durch die Vorlage gültiger Ausfuhrgenehmigungen oder sonstiger Belege für die rechtmäßige Ausfuhr nachgewiesen werden.“6 Zudem ist beabsichtigt, die Ausfuhr von Kulturgut aus Deutschland zukünftig an EU-Standards anzupassen, wo bei bereits derzeit eine Genehmigungspflicht besteht (Ver ordnung (EG) 116/2009). Die Novellierung des Gesetzes wird auch einzelne Be reiche des Leihverkehrs im Rahmen von Ausstellungen betreffen. Bisher konnte auf Grundlage des Paragraphen 20 KultgSchG die für das jeweilige Museum zuständige Lan desbehörde eine rechtsverbindliche Rückgabezusage für aus dem Ausland entliehenes Kulturgut ausstellen. Diese Zu sage wird zukünftig nur eingeschränkt möglich sein, da sich hierfür bei den Verhandlungen über die neue Richtlinie keine Mehrheit im EU-Parlament gefunden hat. Rückgabeforderungen von Kulturgut betreffend plä diert ICOM Deutschland dafür, den gegebenenfalls rück 6 Bericht der Bundesregierung zum Kulturgutschutz in Deutschland. www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2014/11/2014-11-13-ankuen digung-spk-tagung.html [17.4.2015] fordernden Parteien angemessene Nachweise für die Be rechtigung der Forderung abzuverlangen. Verschiedene Beispiele der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass welt weit bekannte Artefakte genutzt werden, um durch Rück forderung eigene politische Interessen zu verfolgen, die an dem legalen Status der Objekte vorbeigehen und nicht automatisch mit dem anzustrebenden Schutz von Kultur gut von nationaler oder überregionaler Bedeutung einher gehen. Um die Geschichte von Objekten transparenter zu machen und diese auf Dauer festzuhalten, wird nach wie vor die Einführung einer international standardisierten Objekt-ID diskutiert. Theoretisch erscheint dieser Ansatz als durch aus sinnvoll und wird in ähnlicher Form für gefährdete Objekte seit 1993 von ICOM, UNESCO und auch ver schiedenen Behörden propagiert. Die Ausweitung auf wei te Objektbereiche erscheint jedoch in der Praxis schon al lein aus logistischen Gründen nicht umsetzbar. Angesichts der Tatsache, dass in großen Sammlungen die Aufarbeitung von Altbeständen bei zunehmend engen Personaldecken sehr schwierig ist, rückt eine weltweit abgestimmte Auflis tung von Kulturgut in weite Ferne. Millionen von nur pro visorisch registrierten Sammlungsstücken sowie eine un überschaubare Stückzahl von jährlich weltweit anfallenden archäologischen Neufunden lassen eine vollständige Regis trierung in abgestimmten Datenbanken eine reine Fiktion bleiben. Zudem dürften auch Privatsammlungen wenig In teresse an solchen internationalen Kennzeichnungen und Datenbankeinträgen haben. Insgesamt erscheint die Novellierung des Kulturgutschut zes als ein richtiger Schritt im Umgang mit kulturellem Er be und ICOM Deutschland begrüßt es ausdrücklich, wenn Interessenverbände frühzeitig in die Entscheidungsfindung mit einbezogen werden. Es bleibt zu hoffen, dass mit einer Umformulierung des Gesetztes besser verhindert werden kann, dass illegal aus den Herkunftsländern ausgeführtes Kulturgut nach Deutschland gelangt. In diesem Sinne wird sich ICOM Deutschland auch in der mündlichen Anhö rung aussprechen. In Zeiten von Zerstörungen, Vandalismus seitens radi kalisierter Gruppen und Plünderungen von Kulturerbe im großen Stil erscheint der internationale Kampf gegen Kunst raub und illegalen Handel unkontrollierbarer denn je (siehe auch S. 24 ff.). Die gesetzliche Verankerung des Schutzes von öffentlichen Sammlungen ist jedoch in jedem Fall ein wichtiger Schritt, um die fundamentale Bedeutung von Museen zur Bewahrung von Kulturgut zu untermauern. Dr. Gabriele Pieke ist wissenschaftliche Sammlungsleiterin der Samm lung Altägypten in den Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim. Seit 2011 ist sie Mitglied im Vorstand von ICOM Deutschland; [email protected]. Weitere Informationen: Stellungnahme von ICOM Deutschland zur PSI-Richtlinie (2012): http://icom-deutschland.de/aktuell.php Gesetzesentwurf zur Änderung des Informationsweiterverwen dungsgesetzes (IWG): www.bmwi.de/DE/Presse/pressemitteilungen,did=689688.html EU-Richtlinie zur Kulturgutrückgabe (2014/60/EU): http://eur-lex. europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=celex:32014L0060 ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 |7 Foto: ullstein bild - CARO / Andree Kaiser Ak tue lles Alte Brücke in Mostar kurz vor der vollständigen Zerstörung im November 1993: Die Vernichtung von Kulturgütern während des Bürgerkrieges in Jugoslawien zu Beginn der 1990er Jahre war der wichtigste Anlass zur Gründung des International Committee of the Blue Shield. Wann wird Blue Shield Deutschland gegründet? Seit der Gründung von Blue Shield im Jahre 1996 haben sich 19 nationale Komitees etabliert – nicht so in Deutschland. Der Wille der Kulturgutschutz-Institu tionen ist zwar vorhanden, aber gibt es auch die politische Unterstützung sowie die strukturellen und personellen Ressourcen? Die Deutsche Gesellschaft für Kulturgutschutz möchte die vorhandenen Kräfte bündeln und mit Gleichgesinnten und Unterstützern einen neuen Anlauf nehmen. Gastbeitrag von Birte Brugmann und Rolf Gundlach Kulturgutschutz findet auf vielen Ebe nen statt, von der Bürgerinitiative zum Erhalt eines historischen Gebäudes in der Nachbarschaft bis zur Tätigkeit der UNESCO, die den Titel „Weltkultur erbe“ verleihen kann. Aus historischen Gründen variieren in den einzelnen Mitgliedsländern die staatlichen Rah menbedingungen für den Kulturgut schutz ebenso wie das zivilgesellschaft liche Engagement. Die Bundesrepublik ist für ihren dezentralen Ansatz, die Kulturhoheit der Länder bekannt, die es selbst Fachleuten schwer machen kann, sich in diesem Gebiet zurecht zufinden. Im Jahre 1998 wurde das Amt der Beauftragten für Kultur und Medien (BKM) geschaffen, „um die kultur- und medienpolitischen Aktivi täten des Bundes in einer Regierungs behörde zu bündeln“1. 1 Die Bundesregierung, Staatsministerin für Kultur und Medien Monika Grütters; www.bundesre gierung.de/ Webs/Breg/DE/Bundesregierung/Be auftragtefuerKulturundMedien/staatsminister Amt/aufgaben/_node.html [1.3.2015]. 8 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 Zahlreiche Nationalkomitees Zwei Jahre zuvor war das International Committee of the Blue Shield (ICBS) von den vier großen internationalen Verbänden für Archive (ICA), Bi bliotheken (IFLA), Denkmalschutz (ICOMOS) und Museen (ICOM) ge gründet worden als eine Vereinigung, deren Ziel die Verbesserung des Schut zes von Kulturgut vor Raub und Zerstö rungen ist, vor allem durch die Auswir kungen von bewaffneten Konflikten, Ak tue lles politischen Unruhen und Naturkata strophen. Die acht internationalen Ver bände der audiovisuellen Archive über ihren Dachverband (CCAAA) schlos sen sich 2005 an. Seitdem wurden in 19 Ländern nationale Komitees ge gründet; in weiteren 18 Ländern sind sie in Vorbereitung. Deutschland ist zurzeit der einzige größere EU-Staat, der über kein Nationalkomitee verfügt. Deutschland hinkt hinterher Die Bundesrepublik hat sich bisher nicht als eine Vorreiterin im Bereich des Kulturgutschutzes hervorgetan. Die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Kon flikten, die 1956 in Kraft trat, ra tifizierte sie 1967. Das UNESCOÜberein kommen von 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Ver hütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kul turgut wurde 2007 ratifiziert, ohne dass dies grundlegende Probleme ge löst hätte. Der Bericht der Bundes regierung zum Kulturgutschutz in Deutschland von 2013 „empfiehlt eine umfassende Novellierung des Kultur gutschutzrechts in Deutschland in der kommenden Legislaturperiode“2. Das Amt der BKM und die Länder kon zentrieren sich in ihrer Zusammenar beit im Bereich des Kulturgutschutzes auf die „Abwanderung“ von Kultur gut.3 Das Bundesministerium des In neren (BMI) dagegen stuft Kulturgü ter in seiner Nationalen Strategie zum Schutz kritischer Infrastrukturen als Teil einer unverzichtbaren sozioöko nomischen Dienstleistungsinfrastruk tur ein und zeichnet ein wesentlich um fassenderes Bild möglicher Gefahren für Kulturgut.4 Auf Einladung der FDP-Bundes tagsfraktion fand 2013 in Berlin ein Fachgespräch zum Thema „Notfall plan für Kulturgüter – Wie gehen wir mit Katastrophen um?“ statt, an dem mehr als siebzig Vertreter von Museen, Archiven und ähnlichen Einrichtungen 2 Deutscher Bundestag, 17. Wahlperiode 29.4. 2013, Drucksache 17/13378, S. 7. 3 Siehe Deutsches Zentrum Kulturgutverluste: Kul turgutschutz Deutschland; www.kulturgutschutzdeutschland.de/DE/0_Home/0_home_node.html [1.3.2015]. 4 Bundesministerium des Inneren: Nationale Strategie zum Schutz kritischer Infrastrukturen (17.6. 2009); www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/ Broschueren/2009/kritis.html [1.3. 2015]. teilnahmen. Dies führte zu dem An trag „Kulturgüterschutz stärken – Neu ausrichtung des Kulturgüterschutzes in Deutschland jetzt beginnen“, der vom Bundestag angenommen wurde. Er fordert die Bundesregierung unter anderem dazu auf, „im Benehmen mit den Ländern und Kommunen zu über prüfen, wie der rechtliche Rahmen angepasst werden kann, damit der Kulturgüterschutz gestärkt und bes sere Schutzmaßnahmen für Not- und Katastrophenfälle ergriffen werden können“, „in Abstimmung mit den Ländern die Notwendigkeit der Ein setzung eines Verantwortlichen auf Bundesebene zu prüfen, der die zur Verbesserung des Kulturgüterschutzes notwendigen Maßnahmen unter Ein beziehung relevanter Einrichtungen und öffentlicher Stellen koordiniert und moderiert“, und „sich auf euro päischer Ebene für einen besseren Notund Katastrophenfallschutz auch über Ländergrenzen hinweg einzusetzen“5. Ein für Ende 2014 angekündigter Be richt der BKM, des BMI und des Bun desamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zum Kulturgüter schutz im Katastrophenfalle als Re aktion auf den Antrag6 wurde bisher nicht veröffentlicht. Vereint neue Wege gehen In einer Demokratie spiegeln Gesetze und politische Debatten in der Regel das Interesse einer Gesellschaft an be stimmten Themen wider. Ein ganzheit licher Ansatz für den Kulturgutschutz wie beispielsweise in der Schweiz be nötigt eine Debatte über ein umfassen des Verständnis von Kulturgutschutz nicht nur in Fachkreisen, sondern auch in der Öffentlichkeit. Kulturgut schutz lässt sich weder auf Bundes ebene thematisch auf die Umsetzung internationaler Vereinbarungen be grenzen noch auf Länderebene mit dem Denkmalschutz gleichsetzen. Als ein gemeinnütziger Verein, der sich dem Schutz von Kulturgut in seiner Gesamtheit in Krisen- und Notsitua tionen verschrieben hat und sowohl Fachleuten als auch Interessierten of fensteht, setzt sich die Deutsche Ge 5 Deutscher Bundestag, Wahlperiode 25.6. 2013, Drucksache 17/14115 17. 6 Kulturgutschutznachrichten 6, September 2014; www.dgks-ev.org/resources/Nachrichtenblatt06 _Sep2014.pdf, S. 2 [1.3. 2015]. sellschaft für Kulturgutschutz e. V. (DGKS) für ein Konzept ein, das be reits artikulierte Initiativen zusam menführt und um zusätzliche Maß nahmen ergänzt. Die DGKS engagiert sich nicht nur in Fachkreisen für dieses Thema, son dern betreibt auch Öffentlichkeitsar beit. Sie befürwortet eine zentrale Ko ordinationsstelle für staatliche und nicht-staatliche Bemühungen um den Kulturgutschutz. Auf staatlicher Seite könnte dies die Form der oder des Be auftragten der Bundesregierung oder des Bundestages für Kulturgutschutz annehmen. Auf nicht-staatlicher Seite könnte ein deutsches Nationalkomi tee Blue Shield nach dem Vorbild an derer Länder als „Rotes Kreuz für Kulturgut“ tätig werden. Diesbezüg liche Gespräche haben bereits stattge funden.7 Je breiter die Unterstützung für die Gründung eines solchen Ko mitees, desto wahrscheinlicher wird der Erfolg. Dr. Birte Brugmann ist Präsidentin und Rolf Gundlach ist erster Stellvertreter im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Kulturgutschutz e.V.; [email protected]. Weitere Informationen: Deutsche Gesellschaft für Kulturgutschutz e. V.: www.dgks-ev.de Blue Shield: www.ancbs.org/cms/en/ 7 Kulturgutschutznachrichten 3, September 2013; www.dgks-ev.org/resources/DGKS-Nachrichten blatt03September2013.pdf, S. 1 [3.3. 2015]. ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 |9 Ak tue lles 38. Internationaler Museumstag 2015 Unter dem Motto „Museums for a Sustainable Society“ begehen die Museen weltweit im Mai 2015 den diesjährigen Internationalen Museumstag. Deutschlands Museen präsentieren sich aus diesem Anlass am 17. Mai unter der deutschen Mottoversion „Museum. Gesellschaft. Zukunft.“ Der Tag steht jährlich unter einem wech selnden Motto, das die unterschiedlichen Schwerpunkte der Museumsarbeit be leuchtet, aktuelle Themen aufgreift und auf die thematische Vielfalt der reichen Museumslandschaft weltweit ver weist. Das Motto des 38. Internatio nalen Museumstages 2015 „Mu seums for a Sustainable Society“ rückt in diesem Jahr die Rolle der Museen in der Gesellschaft und damit ihren Anteil an der Mit gestaltung der Zukunft in den Fokus. Die häufige Annahme, Museen seien nur auf die Vergangenheit gerichtet und würden rückwärtsgewandt arbeiten, ist nicht zutreffend – im Gegenteil. Viele Ausstel lungen verknüpfen die historische Rückschau mit gesell schaftlichen Themen der Gegenwart und stellen gleichfalls Fragen an die Zukunft. Migration, Klimawandel, Stadt entwicklung, Leben im ländlichen Raum, technischer Fort schritt und der Wandel des Arbeitslebens, aber auch aktu elle künstlerische Ausdrucksformen und der Einsatz der sozialen Medien stehen auf ihrem Programm. Museen füh ren damit die Besucher an aktuelle Themen und Fragestel lungen heran, sensibilisieren für Probleme, Widersprüche und Konflikte und regen zum Nachdenken an, ohne zwin gend Ergebnisse oder Lösungen zu präsentieren. 10 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 Museen begleiten dadurch gesellschaftliche Entwick lungen mit innovativen Ideen, kreativen Angeboten für Besucher, neuen Ausstellungsformen und dem Einsatz moderner Techniken. Damit bewegen sie sich am Puls der Zeit. Als Orte der Vermittlung und Begegnung sind Mu seen auch Orte des Austausches und der Auseinander setzung. Sie bieten Partizipation für alle und schaffen bar rierefreie Zugänge. Wie erfolgreich sie dies umsetzten, belegen die weltweit steigenden Besucherzahlen und das große Interesse an ihren Ausstellungen und Angeboten. In Malaysia findet am 17. Mai zum Beispiel der InternationalMuseum-Day-Marathon statt, zu dem etwa 1.000 Läu ferinnen und Läufer aus der Museumsbranche erwartet werden. In zeitlicher Nähe zum Internationalen Museumstag ver leiht das European Museum Forum jährlich seinen Preis European Museum of the Year. In diesem Jahr wird die Ver anstaltung am 16. Mai im Riverside Museum in Glasgow stattfinden. Museum. Gesellschaft. Zukunft. In Deutschland beteiligten sich im vergangenen Jahr über 1.830 Museen mit mehr als 10.000 Aktionen und Ange boten am Internationalen Museumstag. Auch in diesem Jahr werden die Museen mit großem Engagement und ei nem ideenreichen Programm diesen einzigen bundeswei Ak tue lles ten Museumsaktionstag gestalten. Der Internationale Museumstag bietet in den Metropolen wie in den Regio nen die hervorragende Chance, das reiche kulturelle Erbe unseres Landes, das von den Museen bewahrt und vermit telt wird, einer breiten Öffentlichkeit zu erschließen. Da her freuen wir uns auf ein weiteres erfolgreiches Jahr. Die Schirmherrschaft des diesjährigen Internationalen Museumstages übernimmt der Hessische Ministerpräsi dent Volker Bouffier. Gastgeber der Auftaktveranstaltung ist das Hessische Landesmuseum in Darmstadt. Die Umsetzung des Internationalen Museumstages er folgt in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den regi onalen Museumsverbänden und den Stiftungen und Insti tuten der Sparkassen-Finanzgruppe. Viele Aktionen auf lokaler Ebene werden in Kooperation mit den regionalen Sparkassen umgesetzt. Dank des ungebrochenen Einsatzes und des Ideenreich tums der Museen erwartet uns in Deutschland mit der deut schen Mottoversion „Museum. Gesellschaft. Zukunft.“ auch in diesem Jahr ein vielfältiges Programm mit zahl reichen Aktionen: Das Stadtmuseum und Handwerksmuse um Deggendorf zum Beispiel eröffnet am Vorabend des Internationalen Museumstages die „Papier Global III“, die Internationale Papierkunsttriennale. Im Rahmen der Aus stellung werden nicht nur Werke aus aller Welt gezeigt, am Museumstag wird auch ein Papierfest gefeiert und es finden ein Papiermarkt und Workshops statt. Im 2014 eröffneten Hoffmann-von-Fallersleben-Museum in Wolfs burg können große und kleine Besucherinnen und Besucher sich an einer Karaoke- und Spielstation aktiv mit den Wer ken des Dichters beschäftigen. Das Hessische BraunkohleBergbau-Museum in Borken lädt zur kostenlosen Besich tigung des Themenparks und Besucherstollens sowie zu Rundfahrten mit der Besucherbahn ein. Auf der Webseite www.museumstag.de können die Pro grammangebote zum Internationalen Museumstag in einer Datenbank recherchiert werden. Seit März läuft die SocialMedia-Aktion #MuseumSound. Mit der Aktion soll die deutsche Mottoversion „Museum. Gesellschaft. Zukunft.“ akustisch erlebbar gemacht werden. Unter dem Hashtag #MuseumSound stehen dabei Fragen wie „Wie klingt Museum? Welche Geräusche machen die Exponate? Was haben die Museen und Museumsmitarbeiter sowie die Mu seumsbesucher zu sagen?“ im Fokus. Die Möglichkeiten sind vielfältig und Plattformen wie Soundcloud, Vimeo, Youtube oder Vine sowie passende Apps für Smartphones machen eine einfache technische Umsetzung und damit eine breite Partizipation möglich. Aber auch auf Facebook und Twitter können Sie ganzjährig die Aktivitäten der Mu seen begleiten. Besuchen Sie uns! Der Internationale Museumstag wurde 1977 vom Inter nationalen Museumsrat ICOM ins Leben gerufen und wird weltweit um den 18. Mai gefeiert. Seit 1992 wird der Tag von einem jährlich wechselnden Motto begleitet. In Deutschland wird der Internationale Museumstag stets an einem dem 18. Mai nahe gelegenen Sonntag gefeiert. Johanna Westphal Geschäftsführerin ICOM Deutschland Weitere Informationen: International: http://imd.icom.museum National: www.museumstag.de Nächste Termine des Internationalen Museumstags in Deutschland: 22. Mai 2016 21. Mai 2017 13. Mai 2018 Die Resonanz in den sozialen Medien war beeindruckend: Im Jahre 2014 beteiligten sich deutschlandweit zahlreiche Besucher an der Mitmach-Aktion #mycollection14. In diesem Jahr geht der Internationale Museumstag in Deutschland mit #MuseumSound an den Start. Quelle der Bildcollage: Deutscher Museumsbund ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 | 11 Ak tue lles Historisches und Völkerkundemuseum in St. Gallen: Mit rund 70.000 Objekten ist es das historische „Ding-Gedächtnis“ der Stadt St. Gallen. Das Museum für alle – Imperativ oder Illusion? Jeder Mensch hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft teilzunehmen. Darauf hat sich die Völkergemeinschaft 1948 geeinigt. Wie aber können Museen dieses Grundrecht – kostengünstig und zeitnah – umsetzen? Experten der deutschsprachigen Museumswelt diskutieren auf dem Bodensee-Symposium 2015 in St. Gallen Möglichkeiten und Grenzen dieses individuellen Freiheitsrechtes. Das traditionelle Bodensee-Symposium, das im Turnus von drei Jahren als gemeinsame Tagung der ICOM-National komitees von Deutschland, Österreich und der Schweiz ausgerichtet wird, findet in diesem Jahr vom 18. bis 20. Juni in St. Gallen, Schweiz, statt. Der Hauptveranstaltungs ort ist das Historische und Völkerkundemuseum, das Ta gungsthema lautet „Das Museum für alle – Imperativ oder Illusion?“. ICOM Deutschland wird in diesem Rahmen am 20. Juni seine Mitgliederversammlung 2015 durchführen. Das Museum für alle – gibt es das? Wollen Museen alle oder zumindest viele Bevölkerungsgruppen erreichen, so müssen sie ihre Arbeit danach ausrichten, möglichst viele Menschen anzusprechen. Barrieren, die bestimmten Men schen den Zugang erschweren, gilt es abzubauen und zu künftig zu vermeiden. Die Tagung wirft anhand von Fallbeispielen einen rea listischen und gleichzeitig kritischen Blick auf die aktuelle Praxis – mit dem Ziel, aus Erfolgen und Misserfolgen zu lernen. Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen ge sellschaftlichen Interessensverbände, u. a. aus den Bereichen Politik, Soziales und Pädagogik, gewähren einen vertiefen den Einblick in die Thematik. Mit Referaten zur Ideenge schichte wird die aktuelle Praxis theoretisch und historisch verortet. Die Referate lenken dabei den Fokus auf audience development, Partizipation und Nachhaltigkeit im Muse um und betrachten die Museumslandschaft hinsichtlich ihrer Multilingualität. Das Rahmenprogramm soll den Teilnehmern Einblicke in die Museen der Region gewähren. Geplant sind daher 12 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 Exkursionen zum Archäologischen Landesmuseum BadenWürttemberg in Konstanz und in die Inatura nach Dorn birn, Österreich. Seit 1973 gehören die Internationalen Bodensee-Sympo sien der drei ICOM-Nationalkomitees von Österreich, der Schweiz und Deutschland zu den Höhepunkten im muse ologischen Gedankenaustausch zwischen unseren benach barten Ländern. Die Federführung liegt in diesem Jahr in den Händen der Schweizer Kolleginnen und Kollegen. Mitgliederversammlung: Nachwahl eines Vorstandsmitgliedes ICOM Deutschland wird seine Mitgliederversammlung 2015 im Rahmen des Internationalen Bodensee-Sympo siums am 20. Juni 2015 im Historischen und Völkerkun demuseum St. Gallen veranstalten. Frau Dr. Franziska Nentwig hat zum 31. Dezember 2014 den Vorstand von ICOM Deutschland verlassen. Nachdem Frau Nentwig nach acht Jahren ihren Posten als General direktorin der Stiftung Stadtmuseum Berlin aufgegeben hat und seit März 2015 als Geschäftsführerin beim Kul turkreis der deutschen Wirtschaft tätig ist, musste sie sat zungsgemäß aus dem Verband ausscheiden. Nach den Bestimmungen der Satzung von ICOM Deutsch land tritt beim vorzeitigen Ausscheiden eines Vorstandsmit gliedes an dessen Stelle und für die restliche Amtsdauer ein von der nächsten Mitgliederversammlung zu wählendes Mitglied. Ak tue lles Es ist wünschenswert, dass sich im Vorstand des Ver bandes die Verschiedenartigkeit der Museumslandschaft in Deutschland spiegelt. Als nachzuwählendes Vorstands mitglied für den Rest der laufenden Amtszeit schlägt der Vorstand deshalb Frau Professor Dr. Elisabeth Tietmeyer, Direktorin des Museums Europäischer Kulturen der Staat lichen Museen zu Berlin, vor. Dennoch kann sich jedes individuelle Mitglied von ICOM Deutschland, das die Mitgliedskriterien nach § 4 Ziffer 1 a) aa) der Satzung erfüllt und im aktiven Dienst ist, um die ses Amt bewerben. Wir bitten daher alle Bewerberinnen und Bewerber, ihre Kandidatur bis spätestens 31. Mai 2015 der Geschäftsstelle von ICOM Deutschland schriftlich mitzu teilen. Wir stützen uns dabei auf den bei ICOM Deutsch land bisher beachteten Wahlmodus, aber auch auf die Wahl regularien des Internationalen Museumsrats ICOM. Bitte beachten Sie, dass Mitglieder bei Nichtanwesenheit auf der Mitgliederversammlung ihr Stimmrecht auf andere stimmberechtigte Mitglieder schriftlich übertragen können, wobei jedes Mitglied zur Vertretung von höchstens zwei abwesenden Mitgliedern bevollmächtigt werden kann. Eine Vorlage zur Übertragung des Stimmrechts erhalten Sie in der Geschäftsstelle. Nachwuchsförderung durch Reisestipendien Um dem Museumsnachwuchs möglichst zahlreich eine Teilnahme an unserer Jahrestagung zu ermöglichen, kön nen deutsche ICOM-Mitglieder mit dem Status „Student“ einen Antrag auf Reisekostenzuschuss stellen. Insgesamt gewährt ICOM Deutschland fünfzehn Reisebeihilfen in Höhe von bis zu 150 Euro. Interessierte wenden sich bis spätestens 31. Mai 2015 per Mail an die Geschäftsstelle. Für die Bewilligung der Reisebeihilfen ist der Zeitpunkt der Antragstellung ausschlaggebend. Wir laden Sie herzlich zur Jahrestagung und zur Mit gliederversammlung 2015 nach St. Gallen ein und freuen uns auf die Begegnung und den gemeinsamen Austausch mit Ihnen. Fotos: Historisches und Völkerkundemuseum St. Gallen Verona, Padua, Venedig, Genua, Bologna, Florenz, Rom etc.) abgerundet. Einen wichtigen Punkt auf der Konferenzagenda stellt die Verabschiedung der Declaration of ICOM on Museums and Cultural Landscapes dar. ICOM hofft, mit dieser De klaration strategische Ziele zur Bewahrung des kulturel len Erbes für die Museen der Gegenwart zu setzen. Gremienwahlen stehen an 2016 endet die ICOM-Präsidentschaft von Hans-Martin Hinz. Die im Rahmen der Konferenz stattfindende 30. Ge neralversammlung von ICOM wählt einen neuen Präsi denten, zwei Stellvertreter, einen Schatzmeister sowie die weiteren Mitglieder des Executive Council. ICOM Deutschland fördert, wie auch bei früheren Ge neralkonferenzen, die Teilnahme deutscher Mitglieder mit Reisekostenzuschüssen. Für eine bestimmte Anzahl von Interessierten stehen Reisebeihilfen in Höhe von bis zu 400 Euro (vorbehaltlich) zur Verfügung. Voraussetzung für die Bezuschussung ist ein wissenschaftlicher Beitrag zur Konferenz (z. B. das Halten eines Vortrags), eine besondere Funktion in der Gremienarbeit (z. B. die Tätigkeit als Vor standsmitglied oder Sekretär) oder oder das Mitwirken an der Vorbereitung und Durchführung der Konferenz und der Fachtagungen. Daneben wird die Anfertigung eines Berichts für die Veröffentlichung in den Mitteilungen von ICOM Deutschland erwartet. Weitere Auskünfte er teilt Ihnen gern die Geschäftsstelle, E-Mail: [email protected]. Seien Sie dabei, wenn es diese wichtigen Themen zu er örtern und entscheiden gilt – wir freuen uns darauf, Sie 2016 in Mailand zu treffen! Save the date: ICOM-Generalkonferenz 2016 Der Vorstand ICOM Deutschland ICOM lädt vom 3. bis 9. Juli 2016 zu seiner 24. General konferenz nach Mailand, Italien, ein. Das Konferenzthema lautet „Museums and Cultural Landscapes“. Die General konferenz findet alle drei Jahre statt, letztmalig 2013 in Rio de Janeiro, Brasilien, und 2010 in Shanghai, China. Rund dreitausend Museumsprofis aus aller Welt werden erwartet. Der internationale fachliche Austausch steht da bei im Vordergrund. Neben zahlreichen Workshops bieten vor allem die Treffen der internationalen Komitees die Ge legenheit für eine breite Kommunikation unter den Muse umskolleginnen und -kollegen und für eine Vertiefung des Tagungsthemas. Die Generalkonferenz wird durch eine Mu seumsmesse und durch Exkursionen in die Region (Turin, Weitere Informationen: Bodensee-Symposium und Mitgliederversammlung 2015 von ICOM Deutschland: 18. bis 20. Juni in St. Gallen, Titel: Das Museum für alle – Imperativ oder Illusion? Programm und Anmeldung: www.museums.ch/bildung/tagungen/bodensee-symposium.html Reisebeihilfen: Geschäftsstelle von ICOM Deutschland, [email protected] 24. ICOM-Generalkonferenz: 3. bis 9. Juli 2016 in Mailand, Titel: Museums and Cultural Landscapes Programm und Anmeldung: http://icom.museum/activities/general-conference/icom-milan-2016 ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 | 13 Rückblick Museum Macht Politik Macht Museum Mehr als 350 Fachleute haben vom 9. bis 14. September 2014 an der gemeinsamen Tagung von ICOM Russland, ICOM USA und ICOM Deutschland teilgenommen, die sich unter mehreren Aspekten als ein spannendes, trilaterales Experiment erwiesen hat. Klaus Weschenfelder berichtet im ersten Teil, warum es gut und richtig war, sich in Sankt Petersburg zu treffen, und was dabei herausgekommen ist. Kristiane Janeke schildert im zweiten Teil ihre Erfahrungen in Jekaterinburg, der Hauptstadt des Bezirks Schwerdlowsk, wo Provinzstädte mehr als eine Millionen Einwohner haben, die Wiege der russischen Industrialisierung steht und man viel über interkulturelle Kommunikation lernen kann. Klaus Weschenfelder, Kristiane Janeke Fotos: ICOM Russland 14 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 Rückblick Es gäbe unter russischen Museumskollegen den fröhlichen Trinkspruch: „Alle Macht den Museen!“, erzählte augenzwinkernd Vladimir Tolstoy, Präsident von ICOM Russland und Berater des russischen Präsidenten in kulturellen Angelegenheiten, den etwa 350 zur Eröffnung der Tagung „Museum and Poli tics“ im Generalstabsgebäude in Sankt Petersburg versammelten, aus aller Welt angereisten Museumsexperten. Die von ICOM Russland mit Музеи и Власть als treffend erachtete Übersetzung des Tagungsthemas aus dem Eng lischen ins Russische offenbarte eine nicht uninteressante Feinheit, denn das Wort wlast bedeutet „Macht“. Mit kulturell bedingten semantischen Diffe renzen ist bei internationalen Begegnungen eben zu rechnen. Mehr als das. Der seit dem Majdan im Winter 2013/2014 aufgebrochene Konflikt zwischen Russland und der Ukraine und die von Russland stets bestrittene Aggression gegen das Nachbarland ließen die beiden westlichen Mitveranstalter, ICOM USA und ICOM Deutschland, im Vorfeld der seit 2011 gemeinsam mit ICOM Russland geplanten Tagung darüber nachdenken, ob es nicht besser sei, das Projekt abzusagen. Schließlich haben sich die Ver bandsvorstände aber doch mit Entschiedenheit für das Treffen in Sankt Peters burg ausgesprochen, um, wie ICOM-Präsident Hans-Martin Hinz und ICOMDeutschland-Präsident Michael Henker bei der Eröffnung nachdrücklich hervorhoben, den Gesprächsfaden in schwierigen Zeiten nicht abreißen zu las sen. Hinz erinnerte ferner daran, dass ICOM schließlich in der schwierigen Zeit der Nachkriegsjahre gegründet wurde, um verlorenes Vertrauen wieder aufzu bauen und den internationalen Austausch zwischen den Museen zu fördern. Daran weiterzuarbeiten, sei notwend ig und verdienstvoll, bekräftigte auch Alexander Sayn-Wittgenstein-Sayn, Vizepräsident von Europa Nostra, anläss lich der Übergabe eines Denkmalpreises an das Museum Zarskoje Selo, die im Rahmen der ICOM-Konferenz feierlich vorgenommen wurde. Als Veranstaltungsort in Sankt Petersburg wählten die russischen Organisatoren die Eremitage, in deren Feierlichkeiten zum 250jährigen Bestehen die gemeinsame Tagung eingebettet wurde. „We share the same problems.“ Allerhand Gemeinsamkeiten för der ten die Eröffnungsvorträge in der Be schreibung des Verhältnisses von Museum und Politik zutage. Sich klar und deutlich gegenüber der Macht zu positionieren, riet Vladimir Tolstoy, ausführ lich aus zwei seiner sehr resoluten Reden aus den 1990er Jahren zur Lage der Museen zitierend. Die Situation habe sich seither verbessert, doch müsse Politik mehr tun, um die Museumsarbeit von zunehmend sich auftürmenden bürokra tischen Hürden zu entlasten. Auch die Problematik der immer schwieriger werdenden Umstände für Fundraising in der Privatwirtschaft müsse die Museen weiterhin zu entschlossenem Auftreten gegenüber der Macht veranlassen. In die gleiche Kerbe schlug Hermann Schäfer, Gründungsdirektor des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und ehemaliger Stellvertreter des Beauftragten des Bundes für Kultur und Medien mit seinem klar struktu rierten, erfahrungsgesättigten Vortrag: Museen müssen sich kreativ und cou ragiert verhalten, dürfen keinesfalls die Lobbyarbeit vernachlässigen. Um ihre Interessen gegenüber der Politik zu vertreten und um ihre Ziele zu erreichen, sollten sie gegebenenfalls auch über die Bande spielen. Museumsspezifische, aus dem russisch-ukrainischen Konflikt resultieren de Probleme wurden nur knapp angesprochen. Auf die Frage nach dem Ver bleib der Skytenschätze aus dem Museum in Sewastopol auf der Krim verwies ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 | 15 Rückblick Museums, Politics and Power – Der Blog zur Konferenz Katrin Hieke Wie lassen sich ICOM-Konferenzen nachhaltiger gestalten? Wie können Kollegen am Wissens- und Ideen austausch teilhaben, wenn ein Be such der Tagung nicht möglich ist? Wie können sie dabei unterstützt werden, internationale Kontakte zu knüpfen und Projekte zu initiieren? Und wie kann die Arbeit von ICOM sichtbarer werden? Diese Fragen führten unser Team – Kristiane Janeke (Deutschland), Linda Norris (USA), Irina Chuvilova (Russ land) und die Autorin – dazu, die Möglichkeiten des social web aus zuloten und die Konferenz „Museum and Politics“ auf verschiedenen Ka nälen vorzubereiten und zu dokumen tieren. formen. Wir waren zu optimistisch, was die Zahl der Gastautoren an geht – für viele interessierte Kollegen scheiterte es schlicht an fehlender Zeit. Unterschätzt haben wir allerdings die Zahl der Leser und Diskutanten. Die se große Resonanz zeigt uns, dass ein breites Interesse am Austausch exis tiert und die anhaltend hohen Nutzer zahlen noch Monate nach der Kon ferenz bestätigen das. Wir glauben, dass die sozialen Medien gewinn bringend genutzt werden können, um über Fach- und Ländergrenzen hin weg hochaktuelle Fragen und Pro bleme rund um die Museumsarbeit zu diskutieren und voneinander zu lernen. Die hohe Sichtbarkeit und ihre leichte Zugänglichkeit stärkt die Rolle von ICOM als weltweites Netz werk. Immer mehr ICOM-Komitees nutzen diese Möglichkeiten – brin gen Sie sich ein und nehmen Sie teil! Ein ausführlicher Projektbericht er scheint im Tagungsband. „The accompanying social media project is a good way for the conference in preparation and for ICOM in the future.“ Im Zentrum stand der in den drei Konferenzsprachen geführte Blog www.museumspoliticsandpower.org. Das Team publizierte allgemeine In formationen zur Tagung, Impulsbei träge, Interviews und Statements der Organisatoren sowie wöchentlich die wichtigsten Meldungen zum Thema Museum und Politik. Hauptsächlich waren aber international Gastauto ren aufgerufen, den Blog zu nutzen. 27 Autoren aus acht Ländern sand ten Berichte und Beiträge ein. Viele weitere beteiligten sich – vor allem auf Facebook und Twitter – an den Diskussionen. Rund vierhundert Le ser besuchten den Blog pro Tag. Ein zelne Beiträge, u. a. über die Rolle der ukrainischen Museen während der Proteste auf dem Majdan, dem Mu seum als Forum oder das Pro und Contra von Eintrittsgeldern, wurden über 3.000 Mal aufgerufen. Aus Russ land berichteten wir live auf Twitter und fassten allabendlich den Tag auf dem Blog zusammen. Auf der Konferenz präsentierten wir die Themen, die im Vorfeld zwar disku tiert wurden, aber im Konferenzpro gramm keine Berücksichtigung fan den. Überhaupt machte es das Projekt möglich, umgehend Zeitereignisse anzusprechen, die im Zusammen hang mit der Tagung standen. Nicht nur die Frage der Sicherheit von ho mosexuellen Teilnehmern wurde da mit öffentlich aufgeworfen und in einem Statement von ICOM Russ land kommentiert. „What we have learned“ Viele Ideen konnten wir in diesem Pilotprojekt noch nicht umsetzen. Gelernt haben wir in diesem knap pen Jahr allerdings viel: von der Or ganisation eines Projekts in drei Sprachen und Zeitzonen bis zu einer realistischeren Einschätzung der Vorund Nachteile der einzelnen Platt 16 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 Katrin Hieke, Doktorandin an der Universität Tübingen, arbeitet als freiberufliche Kulturwissenschaftlerin und Kulturmanagerin. Seit 2014 ist sie Mitglied im Vorstand von ICOM Deutschland. Zusammen mit Irina Chuvilova, Kristiane Janeke und Linda Norris bildet sie das Team des Tagungsblogs; [email protected]. Weitere Informationen: www.museumspoliticsandpower.org Rückblick Vladimir Tolstoy auf die Notwendigkeit einer juristischen Klärung. Die Mei nung der Gegenseite hierzu zu hören, war nicht möglich, weil ukrainische Museumskollegen nicht zur Tagung angereist waren, ebenso wenig waren Museumsexperten aus dem Baltikum oder aus Polen vertreten, Länder, die in deutlicher Distanz zur russischen Regierung stehen. Tagungsteilnehmer beim Rundgang durch die Eremitage „There is still a lot to learn about each other, …“ Was ICOM in der Vergangenheit zum Verhältnis von Museum und Politik beizutragen hatte, reflektierte Wim de Vos (ICOM Executive Council) an hand der Resolutionen des Verbandes seit 1947. Sally Yerkovich betonte die Notwendigkeit der museumsethischen Reflexion des Themas und berichtete von einer am Institut für Museumse thik der Seton Hall University (USA) erarbeiteten Einschätzung künftiger Konfliktfelder. Museen müssten trans parent und berechenbar handeln und sich klare Regeln geben, um Interessen konflikten, wie sie beispielsweise aus dem Engagement von Sponsoren resultie ren, begegnen zu können. Als Gastredner war der russische Regisseur Alexander Sokurow eingeladen, ein Hauptvertreter des experimentellen Films, der in den vergangenen Jahr zehnten stets auch als Oppositioneller wahrgenommen wurde. Sein Film „Russian Ark“ fand international große Anerkennung. Er war 2003 in der Eremitage produziert worden, wo seit Sergej Eisenstein (1927) kein Filme macher mehr eine Drehgenehmigung erhalten hatte. Sokurows Beitrag gab sich kulturpessimistisch grundiert. Millionen von Menschen würden der Kultur den Rücken zuwenden und es gälte, die „zerstörerischen Kräfte des Kinos“ mit all seinen Gewaltexzessen zu bändigen. Sokurows Betonung der Notwendigkeit, traditionelle Werte zu bewahren, und die Hervorhebung der Besonderheit der ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 | 17 Rückblick Michael Henker, Kathy Southern (ICOM USA), Vladimir Tolstoy, Irina Antonowa und Michail Piotrowski (v.l.n.r.). Während der Vorbereitung der gemeinsamen Tagung und auch während der Pressekonferenz am Eröffnungstag stand die Frage im Raum, ob die Tagung vor dem Hintergrund der aktuellen politischen und militärischen Krise stattfinden soll. Dass sie stattgefunden hat, kann gleichsam als politischer Erfolg der Zusammenarbeit der Nichtregierungsorganisationen ICOM Russland, ICOM USA und ICOM Deutschland sowie aller anderen Beteiligten gelten. Wim de Vos (ICOM Executive Council) russischen Kultur in der Entwicklung eines eigenen Weges zwischen Ost und West, wie sie Vladimir Tolstoy anklingen ließ, ließen wohl nicht zufällig As pekte des Grundlagenplans staatlicher Kulturpolitik durchschimmern. Der begeisterte Applaus, insbesondere des russischen Auditoriums, zeigte vielleicht auch, wie sehr diese Gedanken in breiten Kreisen der intellektuellen Zivilge sellschaft angekommen sind, ein Eindruck, den der Berichterstatter auch in persönlichen Gesprächen mit russischen Kollegen gewinnen konnte. „We must remember museums are a place for something interesting, really intriguing.“ In vorzüglicher Weise vertieften nach den Einführungsvorträgen etwa sechzig Referenten in den vier Sektionen „Museen in internationalen politischen Zu sammenhängen“, „Museen und Geschichte“, „Museen und Innenpolitik“ und „Museen und die Entwicklung der Gesellschaft“ das Thema der Tagung. Die vom Programmkomitee klug kombinierten Beiträge waren aus etwa 160 Vor schlägen mit Bedacht ausgewählt worden und boten, soweit der Berichterstat ter das aus eigener Anschauung beurteilen kann oder ihm aus entsprechenden Berichten aus anderen Sektionen übermittelt wurde, allesamt interessante Fall beispiele, Thesen oder Reflexionen von guter Qualität. Beispielhaft sei die Sektion „Museen und Außenpolitik“ kurz charakteri siert. Einige Beiträge waren deutsch-russischen Kooperationen gewidmet, die sich sowohl auf die beratende Unterstützung beim Ausbau qualifizierter Muse umsstrukturen bezogen (Manfred Nawroth) als auch auf den deutsch-russischen Museumsdialog und die Erforschung der Geschichte russischer Museen im Zweiten Weltkrieg im Zusammenhang von Kulturgutverlusten (Anna Apo nasenko, Kristiane Janeke, Britta Kaiser-Schuster, Ulrike Schmiegelt). Weitere Beiträge fokussierten die nationalsozialistisch bedingte Enteignung von jüdischem Kunstbesitz und dessen Restitution (Wesley Fischer) sowie daraus resultierende juristische Probleme im internationalen Leihverkehr von Kunstwerken in den USA (Elizabeth Varner). Betrachtungen transnationaler Kulturbeziehungen im Ausstellungs- und Museumswesen in der Vergangenheit (Gregor H. Lersch) und deren proaktive Behandlung in der Gegenwart (Da Kong, Natalia Grincheva, Markus Möhring) bildeten einen weiteren Themenschwerpunkt. Karen Exell erarbeitete anhand einiger aktueller Museumsplanungen in den Golfstaaten (Louvre Abu Dhabi und drei Projekte in Katar), dass der einheimischen ara bischen Bevölkerung westliche Museumskonzepte übergestülpt werden, die nicht auf deren Bedürfnisse eingehen und von dieser auch nicht verstanden werden. Dies geschieht aus politischen und wirtschaftlichen Gründen im Inte resse der Regierungen – ein Beispiel kultureller Kolonisierung auf Einladung sozusagen. „It is great to end up with questions, not answers.“ Die Diskussionen waren fruchtbar, durchaus kontrovers, geprägt von guter Sachkenntnis und immer respektvoll und fair. Das spannungsvolle Verhältnis zwischen Russland und Europa wurde regelmäßig thematisiert, beson ders, wenn es um die Frage ging, ob russische Kultur und Geschichte in europäischen 18 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 Rückblick Projekten angemessen berücksichtigt werde, etwa bei dem von der Europäischen Union geplanten „Haus der europäischen Geschichte“ in Brüssel. Deutlich wurde auch, dass Provenienzforschung wegen der Ereign isse während des Na tionalsozialismus und im Zweiten Weltkrieg von herausragender Bedeu tung für eine ethische Museumsarbeit ist. Offenheit und Transparenz wurden angemahnt, wozu die Zugänglichkeit von Archiven gehört, und ein Geschichts diskurs im Museum, der auf moralische Bewert ungen verzichtet. Schließlich zeigte sich, dass die museumsfachliche Zusammenarbeit, besonders zwi schen Deutschland und Russland, aber auch mit anderen Staaten der ehema ligen UdSSR, gelingt, wenn politische Diskussionen in den Hintergrund tre ten. Eine hervorragende Ergänzung zu diesem summarischen Bericht bieten die Einträge im Blog „Museum, Politics and Power“, den Irina Chuvilova, Ka trin Hieke, Kristiane Janeke, und Linda Norris so engagiert betrieben und die Tagung damit weit über den Teilnehmerkreis hinaus zur Diskussion ge stellt haben. Das Projekt in Sankt Petersburg war ein großer Erfolg, über eine mögliche Nachfolgeveranstaltung gab es bereits informelle Gespräche. Den Tagungs teilnehmern wurde die überwältigende Gastfreundschaft der russischen Kol legen zuteil, die unerschöpfliche finanzielle Ressourcen zu organisieren in der Lage waren. Wesentlichen Anteil daran hatte Michail Piotrowski, der macht volle Direktor der Eremitage, in deren Jubiläumsfeierlichkeiten zum 250jäh rigen Bestehen die Tagung eingebettet war. „Where do we go from here?“ Die thematisch gegliederten Sektionen wurden in mehreren Museen der Stadt abgehalten, so etwa im Staatlichen Museum für Religionsgeschichte (links) und im Museum für Kommunikation (Mitte). In den Referaten und anschließenden Diskussionen wurde deutlich, dass sich die Museen über alle Ländergrenzen hinweg ähnlichen Problemen ausgesetzt sehen: Bürokratisierungstendenzen, ausufernden Antrags verfahren und lähmenden Kommissionen. Die Tagungsteilnehmer stimmten mehrheitlich darin überein, dass die Museen selbstbewusster auftreten und ihre Positionen deutlicher gegenüber der Politik formulieren sollten. Der Tagung ist es gelungen, die Dimension des Verhältnisses von Museum und Politik ansatzweise auszuloten. Und die russische Öffentlichkeit scheint sich für die Frage nach Museum und Macht zu interessieren. Schon die Presse konferenz zum Auftakt war mit über fünfzig Journalisten gut besucht, und ein kleines Erlebnis am Ende der Tagung nährte schließlich den Gedanken, das Thema sei auch in der breiten Bevölkerung Russlands angekommen. Die Grenzpolizistin am nagelneuen Flughafen Pulkowo II reichte mir zu meiner nicht geringen Verblüffung lächelnd meinen Pass zurück mit der Frage: „You muse um? Conference?“. Mag sein, dass sie den Visa-Antrag mit dem Grund meines Besuches auf ihrem Bildschirm einsehen konnte, aber welchem deutschen Be amten beispielsweise wäre dies denn eine so freundliche Nachfrage wert? Gerne möchte man eine solche Begebenheit als Zeichen dafür deuten, dass den Russen ihre Museen etwas bedeuten, auch wenn es eine Illusion sein sollte. Jekaterinburg: Industriegeschichte als Herausforderung Irina Antonowa, die Grande Dame der russischen Museen, hatte in ihrem Vor trag in Sankt Petersburg eine stärkere Unterstützung der Museen in der so genannten russischen Provinz gefordert. Ihr Plädoyer war zugleich ein Tadel der „Macht“ in Russland, gemeint waren die zuständigen Behörden. Einmal mehr wurde deutlich, wie verschieden das Verständnis des Konferenztitels im Englischen (Museum und Politik) und Russischen war (Museum und Macht) und wie eng sie doch verbunden sind. Von allen drei Aspekten – Provinz, ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 | 19 Rückblick Politik und Macht – konnten wir uns im zweiten Teil der Konferenz in Jekate rinburg ein eigenes Bild machen. Schon in Sankt Petersburg, so mein Eindruck, waren kulturelle Welten – durchaus konstruktiv und zur gegenseitigen Bereicherung – aufeina nderge stoßen, angefangen vom Verständnis von Museen über Konferenzorganisation und Diskussionskultur bis hin zu politischen Fragen. Noch viel stärker war dies in Jekaterinburg der Fall, und zwar mit Blick auf die Realität der Museen vor Ort, das politische Umfeld und verschiedene Auffassungen von Koopera tion. Soweit manche Vorstellungen auch auseinandergingen, so groß war aber auch die Bereitschaft zur Verständigung und Annäherung. Das Thema der Konferenz war die Industriegeschichte, was sich aus der Geschichte der Region ergibt. Der Bezirk Swerdlowsk mit seiner Gebiets hauptstadt Jekaterinburg (knapp 1,5 Millionen Einwohner) jenseits des Ural gebirges war im frühen 18. Jahrhundert das Zentrum der beginnenden Indus trialisierung in Russland unter Peter dem Großen. Reiche Kaufleute, allen voran die Familie Demidow, gründeten Fabriken und Produktionsu nterneh men, die dem wachsenden politischen Anspruch des Landes die wirtschaft liche Rückendeckung geben sollten. Heute besteht in diesem kulturellen Erbe eine der Herausforderungen dieser aufstrebenden Region. Foto: Wladimir Udilow „…, we need to go deeper and learn more about the different structures, systems, mentalities and such.“ Der zweite Teil der Tagung fand in Jekaterinburg statt, nach Moskau und Sankt Petersburg die drittwichtigste Stadt Russlands. Eine bekannte Sehenswürdigkeit in Jekaterinburg ist die Kathedrale auf dem Blut. Sie wurde 2003 an jener Stelle errichtet, an der im Jahre 1918 der letzte russische Zar Nikolaus II. mit seiner Familie ermordet worden war. Entsprechend selbstbewusst präsentierte sich die Gebietsregierung mit einer feierlichen Eröffnung durch den Gouverneur, in deren Rahmen eine Koopera tionsvereinbarung mit der Eremitage, vertreten durch ihren Direktor Michail Piotrowski, unterzeichnet wurde. Die folgende Plenarsitzung bot das Forum für ein breites Spektrum an Vorträgen. Hervorzuheben sind die Beiträge von Bruno de Corte über die nachhaltige Entwicklung der Industrieregion Rupel in Belgien sowie von Margarita Kuzowkowa vom Museum in Tagil über das „nationale Erbe in der Politik der öffentlichen Macht“. Hinter dem Titel ver barg sich, durchaus überraschend, ein lebhaftes Plädoyer für die Arbeit von Museen mit ihrer lokalen Umgebung durch Einbeziehung der Menschen. Wie stark die Entwicklung der Museumslandschaft mit den Machtstrukturen und der Politik verwoben ist, zeigte der Vortrag von Tatjana Jaroscheswkaja, der Leiterin der Kulturabteilung der Stadt. Die beiden Sektionen am Nachmittag boten Gelegenheit, die angesprochenen Themen zu vertiefen. Über die Vorträge im Einzelnen haben wir ausführlich in unserem Konferenzblog berichtet. Der Tag fand seinen Abschluss mit verschiedenen Rundfahrten und Spaziergängen durch die Stadt sowie einem opulenten Empfang. Der zweite Tag führte uns in zwei Gruppen nach Nischni Tagil und Irbit zur Fortsetzung der Sektionen und Besichtigung der Museen vor Ort. In Tagil war das Interesse an der Tagung groß. Leider gab es für die Beiträge nicht nur kei ne Simultanübersetzung, sondern bei den russischen Beiträgen wurde ganz auf eine Übersetzung verzichtet. Moderation und Verantwortung lagen bei Elvira Merkuschowa aus dem örtlichen Museum zur Industriegeschichte, der ihre Ner vosität deutlich anzumerken war, die de Corte als zweiter Moderator ebenso sympathisch wie kompetent auffangen konnte. An seine Grenzen stieß jedoch auch er, als die russischen Kollegen eine bereits fertige Resolution einschließlich konkreter Erwartungen an die ausländischen Partner zur Unterzeichnung vor legten. Den von deutscher und amerikanischer Seite vorgebrachten Vorschlag, diese zunächst zu diskutieren, führten vorübergehend zu Verstimmungen. Zu der auf später verschobenen Unterz eichnung kam es nicht mehr, ein gewisses Unbehagen blieb, auch wenn sich durchaus Perspektiven für die Zusammen arbeit eröffneten. „The conference proves we are not alone in the world, we can do things together!“ Anschließend besuchten wir in Gruppen das regionalgeschichtliche Museum, das Naturkundemuseum, ein Fabrikmuseum und die alte, wirklich sehr beein 20 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 Foto: Marina Mitrochina Foto: Susanne Pöverlein Rückblick druckende Demidow-Fabrik. Die Tagung endete mit einer Pressekonferenz und der Rückreise der Gäste. Für mich, und ich hatte gleichen Eindruck von vielen Kollegen, war dieser Ausflug ein fulminanter Abschluss, der die letzten Fach vorträge mit der Besichtigung originaler Schauplätze sowie der unvergleich lichen russischen Gastfreundschaft verband und den Gesamteindruck dieser ICOM-Tagung als ein unvergessliches Erlebnis eindrucksvoll und nachhaltig unterstrich. Foto: ICOM Deutschland Dr. Klaus Weschenfelder ist Direktor der Kunstsammlungen der Veste Coburg. Von 2009 bis 2013 war er Präsident von ICOM Deutschland; k.weschenfelder@kunstsammlungen-coburg.de. Dr. Kristiane Janeke ist Inhaberin der Agentur Tradicia History Service. Sie war mehrere Jahre an deutschen Museen tätig und arbeitet seit 2008 als freiberufliche Ausstellungskuratorin, Museumsberaterin und Dozentin, vornehmlich in deutsch-russischen und deutsch-belarussischen Projekten; [email protected]. Weitere Informationen: Rückblick auf Programm und Abstracts: www.museumandpolitics.ru Tagungsblog: www.museumpoliticsandpower.org Fotogalerie: www.flickr.com/groups/2738590@N23 Die Jahrestagung und Mitgliederversammlung 2015 von ICOM Deutschland findet im Rahmen des Bodensee-Symposiums im Juni in St. Gallen statt (siehe auch S. 12). Seit dem 18. Jahrhundert dominierte in Jekaterinburg und Umgebung die Eisenund Metall-Industrie. Zahlreiche stillgelegte Zechen und Industrieareale zeugen noch heute von der einstigen Bedeutung der Region für ganz Russland. ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 | 21 Rückblick Protokoll der Mitgliederversammlung 2014 von ICOM Deutschland e. V. Mittwoch, 10. September 2014 Generalstabsgebäude der Eremitage, Sankt Petersburg Leiter der Versammlung: Dr. Michael Henker, Präsident von ICOM Deutschland Zahl der erschienenen, stimmberechtigten Mitglieder: 39 Anzahl der Stimmen: 42 Eröffnung der Versammlung Der Präsident von ICOM Deutschland e.V., Dr. Michael Henker, eröffnet um 17.10 Uhr die Mitgliederversamm lung 2014 mit kurzen inhaltlichen Anmerkungen zur Ta gung und ihrer Organisation. Die fehlenden Vorstands mitglieder Frau Dr. Gabriele Pieke und Frau Prof. Dr. Friederike Waentig werden entschuldigt. TOP 1: Billigung der Tagesordnung Die Zustimmung der Versammlung zu der Tagungsordnung, die zusammen mit dem Einladungsschreiben den Mitglie dern fristgerecht zugesandt wurde, wird festgestellt. Die Tagungsordnung wird ohne Änderungen gebilligt. TOP 2: Benennung der Protokollführung Auf Vorschlag des Präsidenten wird das Vorstandsmitglied Frau Hieke das Protokoll führen. Der Präsident informiert über beginnende Überlegungen des Vorstandes, auf Anregung von Dr. Hans-Martin Hinz zeitlich begrenzte Patenschaften für die Mitgliedschaft in afrikanischen Nationalkomitees zu übernehmen. Der Präsident schlägt vor, dabei den Fokus auf die ehemaligen deutschen Kolonien zu legen. TOP 4: Finanzbericht Die Geschäftsführerin Johanna Westphal erläutert den schriftlich vorliegenden, abgezeichneten Kassenbericht 2013 und den Wirtschaftsplan 2014. TOP 5: Kassenprüfungsbericht Die Kassenprüfung wurde am 31. März 2014 durch die Kassenprüferinnen Martina Krug und Karin Kühling in den Räumen der Geschäftsstelle durchgeführt. Aufgrund der entschuldigten Abwesenheit der Kassenprüferinnen wird der Bericht von der Mitarbeiterin der Geschäftsstelle Juliana Ullmann verlesen. TOP 3: Bericht des Präsidenten In einer Schweigeminute wird zunächst der verstorbenen Mitglieder gedacht: Dr. Markus Brüderlin, Benno Carus, Wolfgang K. Fuchs, Dr. Wilfred Geominy, Klaus Hegewisch, Prof. Dr. Werner Hofmann, Prof. Dr. Jens Christian Jensen, Prof. Dr. Johannes Kalter, Prof. Dr. Brigitte Klesse, Dr. Karl Lennartz, Dr. Hans Albert Peters, Renate Pradella, Dr. Hans-Uwe Rump, Dr. Sven Seiler, Bernd Stieghorst. Der Bericht des bisherigen Präsidenten für das Haushalts jahr 2013 liegt der Versammlung schriftlich vor und ist in den Mitteilungen 2014 von ICOM Deutschland abge druckt. Der amtierende Präsident dankt seinem Vorgän ger Dr. Klaus Weschenfelder für seine geleistete Arbeit. Es folgt der chronologische Bericht des Präsidenten, der die Tätigkeiten von ICOM Deutschland in der Zeit von Januar bis September 2014 umfasst. Der vollständige Be richt wird zum Jahresende 2014 fertiggestellt und veröf fentlicht. Die Versammlung gratuliert dem Präsidenten von ICOM, Prof. Dr. Hans-Martin Hinz, zum Verdienstkreuz am Band des Verdienstordens. 22 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 TOP 6: Aussprache Frau Dr. Susanne Anna bittet um ausführlichere Informa tionen zu den geplanten Patenschaften für afrikanische Komitees (siehe TOP 3) und den finanziellen Dimensionen der Förderung. Herr Dr. Michael Henker antwortet, dass sich die zu veranschlagenden Mittel in einem überschau baren Rahmen bewegen. Frau Prof. Dr. Angelika Ruge merkt an, dass es sinnvoll sei, dass das Vorhaben neben der finanziellen Unterstützung eine inhaltliche Basis erhält. Es solle ein Programm ent wickelt werden, das den Austausch mit deutschen Museen und Sammlungen ermögliche. Zudem sollten weitere insti tutionelle Unterstützer in Deutschland gewonnen werden. Herr Prof. Dr. Dr. Markus Walz warnt vor einer Interpre tation als imperialistischer Geste. ICOM würde die ver schiedenen Einkommensniveaus bereits durch unterschied liche Beitragshöhen ausgleichen. ICOM Deutschland würde bereits einen substantiellen Beitrag nach Paris abführen. Es sei Aufgabe des Weltverbandes, dafür zu sorgen, dass sich die afrikanischen Museumskollegen eine Mitglied schaft leisten können. Rückblick Frau Dr. Anette Rein merkt an, dass wirksame Entwick lungshilfe weniger mit finanziellen Leistungen als mit kon kreter praktischer Unterstützung einhergehe, beispielsweise über das Angebot von Praktika in deutschen Museen. Frau Petra Rotthoff verweist auf bereits bei ICOM bestehende Austauschprojekte, die in diesem Rahmen unterstützt wer den können. Herr Dr. Michael Henker verspricht die Er stellung einer Ideenskizze, in die die genannten Anregungen einfließen sollen. Das Papier soll dann zur Abstimmung gestellt werden. Frau Prof. Dr. Angelika Ruge bietet ihre Mitarbeit dabei an, was die Versammlung sehr begrüßt. den nötigen Austausch zur politischen Situation, unter der die Tagung stattfindet, und im Sinne des wichtigen offenen Austauschs unter den Mitgliedern. TOP 7: Entlastung des Vorstands Sankt Petersburg, den 15. September 2014 Herr Dr. Hartwig Lüdtke äußert seinen Dank für die ge leistete Arbeit des Vorstandes sowie die ausdrückliche An erkennung, die aktuelle Tagung unter den bestehenden po litischen Bedingungen stattfinden zu lassen, und beantragt die Entlastung des Vorstandes. Die anwesenden Mitglie der (Vorstand ausgenommen) stimmen dem Antrag per Handzeichen ohne Enthaltungen und Neinstimmen zu. Frau Dr. Susanne Anna bietet ihre Hilfe beim Thema Res titution an, da sie sich im Rahmen einer für 2018 geplanten Ausstellung intensiv mit diesem Thema befasse. Die Mitgliederversammlung wird vom Präsidenten um 18.35 Uhr geschlossen. gez. Katrin Hieke, Protokoll Dr. Michael Henker, Sitzungsleitung TOP 8: Verschiedenes Der Präsident Dr. Michael Henker dankt den anwesenden wie abwesenden Vorstandsmitgliedern und besonders den Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle, Frau Johanna Westphal, Frau Juliana Ullmann und Frau Beate von Törne. Frau Dr. Susanne Anna fragt den Präsidenten nach den inhaltlichen Arbeitsschwerpunkten des Vorstandes für die aktuelle Amtszeit. Herr Dr. Henker benennt die in Aussicht genommene Gründung eines deutschen Natio nalkomitees Blue Shield; die bereits erfolgte Stellungnahme von ICOM Deutschland zur Novellierung des Kulturgü terschutzgesetzes; die Prüfung von möglichen Aktivitäten im Bereich der Provenienzforschung; die Stärkung der Stimme der Museen bei der Umsetzung der PSI-Richtlinie; die Beschäftigung mit Fragen der Restitution; die Vorberei tung des Internationalen Bodensee-Symposiums 2015 in St. Gallen (Schweiz) sowie die Planung der Tagungsaktivi täten 2016. Herr Gregor H. Lersch äußert Kritik an der Verkürzung der Mitgliederversammlung und dem dadurch entstandenen Zeitdruck der Veranstaltung, vor allem im Hinblick auf ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 | 23 Internationale Komitees Kulturgutschutz in Irak und Syrien Im Nahen Osten werden fortwährend archäologische Stätten und Museen geplündert und zerstört, der „Islamische Staat“ betreibt eine neue Kampagne der „kulturellen Säuberung“. So haben auch die zahlreichen Initiativen zum Schutz von Kulturgütern ihre Aktivitäten verstärkt – ein mühsamer Wettlauf gegen die Zeit. Thomas Schuler Am 26. Februar 2015 veröffentlichte die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) via Internet ein fünfminü tiges Propaganda-Video über ihren Bildersturm im Museum in Mossul. Die gezeigten Säle der Dauerausstel lung zu den Funden aus Ninive (assy rische Zeit) und Hatra (griechisch-rö mische Zeit) umfassten jeweils rund dreißig Statuen und Reliefs, davon wa ren neunzig Prozent Originale – sie sind der Vernichtung anheimgefallen. Ferner wurde das Depot mit minde stens zweihundert Objekten geplün dert. Über das Schicksal der Abteilung zur islamischen Geschichte ist derzeit noch nichts bekannt. Zwar sind aus dem Museum in Mossul, dem zweitwichtigsten des Lan des, bereits im Jahr 2003 rund 1.500 kleinere Objekte ins Nationalmuseum nach Bagdad verbracht und somit vor der neuerlichen Zerstörungswut geret tet worden, dennoch ist der jüngst ent standene Schaden nicht wiedergut zumachen. Hinzu kommt, dass die Objekte aus Hatra einzigartig und zu dem wenig erforscht und öffentlich kaum bekannt sind – Funde aus Ninive sind glücklicherweise auch in anderen Museen zugänglich, so z. B. in Bagdad und London. „Kulturelle Säuberungen“ Diese neue Attacke auf ein Museum ist wohl nur die propagandistische Spitze einer gezielten IS-Kampagne ge gen prä-islamische Kultur und „unislamische“ Bildung, denn im Nord irak häuften sich innerhalb weniger Wochen derartige Aktivitäten, die die UNESCO als „kulturelle Säuberun gen“ bezeichnet. So wurde in Mossul trotz Einspruchs der lokalen Autoritä ten die öffentliche Bibliothek in Brand gesteckt, sechshundert alte Manuskrip te und Bücher gingen dadurch unwie derbringlich verloren, das Theater der Universität wurde niedergebrannt, die Kirche der Jungfrau Maria und das Kloster St. Georg der chaldäisch-ka tholischen Kirche wurden zerstört. Auch an vier bedeutenden Ausgra bungsstätten im Umkreis von Mossul ist enormer Schaden entstanden: In dem Propaganda-Video war zu sehen, dass in Ninive – einst Zentrum des Assyrischen Reichs – die Schutzgöt ter-Reliefs des Nergal-Tors beschädigt sind. Anfang März 2015 wurde dann der Palast beschädigt. Am 5. März wurden die Ruinen von Nimrud, der zweiten Hauptstadt Assyriens, atta ckiert, ebenso die Königsresidenz 24 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 Dur Scharrukin im zwölf Kilometer nördlich gelegenen Chorsabad – einer zeitweiligen Hauptstadt Assyriens. In der 110 Kilometer südlich gelegenen Weltkulturerbe-Stätte Hatra wurden ab dem 5. März Abtransporte von Kul turgut beobachtet, gefolgt von Spren gungen zwei Tage später. Zum Ausmaß dieser Schäden gibt es bisher widersprüchliche Angaben aus dem Irak. Jedoch ließ die Auswer tung der neuesten Satellitenaufnah men, die von UNOSat zusammen mit dem UNESCO World Heritage Centre erstellt werden, keine offenkundigen Zerstörungen an Ausgrabungsstätten erkennen. Religion dient als Vorwand Es ist sehr schwierig, bereits wenige Wochen nach den Ereignissen zu einer fundierten Einschätzung zu kommen, aber vier Ziele des Videos scheinen of fenkundig: (1) Im Video selbst wird das religiöse Motiv betont – die vom Propheten befohlene Zerstörung so genannter Götzenstatuen. Dieses Ge bot Mohammeds wird jedoch im Islam mehrheitlich nur auf aktuell verehrte Statuen bezogen – den radikalen Sun niten geht das aber wohl nicht weit Tagesthemen 26.2.2015 INTERNATIONALE KOMITEES In einem Propaganda-Video dokumentieren Anhänger des „Islamischen Staates“, wie sie im Museum von Mossul mit schwerem Gerät zahlreiche assyrische Statuen zerstören. genug. (2) Das Video dient, wie andere IS-Spots auch, Propagandazwecken. Es will das Image des selbsternannten Kalifen als des Verfechters eines reinen Islams stärken und damit Anhänger gewinnen. (3) Es soll die internationale Gemeinschaft provozieren: Ein An griff auf den „geschützten Raum Mu seum“ bricht ein Tabu. – In Timbuktu (Mali) haben Islamisten im Jahr 2012 schon einmal erfolgreich erprobt, wel che öffentliche Resonanz ihnen ein An griff auf Welterbstätten bringt. (4) Die Zerstörung prä-islamischer Kunst werke soll zugleich ein Angriff auf die gemeinsame kulturelle Basis der ver schiedenen Bevölkerungsgruppen des Irak sein. Wir sollten uns aber bewusst sein, dass der IS die demonstrativen Zer störungen auch dazu nutzt, unsere Aufmerksamkeit von fortwährenden Plünderungen und illegalem Handel abzulenken. Manche Experten be haupten seit langem, dass der IS nur jene Kunstwerke in spektakulären Ak tionen vernichtet, die nicht transpor tiert und zu Geld gemacht werden kön nen. Bereits ISIS hatte in Syrien das ebenso einträgliche wie alltägliche Ge schäft des illegalen Handels mit Kunst schätzen in großem Stil aufgezogen und dabei die traditionelle lokale Pra xis von Raubgrabungen wie auch be stehende internationale Schmuggel routen und Hehler-Netzwerke genutzt. Es heißt, dass der IS die „Grabungsli zenzen“ an örtliche Subunternehmer vergebe und einen Teil des Ertrags als „Steuer“ einbehalte. Welchen Umfang jedoch die so erzielten Einkünfte ha ben und welche Bedeutung ihnen für die Finanzierung des IS zukommt, ist bisher strittig. Für eine Interpretation der öffentli chen Vernichtungsakte als Ablenkungs strategie spricht ferner, dass z. B. die Plünderung des Mossuler Museums depots im Video nicht gezeigt wurde. Auch im Fall von Hatra gingen Plün derung und Zerstörung Hand in Hand. Vorgehen mit System? Die erste publikumswirksame Zer störung einer assyrischen Statue in szenierte ISIS im Jahr 2013 in Ostsy rien. Aufgrund dieser Erfahrung waren wir im Jahr 2014, als der IS die Stadt Mossul überfiel, auch in großer Sorge um das Museum, zumal wir wussten, dass unmittelbar nach der Machtüber nahme die Schlüssel zum Museum und zu den Depots ausgehändigt werden mussten und der IS regelmäßige Kon trollen durchführte. Wieso aber nahm die Vernichtung ein solches Ausmaß an und fand ge rade jetzt statt? Auf diese Frage kön nen die Experten noch keine schlüs sige Antwort geben. Widersprüchliche Spekulationen kursieren: Die einen sehen darin ein Zeichen dafür, dass sich die IS-Führung inzwischen stark genug fühlt, um auf die Interessen und Gefühle der einheimischen Bevölke rung keine Rücksicht mehr nehmen zu müssen. Die anderen argumentieren entgegengesetzt: Die Vernichtungs aktion sei Teil einer Verbrannten-Er de-Strategie. Denn da sich ein Angriff der irakischen Armee und schiitischer Milizen auf Tikrit und danach Mos sul abzeichne, wolle man dem Feind keine intakte Infrastruktur überlas sen, die dieser später nutzen könne – ob zur Bildung, zur Stärkung von Iden tität oder für den Tourismus. Internationale Initiativen zur Rettung von Kulturgut Die Zerstörungswut des IS und die Situation im Nahen Osten insgesamt haben ICOM und die Disaster Relief Task Force (DRTF) sehr gefordert. Glücklicherweise können wir auf ein breites Netzwerk zurückgreifen. So kennt sich die neue DRTF-Präsidentin, Cori Wegener, im Irak gut aus und ver fügt über exzellente Kontakte, denn sie war in Bagdad bereits als amerika nischer Kulturgutschutzoffizier tätig. Durch ihre jetzige Stellung als Kultur gutschutz-Verantwortliche im Smith sonian Institute in Washington wirkt sie zudem bei aktuellen US-Hilfspro grammen mit. Eine weitere Schlüssel person ist France Desmarais, sie führt die Geschäfte der DRTF und engagiert sich im ICOM-Sekretariat für den Kampf gegen illegalen Handel mit An tiken. In den vergangenen Jahren sind viel fältige und kultursparten-übergreifen de Initiativen zu Syrien entstanden, so dass unsere Aufgabe vor allem darin besteht, die zahlreichen Akteure zu vernetzen. Dies ist aufgrund neuer Ini tiativen inzwischen sehr komplex ge worden. Ferner haben UNESCO und ICOM die jüngsten Zerstörungen von Kulturgut durch offizielle Statements entschieden verurteilt. Wir erliegen aber nicht der Illusion, dadurch die Adressaten, denen es um religiösen Fa natismus, Terror und Propaganda geht, von ihren Plänen abzubringen. ICOM pflegt eine gute Zusammen arbeit mit Interpol und nationalen Si cherheitsbehörden. Mit der Plattform „Observatory on Illicit Traffic“ sowie mit der Herausgabe der roten Listen zu Irak und Syrien unterstützen wir die Sicherheitsbehörden, um illegalen ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 | 25 INTERNATIONALE KOMITEES Handel mit Kulturgütern einzudäm men sowie gestohlene Werke aufzufin den. Eine revidierte Fassung der roten Liste zu Irak ist in Arbeit. Kürzlich startete unter Leitung des Vorderasiatischen Museums der Staat lichen Museen zu Berlin das Projekt „Illicid“. Es erforscht das Dunkelfeld des illegalen Handels in Deutschland und wird Fahndern mittels einer Da tenbank künftig Informationen und Fakten aus verdächtigen Auktionen zur Verfügung stellen. Eine weitere Reaktion der interna tionalen Fachwelt ist die intensivere Erfassung der Sammlungen, archäo logischen Stätten und Monumente. Als Beispiele seien genannt das Projekt „Endangered Archaeology“ der Uni versitäten Oxford und Leicester (Nord afrika und Nahost) und „Syrian He ritage“, ein vom Auswärtigen Amt bezahltes Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Archäologischen Instituts und des Islamischen Museums in Ber lin. Es baut aufgrund von Archivfotos und aktuellen Aufnahmen eine welt weit einzigartige digitale Datenbank syrischer Kulturgüter auf, die auf der technischen Grundlage von Google Maps auch die jüngsten Zerstörungen sichtbar werden lässt. Ein neuestes Beispiel für internatio nale Initiativen ist das „Projekt Mos sul“, das mittels Crowdsourcing eine ebenso adäquate wie innovative Ant wort auf die Zerstörungen im Muse um von Mossul geben will: Fotos der Ausstellungssäle von ehemaligen Be suchern sollen online gesammelt und danach photogrammetrisch bearbei tet werden; die zerstörten Skulpturen können dann virtuell rekonstruiert und auf einer eigenen Website präsentiert werden. – Eine vergleichbare InternetInitiative ist erstmals nach dem Ein sturz des Stadtarchivs in Köln ent standen und sie hat großes Echo gefunden. Initiativen vor Ort Am 28. Februar 2015 wurde in Bag dad das Nationalmuseum wiederer öffnet. Damit haben die staatlichen Behörden und die irakischen Muse umskollegen ein äußerst mutiges Zei chen gegen die Zerstörungen in Mos sul gesetzt. In den internationalen Medien ging diese – sogar vorzeitige – Wiedereröffnung völlig unter, da nur die Terrornachrichten aus dem Nord irak berichtenswert schienen. Ferner geht es um die Vernetzung von Mitstreitern vor Ort. So werden etwa am Irakischen Institut für Kon servierung in Erbil derzeit Fortbil dungen im Bereich Notfallhilfe ange boten, die sich an kurdische und an die aus Mossul geflohenen Museumsleute sowie an engagierte Freiwillige richten. In ihnen lernen die Teilnehmer z. B. das Fotografieren von Monumenten im IS-Gebiet mit Smartphone bei einge schaltetem GPS. – Unter schwierigsten Bedingungen sind schon simple Tech niken äußerst wertvoll. Auch in Syrien setzt man auf die enge Zusammenarbeit mit lokalen Kräften. Neben der Antikenverwal tung leisten syrische Freiwillige Er staunliches, z. B. versuchen sie, in den umkämpften Gebieten das Verbliebe ne zu retten oder das noch Vorhandene zu schützen und zu verbergen. Genannt sei hier eine große inoffizielle Gruppe um Amr al-Azm („The Monuments Men“); sie wird vom „Safeguarding the Heritage of Syria and Iraq Project“, einem Verbund des Smithsonian Insti tute mit mehreren anderen US-Part nern, unterstützt. Vorläufig kann von der erfolgreichen Sicherung des stark beschädigten Ma’arra-Mosaiken-Mu seums öffentlich berichtet werden. Zu erwähnen ist auch das auf Vernetzung der Kulturgutschutz-Aktivitäten für Syrien zielende Projekt „Heritage for Peace“ von Isber Sabrine und René Teijgeler oder auch die Shirin-Initiative von Marc Lebeau (Syrian Heritage in Danger). Weitere Anstrengungen sind nötig Alle internationalen Aktivitäten und Bemühungen vor Ort reichten bisher nicht aus, um die spektakulären Zer störungsorgien und den illegalen Han del mit Raubgut zu unterbinden – die Allianz gegen die „kulturellen Säube rungen“ muss ihre Kräfte bündeln und neue mobilisieren. Der Ruf nach Äch tung der Vernichtungsaktionen als Kriegsverbrechen ist ehrenwert, läuft aber ins Leere, denn die Haager Kon vention, wie auch die aktuelle UNOResolution 2199, bietet bereits eine gute Handhabe gegen die Zerstörung von Kulturgut – doch derartige inter nationale Vereinbarungen werden vom IS ignoriert. 26 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 Die jüngste Forderung des italie nischen Kulturministers Dario Franceschini nach einer neuen UNOTruppe – sogenannte Kultur-Blau helme als schnelle Eingreiftruppe für den Schutz von Monumenten und ar chäologischen Stätten – bietet zwar eine interessante Perspektive; es ist aber schwer vorstellbar, wie diese etwa im Nordirak agieren soll. Es wäre immerhin ein Fortschritt, wenn der Schutz von Kulturgütern zum festen Bestandteil von UN-Friedensmissio nen würde. Wichtig ist vor allem, sich trotz sei ner spektakulären Aktionen nicht auf den IS zu fixieren. Auch im regierungs treuen Syrien und in Ägypten haben Raubgrabungen ein katastrophales Ausmaß angenommen. Dass in SaudiArabien die Wahhabiten eine Vielzahl der alten Pilgerstätten in Mekka und Medina aus denselben religiösen Grün den dem Erdboden gleichmachen, wird außerhalb der islamischen Welt kaum wahrgenommen. Ebenfalls sind die su fischen Gedenkstätten immer stärker in Gefahr; erst kürzlich wurde wieder eine in Tripolis zerstört. Wer die Konflikte im Nahen Osten begreifen will, darf nicht nur poli tische Ursachen (französisch-britische Grenzziehung, amerikanische Irak kriege) oder soziale und ökonomische Strukturen berücksichtigen, sondern muss ganz wesentlich den unterschied lichen religiösen Richtungen im Islam nachspüren. Wir würden zu kurz grei fen, wenn wir im Bildersturm in Mos sul und Umgebung lediglich eine Fa cette des IS-Terrors sähen, denn die Vernichtung von prä-islamischen Ar tefakten ist nach der Meinung vieler strenger oder radikaler Sunniten (Wahhabiten, Salafisten) mindestens akzeptabel, wenn nicht legitim oder gar religiöse Pflicht. So wurden etwa im Jahr 2013 auf den Malediven bei einem Angriff auf das Nationalmuse um ausschließlich prä-islamische Aus stellungsstücke zerstört. Es muss also darum gehen, Verbün dete für den Schutz der Museen und Kunstwerke in der islamischen Welt zu gewinnen, und da ist die am 6. März von der in der sunnitischen Welt sehr angesehenen Al-Azhar-Universität in Kairo ausgesprochenen Fatwa zum Schutz von antiken Kunstwerken ein wichtiger Schritt. Antike Statuen seien nicht – wie vom IS behauptet – „Göt Foto: Staff Sgt. JoAnn Makinano INTERNATIONALE KOMITEES Ruinen von Hatra im Jahr 2008. Im Februar 2015 wurden sie durch den IS stark beschädigt. zenbilder und Idole“, sondern von glo baler kultureller und historischer Be deutung und Teil unseres kollektiven Erbes; deshalb würden die Zerstö rungsaktionen des IS als Verbrechen gegen die Menschheit gewertet. Im Irak kommt es auch im Kultur bereich weiterhin darauf an, die staat lichen Zentralbehörden zu stärken und trotz der schwierigen politischen Be dingungen den Kulturgutschutz vor anzubringen. Aber auch viele Einzelne können mitwirken, denn es ist wichtig, die früheren internationalen Fachkon takte ebenso in Kriegszeiten zu pflegen und den Betroffenen in Krisengebie ten die internationale Solidarität zu vermitteln. Das Wichtigste ist jedoch, dort zu handeln, wo wir etwas direkt verän dern können. Die Kollegen im Nahen Osten erwarten von uns vor allem eines: Alles zu tun, um auf der Abneh merseite den illegalen Kunsthandel zu erschweren, zu stigmatisieren und auszutrocknen. Wir haben jedoch gerade in Deutsch land bei der Legislative wie bei der Exekutive einen gewaltigen Nachhol bedarf. Die Bundesrepublik hat eine der laxesten Regelungen beim Import und Erwerb von Kunst und Antiqui täten, und es bedurfte erst der UNOResolution 2199 sowie einer strenge ren EU-Richtlinie, um hierzulande eine adäquate Gesetzgebung auf den Weg zu bringen, die Novellierung ist im Gesetzgebungsverfahren. Sie sieht u. a. schärfere Einfuhrkontrollen und vor allem eine Zertifizierungspflicht aus dem Ursprungsland vor. So wird hoffentlich bald Vergangenheit, was Silvelie Karfeld vom Bundeskriminal amt sarkastisch formuliert hat: „Nach dem deutschen Recht wird ein norma les Hühnerei besser geschützt und bes ser deklariert als die wertvollste An tike.“ – Dann kommt man aber auch nicht umhin, im Bundeskriminalamt die entsprechende Abteilung endlich personell aufzustocken. Die jetzigen 1,75 Planstellen sind jedenfalls im in ternationalen Vergleich äußert be scheiden – Italien hat z. B. eine eige ne, sehr gerühmte Spezialeinheit der Carabinieri mit hunderten von Mit arbeitern. Dr. Thomas Schuler ist Mitglied und war bis 2014 Präsident der Disaster Relief Task Force von ICOM. Im Rahmen von Hilfsmissionen zum Schutz von Kulturgütern engagiert er sich in zahlreichen Krisenregionen der Welt; [email protected]. Weitere Informationen: Berichte zu Einsätzen und Vorgängen in Irak und Syrien finden sich auf der FacebookSeite der Disaster Relief Task Force von ICOM. ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 | 27 Tagungsberichte der internationalen Komitees Die inhaltliche Arbeit von ICOM findet wesentlich in den international organisierten Komitees statt. Sie widmen sich den Bedürfnissen und Aufgabenstellungen eines bestimmten Museumstyps oder einer museumsverwandten Disziplin. Derzeit gibt es 30 internationale Komitees, die durch einen Präsidenten, einen Sekretär und einen Vor stand vertreten sind. Der Weltverband wünscht sich eine stärkere Beteiligung deutscher ICOM-Mitglieder in den internationalen Komitees. Auch ICOM Deutschland begrüßt Ihr Engagement sehr. Damit die Professionalität von ICOM Deutschland gerade in internationalen Fragen gesichert ist, sollte jedes Mitglied von ICOM Deutsch land auch Mitglied eines internationalen Komitees sein. Weitere Informationen finden Sie unter www.icom.museum oder www.icom-deutschland.de. 28 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 Foto: Gerhard Winter INTERNATIONALE KOMITEES INTERNATIONALE KOMITEES CIDOC – International Committee for Documentation Access and Understanding – Networking in the Digital Era Jahrestagung vom 6. bis 11. September 2014 in Dresden Axel Ermert, Monika Hagedorn-Saupe, Martina Krug, Regina Smolnik Nach 17 Jahren fand erstmals eine CIDOC-Jahrestagung wieder in Deutschland statt, ausgerichtet vom Landesamt für Archäologie, Sachsen, zusammen mit dem Institut für Museumsforschung, Berlin. Weitere Partner waren die Lan deshauptstadt Dresden, die Museen der Stadt Dresden, die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, das Militärhisto rische Museum der Bundeswehr in Dresden, das Stadtge schichtliche Museum Leipzig, die Görlitzer Sammlungen – Kulturhistorisches Museum, das Senckenberg-Museum für Naturkunde in Görlitz, das Hans-Körnig-Museum in Dres den und das Staatliche Museum für Archäologie in Chem nitz. Zentrale Veranstaltungsorte waren in der Dresdner Neustadt die Dreikönigskirche, das Kulturrathaus und das Japanische Palais. Die Tagung wurde gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und durch ICOM Deutschland. Besonders hervorzuheben sind die von der Getty Foundation, ICOM Europe und dem Sächsischen Museumsbund ausgereichten Teilnahmestipen dien. Ebenfalls eine Besonderheit stellte die starke, allein aus sechs Mitgliedern bestehende Delegation der Getty Foundation (Los Angeles) dar, durch die auch in dieser Form die Unterstützung für CIDOC und die besondere Bedeu tung verschiedener Themenblöcke ausgedrückt wurde, die diesen von dort beigemessen wird. Besonders gilt dies na türlich für die Arbeit an den Getty-Thesauri, die auf der Tagung umfangreich zur Sprache kam. Die Konferenz begann mit einer Reihe von Workshops, unter anderem „Train the Trainers“ für Lehrende der Muse umsdokumentation und unter Einschluss des von CIDOC hierfür entwickelten Trainingsprogramms; Einführung in das CIDOC CRM Conceptual Reference Model; Data Harvesting und Datenaustausch für Museumsobjektdaten (Format LIDO). Anschließend wurden in parallelen Sessions insgesamt zwölf Themenblöcke mit 120 Vorträgen abge deckt: Dokumentationsstrategien und Dokumentations richtlinien, Verfahren in der Museumsdokumentation, Mu seumsdokumentation als Beruf, Vernetzung – Netzwerken, Metadaten, Terminologie, digitale Langzeitbewahrung, Im materielles Kulturerbe, GIS-Anwendungen in der Denkmal pflege, Digitale Dokumentation in den Archäologien, Zu gang zum kulturellen Erbe, und 3D-Dokumentation von kulturellem Erbe. In Dresden wurde schließlich auch eine neue CIDOC-Arbeitsgruppe „Immaterielles Kulturerbe“ gegründet. Bestimmte inhaltliche Schwerpunkte setzten drei beson dere special sessions. In ihnen ging es zum einen um den Stand und Ausbau des britischen Museumsdokumentati onsstandards SPECTRUM, der online frei verfügbar ist und bereits in mehreren nationalen Übersetzungen vor liegt – in deutscher Sprache sowohl online als auch als kos tenlose Druckversion beim Institut für Museumsforschung erhältlich. Gegenwärtig auf dem Arbeitsprogramm steht die Entwicklung des internationalen Standards SPECTRUM International, auch SPECTRUM-I genannt, und die Erstel lung weiterer nationaler Fassungen (Portugiesisch, skandi navische Sprachen). Ein zweiter Schwerpunkt war die Terminologie der Ob jekte in der Museumsdokumentation und dabei besonders die am Wochenende vor den Haupttagungstagen durchge führte special session „The Getty Vocabularies and Linked Open Data“. Hier trafen sich die Übersetzungsbetreuer des Art and Architecture Thesaurus (AAT) für die Sprachen Spanisch, Niederländisch, Chinesisch Taiwan und Deutsch zum aktuellen Stand. Besondere Bedeutung hat die jüngst erfolgte Freigabe der Getty-Thesauri (AAT, TGN zu geo graphischen Namen, ULAN zu Künstlernamen) als Linked Open Data, die von allen weiteren Anwendungen z. B. in Museen, Dokumentationsringen usw. frei verarbeitbar sind. In Deutschland wurden von 2012 bis 2014 am Institut für Museumsforschung die Übersetzung der rund 17.000 Ein träge des AAT zu (materiellen) Objekten wie Möbel, Tisch geschirr, Verkehrseinrichtungen usw. und die Einrichtung der deutschen Webseite hierzu realisiert. Einen dritten Schwerpunkt bildete die 3D-Dokumenta tion, insbesondere auch in ihrer Anwendung in der Archäo logie, mit etlichen Beiträgen aus dem Sächsischen Landes amt. Diese drei Schwerpunkte waren auch Gegenstand der drei Hauptvorträge von Murtha Baca, Getty Research In stitute, zur Bedeutung des Datenaustausches und der Ter minologie, von Günther Schauerte, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, mit einem Überblick über digitale Archäolo gie im Web und von Tanya Szraiber, British Museum Lon don, zu den grundlegenden Funktionen der Museumsdo kumentation, die dringlicher denn je sind. Am Abschlusstag konnten wir an Exkursionen nach Gör litz, Leipzig und Chemnitz teilnehmen. Die CIDOC-Jah restagung 2014 zählt mit über 290 Teilnehmern aus fast fünfzig Ländern zu den erfolgreichsten CIDOC-Tagungen. Neben den europäischen Ländern waren z. B. Indien eben so vertreten wie Taiwan, die USA, verschiedene südameri kanische und afrikanische Länder. Axel Ermert, Institut für Museumsforschung, Berlin; [email protected]. Professor Monika Hagedorn-Saupe, Institut für Museumsforschung, Berlin; [email protected]. Martina Krug, Mitglied im Vorstand von CIDOC, Städtisches Museum Hann. Münden; [email protected]. Dr. Regina Smolnik, Landesamt für Archäologie, Sachsen, [email protected]. Weitere Informationen: Eine Tagungspublikation ist in Planung. Die Jahrestagung 2015 findet im September in Neu Delhi statt. Titel: Documenting Diversity – Collections, Catalogues and Context ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 | 29 INTERNATIONALE KOMITEES CIPEG – International Committee for Egyptology Archaeological Sources and Resources in the Context of Museums Foto: Hasse Ferrold Jahrestagung vom 26. bis 29. August 2014 in Kopenhagen, Dänemark Gabriele Pieke Die Jahrestagung 2014 bot mit einem dicht gedrängten Programm eingehend Gelegenheit, sich über die vielfälti gen Aspekte von archäologischen Objekten, den Umgang mit Sammlungsbeständen aus Grabungskontexten sowie zu aktuellen Feldforschungsprojekten auszutauschen. Zahlreiche ägyptische Sammlungen verfügen neben Stücken aus alten, historischen Beständen auch über eine große Anzahl an Artefakten, die vor allem im 20. Jahrhundert im Rahmen von offiziellen Fundteilungen nach Europa und in die USA gekommen sind. Auf legalen und vertraglich fest gelegten Wegen haben diese Stücke mit Genehmigung der Antikenbehörden in Ägypten und dem Sudan ihren Weg in zahlreiche Museen gefunden und bilden oft den Grund stock der Sammlungen. Viele dieser Häuser knüpfen zudem durch aktuelle Feldforschungen an ihre vorhandenen Be stände an und versuchen, den Forschungsstand zu wichti gen Inventarbeständen zu verbessern. Gleichzeitig bieten Objekte, die aus gesicherten Grabungskontexten stammen, auch für den Besucher einen sehr interessanten Zugang und können sowohl auf ausstellungsdidaktischer sowie szeno graphischer Ebene besonders lebendig aufbereitet werden. Über diese und andere Fragestellungen diskutierten die 62 Teilnehmer der Museen und Sammlungen aus 19 ver schiedenen Ländern in der Ny Carlsberg Glyptotek und der Royal Danish Academy of Science in Kopenhagen. Schon der einleitende Hauptvortrag von Professor Kim Ryholt bot einen spannenden Einblick in den Umgang und die Erforschung einer besonderen Materialgruppe, den ägyptischen Papyri. In seinem Vortrag über die Carlsberg Papyri Collection, für die er als wissenschaftlicher Leiter verantwortlich ist, gab er einen umfangreichen Überblick zu Fundkontexten und komplexen Herausforderungen der Erforschung von zum Teil verkohlten und sehr fragmenta risch erhaltenen Texten. Zudem wurde im open forum der Tagung auch über klassische Sammlungsthemen wie lau fende Ausstellungs- und Forschungsvorhaben sowie Onlineund Datenbankprojekte berichtet. Mit ausgesprochen großer Spannung wurde vor allem eine Forumsdiskussion erwartet, die einer der Kuratoren des noch im Bau befindlichen Grand Egyptian Museum in Kairo initiiert hatte und von drei ägyptischen Museums kollegen moderiert wurde. Zunächst wurde in einer einlei tenden Präsentation über den Stand der Dinge der drei großen Museumsprojekte in Kairo, namentlich dem altein gesessenen Nationalmuseum, dem Grand Egyptian Muse um sowie dem Museum for Egyptian Civilization, berich tet. Insbesondere das 1902 eröffnete Nationalmuseum am Tahir-Platz, das herausragende Sammlungsbestände, un ter anderem die Funde aus dem Grab des Tutanchamun, und insgesamt die weltweit größte Sammlung ägyptischer 30 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 Abendempfang bei der ägyptischen Botschafterin in Kopenhagen Altertümer beherbergt, ist derzeit großen Herausforde rungen und Umbrüchen unterworfen. In einer regen Dis kussion wurden auch sensible Themen wie die bisher noch fehlenden Alleinstellungsmerkmale beziehungsweise die konzeptionellen Herausforderungen einer inhaltlichen Ab grenzung der drei Häuser angesprochen und abschließend um aktive Mithilfe von CIPEG als Beratungsgremium ge beten. Besondere Höhepunkte innerhalb des dicht gedrängten Tagungsprogramms waren die Besuche der drei hochka rätig bestückten Sammlungen von Kopenhagen, der Ny Carlsberg Glyptotek, des Thorvaldsens Museums sowie des Nationalmuseums. Hier bot sich wie immer Anlass zu vielen spannenden Fachdiskussionen über einzelne Objekte und Fundkomplexe. An einem Abend hatte zudem die ägyptische Botschafterin zu einem Empfang in ihrer Resi denz eingeladen. Dies gab den Tagungsteilnehmern Gele genheit, sich über die aktuellen politischen Veränderungen und die derzeitige Situation in Ägypten auszutauschen. Ein Blick über den Tellerrand und die Beschäftigung mit dä nischer Geschichte lieferte ein ganztägiger Ausflug nach Roskilde, bei dem neben dem berühmten Dom vor allem das renommierte Wikingermuseum besucht wurde. Die CIPEG-Jahrestagung bot auch im Jahr 2014 ein rei ches Diskussionsforum mit vielfältigen Gelegenheiten, sich mit internationalen Fachkollegen über Probleme und He rausforderungen auszutauschen, denen sich zahlreiche Mu seen derzeit ausgesetzt sehen. Dr. Gabriele Pieke ist als wissenschaftliche Sammlungsleiterin der Abteilung Ägypten bei den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim tätig. Seit 2011 ist sie Mitglied im Vorstand von ICOM Deutschland, seit 2013 Präsidentin von CIPEG; [email protected]. Weitere Informationen: Rückblick auf Programm und live tweets 2014: http://cipeg.icom.museum Die Jahrestagung 2015 findet vom 1. bis 4. September in München statt; Titel: From Historism to the Multimedia Age. Content – Concept – Design of Egyptian Museums and Collections INTERNATIONALE KOMITEES Collecting and Collections in Times of War or Political and Social Change Jahrestagung vom 3. bis 6. Dezember 2014 in Celje, Slowenien Léontine Meijer-van Mensch, Elisabeth Tietmeyer Die Aufgabe von COMCOL besteht darin, sammlungsbe zogene Diskussionen zu vertiefen und Wissen über die Praxis, Theorie und Ethik des Sammelns sowie über mate rielle als auch immaterielle Sammlungen auszutauschen. Wir wollen eine Plattform für den fachlichen Meinungsund Erfahrungsaustausch im Bereich Sammeln bzw. Samm lungsentwicklung – im weitesten Sinne – bieten. Auf der Tagung stand das Thema der gesellschaftlichen und politischen Umbrüche im Zentrum. Referentinnen und Referenten aus Asien, Amerika und Europa waren nach Celje gekommen und brachten in ihren Vorträgen ihre Kenntnisse und Erfahrungen ein. Unter ihnen bildeten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Slowenien, Kroatien und Serbien die Mehrzahl, was sicher zunächst am Ta gungsort und der Zusammenarbeit mit ICOM Slowenien, dann aber vor allem auch an der Thematik lag. Aufgrund der noch spürbaren schwierigen Vergangenheit Südosteuropas waren die inhaltlichen Beiträge und an schließenden Diskussionen stets lebendig und sehr berei chernd. Wie geht man als Museum zum Beispiel mit den vielen Geschenken um, die der damalige Präsident von Ju goslawien Tito erhielt – keine einfache museologische Frage. Über das Tagungsthema lernten wir auch andere Museen auf der Welt kennen. Für uns beide war die Darstellung des Museum of Sexual Slavery by Japanese Military in Korea sehr eindrucksvoll und bewegend. Die Thematik des Mu seums möchte COMCOL gern im Herbst 2015 auf sei ner Jahrestagung in diesem Land weiter erörtern. In ihrem interessanten Beitrag stellte Nina Gorgus die Sammlung zum Ersten Weltkrieg des Historischen Museums in Frank furt am Main dar und beschrieb, wie diese als „Zeitkap sel“ Jahrzehnte überdauerte und welche Bedeutung sie wieder erlangt hat. Abends boten wir als Organisatoren ein lebendiges Kul turprogramm: In einem lokalen Kino zeigte und erläuterte der slowenische Filmemacher Andrej Zdarvič Ausschnitte aus seinem Film „Riverglass“. Nach einem freundlichen Empfang des Bürgermeisters von Celje stellten Studentinnen und Studenten der Museologie aus Ljubljana und Amster dam ihre Projekte vor – besonders diese Beiträge trugen zu einer lebendigen Atmosphäre auf der Tagung bei. Wie bei allen ICOM-Tagungen, so gab es auch bei uns Exkursionen, die uns unter anderem in das Kulturzentrum für europäische Raumfahrttechnologien (KSEVT) nach Vitanje führten. In diesem Dorf wurde ein Museum in der Art eines Stanley-Kubrick-Raumschiffs gebaut, mit dem in einer Ausstellung an den slowenischen Militäringenieur und Raumfahrttheoretiker Herman Potočnik erinnert wird. In einer weiteren Exkursion lernten wir Museen in der Haupt stadt Ljubljana kennen. Mitorganisator und Gastgeber war das Museum of Recent History in Celje. Das Haus wurde 1963 als Museum of Revolution gegründet und beschäftigt sich jetzt mit der jüngeren Geschichte der Stadt. Die jetzige Dauerausstellung blickt auf die Geschichte der Stadt seit 1900. Die Glanz stücke des Museums sind sicherlich das Kindermuseum und das in situ gebliebene Fotoatelier von Jossip Pelikan. Das Museum war als Ort für die Thematik der Konferenz also bestens geeignet. Als wunderbaren Abschluss gab es eine Performance der beiden Musiker Goran Bojčevkski und Stane Špegel. Eine wunderschöne und beeindruckende Verbindung zwischen Klassik, House und Videokunst. Wir danken dem Team des Museum of Recent History in Celje und vor allem dessen Direktorin Tanja Roženbergar. Léontine Meijer-van Mensch ist stellvertretende Direktorin des Museums Europäischer Kulturen – Staatliche Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz und Vorsitzende von COMCOL; l.meijer-van [email protected]. Professor Dr. Elisabeth Tietmeyer ist Direktorin des Museums Europäischer Kulturen – Staatliche Museen zu Berlin – Stiftung Preußi scher Kulturbesitz und stellvertretende Vorsitzende von COMCOL; [email protected]. Weitere Informationen: Die Jahrestagung 2015 findet vom 26. bis 31. Oktober 2015 in Seoul, Korea, statt. Titel: Collecting and Collections – The Politics and Praxis of Social, Economic and Intellectual Sustainability Foto: flickr.com, Luka Hvalc COMCOL – International Committee for Collecting Kulturzentrum für europäische Raumfahrttechnologien, Vitanje: Die Architektur ist einer Raumstation nachempfunden, die Herman Potočnik 1929 in seinem Buch Das Problem der Befahrung des Weltraums – der Raketen-Motor beschrieben hat. ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 | 31 INTERNATIONALE KOMITEES Rumänien – traditionelle Glasikonen und modernes Glas Jahrestagung vom 4. bis 10. Oktober 2014 in Craiova, Rumänien Sven Hauschke Das ICOM-Glass-Komitee traf sich 2014 zu seiner jähr lichen Zusammenkunft in Rumänien. Die großzügig vom Kreis Dolj und ICOM Romania geförderte Fahrt, an der zwanzig Komitee-Mitglieder aus Europa und Amerika teil nahmen, wurde organisiert und durchgeführt vom Oltenia Museum Craiova, insbesondere von unserem Mitglied Simone Gheorghe, Restauratorin am dortigen Museum. Thematischer Schwerpunkt waren die landestypischen Glas ikonen und modernes Glas sowie der Besuch mehrerer Sonderausstellungen und neu eingerichteter Museen und Depoträume. Eindrucksvoll waren beispielsweise die Depots für Ke ramik, Glas und Textilien mit neuen Kompaktanlagen und ausgeklügelter Standortverwaltung im Nationalmuseum der Rumänischen Bauern in Bukarest (Muzeul Nat˛ional al T˛ăranului Român), die uns in einer detailreichen Führung vorgestellt wurden. Das Oltenia Museum Craiova hatte eigens für die ICOMGlass-Tagung drei Ausstellungen organisiert, die zur Er öffnung der Tagung im Beisein von Presse und Fernsehen feierlich eröffnet wurden. Jede Ausstellung erhielt einen ei genen Katalog, der mit dem ICOM-Logo versehen war. Mit Leihgaben mehrerer Museen wurden eine Auswahl an Glasikonen des 18. bis frühen 20. Jahrhunderts präsentiert, eine Ausstellung zu rumänischem Formglas des gleichen Zeit raums sowie eine Ausstellung zu modernem Glas in Rumä nien mit zahlreichen Objekten und Skulpturen. Zur Eröff nung waren eigens zahlreiche der ausstellenden Künstler angereist, so dass Gelegenheit zum Gespräch und inten siven fachlichen Austausch bestand. Einige der rumäni schen Künstler wie Edward Leibovitz und Matei Negreanu leben seit Jahrzehnten in Belgien und Frankreich oder ha ben wie Mihai T˛opescu, dessen Werkstatt in Targu-Jiu wir ebenfalls besuchten, langjährige Kontakte in Westeuropa. So konnten einige der ICOM-Glass-Mitglieder nicht nur viele neue Künstler kennenlernen, sondern auch alte Be kannte treffen. Eindrucksvoll waren die Qualität und der Anspruch der ausgestellten Werke. Darunter befanden sich auch Objekte junger Absolventen der Universitatea de Artă s˛i Design in Cluj-Napoca und ihres Professors Valeriu Emenescu sowie von Professor Lucian Butucariu, Direk tor der Glas-und-Keramik-Klasse an der Kunstakademie in Bukarest, der uns am letzten Tag durch sein Institut führte und eine eindrucksvolle Demonstration am Glasofen bot. Auch im Bereich der modernen Kunst offenbart Rumänien eine große Aufbruchsstimmung. Neben der modernen Kunst aus Glas, die auf der Reise immer wieder an ihren Entstehungsorten wie der Manu faktur von Ioan Tămăian erlebt werden konnte, war die museale Verbreitung der traditionellen rumänischen Volks 32 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 kunst, zu der auch die Glasikonen gehören, für die Teil nehmer ein besonderes Erlebnis. Neben den zahlreichen Glasikonen-Sammlungen vor Ort konnten wir im Rahmen unserer Vortragssektion auch von einem Referat von Elena Bajenaru profitieren, das sich der transsilvanischen Hinter glasmalerei widmete. Frau Bajenaru hat den großen Be stand an Glasikonen im Fagaras-Museum (Muzeul T˛ării Făgăras˛ ului) bearbeitet und 2011 publiziert, so dass wir detailreiche Informationen aus erster Hand erhielten. Die ICOM-Glass-Tagung bot vielfältige Einblicke in die rumänische Museumslandschaft, die sich mit großem per sönlichem Engagement der Mitarbeiter und oft großem finanziellen Aufwand in den letzten fünfzehn Jahren stark verändert hat. Fruchtbringend war dabei der Kontakt und intensive Austausch mit Museumskollegen und Restaura toren sowie mit Künstlern und zahlreichen Kulturbotschaf tern wie dem Professor für Museologie Dr. Ioan Opris vom Nationalmuseum für Geschichte Rumäniens, der uns die ganze Reise über begleitet hat. Dr. Sven Hauschke leitet die Sammlung Kunsthandwerk und Europäi sches Museum für Modernes Glas der Kunstsammlungen der Veste Coburg. Er ist Schatzmeister von ICOM Glass; [email protected]. Weitere Informationen: Detailreicher Bericht des Präsidenten von ICOM GLASS: http://network.icom.museum/glass/our-publications/annual-newsletter Foto: Sven Hauschke GLASS – International Committee for Museums and Collections of Glass Mihai Ţopescu: Hephaistos, 2012, farbiges Glas, geblasen, Metall ICEE – International Committee of Exhibition Excange Involving New Museums, New Partners and New Incentives in Exhibition Making and Exchange Jahrestagung vom 23. bis 27. September 2014 in Helsinki, Tampere, Mänttä, Finnland Foto: Joshua06 at de.wikipedia INTERNATIONALE KOMITEES Christoph Lind Traditionell sind Tagungen des ICEE immer eine Zusam menführung von Ausstellungsmachern, Ausstellungsab teilungen der Museen sowie privaten Ausstellungsgesell schaften, die natürlich sowohl für die Konzeption von Ausstellungen als auch für Präsentationsplanungen auf die Zusammenarbeit mit Museen angewiesen sind. Im umge kehrten Fall ist auch seitens der Museen ein steigender Be darf an Zusammenarbeit mit privaten Ausstellungsgesell schaften festzustellen, die insbesondere im Logistikbereich, aber auch bei der Organisation von Ausstellungstourneen mit mehreren Stationen durchaus professionelles Wissen beisteuern können. Das Tagungsthema trug dieser Tatsache Rechnung und schuf den Rahmen für eine ausgesprochen gut besuchte und inhaltlich anspruchsvolle Tagung. Schon die Eröffnungsfeierlichkeiten im edlen Rahmen des Finnischen Nationalmuseums in Helsinki zeigten nicht zuletzt durch die verstärkte Präsens asiatischer Teilnehmer die erfreuliche Erweiterung des ICEE und die Bedeutung Asiens für das internationale Ausstellungsgeschehen. James Bradburne, Generaldirektor der Fondazione Palaz zo Strozzi in Florenz, appellierte mit seinem Grundsatz vortrag „Are travelling exhibitions the right answer to the right question?“ an die Museen, bei der Strukturierung des Ausstellungsprogramms die Blockbuster nicht grundsätz lich in den Vordergrund zu stellen; Guido Guerzoni von der Università Luigi Bocconi, Mailand, lieferte im Anschluss einen sehr profunden Überblick über die statistische Rele vanz von Wanderausstellungen im gesamteuropäischen Rahmen. Der Nachmittag war dann dem schon traditionellen marketplace of exhibitions and ideas vorbehalten, der sich erwartungsgemäß eines großen Zuspruchs erfreute. An schließend fuhren alle Teilnehmer nach Espoo, um das dortige WeeGee Exhibition Center zu besuchen. Nach Füh rungen in den verschiedenen Ausstellungen und einem Empfang ging die Fahrt weiter zum nächsten Tagungsort Tampere. Am nächsten Vormittag erhielten wir durch die Direk torin Marjo-Riitta Saloniemi einen kurzen Einblick in das neue Museumsquartier Vaprikki in Tampere; innerhalb der Vortragssektion „Cross-sector museum collaboration“ stell te sie die verschiedenen internationalen Ausstellungsko operationen des Vaprikki vor. Beispiele inter- und zwischen disziplinärer Kooperationen zwischen Museen stellte Robert „Mac“ West vor. Michael John Gorman vertiefte diesen Ansatz anhand des Beispiels der Science Gallery in Dublin. Ein weiterer, äußerst spannender Fallbericht wurde von Lee Davidson aus Wellington, Neuseeland, präsentiert: „Aztecs in Australasia“ behandelte die Herausforderungen der internationalen und interkulturellen Ausstellungspla Thronender König: Hauptmotiv der Ausstellung „Die Staufer und Italien“. Christoph Lind berichtete über das sehr erfolgreiche Marketingkonzept der Ausstellung. nung. Der Verfasser stellte die Möglichkeiten zur Koope ration mit weiteren Museen und Sponsoren im Zuge einer gemeinsamen Kampagne am Beispiel der Ausstellung „Die Staufer“ dar. Der Nachmittag war den Blicken hinter die Kulissen von Vaprikki vorbehalten und während eines Abendemp fangs im Finnish Labour Museum Werstas in Tampere gab es ausreichend Gelegenheit, die Themen der beiden vergan genen Tage zu vertiefen. Nach dem frühmorgentlichen Bustransfer ins SerlachiusMuseum in Mänttä mit anschließendem Blick hinter die Kulissen inklusive einer absolut bühnenreifen Führung, die ein Höchstmaß an Begeisterung hervorgerufen hatte, waren Theater und Kino als Ideengeber für Museumsinszenierun gen Schwerpunkte der Sektion „Aristotle goes museums: dramaturgy in service of exhibition design“ – mit Beiträgen von Mikko Myllykoski, Helsinki, und Christine Drouin, Ausstellungsleiterin der Cinemathèque francaise, Paris. Finnland ohne Sauna? Geht nicht; der letzte Tagungs abend wurde in Rapukartano mit entsprechendem Ambien te (Seezugang, Lagerfeuer, Rauchsauna) und finnischen Spezialitäten beschlossen. Die Tagung war allseits äußerst positiv bewertet worden; sowohl die thematischen Schwerpunkte als auch das Ken nenlernen der finnischen Museumslandschaft waren erhel lende Erlebnisse. Herzlicher Dank gebührt allen teilneh menden Museen für Ihre Großzügigkeit und auch ICOM Finnland für die umfangreiche Unterstützung dieser span nenden Tagung. Dr. Christoph Lind ist Abteilungsleiter Ausstellungsmanagement, Museumsvermittlung der Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim. Er ist Mitglied im Vorstand von ICEE; [email protected]. Weitere Informationen: Rückblick auf Programm und Präsentationen: http://icee.fi Die Jahrestagung 2015 findet vom 17. bis 21. November in Kapstadt, Südafrika, statt. Titel: Get Connected! New Markets, Audiences and Perspectives in Exhibition Exchange ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 | 33 INTERNATIONALE KOMITEES ICME – International Committee for Museums of Ethnography Museums and Innovations Jahrestagung vom 14. bis 16. Oktober 2014 in Zagreb, Kroatien Lydia Icke-Schwalbe Mit anregenden Diskussionen im Internet langzeitlich vor bereitet, kamen neunzig aktive und ehemalige Mitarbeiter aus ethnographischen und kulturhistorischen Museen in 29 Ländern, von Norwegen bis Namibia, von Florida über Asien bis Großbritannien, in Zagreb zusammen. An drei Tagen präsentierten sie insgesamt 47 Beiträge mit anschau lichen Beispielen zum Konferenz-Thema; drei Grundsatz referate und 44 Kurzvorträge konnten jeweils zusätzlich hinterfragt und diskutiert werden. Die Abstracts aller Prä sentationen lagen zu Konferenzbeginn gedruckt vor. Das Treffen von Ethnologen, Kulturanthropologen, Museums pädagogen, Studenten und Akademikern gestaltete sich als breites Forum verantwortlicher Experten. Die Präsidentin von ICME, Viv Golding (Großbritan nien), hatte in der Einladung zur Konferenz betont, dass die ein Museum definierenden Sammlungen stetiger Interpre tation, Reinterpretation und analoger Präsentation bedür fen, um das Wissen über die Objekte zu erweitern, die her stellenden Gemeinschaften, ihre ursprünglichen Nutzer in Zeit und Raum zu erfahren und die Kenntnisse zu verbrei ten. Die Museen bewahren nicht schlechthin Gegenstände der Vergangenheit, sondern verfügen über bedeutsame his torische Zeugnisse, die mit innovativen Präsentationen die Leistungen der globalen Menschheit in lokalen Entwick lungen bis zur Moderne vorstellen können. Tomislav Šola, Professor für Museologie an der Univer sität Zagreb, legte im einleitenden Grundsatzreferat Mo tive und Vorgehensweisen für innovatives Handeln in unseren Museen dar. Unter anderem betonte er die Not wendigkeit akademischen Trainings, aufrichtigen, enga gierten Umgangs mit der Materie, die wissenschaftliche Erforschung soll das Vehikel sein, nicht das Ziel, denn wir arbeiten für Menschen, nicht für Objekte. Auf vergleichende Perspektiven in ethnographischen Museen Asiens und Eu ropas ging Amareswar Galla als zweiter Hauptredner ein und betonte die Notwendigkeit des wechselseitigen Aus tausches zum besseren Verständnis von Kultur und Be dürfnissen unterschiedlicher Gruppen und Nationen. Der dritte Hauptredner, Denis Chevallier aus Frankreich, stellte den neuen Museumskomplex in Marseille als ein solches lokales Forum dar, in dem mit den Sammlungen Politik ge macht wird. Die Ausstellungen im modernen französischen Zentrum für Ethnologie mit den Sammlungen der ehemals Pariser Museen Musée National des Arts et Traditions Po pulaires und Musée de l‘Homme basieren auf spezifischen Forschungen mit neuen, aktuellen Schwerpunkten. So ent standen provokative Sonderausstellungen, wie „Fußball und Identität“ oder „Abfallwirtschaft“. Die Fülle der Einzelbeiträge wurde unter thematischen Schwerpunkten wie Exploring, Identity and Community, Transformation, Colaboration, Participation and Social Justice, Developing New Practices, Materiality and Sensual 34 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 Knowledge gebündelt und die Tagung somit überschaubar strukturiert. Von innovativen Ideen und schwieriger Um setzung berichteten unter anderem Karen Exell aus Katar, Shuo Yang aus China und Esther Chipashu aus Zimbabwe. Esther Chipashu führte zum Beispiel aus, dass es dringend notwendig sei, von der westlichen Perspektive auf „leb lose, tote“ Objekte weg- und zu besucherorientierten, in teraktiven Präsentationen hinzukommen. Die Museen der Dritten Welt sollen mit innovativer Museologie Erinne rungskultur, geistiges Erbe, die Befreiungsbewegungen, technologische Informationen und sportliche Entwick lungen ihrer Länder fokussieren. So hat ihr Museum das Olympische Komitee Zimbabwes als Partner gefunden. Ferner merkte sie an, dass Museen als Agenten für ökono misch-soziale und politische Veränderungen wirken können. Ähnliche Anstöße für ungewöhnliche Projekte, die den Besucher ins Zentrum stellen, wurden auch von Vertretern europäischer Museen dargelegt. Anette Rein stellte als Bestpractice-Beispiel die Übernahme innovativer Ideen der Par tizipation in die neue Organisationsstruktur des OaklandMuseums in Kalifornien (USA) mit aufschlussreichen Graphiken vor. Zum Schluss der Konferenz wurde die länger schwelende Diskussion über Geschichte und Zukunft von Ethnologie mit Ethnographie beziehungsweise cultural and social anthropology/ethnography (im englischen Sprachraum) noch mals aufgegriffen und hinsichtlich einer wiederholt vor getragenen Umbenennung von ICME diskutiert. Per B. Rekdal aus Norwegen und die Berichterstatterin legten ihre sachlich-politischen und wissenschaftlich begründeten Ar gumente zu einem verantwortlichen Umgang mit einem gesellschaftswissenschaftlichen Fachgebiet dar, das als Universalwissenschaft vom Menschen (Anthropologie) in Europa entstanden und dort bis zur Unkenntlichkeit frag mentiert worden ist. Gastgeber der Konferenz war das Mimara-Museum, die repräsentative Stiftung eines kroatischen Kunstmäzens, unter der Leitung von Zvjezdana Antoš. Dank der umfas senden Organisation, tägliche Verpflegung der Teilnehmer inbegriffen, konnten neben der dichten Beitragsfolge auch weitere Museen und kulturelle Einrichtungen von Zagreb besucht werden. Dr. Lydia Icke-Schwalbe war viele Jahre im Staatlichen Museum für Völkerkunde in Dresden tätig, von 2000 bis 2004 war sie Mitglied im Vorstand von ICOM Deutschland; [email protected]. Weitere Informationen: Rückschau mit Programm, Abstracts und Fotogalerie: www.icme-conference2014.com Die Jahrestagung 2015 findet vom 25. bis 26. Oktober in Hanoi, Vietnam, statt. Titel: Museums and Communities: Diversity, Dialogue, Collaboration INTERNATIONALE KOMITEES ICME – International Committee for Museums of Ethnography Museums and Innovations Post-conference tour vom 17. bis 19. Oktober 2014 durch Istrien, Kroatien Das Ethnographische Museum Istriens war die erste Station der ICME-Exkursion durch Istrien. Wie die Direktorin Lidija Nikoc̆ević erläuterte, wurde das Museum im Jahre 1962 gegründet und wurde mit seinen neun Mitarbeite rinnen und Mitarbeitern in der beeindruckenden mittelalter lichen Festung in Pazin untergebracht. Die ethnographische Sammlung mit rund 7.500 Objekten besteht überwiegend aus landwirtschaftlichen Geräten und Trachten aus Istrien vom Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Die aktuelle 20jährige Dauerausstellung wartet bereits seit vier Jahren auf die Umsetzung des neuen Konzepts, welches sich vor allem auf persönliche Geschichten der Bevölkerung Istriens und Dingbiographien konzentrieren wird – ohne die ehemals „archaischen“ ländlichen Lebensformen im Vergleich zur italienischen Bevölkerung Istriens weiterhin zu betonen. Aufgrund der konstanten finanziellen Probleme bleibt jedoch der Zeitpunkt der Verwirklichung offen. Das Zentrum für die immaterielle Kultur Istriens wurde 2011 als Teil des Ethnographischen Museums Istriens im ehemaligen Bischofssitz Pićan gegründet. Ziel ist es, das immaterielle Erbe Istriens mittels enger Zusammenarbeit mit Einwohnerinnen und Einwohnern lokaler Gemeinden zu dokumentieren, zu archivieren und zu publizieren. Wäh rend der Stadtführung besuchten wir zunächst die roma nische Friedhofskirche St. Michael mit Fresken und glago litischen Inschriften aus dem 15. Jahrhundert. Auf dem großen Platz vor der Kirche St. Nicholas fand unter ande rem eine spannende Diskussion in der Gruppe über alte und gegenwärtige Konzepte von Hexerei in Istrien statt. Ein gefundenes Thema für Ethnologinnen und Ethologen! Aus den vielen Workshop-Angeboten des Zentrums lern ten wir im Anschluss die Grundschritte des Paar-Volks tanzes Balon (Balun) kennen – und wir schwenkten uns mit großer Freude im schnellen Rhythmus der einfachen Tanz schritte umeinander herum. Gleichfalls wurden wir auch hier wieder mit traditionellen Produkten wie Süßigkeiten, Schinken, Wein, dem süßen Likör Bisko und einer Bohnen suppe ausgiebig bis zur Weiterfahrt nach Rovinj am Abend bewirtet. Während ein Teil der Gruppe am nächsten Morgen di rekt zur mittelalterlichen Stadt Motovun fuhr, einer klei nen Stadt mit etwas mehr als eintausend Einwohnern, die 1278 in venezianischen Besitz kam und bis zum Ende der venezianischen Republik Ende des 18. Jahrhunderts dort verblieb, hatte eine kleinere Gruppe die Gelegenheit, die bekannten Fresken der Friedhofskapelle in Beram, auch bekannt als Marienkirche aus den Schieferplatten, zu be sichtigen. 1494 fertigte jene der einheimische Meister Vincent aus Kastav im Auftrag der istrischen Bruderschaft der heiligen Maria. In der Barockzeit waren die Fresken übermalt und erst 1913 wiederentdeckt und restauriert wor den. Drei Wände der Marien-Kapelle sind unter anderem Foto: Toffel, cc by-sa 3.0 Anette Rein Fresken der Marienkirche aus den Schieferplatten in Beram mit wunderbar erhaltenen Fresken, die biblische Szenen oder Gleichnisse, Heiligenfiguren, die Szenen aus dem Le ben Jesu und auch den Totentanz über dem Auge Gottes zeigen, bedeckt. Die „Trüffelhauptstadt“ Livade von Istrien empfing uns mit einer Trüffel-Olivenöl-Verkostung und Trüffeleis(!) mit einem anschließenden Marktbesuch. Danach folgte in San Mauro die Verkostung der Produkte des Weinguts Sinković. Unter den vielen dort frei herumlaufenden Tie ren schlossen wir besonders die beiden mächtigen Schwei ne ins Herz und dokumentierten den quiekenden Streit der beiden Tiere um den besten Liegeplatz im alten Weinfass. Ein weiterer Höhepunkt des Tages war die Besichtigung der Altstadt von Rovinj, ein kurzer Besuch im Eco-Muse um und eine Bootsfahrt auf die andere Seite der Stadt, wo uns abends ein leckeres Muschel- und Fischessen erwar tete, begleitet von einer folkloristischen Musikgruppe. Die traditionelle Herstellung von Olivenöl war Thema am nächsten Morgen beim Besuch des Eco-Museums Istrian de Dignan, während wir später den maschinellen Prozess in einer nahegelegenen Ölpresse beobachten konn ten. Zunächst erhielten wir jedoch eine Einführung in die Geschichte des mittelalterlichen Ortes Vodnjan durch den Leiter des Museums. Seit der Abwanderung zahlreicher ita lienischer Familien nach dem Zweiten Weltkrieg sind bis heute viele Dörfer in Istrien verwaist. Familien der Roma wanderten zu und besetzten leerstehende Häuser. Erst seit wenigen Jahren gibt es ein erfolgreiches Programm des nachbarschaftlichen Miteinanders für eine gegenseitige Ak zeptanz. Weiter ging es ins römische Amphitheater in Pula aus der Zeit des Kaisers Augustus (31. v. Chr. bis 14. n. Chr.). Wir bestiegen die 1630 erbaute Befestigungsanlage, gefolgt von einem Mittagessen auf dem Ausgrabungsvorplatz einer römischen Basilika. Der Besuch eines Marktes mit Kunst handwerksprodukten der Gegend schloss die dreitätige Ex kursion ab. Verantwortlich für die Reise zeichneten Mario Buletić, Ana Hoić und Zvjezdana Antos. Ihnen gehört der zufriedene Dank der 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Dr. Anette Rein, Ethnologin, ist Mitglied im Vorstand von ICME. Von 2005 bis 2010 war sie Mitglied im Vorstand von ICOM Deutschland; [email protected]. ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 | 35 INTERNATIONALE KOMITEES IC MEMO – International Committee of Memorial Museums in Remembrance of the Victims of Public Crimes Memory and Learning in a Changing World Jahrestagung vom 15. bis 17. September 2014 in Falstad, Norwegen Kirsten John-Stucke, Markus Moors Die Mitgliederversammlung 2014 fand am 15. September im norwegischen Falstad, nördlich von Trondheim, statt. Während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg war das dortige Heim für auffällige Jugendliche von der SS als Durchgangslager beim Transport von Juden, Zwangs arbeitern und politischen Gefangenen in Konzentrations lager außerhalb Norwegens benutzt worden. Etwa 4.500 Menschen waren zwischen 1941 und 1945 in Falstad in haftiert. Mehr als 200 Gefangene wurden exekutiert. Seit 2006 existiert die Gedenkstätte, die zugleich als Zentrum für Menschenrechte firmiert. Die teilnehmenden IC-Memo-Mitglieder kamen aus Ja pan, den USA, Israel, Estland, Deutschland, Norwegen, den Niederlanden, Österreich und Spanien. Bei diesem Treffen standen die Möglichkeiten der Mitgliederwerbung für IC Memo – über die bisherigen deutsch-europäischen und nordamerikanischen Schwerpunkte hinaus – im Mit telpunkt der Diskussion. Die Gedenkstätten für die Opfer der Diktaturen in Afrika, Asien und Südamerika stehen naheliegenderweise vielfach vor anderen Problemen als die an die Opfer des Holocaust erinnernden Stätten in Europa und den USA. Erweist es sich bislang schon als schwierig, die (ost-)europäischen Gedenkstätten für die Opfer des Kommunismus für die Mitarbeit in IC Memo zu interes sieren, kommt im Fall der Memoriale auf der südlichen Welthalbkugel noch hinzu, dass diese sich häufig weder die landesüblichen Mitgliedsbeiträge für ICOM noch die Kosten für die Fahrten zu den bisher in Europa stattfin denden Treffen des Komitees leisten können. Andererseits war zum Beispiel die zu erwartende Teilnehmerzahl von IC-Memo-Mitgliedern aus Europa an der ICOM-General versammlung 2013 in Rio de Janeiro so gering, dass das Jahrestreffen des Komitees nicht dort, sondern im estnischen Tallinn stattfand. Der seit einem Jahr amtierende Vorstand von IC Memo um seine Vorsitzende Karen Franklin (Leo Baeck Insti tute, New York) hat ein kurzes, englischsprachiges Infor mationsfaltblatt erarbeitet, das bereits während der Jahres versammlung von ICOM in Paris im Juni 2014 auf großes Interesse stieß. Aktualisierte Versionen – auch in deutscher, französischer und spanischer Sprache – sind in Vorberei tung. Die stellvertretende Vorsitzende, Iratxe Momoitio Astorkia (Friedensmuseum Gernika), sorgte für einen Neu start der Webseite des Komitees, die seit einiger Zeit brach lag. Die in Falstad versammelten Mitglieder von IC Memo betonten, dass sie in zahlreichen Gesprächen auf allen Ebenen von ICOM und in der internationalen Museums szene immer wieder die Erfahrung gemacht haben, dass unser Verbund von Gedenkstätteninstitutionen und -Ex perten wahrgenommen und wertgeschätzt wird. 36 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 Im Anschluss an die Mitgliederversammlung von IC Memo fand die dreitägige Jahrestagung statt. Sie wurde von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des FalstadZentrums um den früheren IC-Memo-Vorsitzenden Jon Reitan im Auftrag des Komitees und in Zusammenarbeit mit der Universität Trondheim organisiert. Die 35 ständigen Konferenzteilnehmer wurden zeitweise durch rund zwan zig Trondheimer Lehramtsstudenten verstärkt. Im Mittelpunkt vieler Vorträge und Diskussionsrunden stand die Frage, wie der Opfer massenhafter, öffentlicher Gewalttaten gedacht werden kann oder soll, die nicht im Auftrag von Staaten, sondern durch einzelne soziale Grup pen oder gar Einzelpersonen begangen wurden. Im Gast geberland Norwegen bewegt diese Frage seit den Atten taten des Anders Behring Breivik in Oslo und auf der Insel Utøya am 22. Juli 2011 die gesamte Gesellschaft. Das Da tum der beiden Anschläge, bei denen insgesamt 77 Men schen getötet wurden, ist dort ebenso zum Synonym für die Taten selbst geworden, wie weltweit 9/11 für die Zer störung der beiden Türme des New Yorker World Trade Centers durch islamistische Terroristen im Jahr 2001 steht. Der Trondheimer Geschichtsprofessor Tor Einar Fagerland und der Projektleiter zur Erstellung eines neuen Nutzungskonzepts für die Insel Utøya, Jørgen Frydnes, zeichneten die bisherige Entwicklung der Debatten und der Entwürfe für eine Gedenkkultur nach. Dabei ging es zen tral um die Frage, welche Formen der Erinnerung von den Betroffenen für angemessen und repräsentativ erachtet werden und wie die zum Teil widerstreitenden Interessen der Familienangehörigen der Opfer, der sozialdemokra tischen Jugendorganisation AUF, der die Insel Utøya ge hört und deren Mitglieder die 69 Toten auf dem Eiland waren, den staatlichen und kommunalen Stellen sowie der norwegischen Öffentlichkeit miteinander verbunden wer den können. Ein besonderer Aspekt kommt in Norwegen noch dadurch hinzu, dass ein bislang anonymer Mäzen den über fünfzig Gemeinden, aus denen die Opfer des 22. Juli stammten, ein einheitliches Mahnmal anbot. Die Stadt Trondheim war eine der wenigen Kommunen, die dieses Angebot ablehnten. Im Laufe der Tagung konnten die Teil nehmer die Entwürfe für ein eigenes Trondheimer Mahn mal in Augenschein nehmen. Für IC Memo, deren Mitglieder bislang mehrheitlich in Gedenkstätten für die Opfer von staatlich organisierten Verbrechen arbeiten, stellt die Integration solcher Erinne rungsorte für Opfer von Massenverbrechen, die von nichtstaatlichen Gruppen und Einzelpersonen verübt wurden, eine neue, zusätzliche Aufgabe dar, der man sich in den nächsten Jahren verstärkt zuwenden wird. Kirsten John-Stucke ist Leiterin des Kreismuseums Wewelsburg; [email protected]. Markus Moors ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Kreismuseums Wewelsburg und Sekretär von IC Memo; [email protected]. Weitere Informationen: Ausführlicher Bericht zur Jahrestagung 2014: http://network.icom. museum/icmemo/conferences/past-conferences/ Jahrestagung 2015: 8. bis 11. November in München und Flossenbürg; Titel: Form – Architecture – Memory INTERNATIONALE KOMITEES Implementing and Maintaining Security and Safety at Cultural Institutions with Fewer or Limited Financial Resources Today and in the Future 40. Jahrestagung vom 8. bis 12. September 2014 in Kopenhagen, Dänemark Barbara Fischer Vor vierzig Jahren wurde das Internationale Komitee für Museumssicherheit (ICMS) in Kopenhagen gegründet. Welch ein Höhepunkt, dass das vierzigjährige Gründungs jubiläum anlässlich der Jahrestagung 2014 in Kopenhagen gefeiert werden konnte. Die drei gastgebenden Museen, National Gallery of Denmark, ARKEN Museum of Modern Art und Louisiana Museum of Modern Art, gestalteten ein wohl durchdachtes Programm mit fachlichen Vorträgen und Diskussionen, Erfahrungsaustauschen und praktischer Wissensvermittlung an drei Museen vor Ort sowie Einbli cken in die dänische Kulturlandschaft und boten den Teil nehmern auch zwischen den Programmpunkten in herzli cher Atmosphäre Gelegenheit zu ausgiebigem Networking. Im Fokus stand die Frage, ob und wie Museen den stei genden Risiken trotz limitierter finanzieller Budgets aus reichend begegnen und das Niveau der Sicherheit angemes sen aufrechterhalten können. Verschiedene Lösungsansätze wurden vorgestellt: Die enge und kontinuierliche Zusammenarbeit von kleinen und großen Museen mit Polizei, Wachschutz und Behörden unter dem Motto „Einer für alle – alle für einen“ ist einer der Wege, der in Großbritannien unter Federführung des Victoria & Albert Museum beschritten wird. Hauptforde rung: Bilde ein echtes Team aus Wachleuten, Aufsichtsper sonal, Auszubildenden und Praktikanten, das gemeinsam die Sicherheit im Museum als Aufgabe realisiert! Das Phi ladelphia Museum of Art, USA, hat erhebliche Personal einsparungen ohne Minderung des Sicherheitsniveaus erreicht, nachdem es sechseinhalb Jahre lang alle Angriffe auf das Sammlungsgut zusammengestellt und ausgewertet hat, dann zwei Wochen lang die Besucherbewegungen in den Museumsgebäuden, bei Events oder in den Ferien stu diert und in Auswertung beider Studien in verschiedenen Bereichen das Aufsichtspersonal reduziert hat. Wenig be suchte Gebäude sind nur noch für kurze Zeit geöffnet. Auch für das New Yorker Museum of Modern Art ergaben sich neue Herausforderungen, als es mit der Sieben-Tage-Öff nung bei gleichzeitig freiem Eintritt in den Garten startete und die Zahl der Events erhöhte. Strategisches Vorgehen: Frühe Planung und Abstimmung im Hause, Revision der Standardbesetzung des Aufsichtspersonals und Staffelung der Einsatzzeiten nach Erfordernis, Erweiterung der tech nischen Sicherheitsausstattung. Was aber ist zu tun, wenn sich einem Museum voller bedeu tender Kunstwerke im Gebäude und im Garten ein Busch feuer nähert, wie es im April 2014 dem Kröller-MüllerMuseum in den Niederlanden widerfuhr? Rinus Vonhof schilderte, wie die enge Zusammenarbeit mit Feuerwehr und Wetterdienst half, und zeigte, wie das engagierte Team des Museums sämtliche Kunstwerke im Inneren in größt möglicher Geschwindigkeit verpackte und auf Packwagen in das am Gebäude befindliche Depot verbrachte, das dem Feuer längere Zeit standgehalten hätte. Hatten sie eine Prioritätenliste, nach der sie vorgingen? Ja, sie hatten. Aber in der Situation wurde ausgeräumt, was kam, für die Be achtung der Liste war keine Zeit. Sicherheit bei gleichzeitiger Ressourcenersparnis wurde vom Louisiana-Museum mit dem Bau eines Niedrig-Ener gie-Depots mit rund fünftausend Quadratmetern Depot fläche perfekt erreicht. Erfolgskriterien: Dicke Mauern, Ausnutzung der Erdwärme durch nicht isolierte Fußböden, Dachaufbau mit hoher Dämmung und minimales Allge meinbeleuchtungssystem plus Bereitstellung eines an einer Schiene laufenden Scheinwerfers, mit dem man beim Ar beiten im Depot die jeweilige Arbeitsfläche ausleuchten kann, keine wasserführenden Leitungen im Depotbereich, hoher Brandschutz durch Verwendung einer InergenLöschanlage, die zugleich den Verzicht auf Entrauchungs flächen ermöglicht. Grundsätzlich keine Belegschaft im Depot, nur zu bestimmten Arbeiten bei streng geregelter Zutrittsberechtigung. Die Gefahrenmeldeanlagen sind auf das Kontrollzentrum des Louisiana-Museums geschaltet. Kompromiss: Die Temperaturen dürfen im Jahresverlauf zwischen 13 °C und 18 °C schwanken, die relative Luftfeuch te zwischen vierzig und sechzig Prozent. Erfolgsfazit: Die Heizung wurde bisher nicht benötigt, die Betriebskosten sind extrem niedrig, die Sicherheit des Kulturgutes ist hoch. Barbara Fischer leitet in der Stiftung Stadtmuseum Berlin den Bereich Gebäudemanagement; [email protected]. Weitere Informationen: Die Jahrestagung 2015 findet vom 19. bis 23. Oktober in Zhengzhou, China, statt. Titel: Science and Technology, Innovation: Museum and Cultural Heritage Security Foto: Barbara Fischer ICMS – International Committee for Museum Security Arbeitsgruppe Designmuseum Denmark: Zur Risikobewertung wurden Arbeitsgruppen gebildet, die Hinweise zur Risikominimierung gaben und die positiven Erkenntnisse über das vorgefundene Si cherheitssystem darstellten. ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 | 37 INTERNATIONALE KOMITEES ICOMAM – International Committee of Museums and Collections of Arms and Military History Military History Museums: Contemporary History and Social Relevance Jahrestagung vom 8. bis 10. Oktober 2014 in Moskau, Russland Alfred Geibig Die Russische Föderation ist ein großes Land und Moskau eine wirklich große Stadt. Das haben wir spätestens auf unserer Fahrt vom Flughafen zum Hotel im Stadtzentrum gemerkt. Die Tour durch die 17-Millionen-Metropole, die mit einem permanent latenten Verkehrsinfarkt zu kämpfen hat, dauerte entsprechend rund drei Stunden. Als Tagungsort fungierte das Moskauer Armeemuseum, Zentralmuseum der russischen Streitkräfte, das uns einen großzügigen Vortragssaal mit moderner Ausstattung und synchroner Übersetzung aller Vorträge in englischer und russischer Sprache bot. Diese waren in insgesamt fünf Blö cke gegliedert und wurden in intensiven Sitzungen in zwei Tagen abgearbeitet. Meines Wissens zum ersten Mal auf einer ICOMAM-Tagung wurden alle Vorträge mit Video kameras gefilmt und zeitgleich ins Internet gestellt. Die fünf Vortragsgruppen waren überschrieben mit „Military and historical Museums: Mission, acquisition, preservation and accessibility of the collection“, „World War I: Is it a contemporary historical event?“, „Weapons in the military and historical museums and private collections: Study and exhibition“, „Military and historiocal museum: Humanitarian mission and museum education“ und „Mu seumfication of the memorial places on military history. Digital technology and/or objects in the museum“ und boten meist interessante Präsentationen. Ein Schwerpunkt der Tagung waren die Besuche und Füh rungen in sowohl fachlich einschlägigen Museen als auch zu Einrichtungen und Plätzen mit historischem Hintergrund. Dabei spiegelte sich – fast wie selbstverständlich – Größe und historische Bedeutung Russlands in unterschiedlichen Facetten wider. So hatten wir im Rahmen von Führungen Gelegenheit, sowohl die Ausstellungen als auch Teile der Depots des Armeemuseums anzuschauen. Klare Schwer punkte der Ausstellungen und wohl auch des Sammelns sind Zeitzeugen/Realien der Kriege 1813 (Russlandfeldzug Na poleons) und 1941−1945. So wurden uns neben anderen Objekten als besondere „Schätze“ des Museums Uniform stücke von Adolf Hitler, geborgen aus dem Reichstag in Berlin, und Hermann Göring als Reichsjägermeister so wie der Marschallstab von Generalfeldmarschall Erwin Rommel vorgelegt. Weniger militärisch war der Besuch des Staatlichen His torischen Museums, wo wir uns in Depots diverse Samm lungsbestände (Waffen, Fahnen, Uniformen) ganz aus der Nähe und gleichzeitig mit vergleichbarer Muße anschauen durften. Hier ist besonders zu erwähnen, dass uns in den besuchten Bereichen de facto alle Türen offenstanden und wir nach Herzenslust in den Beständen „herumschnüffeln“ konnten. Den mit Eindrücken und Informationen gefüllten Tag beschloss eine Bootsfahrt bei Nacht auf der Moskwa. 38 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 Der folgende Tag stand dann ganz im Zeichen berühmter Museen und historischer Orte und Institutionen. Das eng gepackte Programm begann mit einem Besuch des KremlRegiments. Dieses eigens bei Paraden und offiziellen An lässen eingesetzte Regiment empfing uns mit einer beein druckenden Kostprobe seines formalen Könnens. Nach Besuch der Wohn-, Schulungs- und Trainingsbereiche und einem wohltuenden Imbiss in der Messe, machten wir uns auf zu unserem nächsten Ziel, dem Kreml-Museum. Ein Vergleich mit der Schatzkammer in Wien ist sicherlich ge rechtfertigt, scheint sich doch in der Pracht der dort ausge stellten Objekte, in den Massen von kunstvoll bearbeitetem Gold, Silber, Elfenbein und Edelsteinen auch der prestige trächtige Wettstreit zweier Weltreiche widerzuspiegeln. Der spätere Nachmittag gehörte dann dem Zentralmu seum des Großen Vaterländischen Krieges 1941−1945. Der wie ein riesiges Monument, ein Denkmal, konzipierte Bau von rund 25.000 Quadratmetern Fläche beschäftigt sich in großgestigen Arrangements mit dem Kampf und dem Sieg des russischen Volkes und der Roten Armee gegen das angreifende Nazi-Deutschland. Insgesamt scheint die Kon servierung und Dokumentation dieses Teils der russischen Geschichte auch für das heutige Selbstverständnis, für die Identifikation der russischen Nation eine große Rolle zu spielen. Zahlreiche Denkmäler und Museen mit vielen Tro phäen und Zeugen der militärischen Vergangenheit, die ge wollte Präsenz der Armee sowohl in historischer wie auch in aktueller Hinsicht als integraler Bestandteil der Nation scheinen dies zu unterstreichen. Quasi als Abschluss der Tagung ging es im Rahmen einer post-conference tour nach Tula, dem jahrhundertealten Zentrum des Waffenbaus in Russland. Dort besuchten wir das Waffenmuseum mit seinen umfangreichen historischen und modernen Beständen. Danach brachte uns der Bus in den Museumskomplex Jasnaja Poljana, den ehemaligen Landsitz von Lew Nikolajewitsch Graf Tolstoi, dessen Wohnhaus heute als Museum der Öffentlichkeit zugäng lich ist. Den Abschluss einer an Eindrücken reichen und infor mativen Tagung feierten wir zusammen mit einigen unserer russischen Gastgeber mit einem Russian style dinner bei dem – wie nach allgemeinem Klischee zu erwarten – bei gutem russischen Essen der Wodka in nicht unerheblichen Strömen floss. An dieser Stelle bedanken wir uns für die trotz der der zeit angespannten politischen Lage große Gastfreundschaft, Offenheit und Herzlichkeit, die sicherlich erheblichen An teil daran haben, dass die Teilnehmer der Jahrestagung 2014 ihren Besuch in Moskau in guter Erinnerung behalten. Dr. Alfred Geibig leitet die Abteilung Historische Waffen, Münzen, Medaillen und Fahrzeuge der Kunstsammlungen der Veste Coburg. Er ist Mitglied des ICOMAM Executive Board; [email protected]. Weitere Informationen: Ausführlicher Tagungsbericht (Englisch): www.icomam.be Die Jahrestagung 2015 findet vom 15. bis 20. September in Krakau, Polen, statt. Titel: Ambassadors of Dialogue INTERNATIONALE KOMITEES Museum Collections Make Connections Jahrestagung vom 20. bis 24. Oktober 2014 in Taipei, Taiwan Otto Lohr Die Jahrestagung von ICR fand auf Einladung des chinesi schen Museumsverbands Taiwan, unterstützt vom Kultur ministerium der Republik Taiwan, in Taipei statt. Das mit dreißig Beiträgen dichte Vortragsprogramm beleuchtete das Tagungsthema aus verschiedenen Blickwinkeln. Disku tiert wurden die unterschiedlichen Wege, auf denen Muse umssammlungen mit Besuchern, Generationen, Kulturen, Institutionen und Communitys in Verbindung treten. Von internationalen Verbindungen zwischen Bayern und China auf der Basis eines Kooperationsvertrags der staat lichen Sammlung für Abgüsse klassischer Bildwerke in München mit dem Xian-Museum in China wurde berich tet, aber auch von den wechselseitigen historischen Bezie hungen der Wittelsbacher und des chinesischen Kaiser hauses. Weltweite Verbindungen unterhält auch die Israel Antiquities Authority (IAA) mit ihren archäologischen Aus stellungen in den USA und Europa. Ein Teilnehmer be richtete von seinem Museum auf Kreta, das den Kontakt zu den Besuchern über ausgewählte sprachliche Informatio nen mittels Audioguide sucht. Verbindungen können nicht nur horizontal zwischen Men schen, Kulturen und Ländern bestehen, sondern auch ver tikal zwischen verschiedenen zeitlichen Perioden durch Erforschung des Kontextes, aus dem die gesammelten Ob jekte stammen, wie ein Projekt in Norwegen zeigte. Das historische Museum in Hämeenlinna etablierte 2011 das Haus der Erinnerung, mit dem sich das Museum als Treff punkt für ältere oder an Demenz leidende Menschen anbie tet. In bayerischen Museen wurde der Kontakt zu den Be suchern über neue Medien wie eine Smartphone-App für jüdische Orte in Bayern oder über einen interaktiven Christ baum gesucht. Von einer Brücke, die zwei Städte in Öster reich und Slowenien verbindet, und den Ausstellungen zu ihrer Geschichte aus der jeweils lokalen Sicht berichtete eine slowenische Kollegin. Museen in Taiwan bieten aus sozialer Verantwortung einer Gesellschaft, in der es immer mehr Senioren gibt, Programme für ältere Menschen an. ICR hat auch 2014 ein Reisestipendium für einen jungen Kollegen ausgeschrieben, das an Biendra Mahoto aus Ne pal vergeben wurde. Er berichtete über ein Kulturmuseum mit Forschungszentrum für den Tharu-Stamm, das zum Erhalt der ethnischen Identität und der kulturellen Werte im Süden Nepals eingerichtet wurde. Zusätzliche Aufmerk samkeit erfuhr die Jahrestagung durch die Anwesenheit des ICOM-Präsidenten Hans-Martin Hinz. Am Rande der von Museumsfachleuten aus 16 Ländern besuchten Tagung lud ICR zur Feier seines sechzigjährigen Bestehens ein. Wohl 1953 als Committee for Local Museums gegründet, fand die erste Jahresversammlung 1954 in Schaffhausen in der Schweiz statt. 1962 erfolgte die Umbenennung in Interna tional Comittee for Regional Museums (ICR). Taiwan ist derzeit bemüht, im Rahmen eines Museums entwicklungsprogramms die Anzahl der Regionalmuseen zu erhöhen, um zusätzliche Kulturangebote in der Region zu schaffen. Einige dieser Neugründungen standen auf dem Programm der ICR-Exkursionen in die Provinz Yilan. Erste Station war das Zentrum für traditionelle Kunst, wo die Teilnehmer eine Einführung in das immaterielle Kultur erbe Taiwans erhielten. Peking-Oper, taiwanesische Tee zeremonie und traditionelle Musik wurden erläutert. Weiterhin fanden Besuche im im Yilan Eco-Museum, in einem Holzschuh-Museum, einem Goldmuseum und einem Reismuseum statt. Mit Führungen durch das berühmte Palastmuseum in Taipei und einem Abschiedsdinner ging die informative und erlebnisreiche Woche zu Ende. Dr. Otto Lohr arbeitet in der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, München. Dort ist er für die kunst- und kulturhis torischen Museen in Mittelfranken und der Oberpfalz sowie für die jüdischen Museen verantwortlich; [email protected]. Weitere Informationen: Die Jahrestagung 2015 findet vom 19. bis 23. Oktober in Jerusalem, Israel, statt. Titel: Regional Museums and the Forging of Identities in a Multicultural Society Fotos: Tuulia Tuomi ICR – International Committee for Regional Museums ICR-Mitglieder proben für die Peking-Oper im Zentrum für traditionelle Kunst, Yilan ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 | 39 INTERNATIONALE KOMITEES ICOM-CC – International Committee for Conservation Building Strong Culture through Conservation 17. dreijährliche Tagung vom 15. bis 19. September 2014 in Melbourne, Australien Christine Müller-Radloff Nach 27 Jahren wurde die Tagung wieder in Australien abgehalten, diesmal in Melbourne; das 8. Treffen im Jahre 1987 fand in Sydney statt. Zu dieser Zeit war für mich eine Teilnahme noch undenkbar, da ich im östlichen Teil Deutschlands lebte. Meinen ersten Kontakt zu einer ICOMCC-Tagung hatte ich als Gasthörer im Jahre 1990 in Dres den. Schon damals war ich sehr froh, Neuigkeiten aus der Restaurierungsarbeit zu erfahren und mich mit internati onalen Fachkollegen austauschen zu können. Die Tagung 2014 bot rund 150 Vorträge und einhun dert Poster-Präsentationen. Für mich hatte sie eine beson dere Attraktivität, da ich mehr über das Leben der austra lischen Bevölkerung, besonders der Ureinwohner, erfahren wollte. Aufgrund meiner langjährigen Tätigkeit an Objek ten zahlreicher Völker aller Erdteile freue ich mich beson ders, wenn ich die Herkunftsgegenden bereisen oder deren Menschen persönlich treffen kann – das gibt mir mehr Ver ständnis für meine Arbeit. Australien rundete das nun ab, nach dem Aufenthalt in Melbourne wurde vieles wesent lich plastischer für mich. Insgesamt reisten rund sechshundert Teilnehmer aus mehr als fünfzig Ländern an, wobei der asiatische Konti nent mit Teilnehmern aus Jordanien, Katar, Indien, Bhutan, Sri Lanka, China, Singapur, Thailand, Laos, Indonesien, Malaysia und von den Philippinen besonders stark vertre ten war. Einen beeindruckenden Bericht trug Father Ted Torralba (Philippinen) vor. Während eines Erdbebens der Stärke 7,2 wurden am 15. Oktober 2013 zahlreiche barocke Kirchen und Gebäudekomplexe sowie Wachtürme, die von der Regierung als nationale Kulturschätze, historische Se henswürdigkeiten und wichtige Kulturgüter deklariert wa ren, erheblich beschädigt oder zerstört und es bestand die Gefahr der Unrettbarkeit. Als Vorsitzender der Kommission für die kirchlichen Kulturgüter in der Diözese von Tagbila ran hat Father Ted Torralba das Bohol-Kirchen-Wieder aufbau-Projekt initiiert. Anschließend belichtete Jeremy Barns das Projekt aus der Sicht der staatlichen Behörden. Als Direktor des Nationalmuseums hat er die Aufgabe, na tionale Kulturschätze auf den Philippinen zu erhalten. Er und ein Team des National Museum of the Philippines/ Bohol Heritage Task Force waren eng in das Bohol-KirchenWiederaufbau-Projekt einbezogen. Ida Areklett Garman (Norwegen) diskutierte in ihrem Vortrag die Restaurierung des Wandteppichs „We Are Living on a Star“, der bei dem Terroranschlag am 22. Juli 2011 in Oslo stark beschädigt wurde, als eine Bombe im Regie rungsviertel explodierte und es massive Schäden an Gebäu den und auch Kunstwerken gab. Darunter war die Tapisse rie von der norwegisch-schwedischen Künstlerin Hannah Ryggen (1894−1970). Aufgrund der Art der Beschädigung suchte man nach der geeignetsten Restaurierungsmethode. 40 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 Die Wahl der Methode wurde wichtig, da bis zum heuti gen Tag der Teppich mit dieser Tragödie verknüpft ist. Ei nige Leute dachten, der Schaden sollte zur Mahnung so belassen werden, während andere wünschten, dass er so be handelt werden solle, dass er überhaupt nicht mehr sicht bar ist. Letztendlich wurde eine Lösung mit der richtigen Balance zwischen Restaurieren der Schäden und Fokussie rung auf sie gefunden. Für mich gab es auf dieser Tagung erstmalig die Chance, ein Poster zu präsentieren. Eine Folge von historischen Fotos zweier chinesischer Generalsuniformen aus dem 19. Jahr hundert der sächsischen Völkerkundemuseen veranschau lichte, wie sich Fehler in der Dekoration über mehr als einhundert Jahre tradiert hatten, da man sich auf ältere (falsche) bezog und nicht richtig recherchierte. Meine Erwartung, einen Einblick in das Leben und die Kunst der australischen Ureinwohner zu bekommen, er füllte sich bei der Besichtigung zweier Ausstellungen mit Dotpaintings in der Galerie des Royal Melbourne Insti tute of Technology und während des Begrüßungsemp fangs der Tagung. Dieser Abend feierte mit den Künstlern und Interpreten des Warmun Art Centre und den Wa layirti-Künstlern Australiens die außergewöhnliche indi gene Kultur des Geschichtenerzählens. Umrahmt von ver schiedenen Reden sangen zwei ältere Frauen und eine gemischte Gruppe tanzte. Die Kultur der Aborigines hat einen einzigartigen Platz in der Welt, denn sie ist die älte ste ununterbrochen existierende Zivilisation, deren kul turelles Erbe mindestens 50.000 Jahre zurückreicht. Das dritte derartige Erlebnis bot die Ausstellung über das Leben der Ureinwohner im Bunjilaka Aboriginal Cultural Centre im Melbourne-Museum, durch die uns ein Ange höriger der Familie führte, über die dort sehr anschaulich berichtet wurde. Die Ausstellung basiert auf einer engen Zusammenarbeit zwischen dem Museum und den KoorieCommunity-Mitgliedern im Victoria-Gebiet sowie Mit gliedern indigener Communitys in ganz Australien. Sie begründete eine neue Ära der Art und Weise, wie Samm lungen dieser einzigartigen Geschichte und des Wissens interpretiert und gezeigt werden. Ein Schlüsselfaktor der Partnerschaft war die Schaffung und Führung eines Yu lendj-Gruppe-Ältestenrats. Yulendj ist ein Wort aus der Kulin-Sprachfamilie und bedeutet Wissen. Diese Gruppe hat mit ihrem Wissen, mit ihren Geschichten, Objekten, Bildern und ihrer Kultur auf einzigartige Weise zu dieser Ausstellung beigetragen. Christine Müller-Radloff ist Textilrestauratorin an den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Museum für Völkerkunde Dresden, und Co-Assistant in der Textile Working Group; [email protected]. Weitere Informationen: Studenten der Universität Melbourne haben die Tagung 2014 in den sozialen Netzwerken Tumblr und Facebook dokumentiert. 18. dreijährliche Tagung 2017: 4. bis 8. September in Kopenhagen, Dänemark, Titel: Linking Past and Future INTERNATIONALE KOMITEES Building Strong Culture through Conservation 17. dreijährliche Tagung vom 15. bis 19. September 2014 in Melbourne, Australien Julia Ziegler Die 17. Gesamtkonferenz von ICOM-CC wurde in Mel bourne ausgetragen. Die Stadt kann mit einer multikul turellen Bevölkerung aufwarten und vor allem der Anteil asiatischer Einwohner ist groß. Selbstredend ist es daher eine gute Idee, sich in „Chinatown“ durch die Küchen sämtlicher asiatischer Länder zu schlemmen. Neben der sehr guten Museumslandschaft trägt auch die Street Art zum besonderen Flair der Stadt bei. Insgesamt 650 Teilnehmer aus fünfzig Ländern nahmen an der Konferenz teil. Erstaunlich ist, dass trotz der langen Anreise relativ viele europäische Teilnehmer anwesend wa ren. Die deutschsprachige Beteiligung lag bei 19 Personen. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir die Begrü ßungszeremonie durch eine Aboriginal elder der in Mel bourne und Umgebung ansässigen indigenen Bevölkerung. Diese Art des Willkommensgrußes auf traditionellem Abo riginal-Land soll daran erinnern, dass Aboriginal people ein wichtiger Teil von Australiens Vergangenheit und Ge genwart sind. Ein deutlicher Trend zeichnete sich in den Schwerpunk ten der Tagung ab. Wie in Lissabon 2011 so waren auch diesmal sehr viele Vorträge im materialübergreifenden Be reich der präventiven Konservierung sowie im Bereich der modernen Materialien und zeitgenössischen Kunst anzu treffen. Aber auch die Arbeitsgruppe Gemälde wartete mit vielen Beiträgen auf. Sharon Robinson (Museum of London) wies in ihrem Vortrag über Gefahrstoffe in Sammlungen u. a. auf radioaktive Materialien hin, die bevorzugt ab und während des Ersten Weltkrieges eingesetzt wurden, um Anzeigen aller Art (z. B. Kompasse, Flugzeugarmaturen) durch ihre leuchtenden Eigenschaften auch im Dunkeln les bar zu machen. Aber nicht nur im Bereich Technisches Kul turgut kann man auf radioaktive Stoffe treffen. Neben Uran glas, das anscheinend u. a. für Parfümflaschen verwendet wurde, gab es am Anfang des 20. Jahrhunderts auch viele Kosmetikprodukte mit Radiumanteil, die als Allheilmittel oder als genereller Jungbrunnen angepriesen wurden. Ein Thema, das sowohl mit einem Vortrag im Bereich Moderne Materialien als auch im Bereich Gemälde vertre ten war, war die Untersuchung und Rückführung des Van dalismusvorfalls an Mark Rothkos „Untiteled“, das 2012 während einer Ausstellung in der Tate Modern mit GraffitiTinte verunstaltet wurde. Während Bronwyn Ormsby und ihre Ko-Autoren sich hauptsächlich den unterschiedlichen Analysen widmeten, die die verwendete Tinte, deren Ein fluss auf die Malschichten und mögliche Lösungsmittel betrafen, schilderte Rachel Barker die Durchführung der Restaurierung und die dafür notwendige Anfertigung von Probekörpern. Sehr interessant war für mich aber der Teil des Vorträge, der sich nicht in den Artikeln wiederfindet: Die unangefochtene Prominenz des Kunstwerkes zog na türlich die Aufmerksamkeit der Presse auf sich. Neben all der kniffligen Arbeit direkt am Objekt wurden die Restau ratorinnen in Öffentlichkeitsarbeit geschult, mussten In terviews geben und immer wieder dem Druck der Presse standhalten, die natürlich so schnell wie möglich Ergeb nisse vorliegen haben wollte. Trotz des Tagungskontinentes Australien wurden ledig lich drei Vorträge mit dem Kontext Aboriginal-Kunst ge halten. Bei der anschließenden Diskussion nach Daniel Kirbys und Narayan Khandekars Vortrag über Bindemit tel in traditionellen Baumrindengemälden wurde allerdings deutlich, dass sich sehr viele Fachleute zu diesem Thema im Auditorium befanden. Ein Höhepunkt war der Besuch im Depot des VictoriaMuseums. Das Depot ist nach neuesten Standards ausge stattet und verfügt neben einem Barcode-System mit ver knüpfter Datenbank zum einfachen Auffinden von Objekten über Spezialkühlschränke für Kunststoffe und eine Gefrier kammer für Quarantäne bzw. Pestmanagement. Wirklich innovativ empfand ich allerdings die Tatsache, dass im De pot sämtliche Paletten und Konstruktionen zur Lagerung von Objekten selbst gebaut werden. Das verwendete, mög lichst unbehandelte Holz wird zuvor hinsichtlich etwaiger Schädlinge in der Gefrierkammer behandelt. Zudem befin det sich im Depot ein Spezialraum zur Dekontamination von Objekten, die mit gefährlichen Stoffen belastet sind. Dieser Raum ist nach dem Raum-im-Raum-System konzi piert und besitzt eine Schmutzschleuse zum An- und Able gen von Schutzkleidung, ein eigenes Abluftsystem, das durch diverse Filter direkt nach draußen geleitet wird, und ein spezielles Abfallmanagement mit farbig gekennzeichneten Tonnen. Bei Bedarf kann ein leichter Unterdruck erzeugt werden, wodurch die Raumluft über den Boden abgesaugt wird, der aus einem begehbaren Gitter besteht. Den Abschluss dieser sehr gelungenen Konferenz bildete wiederum ein Aboriginal-Künstler. Sein Instrument war lediglich ein gum leaf (Eukalyptusblatt). Er hielt sich das Blatt vor die Lippen und versetzte es durch Luftstöße in Vibration. Die dadurch entstehenden Töne und Melodien hatten viele im Publikum so noch nie gehört und versetz ten uns alle in Begeisterung. Julia Ziegler ist Absolventin des Studiengangs Objektrestaurierung an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart; [email protected]. Foto: Matthias Kästner ICOM-CC – International Committee for Conservation Melbourne: Innenstadt-Gasse über und über mit Graffitis besprüht ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 | 41 UMSCHAU Ausbildungswege Ein Praxissemester und eine Tagung des Conservation Committee in Australien können das Studium sehr bereichern – ICOM Deutschland hat diese nicht ganz alltägliche Kombination von Theorie und Praxis unterstützt. Emily Müller Foto: Marika Kocsis Melbourne Restaurierungswerkstatt der State Library of Victoria, Melbourne: Gemeinsames Montieren von Plakaten Im Curriculum meines Studienganges ist auch ein Praxissemester vorgesehen. Ich hätte mir nicht vorstellen können, es in Australien zu verbringen. Tat sächlich erhielt ich die einzigartige Ge legenheit, von Anfang September bis Ende Dezember 2014 in drei austra lischen Institutionen den Arbeitsbe reich Papierrestaurierung kennen zulernen. Mit der Teilnahme an der Tagung des ICOM Conservation Com mittee im September 2014 in Mel bourne konnte ich meine Praxiserfah rungen sogar um weitere Einblicke in die Welt der Restaurierung ergänzen. Am 4. September 2014 erreichte ich Melbourne nachts bei 3 Grad Celsius. Mein erstes, einmonatiges, Praktikum absolvierte ich in der Papierrestaurie rung der State Library of Victoria. Dort befasste ich mich mit dem Mon tieren großformatiger Plakate, dem Ka schieren von Architekturplänen und der Restaurierung von Fotografien. Ich erlernte neue Methoden, diskutierte Ideen und erlebte vor allem auch die Mentalität der Australier. Besonderer Wert wurde darauf gelegt, sich eigen ständig mit neuen Materialien vertraut zu machen und eigene Techniken und Herangehensweisen zu entwickeln. Die dortigen Arbeitsmethoden unterschie den sich nicht sehr von den europä ischen – Australien ist näher und ver netzter mit Europa, als ich erwartet hatte. Den Kollegen der State Libary prä sentierte ich in einem Probelauf mei nen Kurzvortrag „Conservation Path ways in Germany“, den ich auf dem Student Network and Research Sym posium, einem Vorprogramm der Ta gung des ICOM Conservation Com mittee, halten durfte. Der Vortrag fand großes Interesse und es ergaben sich interessante Nachfragen zu Studien gängen und Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich Restaurierung. 42 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 Während meines Melbourne-Aufent haltes durfte ich bei einer Restaurie rungsstudentin leben. Viele internatio nale Studenten wurden von engagierten ICOM-Mitgliedern an Restaurierungs studenten der Universität Melbourne vermittelt. Dass aus einer Woche dann ein Monat wurde, zeigt, wie offen und hilfsbereit die Australier sind – und wie wichtig das Networking in unserem „kleinen“ Kreis der Restauratoren ist. Canberra Mein zweites Praktikum absolvierte ich für zwei Monate in Canberra – Unterkunft und Bekanntenkreis wur den mir diesmal von Freunden und Kollegen vermittelt, die ich auf der ICOM-Tagung kennengelernt hatte. Bis dato besaß ich nur Erfahrungen auf musealem Gebiet, durch meine Tätig keit in der Papierrestaurierung der Na tional Gallery of Australia erschloss ich mir nun ein neues Feld. Mit meiner Kollegin durfte ich selbstständig zwei Yao Scroll Paintings untersuchen und bearbeiten. Durch das Erlernen ver schiedener Techniken, so etwa den Fa ser-, Pigment- oder FTIR-Analysen, machte ich mich mit Scroll Paintings vertraut, die von den Yao-Völkern, ei ner Minderheitengruppe aus Nord vietnam und Umgebung, als rituelle Objekte bei Zeremonien verwendet Umschau Foto: David Iliff, License: CC-BY-SA 3.0 Panorama des La-Trobe-Lesesaals. Die State Library of Victoria in Melbourne wurde 1856 gegründet und ist die älteste öffentliche Bibliothek in Australien. Neben Büchern sammelt und präsentiert sie Fotos, Poster und Gemälde. Sydney wurden. Mittels FTIR-Analysen konn ten wir unsere Theorie belegen, dass es sich bei einem der sich auf dem Ob jekt befindlichen Flecken um Blut han delte. Aus der Literatur ist bekannt, dass bei Zeremonien oft Tieropfer dargebracht wurden. Diese schon bei nahe forensische Untersuchungsme thode stellte einen besonders span nenden Punkt meiner Analysen dar. Es war sehr lehrreich für mich, neben den großen Behandlungsschritten wie Kaschieren oder Wässern auch die Art der Ausführung, kleine Fertigkeiten, die bei jedem Restaurator verschieden sind, zu beobachten. Ferner durfte ich mich in den Bereich der präventiven Konservierung einar beiten, insbesondere ins Pest Manage ment. Aufgrund der hohen Tempera turen und des Klimas steigt generell die Wachstumsfähigkeit in Flora und Fau na. Einblicke in die für diese klima tischen Bedingungen entwickelten Qua rantäneprozesse waren einzigartig und sehr aufschlussreich für mich. In Sydney arbeitete ich für drei Wo chen in der Art Gallery of New South Wales. Meine dortigen Kolleginnen gaben mir die Möglichkeit, eine eige ne Testreihe zum Thema Lichtblei chen durchzuführen. Ich bearbeitete Zeichnungen und Druckgraphiken australischer Künstler wie Lloyd Rees, Will Dyson und John Olsen. Es war sehr interessant, das Wissen und die Fähigkeiten dieser Technik zu erlernen, auch wenn ich mit Bleichen generell vorsichtig umgehen würde. Fazit: Ich kann jedem empfehlen, sich auf das Abenteuer eines neuen Ar beitsumfeldes einzulassen. Durch die Praxiserfahrungen in den Kulturein richtungen und das Programm der Conservation-Committee-Tagung habe ich nicht nur viel Neues gelernt, sondern kann nun auch meine beruf lichen Ziele klarer definieren. Emily Müller studiert im fünften Semester Präventive Konservierung und Restaurierung von Schriftgut, Buch und Graphik an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim; [email protected]. ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 | 43 UMSCHAU Forschen für das Kulturerbe Kulturschätze zu bewahren, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die langfristiges Engagement erfordert. Auf der Veranstaltung „European Cultural Heritage Research and Innovation“ im September 2014 diskutierten Experten über Fragen zur Zukunft der Kulturerbe-Forschung in Zeiten begrenzter Fördermöglichkeiten. Brinda Sommer Die Veranstaltung der Berlin-Branden burgischen Akademie der Wissen schaften in Kooperation mit der bri tischen Botschaft in Berlin und der Fraunhofer-Gesellschaft nahm das Thema Kulturerbe-Forschung mit Prä sentationen aus Wissenschaft und Po litik, einer Podiumsdiskussion und einem Ausstellungsbereich aus ver schiedenen Perspektiven in den Blick. Johanna Leissner, Fraunhofer-Ge sellschaft, und Rudolf Strohmeier, Europäische Kommission, stellten Fördermöglichkeiten für Museen in Deutschland vor. Sie machten deutlich, dass im Bereich des materiellen Kul turerbes durch Forschung und Innova tion herausragende und wegweisende Leistungen erzielt werden konnten. Klaus Sedlbauer, Fraunhofer-Gesell schaft, verwies beispielhaft auf eine Software, die heute in mehr als neun zig Ländern für den Erhalt von Ge bäuden jeglicher Art genutzt wird, ur sprünglich aber durch den Bedarf der Konservierung von Gestein an histo rischen Bauten entstanden ist. Die Re ferenten betonten, dass Kooperationen zwischen Museen und Forschungsinsti tutionen auch künftig als äußerst pro duktiv und förderungswürdig einge schätzt werden. Fördermöglichkeiten Die Bundesrepublik und die Euro päische Union unterhalten diverse Förderprogramme für Museen, For schungs- und Kulturerbe-Einrichtun gen. So stärkt das BMBF z. B. mit dem Programm „Die Sprache der Ob jekte. Materielle Kultur im Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen“ die Perspektive auf die Materialität von Kultur und damit auch die Forschung in und mit Museen. Die Europäische Kommission startete 2014 das Pro gramm „Horizon 2020“. Mit rund achtzig Milliarden Euro Fördersumme ist es das größte seiner Art und führt alle forschungs- und innovationsrele vanten Förderungen der Europäischen Kommission zusammen. Für eine An tragstellung empfahl Rudolf Strohmeier interessierten Einrichtungen, in ihren Förderanträgen vor allem die Frage stellungen und Probleme darzulegen, die sie angehen möchten. Im Zentrum künftiger Förderungen sollten weniger einzelne Techniken oder Prozessen ste hen, sondern es sollen Strategien zur Lösung komplexer Probleme erarbei tet werden. Ausstellung Im Ausstellungsbereich waren Inno vationen auf dem Gebiet der 3D-Digi talisierung prominent vertreten, wobei die einzelnen Anbieter unterschied liche Schwerpunkte setzten, so etwa das Projekt Cult-Lab3D des FraunhoferInstituts Darmstadt. Es arbeitet mit Technologien zur Massendigitalisie rung unter Verwendung eines Fließ bandes besonders effizient. Eine beson ders kulturgutschonende Entwicklung zur Digitalisierung hochwertigster Objekte mittels eines Roboters prä sentierte die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin mit ihrem Pro jekt MOSYS3D. Das University Col lege London erforscht hingegen inno vative Möglichkeiten zur Nutzung der digitalisierten Inhalte für den Muse umsbesucher. Das Angebot umfasst virtuelle Realitäten, Touch-Technolo gien und diverse Applikationen für mo bile Endgeräte wie Smartphones oder Tablets die in und außerhalb des Mu seums genutzt werden können. Wäh rend einige Anbieter sich noch in der Forschungs- und Testphase befanden, war andere, wie das Cult-Lab3D be reits auf der Suche nach einem kom merziellen Anbieter. 44 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 Ein eigenes Digitalisierungsprojekt hat das Stadtmuseum Berlin mit dem 3D Lab der Technischen Universität Berlin realisiert, das ebenfalls mit seiner EFRE-finanzierten Forschung „3DTechnologien für Berliner Museen“ vertreten war. In diesem Rahmen wur den vier historische Stadtmodelle, die den Wandel des Berliner Stadtbilds do kumentieren, vom 3D-Labor des In stituts für Mathematik mit einem 3D-Streiflicht-Scanner erfasst: das mit telalterliche Berlin um 1450, die ba rocke Festungsstadt um 1688, Berlin in den Grenzen der Akzisemauer von 1750 sowie „Schinkels Berlin“ um 1830. Auf Basis der gewonnenen Da ten sollen virtuelle Modelle entstehen, die neue Wege für Forschung, Präsen tation und Vermittlung im Museum eröffnen. Podiumsdiskussion In der abschließenden Diskussion warb Ben Cowell, National Trust UK (Lon don), um mehr politische Unterstüt zung, die neben stabiler Finanzierung die unabdingbare Voraussetzung für eine Verankerung von Forschung und Innovation in der Gesellschaft sei. Die Bewahrung kulturellen Erbes wurde, auch aufgrund der genannten Innova tionspotentiale, als wichtige Quelle für zukünftigen wirtschaftlichen Er folg und gesellschaftliche Entwicklung formuliert. Brinda Sommer ist Vorstandsreferentin der Stiftung Stadtmuseum Berlin; [email protected]. Weitere Informationen: Horizon 2020: http://ec.europa.eu/programmes/horizon2020 Übersicht über europäische Förderprogramme: www.europa-foerdert-kultur.info UMSCHAU Museum International Von 1948 bis 2011 hat die UNESCO die Zeitschrift herausgegeben mit dem Ziel, Reflexion und Dialog über die Entwicklungen in der Museumswelt zu befördern. In dieser Tradition hat ICOM Ende 2014 seine erste Ausgabe vorgelegt. Unterdessen bereitet das neue Editorial Board die Weiterentwicklung vor. Rosmarie Beier-de Haan Die Fachzeitschrift Museum Inter national besteht seit 1948 und hat sich einen guten Ruf als wissenschaft liches Journal für Museumsfachleute und -mitarbeiter der unterschiedlichs ten Disziplinen etabliert. Im Laufe ihrer langen Karriere hat Museum International die Diskussionen in der Welt des Museums mitgestaltet; auf ihren Seiten fanden so wichtige Beiträge und Impulse ihre internationale Veröffent lichung. Wurde diese traditionsreiche, englischsprachige Zeitschrift (die viel leicht in den anglophonen Ländern noch deutlich bekannter ist als etwa in Deutschland) bislang von der UNESCO herausgegeben, ist sie seit 2013 unter dem Schirm von ICOM. Publiziert wird sie weiterhin in Partnerschaft mit dem international tätigen Wissen schaftsverlag Wiley. Mit dem Wechsel in der Herausge berschaft verbindet sich die allseitige Erwartung, dass Museum Internatio nal zukünftig noch näher an die aktu ellen Aufgaben und Herausforderungen in der internationalen Museumsge meinschaft rücken wird. ICOM will auf diese Weise – so der selbstformulierte Anspruch – in Wahrung und Fortset zung seiner seit langem bestehenden engen Kooperation mit der UNESCO das etablierte Konzept der Zeitschrift fortführen, die Teilhabe an Wissen durch interdisziplinäre Forschung und Vermittlung zu befördern und Bestpractice-Beispiele zu geben für den Er halt und den Schutz kulturellen Erbes in einer sich schnell wandelnden Welt. Solcherart soll Museum International auch weiterhin den Dialog zwischen den vielfältigen Einrichtungen der Mu seumswelt und des kulturellen Erbes befördern. Sie wird von ICOM auch zukünftig explizit als wissenschaftli che Zeitschrift verstanden, die sich in diesem Profil deutlich etwa von den ICOM News unterscheidet, bei denen Information und Kommunikation im Zentrum stehen. Editorial Board hat seine Arbeit aufgenommen Unter der Leitung der ICOM-Gene raldirektorin Anne-Catherine RobertHauglustaine hat sich in Paris ein ei gener Stab gebildet, der mit Redaktion und Edition der Zeitschrift befasst ist. Zudem wurde eigens ein international besetztes Editorial Board einberufen, dessen Aufgabe die Sicherstellung von Profil, Qualität und Professionalität der Zeitschrift ist. Dieses Editorial Board wurde vom ICOM Executive Council für drei Jahre bestätigt. Tereza Scheiner, Vizepräsidentin von ICOM, wurde von ICOM-Präsident HansMartin Hinz mit dem Amt des Editorin-Chief betraut. Unter ihrer Leitung und flankiert vom ICOM-Präsidenten traf sich das neuberufene Editorial Board am 10. Oktober 2014 zu seiner konstituierenden Sitzung in Paris. Dem Board gehören insgesamt 14 Kolle ginnen und Kollegen aus ebenso vielen Ländern an. Sie arbeiten kuratierend oder leitend in Museen beziehungs weise in Feldern des kulturellen Erbes oder sind an Universitäten tätig. Im Einzelnen gehören dem Board an: La ishun An, Beijing; Rosmarie Beier-de Haan, Berlin; Marie-Paule Jungblut, Basel; Richard Kurin, Washington; François Mairesse, Paris; Christian Manhart, Kathmandu; Léontine Meijervan Mensch, Berlin/Amsterdam; Eiji Mizushima, Tsukuba; Lourdes Monges Santos, Mexiko City; Richard Sandell, Leicester; Tereza Scheiner, Rio de Janeiro; Samuel Sidibé, Bamako; Tomislav Šola, Dubrovnik. Museum International wird sich auch in Zukunft pro Ausgabe einer speziellen Fragestellung widmen und diese auf wissenschaftlichem Niveau und aus unterschiedlichen Perspek tiven erörtern. Zu den Themen, die kurz- und mittelfristig von besonderer Relevanz sein dürften, zählen Muse umsethik und die Frage nach dem Stel lenwert von Sammlungen ebenso wie Fragen von Bildung und Vermittlung, Richtlinien in der Ausbildung und der Umgang mit den neuen Medien. Bereits im Herbst 2014 erschien un ter der Leitung von ICOM das Themen heft „Achievements and Challenges in the Brazilian Museum Landscape“ zur aktuellen Situation in der brasi lianischen Museumslandschaft. Im Mai 2015 wird die Ausgabe zum The ma des Museumstages 2014 „Muse um Collections Make Connections“ erscheinen. Professor Dr. Rosmarie Beier-de Haan ist Leiterin der Abteilung Alltagskultur I des Deutschen Historischen Museums; [email protected]. Weitere Informationen: ICOM-Mitglieder haben freien Zugang über ICOMMUNITY: http://icommunity.icom.museum/en/ content/museum-international. ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 | 45 Umschau 70 Jahre UNESCO Kulturarbeit über Grenzen hinweg ist die wichtigste Aufgabe der UNESCO. ICOM Deutschland fühlt sich ihr in diesem Sinne eng verbunden – insbesondere auch im Jubiläumsjahr, wenn das Welterbekomitee in Deutschland tagt. Hartwig Lüdtke Im Herbst 1945 wurde die UNESCO als neue Institution ins Leben gerufen, der sich alsbald viele Staaten anschlos sen; in diesem Jahr begeht sie ihr sieb zigjähriges Jubiläum, und es sind mehr als 190 Länder als Vertragsstaaten dabei. Das Gründungsjahr zeigt, wie sehr in dieser Initiative das Bemühen zum Ausdruck kommt, angesichts der gerade erlebten Katastrophe zweier Weltkriege etwas Neues, Bindendes entgegensetzen zu wollen. Getrieben von dem Gedanken, den kulturellen Austausch und Dialog über Länder grenzen hinweg als einen Weg zum gegenseitigen Verständnis aufzufassen, spiegelt sich darin das Bemühen um die Schaffung und Bewahrung des Friedens zwischen den Staaten. Diese auf den Erhalt des Friedens gerichtete Leitidee hat auch heute, siebzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, nichts an Relevanz verloren. Die UNESCO definierte für ihre praktische Arbeit vier Tätigkeitsbe reiche, in denen einzelne Programme zwischen den beteiligten Ländern ins Werk gesetzt werden sollten: Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommu nikation. Auf jedem dieser Gebiete wurden im Verlaufe der Jahre Arbeits programme und zum Teil auch Kon ventionen erarbeitet und von den Vertragsstaaten beschlossen. Ein we sentliches Merkmal dieser Konven tionen ist es, dass sie erst nach Ratifi zierung durch eine jeweils definierte Anzahl von Staaten in Kraft gesetzt werden und dass es dementsprechend auch jedem einzelnen Land freisteht, einer Konvention beizutreten oder dies nicht zu tun. Insofern ist die Arbeit der UNESCO geprägt von einem gewisser maßen einladenden Charakter, der viele Optionen für die Teilnahme bietet. Um die Anliegen der UNESCO in den einzelnen Staaten bekanntzuma chen, zu unterstützen und auch um die politisch Verantwortlichen fachlich zu beraten, wurden in zahlreichen Län dern national tätige UNESCO-Kom missionen eingerichtet. Die Deutsche UNESCO-Kommission (DUK) besteht heute aus rund einhundert Mitglie dern, von denen etwa die Hälfte aus Institutionen besteht, die auf einem UNESCO-relevanten Gebiet tätig sind, während sich die andere Hälfte der Kommissionsmitglieder aus gewählten Personen zusammensetzt. Ein haupt amtlich besetztes Sekretariat unter stützt und begleitet die Arbeit dieser Kommission, ist zudem aber auch ei genständig mit verschiedenen Projek ten befasst. Als eine Mittlerorganisa tion der auswärtigen Kulturpolitik wird die Deutsche U NESCO-Kom mission durch das Auswärtige Amt finanziell getragen. Die in der Öffentlichkeit besonders stark wahrgenommenen Aktivitäten der UNESCO sind das Welterbepro gramm, mit Kulturerbe- und Natur erbestätten, das Programm „Memory of the World“ und das Register des Immateriellen kulturellen Erbes. Für alle drei Programmlinien gilt, dass je weils eigene Gremien über die Aufnah me von Vorschlägen entscheiden. Für die Welterbeliste sind in diesem Jahr rund vierzig Stätten aus allen Weltre gionen nominiert, Deutschland hat die Speicherstadt in Hamburg und das Kontorhausviertel mit dem Chilehaus, den Naumburger Dom und die hoch mittelalterliche Herrschaftslandschaft an Saale und Unstrut nominiert. Auf ihrer 39. Sitzung vom 28. Juni bis 8. Juli 2015 in Bonn wird sich die Welterbe kommission dazu beraten. Es geht bei der konkreten Arbeit je doch nicht nur um die „schönen Seiten“ des kulturellen Erbes – die UNESCO greift auch problematische Aspekte auf: Bereits 1970 wurde die Konven tion gegen den illegalen Handel von Kulturgütern beschlossen; dabei wur de nicht verkannt, dass der Beschluss einer Konvention allein den Raub so wie die illegale Ausfuhr beziehungs 46 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015 weise Einfuhr wertvoller Kulturgüter noch nicht verhindert. Sehr wohl aber kommt einer derartigen Konvention auch der Charakter eines Appells zu, wodurch auf problematische Entwick lungen deutlich hingewiesen werden kann. Die Plünderung von archäolo gischen Stätten in den aktuellen Kri sengebieten stellt in dieser Hinsicht eine besonders dramatische Entwick lung dar. Auch die UNESCO kann le diglich verstärkt öffentlich auf diese Problematik hinweisen und sich be mühen, die politisch Verantwortlichen zu den notwendigen Handlungsschrit ten zu veranlassen und beispielsweise dafür zu sorgen, dass andere Länder – so auch Deutschland – nicht als Markt plätze beziehungsweise Abnehmer dies er Güter funktionieren und den Handel auf diese Weise auch noch be fördern. ICOM Deutschland ist seit vielen Jah ren Mitglied der Deutschen UNESCOKommission, und Museumsarbeit ist in vielfacher Hinsicht mit den Themen der UNESCO verbunden, denn gera de die Museen engagieren sich im Be reich der Bildungspolitik ebenso wie im Bereich wissenschaftlicher Forschung. Vor allem aber ermöglichen sie Ein blicke in andere Epochen und Regio nen dieser Welt; gerade auf diese Wei se wecken Museen ein Verständnis für das jeweils Andere und für eine Mul tiperspektivität. So können sie – ganz im Sinne der Leitidee der UNESCO – zu einem friedlichen Miteinander bei tragen. Professor Dr. Hartwig Lüdtke, Direktor des Technoseum in Mannheim, ist seit Oktober 2014 Vizepräsident der Deutschen UNESCOKommission. [email protected] UMSCHAU Waentig, Friederike u. a.: Präventive Konservierung Ein Leitfaden. Berlin: ICOM Deutschland. 2014. Beiträge zur Museologie, Band 5. Das Natur- und Kulturerbe zu be wahren, ist eine Kernaufgabe der Museen. Die Präventive Konservie rung dient dem langfristigen Erhalt und der Pflege von Sammlungsgut. Ziel ist es, schädigende Einflüsse bereits im Vorfeld zu erkennen und zu vermeiden oder sie zu reduzieren. Der vorliegende Leitfaden zur Präventiven Konservie rung zeigt Möglichkeiten auf, potentielle Gefahren für Sammlungen zu identifizieren, Gefährdungen zu erkennen und die Erhaltungsbedingungen durch einfache Schritte be reits nachhaltig zu verbessern. Er formuliert Standards und bietet Empfehlungen für die tägliche Museumsarbeit. Er richtet sich daher an all jene, die in einem Museum un mittelbare Verantwortung für eine Sammlung tragen oder durch ihre tägliche Arbeit die Rahmenbedingungen für de ren Erhaltung mit bestimmen. Der Leitfaden (Gewicht: 195 g, Maße: 15 × 21 cm) kann in der Geschäftsstelle von ICOM Deutschland kostenlos gegen Einsendung eines ausreichend frankierten und adressierten Rückumschlags bestellt werden. Museen, Migration und kulturelle Vielfalt Handreichungen für die Museumsarbeit. Hrsg. vom Deutschem Museumsbund e. V. Berlin 2015. Kulturelle Vielfalt als Leitthema sowie die Herausforderung, Muse umsarbeit für eine plurale Gesell schaft zu leisten, erfordern neue Sichtweisen und Narrative. Empfehlungen, wie diese im kon kreten Zusammenhang mit den Kernaufgaben Sammeln, Bewahren, Erforschen, Ausstellen und Vermitteln aussehen können, sind in diesem Leitfaden zusammengestellt. Dabei werden gleichermaßen kleinere Maßnahmen beschrieben, die mit überschaubarem Aufwand umzusetzen sind, wie auch umfassende Veränderungen, die das gesamte Haus betreffen und langfristiger Prozesse bedürfen. Das Aufga benspektrum unterscheidet sich je nach Möglichkeiten und Zielsetzungen der einzelnen Häuser. Darüber hinaus werden auch Aspekte thematisiert, die für Träger oder Förderer von Museen ebenso von Bedeutung sind wie für politisch Ver antwortliche oder für Kulturinteressierte. Entsprechend der Struktur der „Bunten Reihe“ der Leitfäden und Handrei chungen des Deutschen Museumsbundes handelt es sich auch bei diesem Leitfaden um eine praktische Unterstüt zung für alle, die in, für und zusammen mit den Museen arbeiten. Download oder Bestellung: www.museumsbund.de/de/publikationen/leitfaeden bitte abtrennen Bestellung | Hiermit bestelle ich folgende Publikationen von ICOM Deutschland aus der Liste der lieferbaren Schriften: Stk. Waentig, Friederike u. a.: Präventive Konservierung. Ein Leitfaden. Berlin: ICOM Deutschland. 2014. 96 Seiten (Beiträge zur Museologie, Bd. 5). ISBN 978-3-00-046939-8. (Gratis) Stk. Zur Ethik des Bewahrens. Tagungsband der Jahrestagung von ICOM Deutschland 2013. Hrsg. von ICOM Deutschland. 2014. 148 Seiten (Beiträge zur Museologie, Bd. 4). ISBN 978-3-00-045736-4, 15,00 €* Stk. 60 Jahre ICOM Deutschland. Ein Rückblick auf die deutsch-deutsche Geschichte von ICOM Deutschland 1953 bis 2013. Hrsg. von ICOM Deutschland. 2013. 56 Seiten. (Gratis) Stk. Die Ethik des Sammelns. Tagungsband der Jahrestagung von ICOM Deutschland 2010. Hrsg. von ICOM Deutschland. 2011. 176 Seiten (Beiträge zur Museologie, Bd. 3). ISBN 978-3-00-034461-9, 15,00 €* Stk. Museen und Denkmäler – Historisches Erbe und Kulturtourismus. Tagungsband des Internationalen Bodensee-Symposiums 2009. Hrsg. von ICOM Deutschland. 2010. 176 Seiten (Beiträge zur Museologie, Bd. 2). ISBN 978-3-00-028961-3, 15,00 €** Stk. Definition des CIDOC Conceptual Reference Model. Hrsg. und übersetzt aus dem Engl. von K.-H. Lampe, S. Krause, M. Doerr. 2010. 208 Seiten (Beiträge zur Museologie, Bd. 1). ISBN 978-3-00-030907-6, 10,00 € Stk. Ethische Richtlinien für Museen von ICOM. Hrsg. von ICOM Schweiz, ICOM Deutschland und ICOM Österreich. Dt. Fassung. 2., überarb. Aufl. 2010. 32 Seiten. ISBN 978-3-9523484-5-1, 4,00 € Stk. Wissenschaftskommunikation – Perspektiven der Ausbildung – Lernen im Museum. Hrsg. von ICOM Deutschland, ICOM Frankreich und Deutsches Technikmuseum. 2009. 166 Seiten. ISBN 978-3-631-58095-0, 15,00 €* Stk. Das Museum als Global Village. Versuch einer Standortbestimmung am Beginn des 21. Jahrhunderts. Internationales Symposium am Bodensee 2000. Hrsg. von Hans-Martin Hinz. 2001. 162 Seiten. ISBN 3-631-37692-8, 15,00 € Stk. Museen unter Rentabilitätsdruck. Engpässe – Sackgassen – Auswege. Bericht zum internationalen Symposium am Bodensee 1997. Hrsg. von Hans-Albert Treff. 1998. 279 Seiten. ISBN 3-00-002395-X, 20,00 € Stk. Reif für das Museum? Ausbildung – Fortbildung – Einbildung. Bericht zum internationalen Symposium am Bodensee 1994. Hrsg. von Hans-Albert Treff. 1995. 258 Seiten. ISBN 3-87023-050-9, 10,00 € Stk. Museum und Denkmalpflege. Bericht über das internationale Symposium am Bodensee 1991. Hrsg. von Hermann Auer. 1992. 257 Seiten. ISBN 3-598-11107-X, 12,00 € Alle Preise verstehen sich zuzüglich Versandkosten. Eine Mehrwertsteuer wird nicht erhoben. * 10,00 € für Mitglieder von ICOM und für Tagungsteilnehmer ; **10,00 € für Mitglieder von ICOM und ICOMOS sowie für Tagungsteilnehmer Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2015 17. Mai 2015 Internationaler Museumstag Museum. Gesellschaft. Zukunft. www.museumstag.de network.icom.museum/internationalmuseum-day 18. bis 20. Juni 2015, St. Gallen, Schweiz Internationales Bodensee-Symposium der ICOM-Nationalkomitees von Deutschland, Österreich und der Schweiz und Mitgliederversammlung von ICOM Deutschland Das Museum für alle – Imperativ oder Illusion? www.icom-deutschland.de www.museums.ch/bildung/ tagungen/bodensee-symposium.html 2016 8. bis 11. November 2015, Mün chen, Flossenbürg Jahrestagung von IC MEMO Form – Architecture – Memory network.icom.museum/icmemo 18. bis 20. November 2015, Köln EXPONATEC COLOGNE Internationale Fachmesse für Museen, Konservierung und Kulturerbe ICOM Deutschland wird mit einem eigenen Stand auf der Messe ver treten sein. ICOM-Mitglieder haben freien Eintritt. www.exponatec.de 1. bis 4. September 2015, München Jahrestagung von CIPEG From Historism to the Multimedia Age Content – Concept – Design of Egyptian Museums and Collections cipeg.icom.museum/ 22. Mai 2016 Internationaler Museumstag Museums and Cultural Landscapes Die deutsche Übersetzung des Mottos wird demnächst bekannt gegeben. www.museumstag.de network.icom.museum/internationalmuseum-day 3. bis 9. Juli 2016, Mailand, Italien 24. Generalkonferenz von ICOM Museums and Cultural Landscapes www.milano2016.icom.museum Aktuelle Termine der Tagungen der internationalen Komitees: icom.museum/calendar.html bitte abtrennen Bitte im ausreichend frankierten Umschlag einsenden. Oder Bestellung von Newsletter oder Publikationen an: [email protected] bzw. per Fax an: +49 30 69504526 hier falzen Bitte senden Sie mir die Publikationen und die Rechnung an folgende Adresse: Vorname Name Institution Straße, Nr. PLZ, Ort ICOM Deutschland e. V. In der Halde 1 14195 Berlin Datum Unterschrift Ich bin Mitglied von ICOM Deutschland und möchte den ICOM-Newsletter per E-Mail an folgende Adresse erhalten: E-Mail Unersetzliche Sammlungen sachgerecht aufbewahren mit innovativen, platzsparenden Lösungen 0ÓFKWHQDXFK6LHHLQH/ÓVXQJƂQGHQGLHGLHLQGLYLGXHOOHQ$QIRUGHUXQJHQ,KUHU6DPPOXQJGHU Besucher und der Umgebungsdynamik erfüllt? Entdecken Sie die verschiedenen Möglichkeiten für den Erhalt und Schutz verschiedenster Objekte und Kollektionen auf: www.bruynzeel-storage.com/museumsdepot Aktuelle Informationen finden Sie unter www.icom-deutschland.de Informationen über den Weltverband, seine Komitees und Projekte können Sie aufrufen unter www.icom.museum ICOM Deutschland e. V. In der Halde 1 · 14195 Berlin Telefon +49 30 69504525 Fax +49 30 69504526 [email protected] · www.icom-deutschland.de Gefördert durch
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