ICOM Deutschland Mitteilungen 2015

ICOM Deutschland
Mitteilungen 2015
ISSN 1865-6749 | Heft 37 (22. Jahrgang)
Kulturgüterschutz
ICOM Deutschland bezieht Stellung
Das Museum für alle
Wenn Grundrecht auf Ressourcenknappheit trifft
Syrien und Irak
ICOM ächtet „kulturelle Säuberungen“ des IS
Vorstand
Präsident:
Dr. Michael Henker, [email protected]
Vorstandsmitglieder:
Dr. Matthias Henkel, [email protected]
Katrin Hieke, [email protected]
Dr. Franziska Nentwig (bis 31.12.2014)
Dr. Gabriele Pieke, [email protected]
Prof. Dr. Beate Reifenscheid-Ronnisch,
[email protected]
Prof. Dr. Friederike Waentig, [email protected]
Impressum
Herausgeber: Dr. Michael Henker, Johanna Westphal M. A.
Geschäftsstelle ICOM Deutschland e. V.:
Johanna Westphal M. A.
Beate von Törne M. A.
Juliana Ullmann M. A.
In der Halde 1
14195 Berlin
Tel.: +49 30 69504525
Fax: +49 30 69504526
[email protected]
www.icom-deutschland.de
Redaktion: Anke Ziemer
Gestaltung: Claudia Bachmann, Berlin, www.besseresdesign.de
Druck: Oktoberdruck AG
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Bildrechten, die wir nicht ermitteln konnten, bitten wir um Kontaktaufnahme.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge entsprechen nicht
un­bedingt der Meinung der Redaktion oder der Herausgeber.
Großes Titelfoto: Innenansicht der Kathedrale Peter und Paul
in Sankt Petersburg, ICOM Russland
Kleine Fotos v.l.o.n.r.u.: K. Bostelmann, Landesamt für Archäologie
Sachsen; flickr.com, Luka Hvalc; Historisches und Völkerkundemuseum St. Gallen; Matthias Kästner; David Iliff, License: CC-BY-SA 3.0;
Gerhard Winter; ICOM Deutschland; Tuulia Tuomi; Historisches und
Völkerkundemuseum St. Gallen; Mark Ahsmann, License: CC-BY-­
SA 3.0
Heft 37 (22. Jahrgang)
Erscheinungsweise: seit 2004 einmal im Jahr
Auflage: 6.500
Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung
für Kultur und Medien
Berlin, Mai 2015
ISSN 1865-6749
Editorial
Foto: Garage Museum of Contemporary Art, Moskau
Wie nicht anders zu erwarten, war die internationale Tagung
„Museen und Politik“, die wir nach fast zweijähriger Vor­
bereitung gemeinsam mit ICOM Russland und ICOM USA
vom 9. bis 12. September 2014 in Sankt Petersburg und mit
einer Anschlusstagung vom 13. bis 14. September zum The­
ma „Industrial Heritage and Regional Aspects of Museum
Developement“ in Jekaterinburg und Umgebung abgehal­
ten haben, ein Schwerpunkt der Tätigkeit für Präsident,
Vorstand und Geschäftsstelle von ICOM Deutschland im
Jahr 2014. Das vielfältige und qualitätsvolle Themenspek­
trum, das in den Plenarsitzungen und den thematischen Sek­
tionen von einem zahlreichen, internationalen Publikum
vorgestellt und diskutiert wurde, das anregende Begleitpro­
gramm, das Ambiente der Veranstaltungsorte, die Begeg­
nungen mit alten und neuen Kolleginnen und Freunden,
machten die Tagung zu einem echten Erfolg.
Davon konnte man angesichts der schwierigen politischen
Entwicklungen vor und während der Tagung nicht unbe­
dingt ausgehen. Im Rückblick dürfen wir uns in unserem
Festhalten an der Planung auch gegenüber kritischen Äu­
ßerungen, die wir ernst genommen, diskutiert und gewür­
digt haben, bestätigt fühlen. Wir haben gerade angesichts
der internationalen Aspekte der Arbeit von ICOM durch
die Tagung den wissenschaftlichen und professionellen Aus­
tausch aufrechterhalten und seine Fortsetzung ermöglicht.
Mein besonderer Dank gilt allen deutschen ICOM-Mitglie­
dern, die – als nach den russischen Kolleginnen größte Grup­
pe – durch ihre Teilnahme an der Tagung uns in unserer
Haltung bestärkt und unterstützt haben. Herzlich danken
wir auch unseren Kooperationspartnern von ICOM Russ­
land, der Staatlichen Eremitage in Sankt Petersburg, den
Museen in Jekaterinburg und den jeweils zuständigen Ver­
waltungen, die die Hauptlast der Organisation zu tragen
hatten und dies auf eine Weise bewältigt haben, die für eine
angenehme, gleichwohl hoch professionelle Atmosphäre ge­
sorgt und aus Teilnehmern und Besuchern Freunde gemacht
hat. Die ganze Rubrik Rückblick des diesjährigen Heftes
ist der Tagung, in deren Rahmen ja gleichzeitig unsere Mit­
gliederversammlung stattfand, gewidmet. Am besonderen
Ertrag – nämlich der Veröffentlichung der Tagungsbeiträ­
ge als E-Publikation – arbeiten wir noch. Auch dabei laufen
die Fäden bei Afanasi Gnedowski, dem Geschäftsführer
von ICOM Russland, in Moskau zusammen.
Hatten wir die Politik schon im Titel der letztjährigen Ta­
gung, so war und ist unsere Arbeit auch im weiteren Ver­
lauf sehr stark auf die politischen und spezifisch kulturpo­
litischen Entwicklungen in Deutschland, Europa und den
aktuellen Krisenherden ausgerichtet. Hinsichtlich des ge­
nerellen Themas Sicherung und Wahrung des kulturellen
Erbes und speziell zum Kulturgutschutz geht die Arbeit
schrittweise voran. Dazu, ebenso wie zu der durch die Ver­
käufe von Warhol-Arbeiten heiß diskutierten Frage nach
dem Umgang mit Kulturgut in öffentlichem Besitz, ist
ICOM Deutschland um Rat gefragt worden. Wir haben Stel­
lungnahmen und Gutachten dazu verfasst und sind seitens
der Bundesregierung als Ansprechpartner in die entspre­
chenden Vorhaben eingebunden.
Zusammen mit ICOM Schweiz und ICOM Österreich
arbeiten wir seit Juni 2014 an der Vorbereitung des Boden­
see-Symposiums, zu dem uns ICOM Schweiz ja mit einem
interessanten Programmangebot zu einem hochaktuellen
Thema vom 18. bis 20. Juni nach St. Gallen einlädt. Auch
diesmal findet unsere Mitgliederversammlung im Rahmen
dieser Tagung statt, so dass wir auch deshalb auf Ihre zahl­
reiche Teilnahme hoffen.
Erneut hinweisen darf ich auf unseren als Band 5 in der
Reihe „Beiträge zur Museologie“ erschienenen Leitfaden
Präventive Konservierung, der Ihnen zugesandt und von
Fachkollegen im In- und Ausland positiv beurteilt und ger­
ne aufgenommen wurde. Als einen für ICOM Deutschland
naheliegenden Schwerpunkt meiner Arbeit habe ich seit
langem die Provenienzforschung genannt, und zwar im
weiteren Sinn des Begriffs, den ich nicht nur auf die For­
schung nach durch NS-Unrecht entfremdetes Kulturgut ein­
geschränkt sehe. Wir hatten daher die Zweckmäßigkeit, aber
auch die Möglichkeiten der schrittweisen Gründung eines
Internationalen Komitees zur Provenienzrecherche sondiert
und festgestellt, dass ein solcher Plan vielerorts als proble­
matisch angesehen wird, zudem kaum zeitnah umzusetzen
ist. Um Expertise, Kräfte und Mittel zu diesem Thema aber
optimal sowie zielführend zu gewinnen und einsetzen zu
können, planen wir die Erarbeitung und Herausgabe eines
Leitfadens Provenienzrecherche. Eine solche Publikation
wird ein allerseits als großes Desiderat angesehenes Hilfs­
mittel für die vielschichtige Arbeit auf diesem weiten The­
mengebiet endlich bieten.
Auch bei der Erfüllung dieser Aufgabe, wie insgesamt der
Arbeit von ICOM Deutschland, hoffe ich auf Ihre Unter­
stützung. Ich wünsche eine anregende Lektüre der Mitteilungen.
Ihr
Michael Henker
Präsident ICOM Deutschland
Foto: Toffel, cc by-sa 3.0
Foto: ICOM Deutschland
Inhalt
Aktuelles
Internationale Komitees
Museen und Gesetzgebung
ICOM Deutschland bezieht Stellung zum Schutz
von Kulturgut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Kulturgutschutz in Irak und Syrien
UNESCO und ICOM leisten Hilfe gegen
„kulturelle Säuberungen“ des IS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Wann wird Blue Shield Deutschland gegründet?
Gastbeitrag von Birte Brugmann und Rolf Gundlach . . . . . . . . . . . . 8
Tagungsberichte
38. Internationaler Museumstag 2015
Museums for a Sustainable Society. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Das Museum für alle – Imperativ oder Illusion?
Einladung zum Bodensee-Symposium und
zur Mitgliederversammlung 2015. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Access and Understanding – Networking in the Digital Era
CIDOC – International Committee for Documentation. . . . . . . . . 29
Archaeological Sources and Resources
in the Context of Museums
CIPEG – International Committee for Egyptology. . . . . . . . . . . . . . . 30
Rückblick
Collecting and Collections in Times of War or Political
and Social Change
COMCOL – International Committee for Collecting. . . . . . . . . . . . . 31
Museum Macht Politik Macht Museum
Höhepunkte der gemeinsamen Tagung von ICOM Russland,
ICOM USA und ICOM Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Rumänien – traditionelle Glasikonen und modernes Glas
GLASS – International Committee for Museums and
Collections of Glass. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
Protokoll der Mitgliederversammlung 2014. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Involving New Museums, New Partners and
New Incentives in Exhibition Making and Exchange
ICEE – International Committee for Exhibition Exchanges. . . . . . 33
Museums and Innovations
ICME – International Committee for Museums
of Ethnography. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
Memory and Learning in a Changing World
IC MEMO – International Committee of Memorial Museums
in Remembrance of the Victims of Public Crimes. . . . . . . . . . . . . . . 36
2 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
Foto: David Iliff, License: CC-BY-SA 3.0
Foto: Christine Müller-Radloff
Umschau
Implementing and Maintaining Security and Safety
at Cultural Institutions
ICMS – International Committee for Museum Security. . . . . . . . . . 37
Military History Museums: Contemporary History
and Social Relevance
ICOMAM – International Committee of Museums
of Arms and Military History . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
Museum Collections Make Connections
ICR – International Committee for Regional Museums. . . . . . . . . . 39
Building Strong Culture through Conservation
ICOM-CC – International Committee for Conservation. . . . . . . . . . 40
Ausbildungswege
Ein Praxissemester in Australien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
Forschen für das Kulturerbe
Kulturerbe-Forschung in Zeiten begrenzter
Fördermöglichkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
Museum International
ICOM hat die Herausgeberschaft übernommen . . . . . . . . . . . . . . . 45
70 Jahre UNESCO
Rückblick und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
Publikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
Veranstaltungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
|3
AK Tuelles
Museen und Gesetzgebung
Die überarbeitete PSI-Richtlinie soll in nationales Gesetz umgewandelt und das
deutsche Kulturgüterschutzgesetz soll novelliert werden. ICOM Deutschland bezieht Position, damit die Vorhaben nicht durch wirtschaftliche Gewinninteressen
bestimmt, sondern Kulturgut geschützt und Museen in ihrer Autonomie gesichert
werden. Ein Zwischenbericht.
Gabriele Pieke
Als die internationale Organisation für Museen und Mu­
seumsfachleute ist ICOM nicht nur dem Erhalt, der Pflege
und der Vermittlung des kulturellen und natürlichen Welt­
erbes verpflichtet, sondern möchte auch einen grund­le­gen­
den Beitrag zum öffentlichen Kulturdialog leisten. Zu den
Zielen von ICOM gehört demzufolge auch die Teilnahme
an gesellschaftlichen Diskursen wie auch die Stärkung der
Position von Museen und Kulturgutschutz. ICOM ist in
seiner Funktion als Fachverband in zwei aktuellen Fällen
vom Bundesbeauftragen für Kultur und Medien (BKM) um
Stellungnahme angefragt worden.
1. PSI-Richtlinie der Europäischen Union und
nationale Gesetzesnovellierungen
Seit 2003 besteht für die Europäische Union eine PublicSector-Information-Richtlinie (PSI), die eine Weiterverwer­
tung von Informationen des öffentlichen Sektors regelt.
Daran knüpft die bis dato in Deutschland rechtsverbind­
liche Grundlage, ein 2006 in Kraft getretenes Gesetz über
die Weiterverwendung von Informationen öffentli­cher Stel­
len, das lnformationsweiterverwendungsgesetz (IWG), an.
Im Juni 2013 wurde eine Revision der PSI-Richtlinie von
der Europäischen Union verabschiedet und den Mitglieder­
staaten eine Zweijahresfrist gewährt, um ihre nationalen
Gesetzgebungen entsprechend anzupassen. Erklärte Ziel­
setzung der Novellierung ist die unentgeltliche Zurver­
fügungstellung von im öffentlichen Sektor erarbeiteten
In­for­mationen, dies unter vornehmlich ökonomischen be­
ziehungsweise gewinnorientierten Aspekten:
„It encourages the Member States to make as much information available for re-use as possible. It addresses
4 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
material held by public sector bodies in the Member
States, at national, regional and local levels, such as ministries, state agencies, municipalities, as well as organisations funded for the most part by or under the control of public authorities (e. g. meteorological institutes).
The Directive covers written texts, databases, audio files
and film fragments; it does not apply to the educational,
scientific, broadcasting and cultural sectors.“1
Mit dieser, auf wirtschaftliche Gewinninteressen ausge­
richteten Fokussierung stellt die EU-Richtlinie eine essen­
tielle Bedrohung für die Autonomie von Museen mit all
ihren wissenschaftlichen Arbeitsleistungen und Erkennt­
nissen zu Sammlungsbeständen dar. Urheberrechtsfragen
sind ein ausgesprochen komplexes und für Museumsmitar­
beiter immer wieder herausforderndes Thema, das durch
die neue Richtlinie an Brisanz gewinnt. Vor dem Hinter­
grund einer zunehmenden Aufweichung des Schutzes von
geistigem Eigentum versucht ICOM derzeit, seine Position
in der World Intellectual Property Organisation (WIPO) zu
stärken, um die in Museen und Sammlungen erarbeiteten
Leistungen stärker schützen zu können. Insbesondere der
EU gilt es hier entgegenzuhalten, da sie keineswegs als Be­
fürworter von intellectural property auftritt, sondern –
befeuert von zahlreichen Interessen der Wirtschaft – eine
weitgehende Freigabe jeglichen Urheberrechts anstrebt. So
sind die vornehmlichen Beweggründe für die Novellierung
der PSI-Richtlinie und für eine Open-Data-Politik folgen­
der Passage zu entnehmen:
1 European legislation on reuse of public sector information. http://ec.europa.
eu/digital-agenda/en/european-legislation-reuse-public-sector-information
[17.4.2015]
Foto: Deutsches Hygiene-Museum, Sandra Neuhaus
Ak tue lles
Deutsches Hygiene-Museum in Dresden, ständige Ausstellung: Öffentliche Museen erarbeiten und präsentieren Erkenntnisse zu ihren
Sammlungsbeständen – sie erbringen wissenschaftliche Leistungen. Über Eintrittspreise, Gebühren, Publikationen, Begleitveranstaltungen
und Erteilung von Nutzungsrechten erwirtschaften sie einen Teil ihres jährlichen Budgets. Wenn sie durch die PSI-Richtlinie gezwungen
werden, das erarbeitete Wissen kostenfrei an Dritte abzugeben, werden sie in ihrer Autonomie essentiell bedroht.
„Public Sector Information is one of the single largest
sources of information in Europe. Its estimated market
value is € 32 billion. The re-use of public data could
generate new business opportunities, jobs and open up
choices for consumers.“2
Die von der EU beabsichtigte Copyright-Freigabe im gro­
ßen Stil würde die bisherige Praxis der museumseigenen
Verwertung von genuin durch die Sammlungen erbrachten
wissenschaftlichen Informationsleistungen und Erkennt­
nissen zu Sammlungsobjekten, Dokumenten, Ausstellun­
gen etc. nicht mehr erlauben und damit essentielle Funda­
mente der Museumsarbeit zunichte machen. Hingegen
würden kommerzielle Anbieter zukünftig kostenlos auf
Informationen – und damit kulturelle Werte und Arbeits­
leistungen – von Museen des öffentlichen Sektors zugrei­
fen können und diese für eigenen, wirtschaftlichen Nut­
zen weiterverwerten können.
PSI: Teilerfolg für die Museen
Freigabe jeglicher Urheberrechtsansprüche verweist und mit
folgendem Résumé schließt:
„Aus Sicht von ICOM Deutschland muss es den Museen
selbst überlassen bleiben, welche Text- und Bildinformationen sie zum Zweck der Nutzung für Wissenschaft und
Bildung für eine kostenfreie Weiterverwendung allgemein
zugänglich machen, wobei die Maßgaben derjenigen zu
berücksichtigen sind, die die Erstellung solcher Daten
finanzieren.“3
Am 11. Februar 2015 ist die Änderung des Informations­
weiterverwendungsetzes (IWG) durch das Bundeskabinett
beschlossen worden und wird nun dem Parlament zur Ver­
abschiedung vorgelegt. Es erscheint durchaus erfreulich
für Museen, dass in diese Gesetzesvorlage ein neuer Un­
terparagraph eingearbeitet wurde, der ganz konkret ver­
schiedene Kulturträger anspricht: Paragraph 2a, Grund­
satz der Weiterverwendung:
Auf Anfrage des Beauftragten der Bundesrepublik für Kul­
tur und Medien hat ICOM Deutschland bereits 2012 eine
Stellungnahme zur Novellierung dieser Richtlinie verfasst,
die eindringlich auf die signifikanten Gefahren einer völligen
„Informationen, die in den Anwendungsbereich dieses
Gesetzes fallen, dürfen weiterverwendet werden. Für Informationen, an denen Bibliotheken, einschließlich Hochschulbibliotheken, Museen oder Archiven, Urheber- oder
verwandte Schutzrechte oder gewerbliche Schutzrechte
zustehen, gilt dies nur, soweit deren Nutzung nach den
2 Siehe Digital Agenda in the Europe 2020 Strategy: http://ec.europa.eu/digitalagenda/en/pillar-i-digital-single-market/action-3-open-public-data-resourcesre-use [12.3.2015]
3 Stellungnahme ICOM Deutschland vom 17. 1. 2012, S. 7. www.icom-deutsch
land.de/client /media /447/stellungnahme_icom _d_ zur_psirichtlinie.pdf
[17.4.2015]
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
|5
Ak tue lles
für diese Schutzrechte geltenden Vorschriften zulässig ist
oder die Einrichtung die Nutzung zugelassen hat; die Bedingungen der Nutzung müssen den Vorschriften dieses
Gesetzes entsprechen.“4
Dem Gesetzesentwurf ist zudem in Paragraph 5 (2.3) zu
entnehmen, dass Bibliotheken, Museen und Archive von
der Regelung ausgenommen sind, Entgelte für die Weiter­
verwendung von Informationen auf die Kosten zu beschrän­
ken, die durch die Reproduktion, Bereitstellung und Wei­
terverbreitung verursacht werden.
Einige der zentralen Einwände, vor allem die unkontrol­
lierte Freigabe aller erbrachten Leistungen von Museen und
Sammlungen, wurden somit von der Politik zunächst ein­
mal berücksichtigt, was ICOM mit großer Erleichterung
zur Kenntnis nimmt. Gemeinsam mit anderen Interessen­
vertretungen beabsichtigt ICOM Deutschland, seinen Mit­
gliedern nach der Verabschiedung des Gesetzes Informa­
tions­material zum Umgang mit dem veränderten Gesetz
bereitzustellen.
Einem aktuellen Bericht der Bundesregierung zufolge be­
dürfen das Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes
(KultgSchG), das auf das Jahr 1955 zurückgeht, sowie das
Kulturgüterrückgabegesetz (KultGüRückG) von 2007 einer
Überarbeitung und gleichzeitigen Anpassung an internatio­
nale und EU-Standards (siehe Mitteilungen 2013, S. 16).
Die angestrebte Novellierung der zentralen Gesetzgebung
für Kulturgutschutz in Deutschland soll gleichzeitig mit der
Umsetzung der Neufassung der EU-Richtlinie 93/7/EWG
zur Kulturgüterrückgabe im europäischen Binnenmarkt
verbunden werden. Nach der Verabschiedung der Richtlinie
2014/60/EU über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem
Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern
und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012
(Neufassung) im Mai 2014 haben die Mitgliedstaaten der
Europäischen Union achtzehn Monate Zeit, diese in natio­
nales Recht umzusetzen.
Das BKM hat Fachverbänden wie ICOM Deutschland
die Möglichkeit gegeben, schriftlich Stellung zu nehmen,
und in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass die Bundes­
regierung beabsichtigt, ein für den Kulturgutschutz kohä­
rentes Gesetz zu schaffen, um
„sowohl illegal ausgeführtes Kulturgut anderer Staaten
effektiv an diese zurückzugeben als auch deutsches Kulturgut besser vor Abwanderung ins Ausland zu schützen.“5
Der angestrebte Gesetzesentwurf soll gleichzeitig die EU- und
völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik aus
der EU-Richtlinie und UNESCO-Kulturgüterrück­gabeKonvention von 1970 berücksichtigen, die Regelun­gen des
Kulturgutschutzes vereinfachen und auch vereinheit­lichen.
4 Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Informationsweiterverwen­
dungsgesetzes, S. 4. w ww.bmwi.de/DE/Presse/pressemitteilungen,did=689688.
html [17.4. 2015]
5 Siehe auch Regierungspressekonferenz vom 20.10. 2014. www.bundesregie
rung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/10/2014-10-20-regpk.
html [17.4. 2015]
6 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
Foto: Philip Pikart, Wikimedia
2. Novellierung des Kulturgüterschutzgesetzes
Die Büste der Nofretete ist rechtmäßig nach Europa gekommen,
dennoch wurde sie von einzelnen Vertretern der ägyptischen Behörden in der Vergangenheit medienwirksam zurückgefordert. ICOM
Deutschland plädiert dafür, rückfordernden Parteien angemessene
Nachweise für die Berechtigung ihrer Forderungen abzuverlangen.
ICOM Deutschland unterstützt Novellierung
Im August 2014 hat ICOM Deutschland seine schriftliche
Stellungnahme abgegeben, in der diese Bestrebung grund­
sätzlich begrüßt wird. Ebenso befürwortet ICOM Deutsch­
land das Ziel, bestehende Schutzlücken zu schließen. Denn
derzeit fällt nur Kulturgut unter die Richtlinie, das als na­
tional wertvoll eingetragen ist. Zukünftig soll der Schutz an
Umfang gewinnen und auf öffentliche Sammlungen und
denkmalrechtlich geschützte Einrichtungen erweitert wer­
den. Die bisher erforderliche Eintragung als national wert­
voll würde künftig entbehrlich sein. In diesem Rahmen
soll auch die Verjährungsfrist des Rückgabeanspruches
für Kulturgut aus öffentlichen Sammlungen auf 75 Jahre
festgeschrieben werden. Dieses Ansinnen und eine damit
verbundene generelle Aufwertung von Museen und Samm­
lungen werden von ICOM ausdrücklich befürwortet.
Die Museumslandschaft beklagt eine zunehmende Ver­
schlechterung der finanziellen Ressourcen öffentlicher
Sammlungen, wie sie 2013 in der von ICOM verfassten
Lisbon Declaration to Support Culture and Museums to
Face the Global Crisis and Build the Future festgehalten
ist und auch im Kontext von Abwanderung und dem Schutz
von Kulturgut eine Rolle spielt. Museen und Sammlungen
der öffentlichen Hand verfügen meist nicht mehr über aus­
Ak tue lles
reichende Mittel zum Erwerb von hochrangigen Objekten,
was in Konsequenz bedeutet, dass wertvolle Kulturgüter
zunehmend in nicht öffentlich zugänglichen Privatsamm­
lungen „verschwinden“. Eine Novellierung des Kulturgut­
schutzgesetzes sollte daher auch die Bedeutung öffentlicher
Sammlungen für die Gesellschaft betonen und ihre Po­
sition stärken, indem die Kernaufgaben Sammeln, Bewah­
ren, Er­forschen, Ausstellen und Vermitteln gesetzlich ver­
ankert werden.
Die angedachte Zusammenführung verschiedener Ge­
setze ist ausdrücklich zu befürworten, da sie die rechtliche
Lage im Umgang mit Objekten überschaubarer gestaltet.
Im Kontext des weltweiten Schutzes von kulturellem Erbe
hat ICOM Deutschland darauf verwiesen, dass neben der
UNESCO-Konvention von 1970 die Einbeziehung anderer
zentraler Abkommen sinnvoll erscheint, so etwa: UNESCO
Convention concerning the Protection of the World Cultural and Natural Heritage (1972), ICOMOS Charter for
Archaeological Heritage Management (1990), UNIDROIT
Convention on the International Return of Stolen or Illegally Exported Cultural Objects (1995), UNESCO Convention on the Protection of the Underwater Cultural
Heritage (2001), UNESCO Declaration concerning the
Intentional Destruction of Cultural Heritage (2003).
Auch die Bewahrung und eine generelle Sorgfaltspflicht
im Umgang mit Kulturgut sollte gesetzlich besser verankert
werden. Hier sei vor allem auf die im Jahre 2000 verabschie­
dete Charta of Krakow on Principles of Conservation and
Restoration of Heritage hingewiesen. Da die Umsetzung
der UNESCO-Konvention von 1970 bis dato in weiten Tei­
len nicht praktikabel war, sollen durch die verbesserte Ge­
setzgebung die Ein- und Ausfuhrregelungen grundlegend
anders gehandhabt werden. So stellt das BKM fest:
„Notwendig ist eine Regelung, nach der Kulturgut, das
nach dem Inkrafttreten der Konvention für Deutschland
im Jahre 2008 unrechtmäßig aus einem anderen Vertrags­
staat der UNESCO-Konvention ausgeführt wurde, als
unrechtmäßig nach Deutschland eingeführt gilt. Dies
kann durch die Vorlage gültiger Ausfuhrgenehmigungen
oder sonstiger Belege für die rechtmäßige Ausfuhr nachgewiesen werden.“6
Zudem ist beabsichtigt, die Ausfuhr von Kulturgut aus
Deutschland zukünftig an EU-Standards anzupassen, wo­
bei bereits derzeit eine Genehmigungspflicht besteht (Ver­
ordnung (EG) 116/2009).
Die Novellierung des Gesetzes wird auch einzelne Be­
reiche des Leihverkehrs im Rahmen von Ausstellungen
betreffen. Bisher konnte auf Grundlage des Paragraphen 20
KultgSchG die für das jeweilige Museum zuständige Lan­
desbehörde eine rechtsverbindliche Rückgabezusage für aus
dem Ausland entliehenes Kulturgut ausstellen. Diese Zu­
sage wird zukünftig nur eingeschränkt möglich sein, da sich
hierfür bei den Verhandlungen über die neue Richtlinie
keine Mehrheit im EU-Parlament gefunden hat.
Rückgabeforderungen von Kulturgut betreffend plä­
diert ICOM Deutschland dafür, den gegebenenfalls rück­
6 Bericht der Bundesregierung zum Kulturgutschutz in Deutschland. www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2014/11/2014-11-13-ankuen
digung-spk-tagung.html [17.4.2015]
fordernden Parteien angemessene Nachweise für die Be­
rechtigung der Forderung abzuverlangen. Verschiedene
Beispiele der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass welt­
weit bekannte Artefakte genutzt werden, um durch Rück­
forderung eigene politische Interessen zu verfolgen, die
an dem legalen Status der Objekte vorbeigehen und nicht
automatisch mit dem anzustrebenden Schutz von Kultur­
gut von nationaler oder überregionaler Bedeutung einher­
gehen.
Um die Geschichte von Objekten transparenter zu machen
und diese auf Dauer festzuhalten, wird nach wie vor die
Einführung einer international standardisierten Objekt-ID
diskutiert. Theoretisch erscheint dieser Ansatz als durch­
aus sinnvoll und wird in ähnlicher Form für gefährdete
Objekte seit 1993 von ICOM, UNESCO und auch ver­
schiedenen Behörden propagiert. Die Ausweitung auf wei­
te Objektbereiche erscheint jedoch in der Praxis schon al­
lein aus logistischen Gründen nicht umsetzbar. Angesichts
der Tatsache, dass in großen Sammlungen die Aufarbeitung
von Altbeständen bei zunehmend engen Personaldecken
sehr schwierig ist, rückt eine weltweit abgestimmte Auflis­
tung von Kulturgut in weite Ferne. Millionen von nur pro­
vi­sorisch registrierten Sammlungsstücken sowie eine un­
überschaubare Stückzahl von jährlich weltweit anfallenden
archäologischen Neufunden lassen eine vollständige Regis­
trierung in abgestimmten Datenbanken eine reine Fiktion
bleiben. Zudem dürften auch Privatsammlungen wenig In­
teresse an solchen internationalen Kennzeichnungen und
Datenbankeinträgen haben.
Insgesamt erscheint die Novellierung des Kulturgutschut­
zes als ein richtiger Schritt im Umgang mit kulturellem Er­
be und ICOM Deutschland begrüßt es ausdrücklich, wenn
Interessenverbände frühzeitig in die Entscheidungsfindung
mit einbezogen werden. Es bleibt zu hoffen, dass mit einer
Umformulierung des Gesetztes besser verhindert werden
kann, dass illegal aus den Herkunftsländern ausgeführtes
Kulturgut nach Deutschland gelangt. In diesem Sinne wird
sich ICOM Deutschland auch in der mündli­chen Anhö­
rung aussprechen.
In Zeiten von Zerstörungen, Vandalismus seitens radi­
kalisierter Gruppen und Plünderungen von Kulturerbe im
großen Stil erscheint der internationale Kampf gegen Kunst­
raub und illegalen Handel unkontrollierbarer denn je (siehe
auch S. 24 ff.). Die gesetzliche Verankerung des Schutzes
von öffentlichen Sammlungen ist jedoch in jedem Fall ein
wichtiger Schritt, um die fundamentale Bedeutung von
Museen zur Bewahrung von Kulturgut zu untermauern.
Dr. Gabriele Pieke ist wissenschaftliche Sammlungsleiterin der Samm­
lung Altägypten in den Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim. Seit
2011 ist sie Mitglied im Vorstand von ICOM Deutschland;
[email protected].
Weitere Informationen:
Stellungnahme von ICOM Deutschland zur PSI-Richtlinie (2012):
http://icom-deutschland.de/aktuell.php
Gesetzesentwurf zur Änderung des Informationsweiterverwen­
dungs­gesetzes (IWG):
www.bmwi.de/DE/Presse/pressemitteilungen,did=689688.html
EU-Richtlinie zur Kulturgutrückgabe (2014/60/EU): http://eur-lex.
europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=celex:32014L0060
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
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Foto: ullstein bild - CARO / Andree Kaiser
Ak tue lles
Alte Brücke in Mostar kurz vor der vollständigen Zerstörung im November 1993: Die Vernichtung von Kulturgütern während des Bürgerkrieges in Jugoslawien zu Beginn der 1990er Jahre war der wichtigste Anlass zur Gründung des International Committee of the Blue Shield.
Wann wird Blue Shield Deutschland
gegründet?
Seit der Gründung von Blue Shield im Jahre 1996 haben sich 19 nationale Komitees etabliert – nicht so in Deutschland. Der Wille der Kulturgutschutz-Institu­
tionen ist zwar vorhanden, aber gibt es auch die politische Unterstützung sowie
die strukturellen und personellen Ressourcen? Die Deutsche Gesellschaft für Kulturgutschutz möchte die vorhandenen Kräfte bündeln und mit Gleichgesinnten
und Unterstützern einen neuen Anlauf nehmen.
Gastbeitrag von Birte Brugmann und Rolf Gundlach
Kulturgutschutz findet auf vielen Ebe­
nen statt, von der Bürgerinitiative zum
Erhalt eines historischen Gebäudes in
der Nachbarschaft bis zur Tätigkeit der
UNESCO, die den Titel „Weltkultur­
erbe“ verleihen kann. Aus historischen
Gründen variieren in den einzelnen
Mitgliedsländern die staatlichen Rah­
menbedingungen für den Kulturgut­
schutz ebenso wie das zivilgesellschaft­
liche Engagement. Die Bundesrepublik
ist für ihren dezentralen Ansatz, die
Kulturhoheit der Länder bekannt, die
es selbst Fachleuten schwer machen
kann, sich in diesem Gebiet zurecht­
zufinden. Im Jahre 1998 wurde das
Amt der Beauftragten für Kultur und
Medien (BKM) geschaffen, „um die
kultur- und medienpolitischen Aktivi­
täten des Bundes in einer Regierungs­
behörde zu bündeln“1.
1 Die Bundesregierung, Staatsministerin für Kultur
und Medien Monika Grütters; www.bundesre
gierung.de/ Webs/Breg/DE/Bundesregierung/Be
auftragtefuerKulturundMedien/staatsminister
Amt/aufgaben/_node.html [1.3.2015].
8 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
Zahlreiche Nationalkomitees
Zwei Jahre zuvor war das International
Committee of the Blue Shield (ICBS)
von den vier großen internationalen
Verbänden für Archive (ICA), Bi­
bliotheken (IFLA), Denkmalschutz
(ICOMOS) und Museen (ICOM) ge­
gründet worden als eine Vereinigung,
deren Ziel die Verbesserung des Schut­
zes von Kulturgut vor Raub und Zerstö­
rungen ist, vor allem durch die Auswir­
kungen von bewaffneten Konflikten,
Ak tue lles
politischen Unruhen und Naturkata­
strophen. Die acht internationalen Ver­
bände der audiovisuellen Archive über
ihren Dachverband (CCAAA) schlos­
sen sich 2005 an. Seitdem wurden in
19 Ländern nationale Komitees ge­
gründet; in weiteren 18 Ländern sind
sie in Vorbereitung. Deutschland ist
zurzeit der einzige größere EU-Staat,
der über kein Nationalkomitee verfügt.
Deutschland hinkt hinterher
Die Bundesrepublik hat sich bisher
nicht als eine Vorreiterin im Bereich
des Kulturgutschutzes hervorgetan.
Die Haager Konvention zum Schutz
von Kulturgut bei bewaffneten Kon­
flikten, die 1956 in Kraft trat, ra­
tifizier­te sie 1967. Das UNESCOÜberein­
kommen von 1970 über
Maß­nahmen zum Verbot und zur Ver­
hütung der rechtswidrigen Einfuhr,
Aus­fuhr und Übereignung von Kul­
turgut wurde 2007 ratifiziert, ohne
dass dies grundlegende Probleme ge­
löst hätte. Der Bericht der Bundes­
regierung zum Kulturgutschutz in
Deutschland von 2013 „empfiehlt eine
umfassende Novellierung des Kultur­
gutschutzrechts in Deutschland in der
kommenden Legislaturperiode“2. Das
Amt der BKM und die Länder kon­
zentrieren sich in ihrer Zusammenar­
beit im Bereich des Kulturgutschutzes
auf die „Abwanderung“ von Kultur­
gut.3 Das Bundesministerium des In­
neren (BMI) dagegen stuft Kulturgü­
ter in seiner Nationalen Strategie zum
Schutz kritischer Infrastrukturen als
Teil einer unverzichtbaren sozioöko­
nomischen Dienstleistungsinfrastruk­
tur ein und zeichnet ein wesentlich um­
fassenderes Bild möglicher Gefahren
für Kulturgut.4
Auf Einladung der FDP-Bundes­
tagsfraktion fand 2013 in Berlin ein
Fachgespräch zum Thema „Notfall­
plan für Kulturgüter – Wie gehen wir
mit Katastrophen um?“ statt, an dem
mehr als siebzig Vertreter von Museen,
Archiven und ähnlichen Einrichtungen
2 Deutscher Bundestag, 17. Wahlperiode 29.4. 2013,
Drucksache 17/13378, S. 7.
3 Siehe Deutsches Zentrum Kulturgutverluste: Kul­
turgutschutz Deutschland; www.kulturgutschutzdeutschland.de/DE/0_Home/0_home_node.html
[1.3.2015].
4 Bundesministerium des Inneren: Nationale Strategie
zum Schutz kritischer Infrastrukturen (17.6. 2009);
www.bmi.bund.de/SharedDocs/Down­­loads/DE/
Broschueren/2009/kritis.html [1.3. 2015].
teilnahmen. Dies führte zu dem An­
trag „Kulturgüterschutz stärken – Neu­
ausrichtung des Kulturgüterschutzes
in Deutschland jetzt beginnen“, der
vom Bundestag angenommen wurde.
Er fordert die Bundesregierung unter
anderem dazu auf, „im Benehmen mit
den Ländern und Kommunen zu über­
prüfen, wie der rechtliche Rahmen
angepasst werden kann, damit der
Kulturgüterschutz gestärkt und bes­
sere Schutzmaßnahmen für Not- und
Katastrophenfälle ergriffen werden
können“, „in Abstimmung mit den
Ländern die Notwendigkeit der Ein­
setzung eines Verantwortlichen auf
Bundesebene zu prüfen, der die zur
Verbesserung des Kulturgüterschutzes
notwendigen Maßnahmen unter Ein­
beziehung relevanter Einrichtungen
und öffentlicher Stellen koordiniert
und moderiert“, und „sich auf euro­
päischer Ebene für einen besseren Notund Katastrophenfallschutz auch über
Ländergrenzen hinweg einzusetzen“5.
Ein für Ende 2014 angekündigter Be­
richt der BKM, des BMI und des Bun­
desamtes für Bevölkerungsschutz und
Katastrophenhilfe zum Kulturgüter­
schutz im Katastrophenfalle als Re­
aktion auf den Antrag6 wurde bisher
nicht veröffentlicht.
Vereint neue Wege gehen
In einer Demokratie spiegeln Gesetze
und politische Debatten in der Regel
das Interesse einer Gesellschaft an be­
stimmten Themen wider. Ein ganzheit­
licher Ansatz für den Kulturgutschutz
wie beispielsweise in der Schweiz be­
nötigt eine Debatte über ein umfas­sen­
des Verständnis von Kulturgutschutz
nicht nur in Fachkreisen, sondern
auch in der Öffentlichkeit. Kulturgut­
schutz lässt sich weder auf Bundes­
ebene thematisch auf die Umsetzung
internationaler Vereinbarungen be­
grenzen noch auf Länderebene mit
dem Denkmalschutz gleichsetzen. Als
ein gemeinnütziger Verein, der sich
dem Schutz von Kulturgut in seiner
Gesamtheit in Krisen- und Notsitua­
tionen verschrieben hat und sowohl
Fachleuten als auch Interessierten of­
fensteht, setzt sich die Deutsche Ge­
5 Deutscher Bundestag, Wahlperiode 25.6. 2013,
Drucksache 17/14115 17.
6 Kulturgutschutznachrichten 6, September 2014;
www.dgks-ev.org/resources/Nachrichtenblatt06
_Sep2014.pdf, S. 2 [1.3. 2015].
sellschaft für Kulturgutschutz e. V.
(DGKS) für ein Konzept ein, das be­
reits artikulierte Initiativen zusam­
menführt und um zusätzliche Maß­
nahmen ergänzt.
Die DGKS engagiert sich nicht nur
in Fachkreisen für dieses Thema, son­
dern betreibt auch Öffentlichkeitsar­
beit. Sie befürwortet eine zentrale Ko­
ordinationsstelle für staatliche und
nicht-staatliche Bemühungen um den
Kulturgutschutz. Auf staatlicher Seite
könnte dies die Form der oder des Be­
auftragten der Bundesregierung oder
des Bundestages für Kulturgutschutz
annehmen. Auf nicht-staatlicher Seite
könnte ein deutsches Nationalkomi­
tee Blue Shield nach dem Vorbild an­
derer Länder als „Rotes Kreuz für
Kulturgut“ tätig werden. Diesbezüg­
liche Gespräche haben bereits stattge­
funden.7 Je breiter die Unterstützung
für die Gründung eines solchen Ko­
mitees, desto wahrscheinlicher wird
der Erfolg.
Dr. Birte Brugmann ist Präsidentin und Rolf
Gundlach ist erster Stellvertreter im Vorstand
der Deutschen Gesellschaft für Kulturgutschutz e.V.; [email protected].
Weitere Informationen:
Deutsche Gesellschaft für Kulturgutschutz
e. V.: www.dgks-ev.de
Blue Shield: www.ancbs.org/cms/en/
7 Kulturgutschutznachrichten 3, September 2013;
www.dgks-ev.org/resources/DGKS-Nachrichten
blatt03September2013.pdf, S. 1 [3.3. 2015].
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
|9
Ak tue lles
38. Internationaler Museumstag 2015
Unter dem Motto „Museums for a Sustainable Society“ begehen
die Museen weltweit im Mai 2015 den diesjährigen Internationalen
Museumstag. Deutschlands Museen präsentieren sich aus
diesem Anlass am 17. Mai unter der deutschen Mottoversion
„Museum. Gesellschaft. Zukunft.“
Der Tag steht jährlich unter einem wech­
seln­den Motto, das die unterschiedli­chen
Schwer­punkte der Museumsarbeit be­
leuch­tet, aktuelle Themen aufgreift und
auf die thematische Vielfalt der reichen
Museumslandschaft weltweit ver­
weist. Das Motto des 38. Internatio­
nalen Museumstages 2015 „Mu­
seums for a Sustainable Society“
rückt in diesem Jahr die Rolle der
Museen in der Gesellschaft und
damit ihren Anteil an der Mit­
gestaltung der Zukunft in den Fokus.
Die häufige Annahme, Museen seien nur auf
die Vergangenheit gerichtet und würden rückwärtsgewandt
arbeiten, ist nicht zutreffend – im Gegenteil. Viele Ausstel­
lungen verknüpfen die historische Rückschau mit gesell­
schaftlichen Themen der Gegenwart und stellen gleichfalls
Fragen an die Zukunft. Migration, Klimawandel, Stadt­
entwicklung, Leben im ländlichen Raum, technischer Fort­
schritt und der Wandel des Arbeitslebens, aber auch aktu­
elle künstlerische Ausdrucksformen und der Einsatz der
sozialen Medien stehen auf ihrem Programm. Museen füh­
ren damit die Besucher an aktuelle Themen und Fragestel­
lungen heran, sensibilisieren für Probleme, Widersprüche
und Konflikte und regen zum Nachdenken an, ohne zwin­
gend Ergebnisse oder Lösungen zu präsentieren.
10 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
Museen begleiten dadurch gesellschaftliche Entwick­
lun­gen mit innovativen Ideen, kreativen Angeboten für
Besucher, neuen Ausstellungsformen und dem Einsatz
moderner Techniken. Damit bewegen sie sich am Puls der
Zeit. Als Orte der Vermittlung und Begegnung sind Mu­
seen auch Orte des Austausches und der Auseinander­
setzung. Sie bieten Partizipation für alle und schaffen bar­
rierefreie Zugänge. Wie erfolgreich sie dies umsetzten,
belegen die weltweit steigenden Besucherzahlen und das
große Interesse an ihren Ausstellungen und Angeboten. In
Malaysia findet am 17. Mai zum Beispiel der InternationalMuseum-Day-Marathon statt, zu dem etwa 1.000 Läu­
ferinnen und Läufer aus der Museumsbranche erwartet
werden.
In zeitlicher Nähe zum Internationalen Museumstag ver­
leiht das European Museum Forum jährlich seinen Preis
European Museum of the Year. In diesem Jahr wird die Ver­
anstaltung am 16. Mai im Riverside Museum in Glasgow
stattfinden.
Museum. Gesellschaft. Zukunft.
In Deutschland beteiligten sich im vergangenen Jahr über
1.830 Museen mit mehr als 10.000 Aktionen und Ange­
boten am Internationalen Museumstag. Auch in diesem
Jahr werden die Museen mit großem Engagement und ei­
nem ideenreichen Programm diesen einzigen bundeswei­
Ak tue lles
ten Museumsaktionstag gestalten. Der Internationale
Museumstag bietet in den Metropolen wie in den Regio­
nen die hervorragende Chance, das reiche kulturelle Erbe
unseres Landes, das von den Museen bewahrt und vermit­
telt wird, einer breiten Öffentlichkeit zu erschließen. Da­
her freuen wir uns auf ein weiteres erfolgreiches Jahr.
Die Schirmherrschaft des diesjährigen Internationalen
Museumstages übernimmt der Hessische Ministerpräsi­
dent Volker Bouffier. Gastgeber der Auftaktveranstaltung
ist das Hessische Landesmuseum in Darmstadt.
Die Umsetzung des Internationalen Museumstages er­
folgt in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den regi­
onalen Museumsverbänden und den Stiftungen und Insti­
tuten der Sparkassen-Finanzgruppe. Viele Aktionen auf
lokaler Ebene werden in Kooperation mit den regionalen
Sparkassen umgesetzt.
Dank des ungebrochenen Einsatzes und des Ideenreich­
tums der Museen erwartet uns in Deutschland mit der deut­
schen Mottoversion „Museum. Gesellschaft. Zukunft.“
auch in diesem Jahr ein vielfältiges Programm mit zahl­
reichen Aktionen: Das Stadtmuseum und Handwerksmuse­
um Deggendorf zum Beispiel eröffnet am Vorabend des
Internatio­nalen Museumstages die „Papier Global III“, die
Internationale Papierkunsttriennale. Im Rahmen der Aus­
stellung werden nicht nur Werke aus aller Welt gezeigt,
am Museumstag wird auch ein Papierfest gefeiert und es
finden ein Papiermarkt und Workshops statt. Im 2014
eröffneten Hoffmann-von-Fallersleben-Museum in Wolfs­
burg können große und kleine Besucherinnen und Besucher
sich an einer Karaoke- und Spielstation aktiv mit den Wer­
ken des Dichters beschäftigen. Das Hessische BraunkohleBergbau-Museum in Borken lädt zur kostenlosen Besich­
tigung des Themenparks und Besucherstollens sowie zu
Rundfahrten mit der Besucherbahn ein.
Auf der Webseite www.museumstag.de können die Pro­
grammangebote zum Internationalen Museumstag in einer
Datenbank recherchiert werden. Seit März läuft die SocialMedia-Aktion #MuseumSound. Mit der Aktion soll die
deutsche Mottoversion „Museum. Gesellschaft. Zukunft.“
akustisch erlebbar gemacht werden. Unter dem Hashtag
#MuseumSound stehen dabei Fragen wie „Wie klingt
Museum? Welche Geräusche machen die Exponate? Was
haben die Museen und Museumsmitarbeiter sowie die Mu­
seumsbesucher zu sagen?“ im Fokus. Die Möglichkeiten
sind vielfältig und Plattformen wie Soundcloud, Vimeo,
Youtube oder Vine sowie passende Apps für Smartphones
machen eine einfache technische Umsetzung und damit
eine breite Partizipation möglich. Aber auch auf Facebook
und Twitter können Sie ganzjährig die Aktivitäten der Mu­
seen begleiten. Besuchen Sie uns!
Der Internationale Museumstag wurde 1977 vom Inter­
nationalen Museumsrat ICOM ins Leben gerufen und
wird weltweit um den 18. Mai gefeiert. Seit 1992 wird der
Tag von einem jährlich wechselnden Motto begleitet. In
Deutschland wird der Internationale Museumstag stets an
einem dem 18. Mai nahe gelegenen Sonntag gefeiert.
Johanna Westphal
Geschäftsführerin ICOM Deutschland
Weitere Informationen:
International: http://imd.icom.museum
National: www.museumstag.de
Nächste Termine des Internationalen Museumstags in Deutschland:
22. Mai 2016
21. Mai 2017
13. Mai 2018
Die Resonanz in den sozialen Medien war beeindruckend: Im Jahre 2014 beteiligten sich deutschlandweit zahlreiche Besucher an der
Mitmach-Aktion #mycollection14. In diesem Jahr geht der Internationale Museumstag in Deutschland mit #MuseumSound an den Start.
Quelle der Bildcollage: Deutscher Museumsbund
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
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Ak tue lles
Historisches und Völkerkundemuseum in St. Gallen: Mit rund 70.000 Objekten ist es das historische „Ding-Gedächtnis“ der Stadt St. Gallen.
Das Museum für alle –
Imperativ oder Illusion?
Jeder Mensch hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft teilzunehmen.
Darauf hat sich die Völkergemeinschaft 1948 geeinigt. Wie aber können Museen
dieses Grundrecht – kostengünstig und zeitnah – umsetzen? Experten der deutschsprachigen Museumswelt diskutieren auf dem Bodensee-Symposium 2015 in St. Gallen
Möglichkeiten und Grenzen dieses individuellen Freiheitsrechtes.
Das traditionelle Bodensee-Symposium, das im Turnus von
drei Jahren als gemeinsame Tagung der ICOM-National­
komitees von Deutschland, Österreich und der Schweiz
ausgerichtet wird, findet in diesem Jahr vom 18. bis 20.
Juni in St. Gallen, Schweiz, statt. Der Hauptveranstaltungs­
ort ist das Historische und Völkerkundemuseum, das Ta­
gungsthema lautet „Das Museum für alle – Imperativ oder
Illusion?“. ICOM Deutschland wird in diesem Rahmen am
20. Juni seine Mitgliederversammlung 2015 durchführen.
Das Museum für alle – gibt es das? Wollen Museen alle
oder zumindest viele Bevölkerungsgruppen erreichen, so
müssen sie ihre Arbeit danach ausrichten, möglichst viele
Menschen anzusprechen. Barrieren, die bestimmten Men­
schen den Zugang erschweren, gilt es abzubauen und zu­
künftig zu vermeiden.
Die Tagung wirft anhand von Fallbeispielen einen rea­
listischen und gleichzeitig kritischen Blick auf die aktuelle
Praxis – mit dem Ziel, aus Erfolgen und Misserfolgen zu
lernen. Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen ge­
sellschaftlichen Interessensverbände, u. a. aus den Bereichen
Politik, Soziales und Pädagogik, gewähren einen vertiefen­
den Einblick in die Thematik. Mit Referaten zur Ideenge­
schichte wird die aktuelle Praxis theoretisch und historisch
verortet. Die Referate lenken dabei den Fokus auf audience
development, Partizipation und Nachhaltigkeit im Muse­
um und betrachten die Museumslandschaft hinsichtlich
ihrer Multilingualität.
Das Rahmenprogramm soll den Teilnehmern Einblicke
in die Museen der Region gewähren. Geplant sind daher
12 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
Exkursionen zum Archäologischen Landesmuseum BadenWürttemberg in Konstanz und in die Inatura nach Dorn­
birn, Österreich.
Seit 1973 gehören die Internationalen Bodensee-Sympo­
sien der drei ICOM-Nationalkomitees von Österreich, der
Schweiz und Deutschland zu den Höhepunkten im muse­
ologischen Gedankenaustausch zwischen unseren benach­
barten Ländern. Die Federführung liegt in diesem Jahr in
den Händen der Schweizer Kolleginnen und Kollegen.
Mitgliederversammlung:
Nachwahl eines Vorstandsmitgliedes
ICOM Deutschland wird seine Mitgliederversammlung
2015 im Rahmen des Internationalen Bodensee-Sympo­
siums am 20. Juni 2015 im Historischen und Völkerkun­
demuseum St. Gallen veranstalten.
Frau Dr. Franziska Nentwig hat zum 31. Dezember 2014
den Vorstand von ICOM Deutschland verlassen. Nachdem
Frau Nentwig nach acht Jahren ihren Posten als General­
direktorin der Stiftung Stadtmuseum Berlin aufgegeben
hat und seit März 2015 als Geschäftsführerin beim Kul­
turkreis der deutschen Wirtschaft tätig ist, musste sie sat­
zungsgemäß aus dem Verband ausscheiden.
Nach den Bestimmungen der Satzung von ICOM Deutsch­
land tritt beim vorzeitigen Ausscheiden eines Vorstandsmit­
gliedes an dessen Stelle und für die restliche Amtsdauer ein
von der nächsten Mitgliederversammlung zu wählendes
Mitglied.
Ak tue lles
Es ist wünschenswert, dass sich im Vorstand des Ver­
bandes die Verschiedenartigkeit der Museumslandschaft
in Deutschland spiegelt. Als nachzuwählendes Vorstands­
mitglied für den Rest der laufenden Amtszeit schlägt der
Vorstand deshalb Frau Professor Dr. Elisabeth Tietmeyer,
Direktorin des Museums Europäischer Kulturen der Staat­
lichen Museen zu Berlin, vor.
Dennoch kann sich jedes individuelle Mitglied von ICOM
Deutschland, das die Mitgliedskriterien nach § 4 Ziffer 1 a)
aa) der Satzung erfüllt und im aktiven Dienst ist, um die­
ses Amt bewerben. Wir bitten daher alle Bewerberinnen und
Bewerber, ihre Kandidatur bis spätestens 31. Mai 2015 der
Geschäftsstelle von ICOM Deutschland schriftlich mitzu­
teilen. Wir stützen uns dabei auf den bei ICOM Deutsch­
land bisher beachteten Wahlmodus, aber auch auf die Wahl­
regularien des Internationalen Museumsrats ICOM.
Bitte beachten Sie, dass Mitglieder bei Nichtanwesenheit
auf der Mitgliederversammlung ihr Stimmrecht auf andere
stimmberechtigte Mitglieder schriftlich übertragen können,
wobei jedes Mitglied zur Vertretung von höchstens zwei
abwesenden Mitgliedern bevollmächtigt werden kann. Eine
Vorlage zur Übertragung des Stimmrechts erhalten Sie in
der Geschäftsstelle.
Nachwuchsförderung durch Reisestipendien
Um dem Museumsnachwuchs möglichst zahlreich eine
Teilnahme an unserer Jahrestagung zu ermöglichen, kön­
nen deutsche ICOM-Mitglieder mit dem Status „Student“
einen Antrag auf Reisekostenzuschuss stellen. Insgesamt
gewährt ICOM Deutschland fünfzehn Reisebeihilfen in
Höhe von bis zu 150 Euro. Interessierte wenden sich bis
spätestens 31. Mai 2015 per Mail an die Geschäftsstelle.
Für die Bewilligung der Reisebeihilfen ist der Zeitpunkt der
Antragstellung ausschlaggebend.
Wir laden Sie herzlich zur Jahrestagung und zur Mit­
gliederversammlung 2015 nach St. Gallen ein und freuen
uns auf die Begegnung und den gemeinsamen Austausch
mit Ihnen.
Fotos: Historisches und Völkerkundemuseum St. Gallen
Verona, Padua, Venedig, Genua, Bologna, Florenz, Rom
etc.) abgerundet.
Einen wichtigen Punkt auf der Konferenzagenda stellt die
Verabschiedung der Declaration of ICOM on Museums
and Cultural Landscapes dar. ICOM hofft, mit dieser De­
klaration strategische Ziele zur Bewahrung des kulturel­
len Erbes für die Museen der Gegenwart zu setzen.
Gremienwahlen stehen an
2016 endet die ICOM-Präsidentschaft von Hans-Martin
Hinz. Die im Rahmen der Konferenz stattfindende 30. Ge­
neralversammlung von ICOM wählt einen neuen Präsi­
denten, zwei Stellvertreter, einen Schatzmeister sowie die
weiteren Mitglieder des Executive Council.
ICOM Deutschland fördert, wie auch bei früheren Ge­
neralkonferenzen, die Teilnahme deutscher Mitglieder mit
Reisekostenzuschüssen. Für eine bestimmte Anzahl von
Interessierten stehen Reisebeihilfen in Höhe von bis zu
400 Euro (vorbehaltlich) zur Verfügung. Voraussetzung für
die Bezuschussung ist ein wissenschaftlicher Beitrag zur
Konferenz (z. B. das Halten eines Vortrags), eine besondere
Funktion in der Gremienarbeit (z. B. die Tätigkeit als Vor­
standsmitglied oder Sekretär) oder oder das Mitwirken an
der Vorbereitung und Durchführung der Konferenz und
der Fachtagungen. Daneben wird die Anfertigung eines
Berichts für die Veröffentlichung in den Mitteilungen
von ICOM Deutschland erwartet. Weitere Auskünfte er­
teilt Ihnen gern die Ge­schäfts­stelle, E-Mail: [email protected].
Seien Sie dabei, wenn es diese wichtigen Themen zu er­
örtern und entscheiden gilt – wir freuen uns darauf, Sie
2016 in Mailand zu treffen!
Save the date: ICOM-Generalkonferenz 2016
Der Vorstand ICOM Deutschland
ICOM lädt vom 3. bis 9. Juli 2016 zu seiner 24. General­
konferenz nach Mailand, Italien, ein. Das Konferenzthema
lautet „Museums and Cultural Landscapes“. Die General­
konferenz findet alle drei Jahre statt, letztmalig 2013 in
Rio de Janeiro, Brasilien, und 2010 in Shanghai, China.
Rund dreitausend Museumsprofis aus aller Welt werden
erwartet. Der internationale fachliche Austausch steht da­
bei im Vordergrund. Neben zahlreichen Workshops bieten
vor allem die Treffen der interna­tionalen Komitees die Ge­
legenheit für eine breite Kommuni­kation unter den Muse­
umskolleginnen und -kollegen und für eine Vertiefung des
Tagungsthemas. Die Generalkonferenz wird durch eine Mu­
seumsmesse und durch Exkursionen in die Region (Turin,
Weitere Informationen:
Bodensee-Symposium und Mitgliederversammlung 2015 von ICOM
Deutschland: 18. bis 20. Juni in St. Gallen,
Titel: Das Museum für alle – Imperativ oder Illusion?
Programm und Anmeldung:
www.museums.ch/bildung/tagungen/bodensee-symposium.html
Reisebeihilfen: Geschäftsstelle von ICOM Deutschland,
[email protected]
24. ICOM-Generalkonferenz: 3. bis 9. Juli 2016 in Mailand,
Titel: Museums and Cultural Landscapes
Programm und Anmeldung:
http://icom.museum/activities/general-conference/icom-milan-2016
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
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Rückblick
Museum Macht Politik Macht Museum
Mehr als 350 Fachleute haben vom 9. bis 14. September 2014 an der gemeinsamen
Tagung von ICOM Russland, ICOM USA und ICOM Deutschland teilgenommen, die
sich unter mehreren Aspekten als ein spannendes, trilaterales Experiment erwiesen
hat. Klaus Weschenfelder berichtet im ersten Teil, warum es gut und richtig war, sich
in Sankt Petersburg zu treffen, und was dabei herausgekommen ist. Kristiane Janeke schildert im zweiten Teil ihre Erfahrungen in Jekaterinburg, der Hauptstadt des
Bezirks Schwerdlowsk, wo Provinzstädte mehr als eine Millionen Einwohner haben,
die Wiege der russischen Industrialisierung steht und man viel über interkulturelle
Kommunikation lernen kann.
Klaus Weschenfelder, Kristiane Janeke
Fotos: ICOM Russland
14 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
Rückblick
Es gäbe unter russischen Museumskollegen den fröhlichen Trinkspruch: „Alle
Macht den Museen!“, erzählte augenzwinkernd Vladimir Tolstoy, Präsident
von ICOM Russland und Berater des russischen Präsidenten in kulturellen
Angelegenheiten, den etwa 350 zur Eröffnung der Tagung „Museum and Poli­
tics“ im Generalstabsgebäude in Sankt Petersburg versammelten, aus aller
Welt angereisten Museumsexperten. Die von ICOM Russland mit Музеи и
Власть als treffend erachtete Übersetzung des Tagungsthemas aus dem Eng­
lischen ins Russische offenbarte eine nicht uninteressante Feinheit, denn das
Wort wlast bedeutet „Macht“. Mit kulturell bedingten semantischen Diffe­
renzen ist bei internationalen Be­gegnungen eben zu rechnen.
Mehr als das. Der seit dem Majdan im Winter 2013/2014 aufgebrochene
Konflikt zwischen Russland und der Ukraine und die von Russland stets
bestrittene Aggression gegen das Nachbarland ließen die beiden westlichen
Mitveranstalter, ICOM USA und ICOM Deutschland, im Vorfeld der seit
2011 gemeinsam mit ICOM Russ­land geplanten Tagung darüber nachdenken,
ob es nicht besser sei, das Projekt abzusagen. Schließlich haben sich die Ver­
bandsvorstände aber doch mit Entschiedenheit für das Treffen in Sankt Peters­
burg ausgesprochen, um, wie ICOM-Präsident Hans-Martin Hinz und ICOMDeutschland-Präsident Michael Henker bei der Eröffnung nachdrücklich
hervorhoben, den Gesprächsfaden in schwierigen Zeiten nicht abreißen zu las­
sen. Hinz er­in­ner­te ferner daran, dass ICOM schließlich in der schwierigen Zeit
der Nachkriegs­jahre gegründet wurde, um ver­lo­re­nes Vertrauen wieder aufzu­
bauen und den internationalen Austausch zwischen den Museen zu fördern.
Daran weiterzuarbeiten, sei not­wen­d ig und verdienstvoll, bekräftigte auch
Alexander Sayn-Wittgenstein-Sayn, Vizepräsident von Europa Nostra, anläss­
lich der Übergabe eines Denkmalpreises an das Museum Zarskoje Selo, die im
Rahmen der ICOM-Konferenz feierlich vorgenommen wurde.
Als Veranstaltungsort in Sankt Petersburg
wählten die russischen Organisatoren die
Eremitage, in deren Feierlichkeiten zum
250jährigen Bestehen die gemeinsame
Tagung eingebettet wurde.
„We share the same problems.“
Allerhand Gemeinsamkeiten för­
der­
ten die Eröffnungsvorträge in der Be­
schreibung des Verhältnisses von Museum und Politik zutage. Sich klar und
deutlich gegenüber der Macht zu positionieren, riet Vladimir Tolstoy, ausführ­
lich aus zwei seiner sehr resoluten Reden aus den 1990er Jahren zur Lage der
Museen zitierend. Die Situation ha­be sich seither verbessert, doch müsse Politik
mehr tun, um die Museumsarbeit von zunehmend sich auftürmen­den bürokra­
tischen Hürden zu entlas­ten. Auch die Problematik der immer schwieriger
werdenden Umstände für Fundraising in der Privatwirtschaft müs­se die Museen
weiterhin zu entschlossenem Auftreten gegenüber der Macht veranlassen.
In die gleiche Kerbe schlug Hermann Schäfer, Gründungsdirektor des Hau­ses
der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und ehemaliger Stellvertreter
des Beauftragten des Bundes für Kultur und Medien mit seinem klar struktu­
rierten, erfahrungsgesättigten Vortrag: Museen müssen sich kreativ und cou­
ragiert verhalten, dürfen keinesfalls die Lobbyarbeit vernachlässigen. Um ihre
Interessen gegenüber der Politik zu vertreten und um ihre Ziele zu erreichen,
sollten sie gegebenenfalls auch über die Bande spielen.
Museumsspezifische, aus dem russisch-ukrainischen Konflikt resultieren­
de Probleme wurden nur knapp angesprochen. Auf die Frage nach dem Ver­
bleib der Skytenschätze aus dem Museum in Sewastopol auf der Krim verwies
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
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Rückblick
Museums, Politics and Power –
Der Blog zur Konferenz
Katrin Hieke
Wie lassen sich ICOM-Konferenzen
nachhaltiger gestalten? Wie können
Kollegen am Wissens- und Ideen­
austausch teilhaben, wenn ein Be­
such der Tagung nicht möglich ist?
Wie können sie dabei unterstützt
werden, internationale Kontakte zu
knüpfen und Projekte zu initiieren?
Und wie kann die Arbeit von ICOM
sichtbarer werden?
Diese Fragen führten unser Team –
Kristiane Janeke (Deutschland), Linda
Norris (USA), Irina Chuvilova (Russ­
land) und die Autorin – dazu, die
Möglichkeiten des social web aus­
zuloten und die Konferenz „Museum
and Politics“ auf verschiedenen Ka­
nä­len vorzubereiten und zu dokumen­
tieren.
formen. Wir waren zu optimistisch,
was die Zahl der Gastautoren an­
geht – für viele interessierte Kollegen
scheiterte es schlicht an fehlender Zeit.
Unterschätzt haben wir allerdings die
Zahl der Leser und Diskutanten. Die­
se große Resonanz zeigt uns, dass ein
breites Interesse am Austausch exis­
tiert und die anhaltend hohen Nut­zer­
zahlen noch Monate nach der Kon­
ferenz bestätigen das. Wir glauben,
dass die sozialen Medien gewinn­
bringend genutzt werden können, um
über Fach- und Ländergrenzen hin­
weg hochaktuelle Fragen und Pro­
bleme rund um die Museumsarbeit
zu diskutieren und voneinander zu
lernen. Die hohe Sichtbarkeit und
ihre leichte Zugänglichkeit stärkt die
Rolle von ICOM als weltweites Netz­
werk. Immer mehr ICOM-Komitees
nutzen diese Möglichkeiten – brin­
gen Sie sich ein und nehmen Sie teil!
Ein ausführlicher Projektbericht er­
scheint im Tagungsband.
„The accompanying social media
project is a good way for the conference in preparation and for
ICOM in the future.“
Im Zentrum stand der in den drei
Konferenzsprachen geführte Blog
www.museumspoliticsandpower.org.
Das Team publizierte allgemeine In­
formationen zur Tagung, Impulsbei­
träge, Interviews und Statements der
Organisatoren sowie wöchentlich die
wichtigsten Meldungen zum Thema
Museum und Politik. Hauptsächlich
waren aber international Gastauto­
ren aufgerufen, den Blog zu nutzen.
27 Autoren aus acht Ländern sand­
ten Berichte und Beiträge ein. Viele
weitere beteiligten sich – vor allem
auf Facebook und Twitter – an den
Diskussionen. Rund vierhundert Le­
ser besuchten den Blog pro Tag. Ein­
zelne Beiträge, u. a. über die Rolle der
ukrainischen Museen während der
Proteste auf dem Majdan, dem Mu­
seum als Forum oder das Pro und
Contra von Eintrittsgeldern, wurden
über 3.000 Mal aufgerufen. Aus
Russ­
land berichteten wir live auf
Twitter und fassten allabendlich den
Tag auf dem Blog zusammen. Auf
der Konferenz präsentierten wir die
Themen, die im Vorfeld zwar disku­
tiert wurden, aber im Konferenzpro­
gramm keine Berücksichtigung fan­
den. Überhaupt machte es das Projekt
möglich, umgehend Zeitereignisse
anzusprechen, die im Zusammen­
hang mit der Tagung standen. Nicht
nur die Frage der Sicherheit von ho­
mosexuellen Teilnehmern wurde da­
mit öffentlich aufgeworfen und in
einem Statement von ICOM Russ­
land kommentiert.
„What we have learned“
Viele Ideen konnten wir in diesem
Pilotprojekt noch nicht umsetzen.
Gelernt haben wir in diesem knap­
pen Jahr allerdings viel: von der Or­
ganisation eines Projekts in drei
Sprachen und Zeitzonen bis zu einer
realistischeren Einschätzung der Vorund Nachteile der einzelnen Platt­
16 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
Katrin Hieke, Doktorandin an der Universität Tübingen, arbeitet als freiberufliche
Kulturwissenschaftlerin und Kulturmanagerin. Seit 2014 ist sie Mitglied im Vorstand
von ICOM Deutschland. Zusammen mit Irina
Chuvilova, Kristiane Janeke und Linda
Norris bildet sie das Team des Tagungsblogs; [email protected].
Weitere Informationen:
www.museumspoliticsandpower.org
Rückblick
Vladimir Tolstoy auf die Notwendigkeit einer juristischen Klärung. Die Mei­
nung der Gegenseite hierzu zu hören, war nicht möglich, weil ukrainische
Museumskollegen nicht zur Tagung an­gereist waren, ebenso wenig waren
Museums­experten aus dem Baltikum oder aus Polen vertreten, Länder, die in
deutlicher Distanz zur russischen Regierung stehen.
Tagungsteilnehmer beim Rundgang
durch die Eremitage
„There is still a lot to learn about each other, …“
Was ICOM in der Vergangenheit zum Verhältnis von Museum und Politik
beizutragen hatte, reflektierte Wim de Vos (ICOM Executive Council) an­
hand der Resolutionen des Verbandes seit 1947. Sally Yerkovich betonte die
Notwendigkeit der museumsethischen Reflexion des Themas und berichtete
von einer am Institut für Museums­e thik der Seton Hall University (USA)
erarbeiteten Einschätzung künftiger Konfliktfelder. Museen müssten trans­
parent und berechenbar handeln und sich klare Regeln geben, um Interessen­
konflikten, wie sie beispiels­weise aus dem Engagement von Sponsoren resultie­
ren, begegnen zu können.
Als Gastredner war der russische Regisseur Alexander Sokurow eingeladen,
ein Hauptvertreter des experimen­tellen Films, der in den vergangenen Jahr­
zehnten stets auch als Oppositioneller wahrgenommen wurde. Sein Film
„Russian Ark“ fand international große Anerkennung. Er war 2003 in der
Eremitage produziert worden, wo seit Sergej Eisenstein (1927) kein Filme­
macher mehr eine Drehgenehmigung erhalten hatte. Sokurows Beitrag gab sich
kulturpessimistisch grundiert. Millionen von Menschen würden der Kultur den
Rücken zuwenden und es gälte, die „zerstörerischen Kräfte des Kinos“ mit all
seinen Gewaltexzessen zu bändigen. Sokurows Betonung der Notwendigkeit,
traditionelle Werte zu bewahren, und die Hervorhebung der Besonderheit der
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
| 17
Rückblick
Michael Henker, Kathy Southern (ICOM USA),
Vladimir Tolstoy, Irina Antonowa
und Michail Piotrowski (v.l.n.r.).
Während der Vorbereitung der gemeinsamen Tagung und auch während der
Pressekonferenz am Eröffnungstag stand
die Frage im Raum, ob die Tagung vor dem
Hintergrund der aktuellen politischen und
militärischen Krise stattfinden soll. Dass sie
stattgefunden hat, kann gleichsam als
politischer Erfolg der Zusammenarbeit der
Nichtregierungsorganisationen ICOM
Russland, ICOM USA und ICOM Deutschland
sowie aller anderen Beteiligten gelten.
Wim de Vos (ICOM Executive Council)
russischen Kultur in der Entwicklung eines eigenen Weges zwischen Ost und
West, wie sie Vladimir Tolstoy anklingen ließ, ließen wohl nicht zufällig As­
pekte des Grundlagenplans staatlicher Kulturpolitik durchschimmern. Der
begeisterte Applaus, insbesondere des russischen Au­ditoriums, zeigte vielleicht
auch, wie sehr diese Gedanken in breiten Kreisen der intellektuellen Zivilge­
sellschaft angekommen sind, ein Eindruck, den der Berichterstatter auch in
persönli­chen Gesprächen mit russischen Kollegen gewinnen konnte.
„We must remember museums are a place for
something interesting, really intriguing.“
In vorzüglicher Weise vertieften nach den Einführungsvorträgen etwa sech­zig
Referenten in den vier Sektionen „Museen in internationalen politischen Zu­
sammenhängen“, „Museen und Geschichte“, „Museen und Innenpolitik“ und
„Museen und die Entwicklung der Gesellschaft“ das Thema der Tagung. Die
vom Programmkomitee klug kombinierten Beiträge waren aus etwa 160 Vor­
schlägen mit Bedacht ausgewählt worden und boten, soweit der Berichterstat­
ter das aus eigener Anschauung beurteilen kann oder ihm aus entsprechenden
Berichten aus anderen Sektionen übermittelt wurde, allesamt interessante Fall­
beispiele, Thesen oder Reflexionen von guter Qualität.
Beispielhaft sei die Sektion „Museen und Außenpolitik“ kurz charakteri­
siert. Einige Beiträge waren deutsch-russischen Kooperationen gewidmet, die
sich sowohl auf die beratende Unterstützung beim Ausbau qualifizierter Muse­
umsstrukturen bezogen (Manfred Nawroth) als auch auf den deutsch-russischen
Museumsdialog und die Erforschung der Geschichte russischer Museen im
Zweiten Weltkrieg im Zusammenhang von Kulturgutverlusten (Anna Apo­
nasenko, Kristiane Janeke, Britta Kaiser-Schuster, Ulrike Schmiegelt). Weitere
Beiträge fokus­sier­ten die nationalsozialistisch beding­te Enteignung von jüdischem
Kunstbesitz und dessen Restitution (Wesley Fischer) sowie daraus resultierende
ju­ristische Probleme im internationalen Leihverkehr von Kunstwerken in den
USA (Elizabeth Varner). Betrachtun­gen transnationaler Kulturbeziehun­gen im
Ausstellungs- und Museumswesen in der Vergangenheit (Gregor H. Lersch) und
deren proaktive Behandlung in der Gegenwart (Da Kong, Natalia Grincheva,
Markus Möhring) bilde­ten einen weiteren Themenschwerpunkt. Karen Exell
erarbeitete anhand einiger aktueller Museumsplanungen in den Golfstaaten
(Louvre Abu Dhabi und drei Projekte in Katar), dass der einheimischen ara­
bischen Bevölkerung westliche Museumskonzepte übergestülpt werden, die
nicht auf deren Bedürfnisse eingehen und von dieser auch nicht verstanden
werden. Dies geschieht aus politischen und wirtschaftlichen Gründen im Inte­
resse der Regierun­gen – ein Beispiel kultureller Kolonisierung auf Einladung
sozusagen.
„It is great to end up with questions, not answers.“
Die Diskussionen waren fruchtbar, durchaus kontrovers, geprägt von gu­ter
Sachkenntnis und immer respektvoll und fair. Das spannungsvolle Verhältnis
zwischen Russland und Europa wurde regelmäßig thematisiert, beson­
ders,
wenn es um die Frage ging, ob russische Kultur und Geschichte in eu­ropäischen
18 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
Rückblick
Projekten angemessen berücksichtigt werde, etwa bei dem von der Europäischen
Union geplanten „Haus der europäischen Geschichte“ in Brüssel. Deutlich
wurde auch, dass Provenienzforschung wegen der Ereig­n isse während des Na­
tionalsozialismus und im Zweiten Weltkrieg von herausragender Bedeu­
tung für eine ethische Museumsarbeit ist. Offenheit und Transparenz wurden
angemahnt, wozu die Zugänglichkeit von Archiven gehört, und ein Geschichts­
diskurs im Museum, der auf moralische Be­wer­t un­gen verzichtet. Schließlich
zeigte sich, dass die museumsfachliche Zusammenarbeit, besonders zwi­
schen Deutschland und Russland, aber auch mit anderen Staaten der ehema­
ligen UdSSR, gelingt, wenn politische Diskussionen in den Hintergrund tre­
ten. Eine hervorragende Ergänzung zu diesem summarischen Bericht bieten die
Einträge im Blog „Museum, Politics and Power“, den Irina Chuvilova, Ka­
trin Hieke, Kristiane Janeke, und Linda Norris so engagiert betrieben und
die Tagung damit weit über den Teilnehmerkreis hinaus zur Diskus­sion ge­
stellt haben.
Das Projekt in Sankt Petersburg war ein großer Erfolg, über eine mögliche
Nachfolgeveranstaltung gab es bereits informelle Gespräche. Den Tagungs­
teilnehmern wurde die überwältigen­de Gastfreundschaft der russischen Kol­
legen zuteil, die unerschöpfliche fi­­nanzielle Ressourcen zu organisieren in der
Lage waren. Wesentlichen Anteil daran hatte Michail Piotrowski, der macht­
volle Direktor der Eremitage, in deren Jubiläumsfeierlichkeiten zum 250jäh­
rigen Bestehen die Tagung eingebettet war.
„Where do we go from here?“
Die thematisch gegliederten Sektionen
wurden in mehreren Museen der Stadt
abgehalten, so etwa im Staatlichen Museum
für Religionsgeschichte (links) und im
Museum für Kommunikation (Mitte). In den
Referaten und anschließenden Diskussionen
wurde deutlich, dass sich die Museen über
alle Ländergrenzen hinweg ähnlichen
Problemen ausgesetzt sehen: Bürokratisierungstendenzen, ausufernden Antrags­
verfahren und lähmenden Kommissionen.
Die Tagungsteilnehmer stimmten mehrheitlich darin überein, dass die Museen
selbst­bewusster auftreten und ihre
Positionen deutlicher gegenüber der
Politik formulieren sollten.
Der Tagung ist es gelungen, die Dimension des Verhältnisses von Museum
und Politik ansatzweise auszulo­ten. Und die russische Öffentlichkeit scheint
sich für die Frage nach Museum und Macht zu interessieren. Schon die Presse­
konferenz zum Auftakt war mit über fünfzig Journalisten gut besucht, und
ein kleines Erlebnis am Ende der Tagung nährte schließlich den Gedanken,
das Thema sei auch in der breiten Bevölkerung Russlands angekommen. Die
Grenzpolizistin am nagelneuen Flughafen Pulkowo II reichte mir zu meiner nicht
geringen Verblüffung lächelnd meinen Pass zurück mit der Frage: „You muse­
um? Con­ference?“. Mag sein, dass sie den Visa-Antrag mit dem Grund meines
Besuches auf ihrem Bildschirm einsehen konnte, aber welchem deutschen Be­
amten beispielsweise wäre dies denn eine so freundliche Nachfrage wert?
Gerne möchte man eine solche Begebenheit als Zeichen dafür deuten, dass den
Russen ihre Museen etwas bedeuten, auch wenn es eine Illusion sein sollte.
Jekaterinburg: Industriegeschichte als Herausforderung
Irina Antonowa, die Grande Dame der russischen Museen, hatte in ihrem Vor­
trag in Sankt Petersburg eine stärkere Unterstützung der Museen in der so­
genannten russischen Provinz gefordert. Ihr Plädoyer war zugleich ein Tadel der
„Macht“ in Russland, gemeint waren die zuständigen Behörden. Einmal
mehr wurde deutlich, wie verschieden das Verständnis des Konferenztitels im
Englischen (Museum und Politik) und Russischen war (Museum und Macht)
und wie eng sie doch verbunden sind. Von allen drei Aspekten – Provinz,
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
| 19
Rückblick
Politik und Macht – konnten wir uns im zweiten Teil der Konferenz in Jekate­
rinburg ein eigenes Bild machen.
Schon in Sankt Petersburg, so mein Eindruck, waren kulturelle Welten –
durchaus konstruktiv und zur gegenseitigen Be­reicherung – aufein­a nder­ge­
­sto­ßen, angefangen vom Verständnis von Museen über Konferenzorganisation
und Diskussionskultur bis hin zu politischen Fragen. Noch viel stärker war
dies in Jekaterinburg der Fall, und zwar mit Blick auf die Realität der Museen
vor Ort, das politische Umfeld und verschiedene Auffassungen von Koopera­
tion. Soweit manche Vorstellungen auch auseinandergingen, so groß war aber
auch die Bereitschaft zur Verständigung und Annäherung.
Das Thema der Konferenz war die Industriegeschichte, was sich aus der
Geschichte der Region ergibt. Der Bezirk Swerdlowsk mit seiner Gebiets­
hauptstadt Jekaterinburg (knapp 1,5 Millionen Einwohner) jenseits des Ural­
gebirges war im frühen 18. Jahrhundert das Zentrum der beginnen­den Indus­
trialisierung in Russland unter Peter dem Großen. Reiche Kaufleute, allen
voran die Familie Demidow, gründeten Fabriken und Produktions­u nterneh­
men, die dem wachsenden po­litischen Anspruch des Landes die wirtschaft­
liche Rückendeckung geben sollten. Heute besteht in diesem kultu­rellen Erbe
eine der Herausforderun­gen dieser aufstrebenden Region.
Foto: Wladimir Udilow
„…, we need to go deeper and learn more about the different structures,
systems, mentalities and such.“
Der zweite Teil der Tagung fand in
Jekaterinburg statt, nach Moskau und
Sankt Petersburg die drittwichtigste Stadt
Russlands. Eine bekannte Sehenswürdigkeit
in Jekaterinburg ist die Kathedrale auf dem
Blut. Sie wurde 2003 an jener Stelle errichtet,
an der im Jahre 1918 der letzte russische Zar
Nikolaus II. mit seiner Familie ermordet
worden war.
Entsprechend selbstbewusst präsentierte sich die Gebietsregierung mit einer
feierlichen Eröffnung durch den Gouverneur, in deren Rahmen eine Ko­ope­ra­
tionsvereinbarung mit der Eremitage, vertreten durch ihren Direktor Michail
Piotrowski, unterzeichnet wur­de. Die folgende Plenarsitzung bot das Forum
für ein breites Spektrum an Vorträgen. Hervorzuheben sind die Beiträge von
Bruno de Corte über die nachhaltige Entwicklung der Industrieregion Rupel
in Belgien sowie von Margarita Kuzowkowa vom Museum in Tagil über das
„nationale Erbe in der Politik der öffentlichen Macht“. Hinter dem Titel ver­
barg sich, durchaus überraschend, ein lebhaftes Plädo­yer für die Arbeit von
Museen mit ihrer lokalen Umgebung durch Einbe­ziehung der Menschen. Wie
stark die Entwicklung der Museumslandschaft mit den Machtstrukturen und
der Politik verwoben ist, zeigte der Vortrag von Tatjana Jaroscheswkaja, der
Leiterin der Kulturabteilung der Stadt. Die beiden Sektionen am Nachmittag
boten Gelegenheit, die angesprochenen Themen zu vertiefen. Über die Vorträge
im Einzelnen haben wir ausführlich in unserem Konferenzblog berichtet. Der
Tag fand seinen Abschluss mit verschiedenen Rundfahrten und Spaziergängen
durch die Stadt sowie einem opulenten Empfang.
Der zweite Tag führte uns in zwei Gruppen nach Nischni Tagil und Irbit zur
Fortsetzung der Sektionen und Besichtigung der Museen vor Ort. In Tagil war
das Interesse an der Tagung groß. Leider gab es für die Beiträge nicht nur kei­
ne Simultanübersetzung, sondern bei den russischen Beiträgen wurde ganz auf
eine Übersetzung verzichtet. Moderation und Verantwortung lagen bei Elvira
Merkuschowa aus dem örtlichen Museum zur Industriegeschichte, der ihre Ner­
vosität deutlich anzumerken war, die de Corte als zweiter Moderator ebenso
sympathisch wie kompetent auffangen konnte. An seine Grenzen stieß jedoch
auch er, als die russischen Kollegen eine bereits fertige Resolution einschließlich
konkre­ter Erwartungen an die ausländischen Partner zur Unterzeichnung vor­
legten. Den von deutscher und amerikani­scher Seite vorgebrachten Vorschlag,
diese zunächst zu diskutieren, führten vorübergehend zu Verstimmungen. Zu
der auf später verschobenen Unter­z eich­nung kam es nicht mehr, ein gewisses
Unbehagen blieb, auch wenn sich durch­aus Perspektiven für die Zusammen­
arbeit eröffneten.
„The conference proves we are not alone in the world,
we can do things together!“
Anschließend besuchten wir in Gruppen das regionalgeschichtliche Museum,
das Naturkundemuseum, ein Fabrikmuseum und die alte, wirklich sehr beein­
20 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
Foto: Marina Mitrochina
Foto: Susanne Pöverlein
Rückblick
druckende Demidow-Fabrik. Die Tagung endete mit einer Pressekonferenz und
der Rückreise der Gäs­te. Für mich, und ich hatte gleichen Eindruck von vielen
Kollegen, war die­ser Ausflug ein fulminanter Abschluss, der die letzten Fach­
vorträge mit der Besichtigung originaler Schauplätze so­wie der unvergleich­
lichen russi­schen Gastfreundschaft verband und den Gesamteindruck dieser
ICOM-Tagung als ein unvergessliches Erlebnis eindrucksvoll und nachhaltig
unterstrich.
Foto: ICOM Deutschland
Dr. Klaus Weschenfelder ist Direktor der Kunstsammlungen der Veste Coburg. Von 2009 bis
2013 war er Präsident von ICOM Deutschland;
k.weschenfelder@kunstsammlungen-co­burg.de.
Dr. Kristiane Janeke ist Inhaberin der Agentur Tradicia History Service. Sie war mehrere Jahre
an deutschen Museen tätig und arbeitet seit 2008 als freiberufliche Ausstellungskuratorin,
Museumsberaterin und Dozentin, vornehmlich in deutsch-russischen und deutsch-belarussischen Projekten; [email protected].
Weitere Informationen:
Rückblick auf Programm und Abstracts: www.museumandpolitics.ru
Tagungsblog: www.museumpoliticsandpower.org
Fotogalerie: www.flickr.com/groups/2738590@N23
Die Jahrestagung und Mitgliederversammlung 2015 von ICOM Deutschland findet im
Rahmen des Bodensee-Symposiums im Juni in St. Gallen statt (siehe auch S. 12).
Seit dem 18. Jahrhundert dominierte in
Jekaterinburg und Umgebung die Eisenund Metall-Industrie. Zahlreiche stillgelegte
Zechen und Industrieareale zeugen noch
heute von der einstigen Bedeutung der
Region für ganz Russland.
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
| 21
Rückblick
Protokoll der Mitgliederversammlung 2014 von ICOM Deutschland e. V.
Mittwoch, 10. September 2014
Generalstabsgebäude der Eremitage, Sankt Petersburg
Leiter der Versammlung: Dr. Michael Henker,
Präsident von ICOM Deutschland
Zahl der erschienenen, stimmberechtigten Mitglieder: 39
Anzahl der Stimmen: 42
Eröffnung der Versammlung
Der Präsident von ICOM Deutschland e.V., Dr. Michael
Henker, eröffnet um 17.10 Uhr die Mitgliederversamm­
lung 2014 mit kurzen inhaltlichen Anmerkungen zur Ta­
gung und ihrer Organisation. Die fehlenden Vorstands­
mitglieder Frau Dr. Gabriele Pieke und Frau Prof. Dr.
Friederike Waentig werden entschuldigt.
TOP 1: Billigung der Tagesordnung
Die Zustimmung der Versammlung zu der Tagungsordnung,
die zusammen mit dem Einladungsschreiben den Mitglie­
dern fristgerecht zugesandt wurde, wird festgestellt. Die
Tagungsordnung wird ohne Änderungen gebilligt.
TOP 2: Benennung der Protokollführung
Auf Vorschlag des Präsidenten wird das Vorstandsmitglied
Frau Hieke das Protokoll führen.
Der Präsident informiert über beginnende Überlegungen
des Vorstandes, auf Anregung von Dr. Hans-Martin Hinz
zeitlich begrenzte Patenschaften für die Mitgliedschaft
in afrikanischen Nationalkomitees zu übernehmen. Der
Präsident schlägt vor, dabei den Fokus auf die ehemaligen
deutschen Kolonien zu legen.
TOP 4: Finanzbericht
Die Geschäftsführerin Johanna Westphal erläutert den
schriftlich vorliegenden, abgezeichneten Kassenbericht
2013 und den Wirtschaftsplan 2014.
TOP 5: Kassenprüfungsbericht
Die Kassenprüfung wurde am 31. März 2014 durch die
Kassenprüferinnen Martina Krug und Karin Kühling in den
Räumen der Geschäftsstelle durchgeführt. Aufgrund der
entschuldigten Abwesenheit der Kassenprüferinnen wird der
Bericht von der Mitarbeiterin der Geschäftsstelle Juliana
Ullmann verlesen.
TOP 3: Bericht des Präsidenten
In einer Schweigeminute wird zunächst der verstorbenen
Mitglieder gedacht: Dr. Markus Brüderlin, Benno Carus,
Wolfgang K. Fuchs, Dr. Wilfred Geominy, Klaus Hegewisch,
Prof. Dr. Werner Hofmann, Prof. Dr. Jens Christian
Jensen, Prof. Dr. Johannes Kalter, Prof. Dr. Brigitte Klesse,
Dr. Karl Lennartz, Dr. Hans Albert Peters, Renate Pradella,
Dr. Hans-Uwe Rump, Dr. Sven Seiler, Bernd Stieghorst.
Der Bericht des bisherigen Präsidenten für das Haushalts­
jahr 2013 liegt der Versammlung schriftlich vor und ist in
den Mitteilungen 2014 von ICOM Deutschland abge­
druckt. Der amtierende Präsident dankt seinem Vorgän­
ger Dr. Klaus Weschenfelder für seine geleistete Arbeit.
Es folgt der chronologische Bericht des Präsidenten, der
die Tätigkeiten von ICOM Deutschland in der Zeit von
Januar bis September 2014 umfasst. Der vollständige Be­
richt wird zum Jahresende 2014 fertiggestellt und veröf­
fentlicht.
Die Versammlung gratuliert dem Präsidenten von ICOM,
Prof. Dr. Hans-Martin Hinz, zum Verdienstkreuz am Band
des Verdienstordens.
22 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
TOP 6: Aussprache
Frau Dr. Susanne Anna bittet um ausführlichere Informa­
tionen zu den geplanten Patenschaften für afrikanische
Komitees (siehe TOP 3) und den finanziellen Dimensionen
der Förderung. Herr Dr. Michael Henker antwortet, dass
sich die zu veranschlagenden Mittel in einem überschau­
baren Rahmen bewegen.
Frau Prof. Dr. Angelika Ruge merkt an, dass es sinnvoll sei,
dass das Vorhaben neben der finanziellen Unterstützung
eine inhaltliche Basis erhält. Es solle ein Programm ent­
wickelt werden, das den Austausch mit deutschen Museen
und Sammlungen ermögliche. Zudem sollten weitere insti­
tutionelle Unterstützer in Deutschland gewonnen werden.
Herr Prof. Dr. Dr. Markus Walz warnt vor einer Interpre­
tation als imperialistischer Geste. ICOM würde die ver­
schiedenen Einkommensniveaus bereits durch unterschied­
liche Beitragshöhen ausgleichen. ICOM Deutschland würde
bereits einen substantiellen Beitrag nach Paris abführen.
Es sei Aufgabe des Weltverbandes, dafür zu sorgen, dass
sich die afrikanischen Museumskollegen eine Mitglied­
schaft leisten können.
Rückblick
Frau Dr. Anette Rein merkt an, dass wirksame Entwick­
lungshilfe weniger mit finanziellen Leistungen als mit kon­
kreter praktischer Unterstützung einhergehe, beispielsweise
über das Angebot von Praktika in deutschen Museen. Frau
Petra Rotthoff verweist auf bereits bei ICOM bestehende
Austauschprojekte, die in diesem Rahmen unterstützt wer­
den können. Herr Dr. Michael Henker verspricht die Er­
stellung einer Ideenskizze, in die die genannten Anregungen
einfließen sollen. Das Papier soll dann zur Abstimmung
gestellt werden. Frau Prof. Dr. Angelika Ruge bietet ihre
Mitarbeit dabei an, was die Versammlung sehr begrüßt.
den nötigen Austausch zur politischen Situation, unter der
die Tagung stattfindet, und im Sinne des wichtigen offenen
Austauschs unter den Mitgliedern.
TOP 7: Entlastung des Vorstands
Sankt Petersburg, den 15. September 2014
Herr Dr. Hartwig Lüdtke äußert seinen Dank für die ge­
leistete Arbeit des Vorstandes sowie die ausdrückliche An­
erkennung, die aktuelle Tagung unter den bestehenden po­
litischen Bedingungen stattfinden zu lassen, und beantragt
die Entlastung des Vorstandes. Die anwesenden Mitglie­
der (Vorstand ausgenommen) stimmen dem Antrag per
Handzeichen ohne Enthaltungen und Neinstimmen zu.
Frau Dr. Susanne Anna bietet ihre Hilfe beim Thema Res­
titution an, da sie sich im Rahmen einer für 2018 geplanten
Ausstellung intensiv mit diesem Thema befasse.
Die Mitgliederversammlung wird vom Präsidenten um
18.35 Uhr geschlossen.
gez. Katrin Hieke, Protokoll
Dr. Michael Henker, Sitzungsleitung
TOP 8: Verschiedenes
Der Präsident Dr. Michael Henker dankt den anwesenden
wie abwesenden Vorstandsmitgliedern und besonders
den Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle, Frau Johanna
Westphal, Frau Juliana Ullmann und Frau Beate von Törne.
Frau Dr. Susanne Anna fragt den Präsidenten nach den
inhaltlichen Arbeitsschwerpunkten des Vorstandes für
die aktuelle Amtszeit. Herr Dr. Henker benennt die in
Aussicht genommene Gründung eines deutschen Natio­
nalkomitees Blue Shield; die bereits erfolgte Stellungnahme
von ICOM Deutschland zur Novellierung des Kulturgü­
terschutzgesetzes; die Prüfung von möglichen Aktivitäten
im Bereich der Provenienzforschung; die Stärkung der
Stimme der Museen bei der Umsetzung der PSI-Richtlinie;
die Beschäftigung mit Fragen der Restitution; die Vorberei­
tung des Internationalen Bodensee-Symposiums 2015 in
St. Gallen (Schweiz) sowie die Planung der Tagungsaktivi­
täten 2016.
Herr Gregor H. Lersch äußert Kritik an der Verkürzung
der Mitgliederversammlung und dem dadurch entstandenen
Zeitdruck der Veranstaltung, vor allem im Hinblick auf
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
| 23
Internationale Komitees
Kulturgutschutz in Irak und Syrien
Im Nahen Osten werden fortwährend archäologische Stätten und Museen geplündert und zerstört, der „Islamische Staat“ betreibt eine neue Kampagne der „kulturellen Säuberung“. So haben auch die zahlreichen Initiativen zum Schutz von Kulturgütern ihre Aktivitäten verstärkt – ein mühsamer Wettlauf gegen die Zeit.
Thomas Schuler
Am 26. Februar 2015 veröffentlichte
die Terrororganisation „Islamischer
Staat“ (IS) via Internet ein fünfminü­
tiges Propaganda-Video über ihren
Bildersturm im Museum in Mossul.
Die gezeigten Säle der Dauerausstel­
lung zu den Funden aus Ninive (assy­
rische Zeit) und Hatra (griechisch-rö­
mische Zeit) umfassten jeweils rund
dreißig Statuen und Reliefs, davon wa­
ren neunzig Prozent Originale – sie
sind der Vernichtung anheimgefallen.
Ferner wurde das Depot mit minde­
stens zweihundert Objekten geplün­
dert. Über das Schicksal der Abteilung
zur islamischen Geschichte ist derzeit
noch nichts bekannt.
Zwar sind aus dem Museum in
Mossul, dem zweitwichtigsten des Lan­
des, bereits im Jahr 2003 rund 1.500
kleinere Objekte ins Nationalmuseum
nach Bagdad verbracht und somit vor
der neuerlichen Zerstörungswut geret­
tet worden, dennoch ist der jüngst ent­
standene Schaden nicht wiedergut­
zumachen. Hinzu kommt, dass die
Objekte aus Hatra einzigartig und zu­
dem wenig erforscht und öffentlich
kaum bekannt sind – Funde aus Ninive
sind glücklicherweise auch in anderen
Museen zugänglich, so z. B. in Bagdad
und London.
„Kulturelle Säuberungen“
Diese neue Attacke auf ein Museum
ist wohl nur die propagandistische
Spitze einer gezielten IS-Kampagne ge­
gen prä-islamische Kultur und „unislamische“ Bildung, denn im Nord­
irak häuften sich innerhalb weniger
Wochen derartige Aktivitäten, die die
UNESCO als „kulturelle Säuberun­
gen“ bezeichnet. So wurde in Mossul
trotz Einspruchs der lokalen Autoritä­
ten die öffentliche Bibliothek in Brand
gesteckt, sechshundert alte Manuskrip­
te und Bücher gingen dadurch unwie­
derbringlich verloren, das Theater der
Universität wurde niedergebrannt, die
Kirche der Jungfrau Maria und das
Kloster St. Georg der chaldäisch-ka­
tholischen Kirche wurden zerstört.
Auch an vier bedeutenden Ausgra­
bungsstätten im Umkreis von Mossul
ist enormer Schaden entstanden: In
dem Propaganda-Video war zu sehen,
dass in Ninive – einst Zentrum des
Assyrischen Reichs – die Schutzgöt­
ter-Reliefs des Nergal-Tors beschädigt
sind. Anfang März 2015 wurde dann
der Palast beschädigt. Am 5. März
wurden die Ruinen von Nimrud, der
zweiten Hauptstadt Assyriens, atta­
ckiert, ebenso die Königsresidenz
24 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
Dur Scharrukin im zwölf Kilometer
nördlich gelegenen Chorsabad – einer
zeitweiligen Hauptstadt Assyriens. In
der 110 Kilometer südlich gelegenen
Weltkulturerbe-Stätte Hatra wurden
ab dem 5. März Abtransporte von Kul­
turgut beobachtet, gefolgt von Spren­
gungen zwei Tage später.
Zum Ausmaß dieser Schäden gibt
es bisher widersprüchliche Angaben
aus dem Irak. Jedoch ließ die Auswer­
tung der neuesten Satellitenaufnah­
men, die von UNOSat zusammen mit
dem UNESCO World Heritage Centre
erstellt werden, keine offenkundigen
Zerstörungen an Ausgrabungsstätten
erkennen.
Religion dient als Vorwand
Es ist sehr schwierig, bereits wenige
Wochen nach den Ereignissen zu einer
fundierten Einschätzung zu kommen,
aber vier Ziele des Videos scheinen of­
fenkundig: (1) Im Video selbst wird
das religiöse Motiv betont – die vom
Propheten befohlene Zerstörung so­
genannter Götzenstatuen. Dieses Ge­
bot Mohammeds wird jedoch im Islam
mehrheitlich nur auf aktuell verehrte
Statuen bezogen – den radikalen Sun­
niten geht das aber wohl nicht weit
Tagesthemen 26.2.2015
INTERNATIONALE KOMITEES
In einem Propaganda-Video dokumentieren Anhänger des „Islamischen Staates“, wie
sie im Museum von Mossul mit schwerem Gerät zahlreiche assyrische Statuen zerstören.
genug. (2) Das Video dient, wie andere
IS-Spots auch, Propagandazwecken.
Es will das Image des selbsternannten
Kalifen als des Verfechters eines reinen
Islams stärken und damit Anhänger
gewinnen. (3) Es soll die internationale
Gemeinschaft provozieren: Ein An­
griff auf den „geschützten Raum Mu­
seum“ bricht ein Tabu. – In Timbuktu
(Mali) haben Islamisten im Jahr 2012
schon einmal erfolgreich erprobt, wel­
che öffentliche Resonanz ihnen ein An­
griff auf Welterbstätten bringt. (4) Die
Zerstörung prä-islamischer Kunst­
werke soll zugleich ein Angriff auf die
gemeinsame kulturelle Basis der ver­
schiedenen Bevölkerungsgruppen des
Irak sein.
Wir sollten uns aber bewusst sein,
dass der IS die demonstrativen Zer­
störungen auch dazu nutzt, unsere
Aufmerksamkeit von fortwährenden
Plünderungen und illegalem Handel
abzulenken. Manche Experten be­
haup­ten seit langem, dass der IS nur
jene Kunstwerke in spektakulären Ak­
tionen vernichtet, die nicht transpor­
tiert und zu Geld gemacht werden kön­
nen. Bereits ISIS hatte in Syrien das
ebenso einträgliche wie alltägliche Ge­
schäft des illegalen Handels mit Kunst­
schätzen in großem Stil aufgezogen
und dabei die traditionelle lokale Pra­
xis von Raubgrabungen wie auch be­
stehende internationale Schmuggel­
routen und Hehler-Netzwerke genutzt.
Es heißt, dass der IS die „Grabungsli­
zenzen“ an örtliche Subunternehmer
vergebe und einen Teil des Ertrags als
„Steuer“ einbehalte. Welchen Umfang
jedoch die so erzielten Einkünfte ha­
ben und welche Bedeutung ihnen für
die Finanzierung des IS zukommt, ist
bisher strittig.
Für eine Interpretation der öffent­li­
chen Vernichtungsakte als Ablenkungs­
strategie spricht ferner, dass z. B. die
Plünderung des Mossuler Museums­
depots im Video nicht gezeigt wurde.
Auch im Fall von Hatra gingen Plün­
derung und Zerstörung Hand in Hand.
Vorgehen mit System?
Die erste publikumswirksame Zer­
störung einer assyrischen Statue in­
szenierte ISIS im Jahr 2013 in Ostsy­
rien. Aufgrund dieser Erfahrung waren
wir im Jahr 2014, als der IS die Stadt
Mossul überfiel, auch in großer Sorge
um das Museum, zumal wir wussten,
dass unmittelbar nach der Machtüber­
nahme die Schlüssel zum Museum und
zu den Depots ausgehändigt werden
mussten und der IS regelmäßige Kon­
trollen durchführte.
Wieso aber nahm die Vernichtung
ein solches Ausmaß an und fand ge­
rade jetzt statt? Auf diese Frage kön­
nen die Experten noch keine schlüs­
sige Antwort geben. Widersprüchliche
Spekulationen kursieren: Die einen
sehen darin ein Zeichen dafür, dass
sich die IS-Führung inzwischen stark
genug fühlt, um auf die Interessen und
Gefühle der einheimischen Bevölke­
rung keine Rücksicht mehr nehmen zu
müssen. Die anderen argumentieren
entgegengesetzt: Die Vernichtungs­
aktion sei Teil einer Verbrannten-Er­
de-Strategie. Denn da sich ein Angriff
der irakischen Armee und schiitischer
Milizen auf Tikrit und danach Mos­
sul abzeichne, wolle man dem Feind
keine intakte Infrastruktur überlas­
sen, die dieser später nutzen könne –
ob zur Bildung, zur Stärkung von Iden­
tität oder für den Tourismus.
Internationale Initiativen
zur Rettung von Kulturgut
Die Zerstörungswut des IS und die
Situation im Nahen Osten insgesamt
haben ICOM und die Disaster Relief
Task Force (DRTF) sehr gefordert.
Glücklicherweise können wir auf ein
breites Netzwerk zurückgreifen. So
kennt sich die neue DRTF-Präsidentin,
Cori Wegener, im Irak gut aus und ver­
fügt über exzellente Kontakte, denn
sie war in Bagdad bereits als amerika­
nischer Kulturgutschutzoffizier tätig.
Durch ihre jetzige Stellung als Kultur­
gutschutz-Verantwortliche im Smith­
sonian Institute in Washington wirkt
sie zudem bei aktuellen US-Hilfspro­
grammen mit. Eine weitere Schlüssel­
person ist France Desmarais, sie führt
die Geschäfte der DRTF und engagiert
sich im ICOM-Sekretariat für den
Kampf gegen illegalen Handel mit An­
tiken.
In den vergangenen Jahren sind viel­
fältige und kultursparten-übergreifen­
de Initiativen zu Syrien entstanden, so
dass unsere Aufgabe vor allem darin
besteht, die zahlreichen Akteure zu
vernetzen. Dies ist aufgrund neuer Ini­
tiativen inzwischen sehr komplex ge­
worden. Ferner haben UNESCO und
ICOM die jüngsten Zerstörungen von
Kulturgut durch offizielle Statements
entschieden verurteilt. Wir erliegen
aber nicht der Illusion, dadurch die
Adressaten, denen es um religiösen Fa­
natismus, Terror und Propaganda geht,
von ihren Plänen abzubringen.
ICOM pflegt eine gute Zusammen­
arbeit mit Interpol und nationalen Si­
cherheitsbehörden. Mit der Plattform
„Observatory on Illicit Traffic“ sowie
mit der Herausgabe der roten Listen zu
Irak und Syrien unterstützen wir die
Sicherheitsbehörden, um illegalen
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
| 25
INTERNATIONALE KOMITEES
Handel mit Kulturgütern einzudäm­
men sowie gestohlene Werke aufzufin­
den. Eine revidierte Fassung der roten
Liste zu Irak ist in Arbeit.
Kürzlich startete unter Leitung des
Vorderasiatischen Museums der Staat­
lichen Museen zu Berlin das Projekt
„Illicid“. Es erforscht das Dunkelfeld
des illegalen Handels in Deutschland
und wird Fahndern mittels einer Da­
tenbank künftig Informationen und
Fakten aus verdächtigen Auktionen zur
Verfügung stellen.
Eine weitere Reaktion der interna­
tionalen Fachwelt ist die intensivere
Erfassung der Sammlungen, archäo­
logischen Stätten und Monumente. Als
Beispiele seien genannt das Projekt
„Endangered Archaeology“ der Uni­
versitäten Oxford und Leicester (Nord­
afrika und Nahost) und „Syrian He­
ritage“, ein vom Auswärtigen Amt
bezahltes Gemeinschaftsprojekt des
Deutschen Archäologischen Instituts
und des Islamischen Museums in Ber­
lin. Es baut aufgrund von Archivfotos
und aktuel­len Aufnahmen eine welt­
weit einzigartige digitale Datenbank
syrischer Kulturgüter auf, die auf der
techni­schen Grundlage von Google
Maps auch die jüngsten Zerstörun­gen
sichtbar werden lässt.
Ein neuestes Beispiel für internatio­
nale Initiativen ist das „Projekt Mos­
sul“, das mittels Crowdsourcing eine
ebenso adäquate wie innovative Ant­
wort auf die Zerstörungen im Muse­
um von Mossul geben will: Fotos der
Ausstellungssäle von ehemaligen Be­
suchern sollen online gesammelt und
danach photogrammetrisch bearbei­
tet werden; die zerstörten Skulpturen
können dann virtuell rekonstruiert und
auf einer eigenen Website präsentiert
werden. – Eine vergleichbare InternetInitiative ist erstmals nach dem Ein­
sturz des Stadtarchivs in Köln ent­
standen und sie hat großes Echo
gefunden.
Initiativen vor Ort
Am 28. Februar 2015 wurde in Bag­
dad das Nationalmuseum wiederer­
öffnet. Damit haben die staatlichen
Behörden und die irakischen Muse­
umskollegen ein äußerst mutiges Zei­
chen gegen die Zerstörungen in Mos­
sul gesetzt. In den internationalen
Medien ging diese – sogar vorzeitige –
Wiedereröffnung völlig unter, da nur
die Terrornachrichten aus dem Nord­
irak berichtenswert schienen.
Ferner geht es um die Vernetzung
von Mitstreitern vor Ort. So werden
etwa am Irakischen Institut für Kon­
servierung in Erbil derzeit Fortbil­
dungen im Bereich Notfallhilfe ange­
boten, die sich an kurdische und an die
aus Mossul geflohenen Museumsleute
sowie an engagierte Freiwillige richten.
In ihnen lernen die Teilnehmer z. B. das
Fotografieren von Monumenten im
IS-Gebiet mit Smartphone bei einge­
schaltetem GPS. – Unter schwierigsten
Bedingungen sind schon simple Tech­
niken äußerst wertvoll.
Auch in Syrien setzt man auf die
enge Zusammenarbeit mit lokalen
Kräf­ten. Neben der Antikenverwal­
tung leisten syrische Freiwillige Er­
staunliches, z. B. versuchen sie, in den
umkämpften Gebieten das Verbliebe­
ne zu retten oder das noch Vorhandene
zu schützen und zu verbergen. Genannt
sei hier eine große inoffizielle Gruppe
um Amr al-Azm („The Monuments
Men“); sie wird vom „Safeguarding
the Heritage of Syria and Iraq Project“,
einem Verbund des Smithsonian Insti­
tute mit mehreren anderen US-Part­
nern, unterstützt. Vorläufig kann von
der erfolgreichen Sicherung des stark
beschädigten Ma’arra-Mosaiken-Mu­
seums öffentlich berichtet werden. Zu
erwähnen ist auch das auf Vernetzung
der Kulturgutschutz-Aktivitäten für
Syrien zielende Projekt „Heritage for
Peace“ von Isber Sabrine und René
Teijgeler oder auch die Shirin-Initiative
von Marc Lebeau (Syrian Heritage in
Danger).
Weitere Anstrengungen sind nötig
Alle internationalen Aktivitäten und
Bemühungen vor Ort reichten bisher
nicht aus, um die spektakulären Zer­
störungsorgien und den illegalen Han­
del mit Raubgut zu unterbinden – die
Allianz gegen die „kulturellen Säube­
rungen“ muss ihre Kräfte bündeln und
neue mobilisieren. Der Ruf nach Äch­
tung der Vernichtungsaktionen als
Kriegsverbrechen ist ehrenwert, läuft
aber ins Leere, denn die Haager Kon­
vention, wie auch die aktuelle UNOResolution 2199, bietet bereits eine
gute Handhabe gegen die Zerstörung
von Kulturgut – doch derartige in­ter­
natio­nale Vereinbarungen werden vom
IS ignoriert.
26 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
Die jüngste Forderung des italie­
nischen Kulturministers Dario
Franceschini nach einer neuen UNOTruppe – sogenannte Kultur-Blau­
helme als schnelle Eingreiftruppe für
den Schutz von Monumenten und ar­
chäologischen Stätten – bietet zwar
eine interessante Perspektive; es ist
aber schwer vorstellbar, wie diese etwa
im Nordirak agieren soll. Es wäre
immerhin ein Fortschritt, wenn der
Schutz von Kulturgütern zum festen
Bestandteil von UN-Friedensmissio­
nen würde.
Wichtig ist vor allem, sich trotz sei­
ner spektakulären Aktionen nicht auf
den IS zu fixieren. Auch im regierungs­
treuen Syrien und in Ägypten haben
Raubgrabungen ein katastrophales
Ausmaß angenommen. Dass in SaudiArabien die Wahhabiten eine Vielzahl
der alten Pilgerstätten in Mekka und
Medina aus denselben religiösen Grün­
den dem Erdboden gleichmachen, wird
außerhalb der islamischen Welt kaum
wahrgenommen. Ebenfalls sind die su­
fischen Gedenkstätten immer stärker
in Gefahr; erst kürzlich wurde wieder
eine in Tripolis zerstört.
Wer die Konflikte im Nahen Osten
begreifen will, darf nicht nur poli­
tische Ursachen (französisch-britische
Grenzziehung, amerikanische Irak­
kriege) oder soziale und ökonomische
Strukturen berücksichtigen, sondern
muss ganz wesentlich den unterschied­
lichen religiösen Richtungen im Islam
nachspüren. Wir würden zu kurz grei­
fen, wenn wir im Bildersturm in Mos­
sul und Umgebung lediglich eine Fa­
cette des IS-Terrors sähen, denn die
Vernichtung von prä-islamischen Ar­
tefakten ist nach der Meinung vieler
strenger oder radikaler Sunniten
(Wahhabiten, Salafisten) mindestens
akzeptabel, wenn nicht legitim oder
gar religiöse Pflicht. So wurden etwa
im Jahr 2013 auf den Malediven bei
einem Angriff auf das Nationalmuse­
um ausschließlich prä-islamische Aus­
stellungsstücke zerstört.
Es muss also darum gehen, Verbün­
dete für den Schutz der Museen und
Kunstwerke in der islamischen Welt zu
gewinnen, und da ist die am 6. März
von der in der sunnitischen Welt sehr
angesehenen Al-Azhar-Universität in
Kairo ausgesprochenen Fatwa zum
Schutz von antiken Kunstwerken ein
wichtiger Schritt. Antike Statuen seien
nicht – wie vom IS behauptet – „Göt­
Foto: Staff Sgt. JoAnn Makinano
INTERNATIONALE KOMITEES
Ruinen von Hatra im Jahr 2008. Im Februar 2015 wurden sie durch den IS stark beschädigt. zenbilder und Idole“, sondern von glo­
baler kultureller und historischer Be­
deutung und Teil unseres kollektiven
Erbes; deshalb würden die Zerstö­
rungsaktionen des IS als Verbrechen
gegen die Menschheit gewertet.
Im Irak kommt es auch im Kultur­
bereich weiterhin darauf an, die staat­
lichen Zentralbehörden zu stärken und
trotz der schwierigen politischen Be­
dingungen den Kulturgutschutz vor­
anzubringen. Aber auch viele Einzelne
können mitwirken, denn es ist wichtig,
die früheren internationalen Fachkon­
takte ebenso in Kriegszeiten zu pflegen
und den Betroffenen in Krisengebie­
ten die internationale Solidarität zu
vermitteln.
Das Wichtigste ist jedoch, dort zu
handeln, wo wir etwas direkt verän­
dern können. Die Kollegen im Nahen
Osten erwarten von uns vor allem
eines: Alles zu tun, um auf der Abneh­
merseite den illegalen Kunsthandel
zu erschweren, zu stigmatisieren und
auszutrocknen.
Wir haben jedoch gerade in Deutsch­
land bei der Legislative wie bei der
Exekutive einen gewaltigen Nachhol­
bedarf. Die Bundesrepublik hat eine
der laxesten Regelungen beim Import
und Erwerb von Kunst und Antiqui­
täten, und es bedurfte erst der UNOResolution 2199 sowie einer strenge­
ren EU-Richtlinie, um hierzulande eine
adäquate Gesetzgebung auf den Weg
zu bringen, die Novellierung ist im
Gesetzgebungsverfahren. Sie sieht u. a.
schärfere Einfuhrkontrollen und vor
allem eine Zertifizierungspflicht aus
dem Ursprungsland vor. So wird
hoffentlich bald Vergangenheit, was
Silvelie Karfeld vom Bundeskriminal­
amt sarkastisch formuliert hat: „Nach
dem deutschen Recht wird ein norma­
les Hühnerei besser geschützt und bes­
ser deklariert als die wertvollste An­
tike.“ – Dann kommt man aber auch
nicht umhin, im Bundeskriminalamt
die entsprechende Abteilung endlich
personell aufzustocken. Die jetzigen
1,75 Planstellen sind jedenfalls im in­
ternationalen Vergleich äußert be­
scheiden – Italien hat z. B. eine eige­
ne, sehr gerühmte Spezialeinheit der
Carabinieri mit hunderten von Mit­
arbeitern.
Dr. Thomas Schuler ist Mitglied und war bis
2014 Präsident der Disaster Relief Task Force
von ICOM. Im Rahmen von Hilfsmissionen
zum Schutz von Kulturgütern engagiert er
sich in zahlreichen Krisenregionen der Welt;
[email protected].
Weitere Informationen:
Berichte zu Einsätzen und Vorgängen in Irak
und Syrien finden sich auf der FacebookSeite der Disaster Relief Task Force von ICOM.
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
| 27
Tagungsberichte
der internationalen Komitees
Die inhaltliche Arbeit von ICOM findet wesentlich in den international organisierten Komitees statt. Sie widmen
sich den Bedürfnissen und Aufgabenstellungen eines bestimmten Museumstyps oder einer museumsverwandten
Disziplin. Derzeit gibt es 30 internationale Komitees, die durch einen Präsidenten, einen Sekretär und einen Vor­
stand vertreten sind. Der Weltverband wünscht sich eine stärkere Beteiligung deutscher ICOM-Mitglieder in den
internationalen Komitees. Auch ICOM Deutschland begrüßt Ihr Engagement sehr. Damit die Professionalität
von ICOM Deutschland gerade in internationalen Fragen gesichert ist, sollte jedes Mitglied von ICOM Deutsch­
land auch Mitglied eines internationalen Komitees sein. Weitere Informationen finden Sie unter www.icom.museum
oder www.icom-deutschland.de.
28 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
Foto: Gerhard Winter
INTERNATIONALE KOMITEES
INTERNATIONALE KOMITEES
CIDOC – International Committee for Documentation
Access and Understanding – Networking
in the Digital Era
Jahrestagung vom 6. bis 11. September 2014
in Dresden
Axel Ermert, Monika Hagedorn-Saupe, Martina Krug,
Regina Smolnik
Nach 17 Jahren fand erstmals eine CIDOC-Jahrestagung
wieder in Deutschland statt, ausgerichtet vom Landesamt
für Archäologie, Sachsen, zusammen mit dem Institut für
Museumsforschung, Berlin. Weitere Partner waren die Lan­
deshauptstadt Dresden, die Museen der Stadt Dresden, die
Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, das Militärhisto­
rische Museum der Bundeswehr in Dresden, das Stadtge­
schichtliche Museum Leipzig, die Görlitzer Sammlungen –
Kulturhistorisches Museum, das Senckenberg-Museum für
Naturkunde in Görlitz, das Hans-Körnig-Museum in Dres­
den und das Staatliche Museum für Archäologie in Chem­
nitz. Zentrale Veranstaltungsorte waren in der Dresdner
Neustadt die Dreikönigskirche, das Kulturrathaus und das
Japanische Palais. Die Tagung wurde gefördert durch die
Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien
und durch ICOM Deutschland. Besonders hervorzuheben
sind die von der Getty Foundation, ICOM Europe und dem
Sächsischen Museumsbund ausgereichten Teilnahmestipen­
dien. Ebenfalls eine Besonderheit stellte die starke, allein
aus sechs Mitgliedern bestehende Delegation der Getty
Foundation (Los Angeles) dar, durch die auch in dieser Form
die Unterstützung für CIDOC und die besondere Bedeu­
tung verschiedener Themenblöcke ausgedrückt wurde, die
diesen von dort beigemessen wird. Besonders gilt dies na­
türlich für die Arbeit an den Getty-Thesauri, die auf der
Tagung umfangreich zur Sprache kam.
Die Konferenz begann mit einer Reihe von Workshops,
unter anderem „Train the Trainers“ für Lehrende der Mu­se­
umsdokumentation und unter Einschluss des von CIDOC
hierfür entwickelten Trainingsprogramms; Einführung in
das CIDOC CRM Conceptual Reference Model; Data
Harvesting und Datenaustausch für Museumsobjektdaten
(Format LIDO). Anschließend wurden in parallelen Sessions
insgesamt zwölf Themenblöcke mit 120 Vorträgen abge­
deckt: Dokumentationsstrategien und Dokumentations­
richtlinien, Verfahren in der Museumsdokumentation, Mu­
seumsdokumentation als Beruf, Vernetzung – Netzwerken,
Metadaten, Terminologie, digitale Langzeitbewahrung, Im­
materielles Kulturerbe, GIS-Anwendungen in der Denkmal­
pflege, Digitale Dokumentation in den Archäologien, Zu­
gang zum kulturellen Erbe, und 3D-Dokumentation von
kulturellem Erbe. In Dresden wurde schließlich auch eine
neue CIDOC-Arbeitsgruppe „Immaterielles Kulturerbe“
gegründet.
Bestimmte inhaltliche Schwerpunkte setzten drei beson­
dere special sessions. In ihnen ging es zum einen um den
Stand und Ausbau des britischen Museumsdokumentati­
onsstandards SPECTRUM, der online frei verfügbar ist
und bereits in mehreren nationalen Übersetzungen vor­
liegt – in deutscher Sprache sowohl online als auch als kos­
tenlose Druckversion beim Institut für Museumsforschung
erhältlich. Gegenwärtig auf dem Arbeitsprogramm steht
die Entwicklung des internationalen Standards SPECTRUM
International, auch SPECTRUM-I genannt, und die Erstel­
lung weiterer nationaler Fassungen (Portugiesisch, skandi­
navische Sprachen).
Ein zweiter Schwerpunkt war die Terminologie der Ob­
jekte in der Museumsdokumentation und dabei besonders
die am Wochenende vor den Haupttagungstagen durchge­
führte special session „The Getty Vocabularies and Linked
Open Data“. Hier trafen sich die Übersetzungsbetreuer des
Art and Architecture Thesaurus (AAT) für die Sprachen
Spanisch, Niederländisch, Chinesisch Taiwan und Deutsch
zum aktuellen Stand. Besondere Bedeutung hat die jüngst
erfolgte Freigabe der Getty-Thesauri (AAT, TGN zu geo­
graphischen Namen, ULAN zu Künstlernamen) als Linked
Open Data, die von allen weiteren Anwendungen z. B. in
Museen, Dokumentationsringen usw. frei verarbeitbar sind.
In Deutschland wurden von 2012 bis 2014 am Institut für
Museumsforschung die Übersetzung der rund 17.000 Ein­
träge des AAT zu (materiellen) Objekten wie Möbel, Tisch­
geschirr, Verkehrseinrichtungen usw. und die Einrichtung
der deutschen Webseite hierzu realisiert.
Einen dritten Schwerpunkt bildete die 3D-Dokumenta­
tion, insbesondere auch in ihrer Anwendung in der Archäo­
logie, mit etlichen Beiträgen aus dem Sächsischen Landes­
amt. Diese drei Schwerpunkte waren auch Gegenstand der
drei Hauptvorträge von Murtha Baca, Getty Research In­
stitute, zur Bedeutung des Datenaustausches und der Ter­
minologie, von Günther Schauerte, Stiftung Preußischer
Kulturbesitz, mit einem Überblick über digitale Archäolo­
gie im Web und von Tanya Szraiber, British Museum Lon­
don, zu den grundlegenden Funktionen der Museumsdo­
kumentation, die dringlicher denn je sind.
Am Abschlusstag konnten wir an Exkursionen nach Gör­
litz, Leipzig und Chemnitz teilnehmen. Die CIDOC-Jah­
restagung 2014 zählt mit über 290 Teilnehmern aus fast
fünfzig Ländern zu den erfolgreichsten CIDOC-Tagungen.
Neben den europäischen Ländern waren z. B. Indien eben­
so vertreten wie Taiwan, die USA, verschiedene südameri­
kanische und afrikanische Länder.
Axel Ermert, Institut für Museumsforschung, Berlin;
[email protected].
Professor Monika Hagedorn-Saupe, Institut für Museumsforschung,
Berlin; [email protected].
Martina Krug, Mitglied im Vorstand von CIDOC, Städtisches Museum
Hann. Münden; [email protected].
Dr. Regina Smolnik, Landesamt für Archäologie, Sachsen,
[email protected].
Weitere Informationen:
Eine Tagungspublikation ist in Planung. Die Jahrestagung 2015 findet im September in Neu Delhi statt. Titel: Documenting Diversity –
Collections, Catalogues and Context
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
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INTERNATIONALE KOMITEES
CIPEG – International Committee for Egyptology
Archaeological Sources and Resources
in the Context of Museums
Foto: Hasse Ferrold
Jahrestagung vom 26. bis 29. August 2014 in Kopenhagen, Dänemark
Gabriele Pieke
Die Jahrestagung 2014 bot mit einem dicht gedrängten
Programm eingehend Gelegenheit, sich über die vielfälti­
gen Aspekte von archäologischen Objekten, den Umgang
mit Sammlungsbeständen aus Grabungskontexten sowie
zu aktuellen Feldforschungsprojekten auszutauschen.
Zahlreiche ägyptische Sammlungen verfügen neben Stücken
aus alten, historischen Beständen auch über eine große
Anzahl an Artefakten, die vor allem im 20. Jahrhundert im
Rahmen von offiziellen Fundteilungen nach Europa und
in die USA gekommen sind. Auf legalen und vertraglich fest­
gelegten Wegen haben diese Stücke mit Genehmigung der
Antikenbehörden in Ägypten und dem Sudan ihren Weg
in zahlreiche Museen gefunden und bilden oft den Grund­
stock der Sammlungen. Viele dieser Häuser knüpfen zudem
durch aktuelle Feldforschungen an ihre vorhandenen Be­
stände an und versuchen, den Forschungsstand zu wichti­
gen Inventarbeständen zu verbessern. Gleichzeitig bieten
Objekte, die aus gesicherten Grabungskontexten stammen,
auch für den Besucher einen sehr interessanten Zugang und
können sowohl auf ausstellungsdidaktischer sowie szeno­
graphischer Ebene besonders lebendig aufbereitet werden.
Über diese und andere Fragestellungen diskutierten die
62 Teilnehmer der Museen und Sammlungen aus 19 ver­
schiedenen Ländern in der Ny Carlsberg Glyptotek und
der Royal Danish Academy of Science in Kopenhagen.
Schon der einleitende Hauptvortrag von Professor Kim
Ryholt bot einen spannenden Einblick in den Umgang und
die Erforschung einer besonderen Materialgruppe, den
ägyp­tischen Papyri. In seinem Vortrag über die Carlsberg
Papyri Collection, für die er als wissenschaftlicher Leiter
verantwortlich ist, gab er einen umfangreichen Überblick
zu Fundkontexten und komplexen Herausforderungen der
Erforschung von zum Teil verkohlten und sehr fragmenta­
risch erhaltenen Texten. Zudem wurde im open forum der
Tagung auch über klassische Sammlungsthemen wie lau­
fende Ausstellungs- und Forschungsvorhaben sowie Onlineund Datenbankprojekte berichtet.
Mit ausgesprochen großer Spannung wurde vor allem
eine Forumsdiskussion erwartet, die einer der Kuratoren
des noch im Bau befindlichen Grand Egyptian Museum in
Kairo initiiert hatte und von drei ägyptischen Museums­
kollegen moderiert wurde. Zunächst wurde in einer einlei­
ten­den Präsentation über den Stand der Dinge der drei
großen Museumsprojekte in Kairo, namentlich dem altein­
gesessenen Nationalmuseum, dem Grand Egyptian Muse­
um sowie dem Museum for Egyptian Civilization, berich­
tet. Insbesondere das 1902 eröffnete Nationalmuseum am
Tahir-Platz, das herausragende Sammlungsbestände, un­
ter anderem die Funde aus dem Grab des Tutanchamun,
und insgesamt die weltweit größte Sammlung ägyptischer
30 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
Abendempfang bei der ägyptischen Botschafterin in Kopenhagen
Altertümer beherbergt, ist derzeit großen Herausforde­
rungen und Umbrüchen unterworfen. In einer regen Dis­
kussion wurden auch sensible Themen wie die bisher noch
fehlen­den Alleinstellungsmerkmale beziehungsweise die
konzep­tio­nellen Herausforderungen einer inhaltlichen Ab­
grenzung der drei Häuser angesprochen und abschließend
um aktive Mithilfe von CIPEG als Beratungsgremium ge­
beten.
Besondere Höhepunkte innerhalb des dicht gedrängten
Tagungsprogramms waren die Besuche der drei hochka­
rätig bestückten Sammlungen von Kopenhagen, der Ny
Carlsberg Glyptotek, des Thorvaldsens Museums sowie
des Nationalmuseums. Hier bot sich wie immer Anlass zu
vielen spannenden Fachdiskussionen über einzelne Objekte
und Fundkomplexe. An einem Abend hatte zudem die
ägyptische Botschafterin zu einem Empfang in ihrer Resi­
denz eingeladen. Dies gab den Tagungsteilnehmern Gele­
genheit, sich über die aktuellen politischen Veränderungen
und die derzeitige Situation in Ägypten auszutauschen. Ein
Blick über den Tellerrand und die Beschäftigung mit dä­
nischer Geschichte lieferte ein ganztägiger Ausflug nach
Roskilde, bei dem neben dem berühmten Dom vor allem
das renommierte Wikingermuseum besucht wurde.
Die CIPEG-Jahrestagung bot auch im Jahr 2014 ein rei­
ches Diskussionsforum mit vielfältigen Gelegenheiten, sich
mit internationalen Fachkollegen über Probleme und He­
rausforderungen auszutauschen, denen sich zahlreiche Mu­
seen derzeit ausgesetzt sehen.
Dr. Gabriele Pieke ist als wissenschaftliche Sammlungsleiterin der
Abteilung Ägypten bei den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim
tätig. Seit 2011 ist sie Mitglied im Vorstand von ICOM Deutschland, seit 2013 Präsidentin von CIPEG; [email protected].
Weitere Informationen:
Rückblick auf Programm und live tweets 2014:
http://cipeg.icom.museum
Die Jahrestagung 2015 findet vom 1. bis 4. September in München
statt; Titel: From Historism to the Multimedia Age. Content – Concept – Design of Egyptian Museums and Collections
INTERNATIONALE KOMITEES
Collecting and Collections in Times of
War or Political and Social Change
Jahrestagung vom 3. bis 6. Dezember 2014 in Celje,
Slowenien
Léontine Meijer-van Mensch, Elisabeth Tietmeyer
Die Aufgabe von COMCOL besteht darin, sammlungsbe­
zogene Diskussionen zu vertiefen und Wissen über die
Praxis, Theorie und Ethik des Sammelns sowie über mate­
rielle als auch immaterielle Sammlungen auszutauschen.
Wir wollen eine Plattform für den fachlichen Meinungsund Erfahrungsaustausch im Bereich Sammeln bzw. Samm­
lungsentwicklung – im weitesten Sinne – bieten.
Auf der Tagung stand das Thema der gesellschaftlichen
und politischen Umbrüche im Zentrum. Referentinnen
und Referenten aus Asien, Amerika und Europa waren
nach Celje gekommen und brachten in ihren Vorträgen ihre
Kenntnisse und Erfahrungen ein. Unter ihnen bildeten die
Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Slowenien, Kroatien
und Serbien die Mehrzahl, was sicher zunächst am Ta­
gungsort und der Zusammenarbeit mit ICOM Slowenien,
dann aber vor allem auch an der Thematik lag.
Aufgrund der noch spürbaren schwierigen Vergangenheit
Südosteuropas waren die inhaltlichen Beiträge und an­
schließenden Diskussionen stets lebendig und sehr berei­
chernd. Wie geht man als Museum zum Beispiel mit den
vielen Geschenken um, die der damalige Präsident von Ju­
goslawien Tito erhielt – keine einfache museologische Frage.
Über das Tagungsthema lernten wir auch andere Museen
auf der Welt kennen. Für uns beide war die Darstellung des
Museum of Sexual Slavery by Japanese Military in Korea
sehr eindrucksvoll und bewegend. Die Thematik des Mu­
seums möchte COMCOL gern im Herbst 2015 auf sei­
ner Jahrestagung in diesem Land weiter erörtern. In ihrem
interessanten Beitrag stellte Nina Gorgus die Sammlung
zum Ersten Weltkrieg des Historischen Museums in Frank­
furt am Main dar und beschrieb, wie diese als „Zeitkap­
sel“ Jahrzehnte überdauerte und welche Bedeutung sie
wieder erlangt hat.
Abends boten wir als Organisatoren ein lebendiges Kul­
turprogramm: In einem lokalen Kino zeigte und erläuterte
der slowenische Filmemacher Andrej Zdarvič Ausschnitte
aus seinem Film „Riverglass“. Nach einem freundlichen
Empfang des Bürgermeisters von Celje stellten Studentinnen
und Studenten der Museologie aus Ljubljana und Amster­
dam ihre Projekte vor – besonders diese Beiträge trugen zu
einer lebendigen Atmosphäre auf der Tagung bei.
Wie bei allen ICOM-Tagungen, so gab es auch bei uns
Exkursionen, die uns unter anderem in das Kulturzentrum
für europäische Raumfahrttechnologien (KSEVT) nach
Vitanje führten. In diesem Dorf wurde ein Museum in der
Art eines Stanley-Kubrick-Raumschiffs gebaut, mit dem in
einer Ausstellung an den slowenischen Militäringenieur und
Raumfahrttheoretiker Herman Potočnik erinnert wird. In
einer weiteren Exkursion lernten wir Museen in der Haupt­
stadt Ljubljana kennen.
Mitorganisator und Gastgeber war das Museum of Recent
History in Celje. Das Haus wurde 1963 als Museum of
Revolution gegründet und beschäftigt sich jetzt mit der
jüngeren Geschichte der Stadt. Die jetzige Dauerausstellung
blickt auf die Geschichte der Stadt seit 1900. Die Glanz­
stücke des Museums sind sicherlich das Kindermuseum
und das in situ gebliebene Fotoatelier von Jossip Pelikan.
Das Museum war als Ort für die Thematik der Konferenz
also bestens geeignet.
Als wunderbaren Abschluss gab es eine Performance der
beiden Musiker Goran Bojčevkski und Stane Špegel. Eine
wunderschöne und beeindruckende Verbindung zwischen
Klassik, House und Videokunst.
Wir danken dem Team des Museum of Recent History
in Celje und vor allem dessen Direktorin Tanja Roženbergar.
Léontine Meijer-van Mensch ist stellvertretende Direktorin des Museums Europäischer Kulturen – Staatliche Museen zu Berlin – Stiftung
Preußischer Kulturbesitz und Vorsitzende von COMCOL;
l.meijer-van [email protected].
Professor Dr. Elisabeth Tietmeyer ist Direktorin des Museums Europäischer Kulturen – Staatliche Museen zu Berlin – Stiftung Preußi­
scher Kulturbesitz und stellvertretende Vorsitzende von COMCOL;
[email protected].
Weitere Informationen:
Die Jahrestagung 2015 findet vom 26. bis 31. Oktober 2015 in Seoul,
Korea, statt. Titel: Collecting and Collections – The Politics and Praxis
of Social, Economic and Intellectual Sustainability
Foto: flickr.com, Luka Hvalc
COMCOL – International Committee for Collecting
Kulturzentrum für europäische Raumfahrttechnologien, Vitanje:
Die Architektur ist einer Raumstation nachempfunden, die Herman
Potočnik 1929 in seinem Buch Das Problem der Befahrung des Weltraums – der Raketen-Motor beschrieben hat.
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
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INTERNATIONALE KOMITEES
Rumänien – traditionelle Glasikonen
und modernes Glas
Jahrestagung vom 4. bis 10. Oktober 2014 in Craiova,
Rumänien
Sven Hauschke
Das ICOM-Glass-Komitee traf sich 2014 zu seiner jähr­
lichen Zusammenkunft in Rumänien. Die großzügig vom
Kreis Dolj und ICOM Romania geförderte Fahrt, an der
zwanzig Komitee-Mitglieder aus Europa und Amerika teil­
nahmen, wurde organisiert und durchgeführt vom Oltenia
Museum Craiova, insbesondere von unserem Mitglied
Simone Gheorghe, Restauratorin am dortigen Museum.
Thematischer Schwerpunkt waren die landestypischen Glas­
ikonen und modernes Glas sowie der Besuch mehrerer
Sonderausstellungen und neu eingerichteter Museen und
Depoträume.
Eindrucksvoll waren beispielsweise die Depots für Ke­
ramik, Glas und Textilien mit neuen Kompaktanlagen und
ausgeklügelter Standortverwaltung im Nationalmuseum
der Rumänischen Bauern in Bukarest (Muzeul Na­t˛ional al
T˛ăranului Român), die uns in einer detailrei­chen Führung
vorgestellt wurden.
Das Oltenia Museum Craiova hatte eigens für die ICOMGlass-Tagung drei Ausstellungen organisiert, die zur Er­
öffnung der Tagung im Beisein von Presse und Fernsehen
feierlich eröffnet wurden. Jede Ausstellung erhielt einen ei­
genen Katalog, der mit dem ICOM-Logo versehen war. Mit
Leihgaben mehrerer Museen wurden eine Auswahl an Glasikonen des 18. bis frühen 20. Jahrhunderts präsentiert, eine
Ausstellung zu rumänischem Formglas des gleichen Zeit­
raums sowie eine Ausstellung zu modernem Glas in Rumä­
nien mit zahlreichen Objekten und Skulpturen. Zur Eröff­
nung waren eigens zahlreiche der ausstellenden Künstler
angereist, so dass Gelegenheit zum Gespräch und inten­
siven fachlichen Austausch bestand. Einige der rumäni­
schen Künstler wie Edward Leibovitz und Matei Negreanu
leben seit Jahrzehnten in Belgien und Frankreich oder ha­
ben wie Mihai T˛opescu, dessen Werkstatt in Targu-Jiu wir
ebenfalls besuchten, langjährige Kontakte in Westeuropa.
So konnten einige der ICOM-Glass-Mitglieder nicht nur
viele neue Künstler kennenlernen, sondern auch alte Be­
kannte treffen. Eindrucksvoll waren die Qualität und der
Anspruch der ausgestellten Werke. Darunter befanden sich
auch Objekte junger Absolventen der Universitatea de
Artă s˛i Design in Cluj-Napoca und ihres Professors Valeriu
Emenescu sowie von Professor Lucian Butucariu, Direk­
tor der Glas-und-Keramik-Klasse an der Kunstakademie in
Bukarest, der uns am letzten Tag durch sein Institut führte
und eine eindrucksvolle Demonstration am Glasofen bot.
Auch im Bereich der modernen Kunst offenbart Rumänien
eine große Aufbruchsstimmung.
Neben der modernen Kunst aus Glas, die auf der Reise
immer wieder an ihren Entstehungsorten wie der Manu­
faktur von Ioan Tămăian erlebt werden konnte, war die
museale Verbreitung der traditionellen rumänischen Volks­
32 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
kunst, zu der auch die Glasikonen gehören, für die Teil­
nehmer ein besonderes Erlebnis. Neben den zahlreichen
Glasikonen-Sammlungen vor Ort konnten wir im Rahmen
unserer Vortragssektion auch von einem Referat von Elena
Bajenaru profitieren, das sich der transsilvanischen Hinter­
glasmalerei widmete. Frau Bajenaru hat den großen Be­
stand an Glasikonen im Fagaras-Museum (Muzeul T˛ării
Făgăras˛ ului) bearbeitet und 2011 publiziert, so dass wir
detailreiche Informationen aus erster Hand erhielten.
Die ICOM-Glass-Tagung bot vielfältige Einblicke in die
rumänische Museumslandschaft, die sich mit großem per­
sönlichem Engagement der Mitarbeiter und oft großem
finanziellen Aufwand in den letzten fünfzehn Jahren stark
verändert hat. Fruchtbringend war dabei der Kontakt und
intensive Austausch mit Museumskollegen und Restaura­
toren sowie mit Künstlern und zahlreichen Kulturbotschaf­
tern wie dem Professor für Museologie Dr. Ioan Opris
vom Nationalmuseum für Geschichte Rumäniens, der uns
die ganze Reise über begleitet hat.
Dr. Sven Hauschke leitet die Sammlung Kunsthandwerk und Europäi­
sches Museum für Modernes Glas der Kunstsammlungen der Veste
Coburg. Er ist Schatzmeister von ICOM Glass;
[email protected].
Weitere Informationen:
Detailreicher Bericht des Präsidenten von ICOM GLASS:
http://network.icom.museum/glass/our-publications/annual-newsletter
Foto: Sven Hauschke
GLASS – International Committee for Museums and
Collections of Glass
Mihai Ţopescu: Hephaistos, 2012, farbiges Glas, geblasen, Metall
ICEE – International Committee of Exhibition Excange
Involving New Museums, New Partners
and New Incentives in Exhibition Making and Exchange
Jahrestagung vom 23. bis 27. September 2014 in Helsinki, Tampere, Mänttä, Finnland
Foto: Joshua06 at de.wikipedia INTERNATIONALE KOMITEES
Christoph Lind
Traditionell sind Tagungen des ICEE immer eine Zusam­
menführung von Ausstellungsmachern, Ausstellungsab­
teilungen der Museen sowie privaten Ausstellungsgesell­
schaften, die natürlich sowohl für die Konzeption von
Ausstellungen als auch für Präsentationsplanungen auf die
Zusammenarbeit mit Museen angewiesen sind. Im umge­
kehrten Fall ist auch seitens der Museen ein steigender Be­
darf an Zusammenarbeit mit privaten Ausstellungsgesell­
schaften festzustellen, die insbesondere im Logistikbereich,
aber auch bei der Organisation von Ausstellungstourneen
mit mehreren Stationen durchaus professionelles Wissen
beisteuern können. Das Tagungsthema trug dieser Tatsache
Rechnung und schuf den Rahmen für eine ausgesprochen
gut besuchte und inhaltlich anspruchsvolle Tagung.
Schon die Eröffnungsfeierlichkeiten im edlen Rahmen
des Finnischen Nationalmuseums in Helsinki zeigten nicht
zuletzt durch die verstärkte Präsens asiatischer Teilnehmer
die erfreuliche Erweiterung des ICEE und die Bedeutung
Asiens für das internationale Ausstellungsgeschehen.
James Bradburne, Generaldirektor der Fondazione Palaz­
zo Strozzi in Florenz, appellierte mit seinem Grundsatz­
vortrag „Are travelling exhibitions the right answer to the
right question?“ an die Museen, bei der Strukturierung des
Ausstellungsprogramms die Blockbuster nicht grundsätz­
lich in den Vordergrund zu stellen; Guido Guerzoni von der
Università Luigi Bocconi, Mailand, lieferte im Anschluss
einen sehr profunden Überblick über die statistische Rele­
vanz von Wanderausstellungen im gesamteuropäischen
Rahmen.
Der Nachmittag war dann dem schon traditionellen
marketplace of exhibitions and ideas vorbehalten, der sich
erwartungsgemäß eines großen Zuspruchs erfreute. An­
schließend fuhren alle Teilnehmer nach Espoo, um das
dortige WeeGee Exhibition Center zu besuchen. Nach Füh­
rungen in den verschiedenen Ausstellungen und einem
Empfang ging die Fahrt weiter zum nächsten Tagungsort
Tampere.
Am nächsten Vormittag erhielten wir durch die Direk­
torin Marjo-Riitta Saloniemi einen kurzen Einblick in das
neue Museumsquartier Vaprikki in Tampere; innerhalb der
Vortragssektion „Cross-sector museum collaboration“ stell­
te sie die verschiedenen internationalen Ausstellungsko­
operationen des Vaprikki vor. Beispiele inter- und zwischen­
disziplinärer Kooperationen zwischen Museen stellte Robert
„Mac“ West vor. Michael John Gorman vertiefte diesen
Ansatz anhand des Beispiels der Science Gallery in Dublin.
Ein weiterer, äußerst spannender Fallbericht wurde von
Lee Davidson aus Wellington, Neuseeland, präsentiert:
„Aztecs in Australasia“ behandelte die Herausforderungen
der internationalen und interkulturellen Ausstellungspla­
Thronender König:
Hauptmotiv der
Ausstellung „Die
Staufer und Italien“.
Christoph Lind
berichtete über das
sehr erfolgreiche
Marketingkonzept der
Ausstellung.
nung. Der Verfasser stellte die Möglichkeiten zur Koope­
ration mit weiteren Museen und Sponsoren im Zuge einer
gemeinsamen Kampagne am Beispiel der Ausstellung „Die
Staufer“ dar.
Der Nachmittag war den Blicken hinter die Kulissen
von Vaprikki vorbehalten und während eines Abendemp­
fangs im Finnish Labour Museum Werstas in Tampere gab
es ausreichend Gelegenheit, die Themen der beiden vergan­
genen Tage zu vertiefen.
Nach dem frühmorgentlichen Bustransfer ins SerlachiusMuseum in Mänttä mit anschließendem Blick hinter die
Kulissen inklusive einer absolut bühnenreifen Führung, die
ein Höchstmaß an Begeisterung hervorgerufen hatte, waren
Theater und Kino als Ideengeber für Museumsinszenierun­
gen Schwerpunkte der Sektion „Aristotle goes museums:
dramaturgy in service of exhibition design“ – mit Beiträgen
von Mikko Myllykoski, Helsinki, und Christine Drouin,
Ausstellungsleiterin der Cinemathèque francaise, Paris.
Finnland ohne Sauna? Geht nicht; der letzte Tagungs­
abend wurde in Rapukartano mit entsprechendem Ambien­
te (Seezugang, Lagerfeuer, Rauchsauna) und finnischen
Spezialitäten beschlossen.
Die Tagung war allseits äußerst positiv bewertet worden;
sowohl die thematischen Schwerpunkte als auch das Ken­
nenlernen der finnischen Museumslandschaft waren erhel­
lende Erlebnisse. Herzlicher Dank gebührt allen teilneh­
menden Museen für Ihre Großzügigkeit und auch ICOM
Finnland für die umfangreiche Unterstützung dieser span­
nenden Tagung.
Dr. Christoph Lind ist Abteilungsleiter Ausstellungsmanagement,
Museumsvermittlung der Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim. Er
ist Mitglied im Vorstand von ICEE; [email protected].
Weitere Informationen:
Rückblick auf Programm und Präsentationen: http://icee.fi
Die Jahrestagung 2015 findet vom 17. bis 21. November in Kapstadt,
Südafrika, statt. Titel: Get Connected! New Markets, Audiences and
Perspectives in Exhibition Exchange
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
| 33
INTERNATIONALE KOMITEES
ICME – International Committee for Museums
of Ethno­graphy
Museums and Innovations
Jahrestagung vom 14. bis 16. Oktober 2014 in Zagreb,
Kroatien
Lydia Icke-Schwalbe
Mit anregenden Diskussionen im Internet langzeitlich vor­
bereitet, kamen neunzig aktive und ehemalige Mitarbeiter
aus ethnographischen und kulturhistorischen Museen in
29 Ländern, von Norwegen bis Namibia, von Florida über
Asien bis Großbritannien, in Zagreb zusammen. An drei
Tagen präsentierten sie insgesamt 47 Beiträge mit anschau­
lichen Beispielen zum Konferenz-Thema; drei Grundsatz­
referate und 44 Kurzvorträge konnten jeweils zusätzlich
hinterfragt und diskutiert werden. Die Abstracts aller Prä­
sentationen lagen zu Konferenzbeginn gedruckt vor. Das
Treffen von Ethnologen, Kulturanthropologen, Museums­
pädagogen, Studenten und Akademikern gestaltete sich
als breites Forum verantwortlicher Experten.
Die Präsidentin von ICME, Viv Golding (Großbritan­
nien), hatte in der Einladung zur Konferenz betont, dass die
ein Museum definierenden Sammlungen stetiger Interpre­
tation, Reinterpretation und analoger Präsentation bedür­
fen, um das Wissen über die Objekte zu erweitern, die her­
stellenden Gemeinschaften, ihre ursprünglichen Nutzer in
Zeit und Raum zu erfahren und die Kenntnisse zu verbrei­
ten. Die Museen bewahren nicht schlechthin Gegenstände
der Vergangenheit, sondern verfügen über bedeutsame his­
torische Zeugnisse, die mit innovativen Präsentationen die
Leistungen der globalen Menschheit in lokalen Entwick­
lungen bis zur Moderne vorstellen können.
Tomislav Šola, Professor für Museologie an der Univer­
sität Zagreb, legte im einleitenden Grundsatzreferat Mo­
tive und Vorgehensweisen für innovatives Handeln in
unseren Museen dar. Unter anderem betonte er die Not­
wendigkeit akademischen Trainings, aufrichtigen, enga­
gierten Umgangs mit der Materie, die wissenschaftliche
Erforschung soll das Vehikel sein, nicht das Ziel, denn wir
arbeiten für Menschen, nicht für Objekte. Auf vergleichende
Perspektiven in ethnographischen Museen Asiens und Eu­
ropas ging Amareswar Galla als zweiter Hauptredner ein
und betonte die Notwendigkeit des wechselseitigen Aus­
tausches zum besseren Verständnis von Kultur und Be­
dürfnissen unterschiedlicher Gruppen und Nationen. Der
dritte Hauptredner, Denis Chevallier aus Frankreich, stellte
den neuen Museumskomplex in Marseille als ein solches
lokales Forum dar, in dem mit den Sammlungen Politik ge­
macht wird. Die Ausstellungen im modernen französischen
Zentrum für Ethnologie mit den Sammlungen der ehemals
Pariser Museen Musée National des Arts et Traditions Po­
pulaires und Musée de l‘Homme basieren auf spezifischen
Forschungen mit neuen, aktuellen Schwerpunkten. So ent­
standen provokative Sonderausstellungen, wie „Fußball und
Identität“ oder „Abfallwirtschaft“.
Die Fülle der Einzelbeiträge wurde unter thematischen
Schwerpunkten wie Exploring, Identity and Community,
Transformation, Colaboration, Participation and Social
Justice, Developing New Practices, Materiality and Sensual
34 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
Knowledge gebündelt und die Tagung somit überschaubar
strukturiert. Von innovativen Ideen und schwieriger Um­
setzung berichteten unter anderem Karen Exell aus Katar,
Shuo Yang aus China und Esther Chipashu aus Zimbabwe.
Esther Chipashu führte zum Beispiel aus, dass es dringend
notwendig sei, von der westlichen Perspektive auf „leb­
lose, tote“ Objekte weg- und zu besucherorientierten, in­
teraktiven Präsentationen hinzukommen. Die Museen der
Dritten Welt sollen mit innovativer Museologie Erinne­
rungskultur, geistiges Erbe, die Befreiungsbewegungen,
technologische Informationen und sportliche Entwick­
lungen ihrer Länder fokussieren. So hat ihr Museum das
Olympische Komitee Zimbabwes als Partner gefunden.
Ferner merkte sie an, dass Museen als Agenten für ökono­
misch-soziale und politische Veränderungen wirken können.
Ähnliche Anstöße für ungewöhnliche Projekte, die den
Besucher ins Zentrum stellen, wurden auch von Vertretern
europäischer Museen dargelegt. Anette Rein stellte als Bestpractice-Beispiel die Übernahme innovativer Ideen der Par­
tizipation in die neue Organisationsstruktur des OaklandMuseums in Kalifornien (USA) mit aufschlussreichen
Graphiken vor.
Zum Schluss der Konferenz wurde die länger schwelende
Diskussion über Geschichte und Zukunft von Ethnologie
mit Ethnographie beziehungsweise cultural and social anthropology/ethnography (im englischen Sprachraum) noch­
mals aufgegriffen und hinsichtlich einer wiederholt vor­
getragenen Umbenennung von ICME diskutiert. Per B.
Rekdal aus Norwegen und die Berichterstatterin legten ihre
sachlich-politischen und wissenschaftlich begründeten Ar­
gumente zu einem verantwortlichen Umgang mit einem
gesellschaftswissenschaftlichen Fachgebiet dar, das als
Universalwissenschaft vom Menschen (Anthropologie) in
Europa entstanden und dort bis zur Unkenntlichkeit frag­
mentiert worden ist.
Gastgeber der Konferenz war das Mimara-Museum, die
repräsentative Stiftung eines kroatischen Kunstmäzens,
unter der Leitung von Zvjezdana Antoš. Dank der umfas­
senden Organisation, tägliche Verpflegung der Teilnehmer
inbegriffen, konnten neben der dichten Beitragsfolge auch
weitere Museen und kulturelle Einrichtungen von Zagreb
besucht werden.
Dr. Lydia Icke-Schwalbe war viele Jahre im Staatlichen Museum für
Völkerkunde in Dresden tätig, von 2000 bis 2004 war sie Mitglied im
Vorstand von ICOM Deutschland; [email protected].
Weitere Informationen:
Rückschau mit Programm, Abstracts und Fotogalerie:
www.icme-conference2014.com
Die Jahrestagung 2015 findet vom 25. bis 26. Oktober in Hanoi,
Vietnam, statt. Titel: Museums and Communities: Diversity, Dialogue,
Collaboration
INTERNATIONALE KOMITEES
ICME – International Committee for Museums
of Ethno­graphy
Museums and Innovations
Post-conference tour vom 17. bis 19. Oktober 2014
durch Istrien, Kroatien
Das Ethnographische Museum Istriens war die erste Station
der ICME-Exkursion durch Istrien. Wie die Direktorin
Lidija Nikoc̆ević erläuterte, wurde das Museum im Jahre
1962 gegründet und wurde mit seinen neun Mitarbeite­
rinnen und Mitarbeitern in der beeindruckenden mittelalter­
lichen Festung in Pazin untergebracht. Die ethnographische
Sammlung mit rund 7.500 Objekten besteht überwiegend
aus landwirtschaftlichen Geräten und Trachten aus Istrien
vom Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Die
aktuelle 20jährige Dauerausstellung wartet bereits seit vier
Jahren auf die Umsetzung des neuen Konzepts, welches sich
vor allem auf persönliche Geschichten der Bevölkerung
Istriens und Dingbiographien konzentrieren wird – ohne
die ehemals „archaischen“ ländlichen Lebensformen im
Vergleich zur italienischen Bevölkerung Istriens weiterhin
zu betonen. Aufgrund der konstanten finanziellen Probleme
bleibt jedoch der Zeitpunkt der Verwirklichung offen.
Das Zentrum für die immaterielle Kultur Istriens wurde
2011 als Teil des Ethnographischen Museums Istriens im
ehemaligen Bischofssitz Pićan gegründet. Ziel ist es, das
immaterielle Erbe Istriens mittels enger Zusammenarbeit
mit Einwohnerinnen und Einwohnern lokaler Gemeinden
zu dokumentieren, zu archivieren und zu publizieren. Wäh­
rend der Stadtführung besuchten wir zunächst die roma­
nische Friedhofskirche St. Michael mit Fresken und glago­
litischen Inschriften aus dem 15. Jahrhundert. Auf dem
großen Platz vor der Kirche St. Nicholas fand unter ande­
rem eine spannende Diskussion in der Gruppe über alte und
gegenwärtige Konzepte von Hexerei in Istrien statt. Ein
gefundenes Thema für Ethnologinnen und Ethologen!
Aus den vielen Workshop-Angeboten des Zentrums lern­
ten wir im Anschluss die Grundschritte des Paar-Volks­
tanzes Balon (Balun) kennen – und wir schwenkten uns mit
großer Freude im schnellen Rhythmus der einfachen Tanz­
schritte umeinander herum. Gleichfalls wurden wir auch
hier wieder mit traditionellen Produkten wie Süßigkeiten,
Schinken, Wein, dem süßen Likör Bisko und einer Bohnen­
suppe ausgiebig bis zur Weiterfahrt nach Rovinj am Abend
bewirtet.
Während ein Teil der Gruppe am nächsten Morgen di­
rekt zur mittelalterlichen Stadt Motovun fuhr, einer klei­
nen Stadt mit etwas mehr als eintausend Einwohnern, die
1278 in venezianischen Besitz kam und bis zum Ende der
venezianischen Republik Ende des 18. Jahrhunderts dort
verblieb, hatte eine kleinere Gruppe die Gelegenheit, die
bekannten Fresken der Friedhofskapelle in Beram, auch
bekannt als Marienkirche aus den Schieferplatten, zu be­
sichtigen. 1494 fertigte jene der einheimische Meister
Vincent aus Kastav im Auftrag der istrischen Bruderschaft
der heiligen Maria. In der Barockzeit waren die Fresken
übermalt und erst 1913 wiederentdeckt und restauriert wor­
den. Drei Wände der Marien-Kapelle sind unter anderem
Foto: Toffel, cc by-sa 3.0
Anette Rein
Fresken der Marienkirche aus den Schieferplatten in Beram
mit wunderbar erhaltenen Fresken, die biblische Szenen
oder Gleichnisse, Heiligenfiguren, die Szenen aus dem Le­
ben Jesu und auch den Totentanz über dem Auge Gottes
zeigen, bedeckt.
Die „Trüffelhauptstadt“ Livade von Istrien empfing uns
mit einer Trüffel-Olivenöl-Verkostung und Trüffeleis(!)
mit einem anschließenden Marktbesuch. Danach folgte in
San Mauro die Verkostung der Produkte des Weinguts
Sinković. Unter den vielen dort frei herumlaufenden Tie­
ren schlossen wir besonders die beiden mächtigen Schwei­
ne ins Herz und dokumentierten den quiekenden Streit der
beiden Tiere um den besten Liegeplatz im alten Weinfass.
Ein weiterer Höhepunkt des Tages war die Besichtigung
der Altstadt von Rovinj, ein kurzer Besuch im Eco-Muse­
um und eine Bootsfahrt auf die andere Seite der Stadt, wo
uns abends ein leckeres Muschel- und Fischessen erwar­
tete, begleitet von einer folkloristischen Musikgruppe.
Die traditionelle Herstellung von Olivenöl war Thema
am nächsten Morgen beim Besuch des Eco-Museums
Istrian de Dignan, während wir später den maschinellen
Prozess in einer nahegelegenen Ölpresse beobachten konn­
ten. Zunächst erhielten wir jedoch eine Einführung in die
Geschichte des mittelalterlichen Ortes Vodnjan durch den
Leiter des Museums. Seit der Abwanderung zahlreicher ita­
lienischer Familien nach dem Zweiten Weltkrieg sind bis
heute viele Dörfer in Istrien verwaist. Familien der Roma
wanderten zu und besetzten leerstehende Häuser. Erst seit
wenigen Jahren gibt es ein erfolgreiches Programm des
nachbarschaftlichen Miteinanders für eine gegenseitige Ak­
zeptanz. Weiter ging es ins römische Amphitheater in Pula
aus der Zeit des Kaisers Augustus (31. v. Chr. bis 14. n. Chr.).
Wir bestiegen die 1630 erbaute Befestigungsanlage, gefolgt
von einem Mittagessen auf dem Ausgrabungsvorplatz einer
römischen Basilika. Der Besuch eines Marktes mit Kunst­
handwerksprodukten der Gegend schloss die dreitätige Ex­
kursion ab. Verantwortlich für die Reise zeichneten Mario
Buletić, Ana Hoić und Zvjezdana Antos. Ihnen gehört der
zufriedene Dank der 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Dr. Anette Rein, Ethnologin, ist Mitglied im Vorstand von ICME. Von
2005 bis 2010 war sie Mitglied im Vorstand von ICOM Deutschland;
[email protected].
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
| 35
INTERNATIONALE KOMITEES
IC MEMO – International Committee of Memorial Museums in Remembrance of the Victims of Public Crimes
Memory and Learning in a Changing
World
Jahrestagung vom 15. bis 17. September 2014 in Falstad, Norwegen
Kirsten John-Stucke, Markus Moors
Die Mitgliederversammlung 2014 fand am 15. September
im norwegischen Falstad, nördlich von Trondheim, statt.
Während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg
war das dortige Heim für auffällige Jugendliche von der SS
als Durchgangslager beim Transport von Juden, Zwangs­
arbeitern und politischen Gefangenen in Konzentrations­
lager außerhalb Norwegens benutzt worden. Etwa 4.500
Menschen waren zwischen 1941 und 1945 in Falstad in­
haftiert. Mehr als 200 Gefangene wurden exekutiert. Seit
2006 existiert die Gedenkstätte, die zugleich als Zentrum
für Menschenrechte firmiert.
Die teilnehmenden IC-Memo-Mitglieder kamen aus Ja­
pan, den USA, Israel, Estland, Deutschland, Norwegen,
den Niederlanden, Österreich und Spanien. Bei diesem
Treffen standen die Möglichkeiten der Mitgliederwerbung
für IC Memo – über die bisherigen deutsch-europäischen
und nordamerikanischen Schwerpunkte hinaus – im Mit­
telpunkt der Diskussion. Die Gedenkstätten für die Opfer
der Diktaturen in Afrika, Asien und Südamerika stehen
naheliegenderweise vielfach vor anderen Problemen als die
an die Opfer des Holocaust erinnernden Stätten in Europa
und den USA. Erweist es sich bislang schon als schwierig,
die (ost-)europäischen Gedenkstätten für die Opfer des
Kommunismus für die Mitarbeit in IC Memo zu interes­
sieren, kommt im Fall der Memoriale auf der südlichen
Welthalbkugel noch hinzu, dass diese sich häufig weder die
landesüblichen Mitgliedsbeiträge für ICOM noch die
Kos­ten für die Fahrten zu den bisher in Europa stattfin­
denden Treffen des Komitees leisten können. Andererseits
war zum Beispiel die zu erwartende Teilnehmerzahl von
IC-Memo-Mitgliedern aus Europa an der ICOM-General­
versammlung 2013 in Rio de Janeiro so gering, dass das
Jahrestreffen des Komitees nicht dort, sondern im estnischen
Tallinn stattfand.
Der seit einem Jahr amtierende Vorstand von IC Memo
um seine Vorsitzende Karen Franklin (Leo Baeck Insti­
tute, New York) hat ein kurzes, englischsprachiges Infor­
mationsfaltblatt erarbeitet, das bereits während der Jahres­
versammlung von ICOM in Paris im Juni 2014 auf großes
Interesse stieß. Aktualisierte Versionen – auch in deutscher,
französischer und spanischer Sprache – sind in Vorberei­
tung. Die stellvertretende Vorsitzende, Iratxe Momoitio
Astorkia (Friedensmuseum Gernika), sorgte für einen Neu­
start der Webseite des Komitees, die seit einiger Zeit brach­
lag. Die in Falstad versammelten Mitglieder von IC Memo
betonten, dass sie in zahlreichen Gesprächen auf allen
Ebenen von ICOM und in der internationalen Museums­
szene immer wieder die Erfahrung gemacht haben, dass
unser Verbund von Gedenkstätteninstitutionen und -Ex­
perten wahrgenommen und wertgeschätzt wird.
36 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
Im Anschluss an die Mitgliederversammlung von IC
Memo fand die dreitägige Jahrestagung statt. Sie wurde
von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des FalstadZentrums um den früheren IC-Memo-Vorsitzenden Jon
Reitan im Auftrag des Komitees und in Zusammenarbeit
mit der Universität Trondheim organisiert. Die 35 ständigen
Konferenzteilnehmer wurden zeitweise durch rund zwan­
zig Trondheimer Lehramtsstudenten verstärkt.
Im Mittelpunkt vieler Vorträge und Diskussionsrunden
stand die Frage, wie der Opfer massenhafter, öffentlicher
Gewalttaten gedacht werden kann oder soll, die nicht im
Auftrag von Staaten, sondern durch einzelne soziale Grup­
pen oder gar Einzelpersonen begangen wurden. Im Gast­
geberland Norwegen bewegt diese Frage seit den Atten­
taten des Anders Behring Breivik in Oslo und auf der Insel
Utøya am 22. Juli 2011 die gesamte Gesellschaft. Das Da­
tum der beiden Anschläge, bei denen insgesamt 77 Men­
schen getötet wurden, ist dort ebenso zum Synonym für
die Taten selbst geworden, wie weltweit 9/11 für die Zer­
störung der beiden Türme des New Yorker World Trade
Centers durch islamistische Terroristen im Jahr 2001
steht. Der Trondheimer Geschichtsprofessor Tor Einar
Fagerland und der Projektleiter zur Erstellung eines neuen
Nutzungskonzepts für die Insel Utøya, Jørgen Frydnes,
zeichneten die bisherige Entwicklung der Debatten und der
Entwürfe für eine Gedenkkultur nach. Dabei ging es zen­
tral um die Frage, welche Formen der Erinnerung von den
Betroffenen für angemessen und repräsentativ erachtet
werden und wie die zum Teil widerstreitenden Interessen
der Familienangehörigen der Opfer, der sozialdemokra­
tischen Jugendorganisation AUF, der die Insel Utøya ge­
hört und deren Mitglieder die 69 Toten auf dem Eiland
waren, den staatlichen und kommunalen Stellen sowie der
norwegischen Öffentlichkeit miteinander verbunden wer­
den können. Ein besonderer Aspekt kommt in Norwegen
noch dadurch hinzu, dass ein bislang anonymer Mäzen den
über fünfzig Gemeinden, aus denen die Opfer des 22. Juli
stammten, ein einheitliches Mahnmal anbot. Die Stadt
Trondheim war eine der wenigen Kommunen, die dieses
Angebot ablehnten. Im Laufe der Tagung konnten die Teil­
nehmer die Entwürfe für ein eigenes Trondheimer Mahn­
mal in Augenschein nehmen.
Für IC Memo, deren Mitglieder bislang mehrheitlich in
Gedenkstätten für die Opfer von staatlich organisierten
Verbrechen arbeiten, stellt die Integration solcher Erinne­
rungsorte für Opfer von Massenverbrechen, die von nichtstaatlichen Gruppen und Einzelpersonen verübt wurden,
eine neue, zusätzliche Aufgabe dar, der man sich in den
nächsten Jahren verstärkt zuwenden wird.
Kirsten John-Stucke ist Leiterin des Kreismuseums Wewelsburg;
[email protected].
Markus Moors ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Kreismuseums
Wewelsburg und Sekretär von IC Memo; [email protected].
Weitere Informationen:
Ausführlicher Bericht zur Jahrestagung 2014: http://network.icom.
m­useum/icmemo/conferences/past-conferences/
Jahrestagung 2015: 8. bis 11. November in München und Flossenbürg; Titel: Form – Architecture – Memory
INTERNATIONALE KOMITEES
Implementing and Maintaining Security
and Safety at Cultural Institutions with
Fewer or Limited Financial Resources
Today and in the Future
40. Jahrestagung vom 8. bis 12. September 2014 in
Kopenhagen, Dänemark
Barbara Fischer
Vor vierzig Jahren wurde das Internationale Komitee für
Museumssicherheit (ICMS) in Kopenhagen gegründet.
Welch ein Höhepunkt, dass das vierzigjährige Gründungs­
jubiläum anlässlich der Jahrestagung 2014 in Kopenhagen
gefeiert werden konnte. Die drei gastgebenden Museen,
National Gallery of Denmark, ARKEN Museum of Modern
Art und Louisiana Museum of Modern Art, gestalteten ein
wohl durchdachtes Programm mit fachlichen Vorträgen
und Diskussionen, Erfahrungsaustauschen und prakti­scher
Wissensvermittlung an drei Museen vor Ort sowie Einbli­
cken in die dänische Kulturlandschaft und boten den Teil­
nehmern auch zwischen den Programmpunkten in herzli­
cher Atmosphäre Gelegenheit zu ausgiebigem Networking.
Im Fokus stand die Frage, ob und wie Museen den stei­
genden Risiken trotz limitierter finanzieller Budgets aus­
reichend begegnen und das Niveau der Sicherheit angemes­
sen aufrechterhalten können.
Verschiedene Lösungsansätze wurden vorgestellt: Die
enge und kontinuierliche Zusammenarbeit von kleinen und
großen Museen mit Polizei, Wachschutz und Behörden
unter dem Motto „Einer für alle – alle für einen“ ist einer
der Wege, der in Großbritannien unter Federführung des
Victoria & Albert Museum beschritten wird. Hauptforde­
rung: Bilde ein echtes Team aus Wachleuten, Aufsichtsper­
sonal, Auszubildenden und Praktikanten, das gemeinsam
die Sicherheit im Museum als Aufgabe realisiert! Das Phi­
ladelphia Museum of Art, USA, hat erhebliche Personal­
einsparungen ohne Minderung des Sicherheitsniveaus
erreicht, nachdem es sechseinhalb Jahre lang alle Angriffe
auf das Sammlungsgut zusammengestellt und ausgewertet
hat, dann zwei Wochen lang die Besucherbewegungen in
den Museumsgebäuden, bei Events oder in den Ferien stu­
diert und in Auswertung beider Studien in verschiedenen
Bereichen das Aufsichtspersonal reduziert hat. Wenig be­
suchte Gebäude sind nur noch für kurze Zeit geöffnet. Auch
für das New Yorker Museum of Modern Art ergaben sich
neue Herausforderungen, als es mit der Sieben-Tage-Öff­
nung bei gleichzeitig freiem Eintritt in den Garten startete
und die Zahl der Events erhöhte. Strategisches Vorgehen:
Frühe Planung und Abstimmung im Hause, Revision der
Standardbesetzung des Aufsichtspersonals und Staffelung
der Einsatzzeiten nach Erfordernis, Erweiterung der tech­
nischen Sicherheitsausstattung.
Was aber ist zu tun, wenn sich einem Museum voller bedeu­
tender Kunstwerke im Gebäude und im Garten ein Busch­
feuer nähert, wie es im April 2014 dem Kröller-MüllerMuseum in den Niederlanden widerfuhr? Rinus Vonhof
schilderte, wie die enge Zusammenarbeit mit Feuerwehr
und Wetterdienst half, und zeigte, wie das engagierte Team
des Museums sämtliche Kunstwerke im Inneren in größt­
möglicher Geschwindigkeit verpackte und auf Packwagen
in das am Gebäude befindliche Depot verbrachte, das dem
Feuer längere Zeit standgehalten hätte. Hatten sie eine
Prioritätenliste, nach der sie vorgingen? Ja, sie hatten. Aber
in der Situation wurde ausgeräumt, was kam, für die Be­
achtung der Liste war keine Zeit.
Sicherheit bei gleichzeitiger Ressourcenersparnis wurde
vom Louisiana-Museum mit dem Bau eines Niedrig-Ener­
gie-Depots mit rund fünftausend Quadratmetern Depot­
fläche perfekt erreicht. Erfolgskriterien: Dicke Mauern,
Ausnutzung der Erdwärme durch nicht isolierte Fußböden,
Dachaufbau mit hoher Dämmung und minimales Allge­
meinbeleuchtungssystem plus Bereitstellung eines an einer
Schiene laufenden Scheinwerfers, mit dem man beim Ar­
beiten im Depot die jeweilige Arbeitsfläche ausleuchten
kann, keine wasserführenden Leitungen im Depotbereich,
hoher Brandschutz durch Verwendung einer InergenLöschanlage, die zugleich den Verzicht auf Entrauchungs­
flächen ermöglicht. Grundsätzlich keine Belegschaft im
Depot, nur zu bestimmten Arbeiten bei streng geregelter
Zutrittsberechtigung. Die Gefahrenmeldeanlagen sind auf
das Kontrollzentrum des Louisiana-Museums geschaltet.
Kompromiss: Die Temperaturen dürfen im Jahresverlauf
zwischen 13 °C und 18 °C schwanken, die relative Luftfeuch­
te zwischen vierzig und sechzig Prozent. Erfolgsfazit: Die
Heizung wurde bisher nicht benötigt, die Betriebskosten
sind extrem niedrig, die Sicherheit des Kulturgutes ist hoch.
Barbara Fischer leitet in der Stiftung Stadtmuseum Berlin den Bereich Gebäudemanagement; [email protected].
Weitere Informationen:
Die Jahrestagung 2015 findet vom 19. bis 23. Oktober in Zhengzhou,
China, statt. Titel: Science and Technology, Innovation: Museum and
Cultural Heritage Security
Foto: Barbara Fischer
ICMS – International Committee for Museum Security
Arbeitsgruppe Designmuseum Denmark: Zur Risikobewertung wurden Arbeitsgruppen gebildet, die Hinweise zur Risikominimierung
gaben und die positiven Erkenntnisse über das vorgefundene Si­
cher­heitssystem darstellten. ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
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INTERNATIONALE KOMITEES
ICOMAM – International Committee of Museums and
Collections of Arms and Military History
Military History Museums: Contemporary
History and Social Relevance
Jahrestagung vom 8. bis 10. Oktober 2014 in Moskau,
Russland
Alfred Geibig
Die Russische Föderation ist ein großes Land und Moskau
eine wirklich große Stadt. Das haben wir spätestens auf
unserer Fahrt vom Flughafen zum Hotel im Stadtzentrum
gemerkt. Die Tour durch die 17-Millionen-Metropole, die
mit einem permanent latenten Verkehrsinfarkt zu kämpfen
hat, dauerte entsprechend rund drei Stunden.
Als Tagungsort fungierte das Moskauer Armeemuseum,
Zentralmuseum der russischen Streitkräfte, das uns einen
großzügigen Vortragssaal mit moderner Ausstattung und
synchroner Übersetzung aller Vorträge in englischer und
russischer Sprache bot. Diese waren in insgesamt fünf Blö­
cke gegliedert und wurden in intensiven Sitzungen in zwei
Tagen abgearbeitet. Meines Wissens zum ersten Mal auf
einer ICOMAM-Tagung wurden alle Vorträge mit Video­
kameras gefilmt und zeitgleich ins Internet gestellt.
Die fünf Vortragsgruppen waren überschrieben mit
„Military and historical Museums: Mission, acquisition,
preservation and accessibility of the collection“, „World
War I: Is it a contemporary historical event?“, „Weapons in
the military and historical museums and private collections:
Study and exhibition“, „Military and historiocal museum:
Humanitarian mission and museum education“ und „Mu­
seumfication of the memorial places on military history.
Digital technology and/or objects in the museum“ und boten
meist interessante Präsentationen.
Ein Schwerpunkt der Tagung waren die Besuche und Füh­
rungen in sowohl fachlich einschlägigen Museen als auch
zu Einrichtungen und Plätzen mit historischem Hintergrund.
Dabei spiegelte sich – fast wie selbstverständlich – Größe
und historische Bedeutung Russlands in unterschiedlichen
Facetten wider. So hatten wir im Rahmen von Führungen
Gelegenheit, sowohl die Ausstellungen als auch Teile der
Depots des Armeemuseums anzuschauen. Klare Schwer­
punkte der Ausstellungen und wohl auch des Sammelns sind
Zeitzeugen/Realien der Kriege 1813 (Russlandfeldzug Na­
poleons) und 1941−1945. So wurden uns neben anderen
Objekten als besondere „Schätze“ des Museums Uniform­
stücke von Adolf Hitler, geborgen aus dem Reichstag in
Berlin, und Hermann Göring als Reichsjägermeister so­
wie der Marschallstab von Generalfeldmarschall Erwin
Rommel vorgelegt.
Weniger militärisch war der Besuch des Staatlichen His­
torischen Museums, wo wir uns in Depots diverse Samm­
lungsbestände (Waffen, Fahnen, Uniformen) ganz aus der
Nähe und gleichzeitig mit vergleichbarer Muße anschauen
durften. Hier ist besonders zu erwähnen, dass uns in den
besuchten Bereichen de facto alle Türen offenstanden und
wir nach Herzenslust in den Beständen „herumschnüffeln“
konnten. Den mit Eindrücken und Informationen gefüllten
Tag beschloss eine Bootsfahrt bei Nacht auf der Moskwa.
38 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
Der folgende Tag stand dann ganz im Zeichen berühmter
Museen und historischer Orte und Institutionen. Das eng
gepackte Programm begann mit einem Besuch des KremlRegiments. Dieses eigens bei Paraden und offiziellen An­
lässen eingesetzte Regiment empfing uns mit einer beein­
druckenden Kostprobe seines formalen Könnens. Nach
Besuch der Wohn-, Schulungs- und Trainingsbereiche und
einem wohltuenden Imbiss in der Messe, machten wir uns
auf zu unserem nächsten Ziel, dem Kreml-Museum. Ein
Vergleich mit der Schatzkammer in Wien ist sicherlich ge­
rechtfertigt, scheint sich doch in der Pracht der dort ausge­
stellten Objekte, in den Massen von kunstvoll bearbeitetem
Gold, Silber, Elfenbein und Edelsteinen auch der prestige­
trächtige Wettstreit zweier Weltreiche widerzuspiegeln.
Der spätere Nachmittag gehörte dann dem Zentralmu­
seum des Großen Vaterländischen Krieges 1941−1945. Der
wie ein riesiges Monument, ein Denkmal, konzipierte Bau
von rund 25.000 Quadratmetern Fläche beschäftigt sich
in großgestigen Arrangements mit dem Kampf und dem
Sieg des russischen Volkes und der Roten Armee gegen das
angreifende Nazi-Deutschland. Insgesamt scheint die Kon­
servierung und Dokumentation dieses Teils der russischen
Geschichte auch für das heutige Selbstverständnis, für die
Identifikation der russischen Nation eine große Rolle zu
spielen. Zahlreiche Denkmäler und Museen mit vielen Tro­
phäen und Zeugen der militärischen Vergangenheit, die ge­
wollte Präsenz der Armee sowohl in historischer wie auch
in aktueller Hinsicht als integraler Bestandteil der Nation
scheinen dies zu unterstreichen.
Quasi als Abschluss der Tagung ging es im Rahmen einer
post-conference tour nach Tula, dem jahrhundertealten
Zentrum des Waffenbaus in Russland. Dort besuchten wir
das Waffenmuseum mit seinen umfangreichen historischen
und modernen Beständen. Danach brachte uns der Bus in
den Museumskomplex Jasnaja Poljana, den ehemaligen
Landsitz von Lew Nikolajewitsch Graf Tolstoi, dessen
Wohnhaus heute als Museum der Öffentlichkeit zugäng­
lich ist.
Den Abschluss einer an Eindrücken reichen und infor­
mativen Tagung feierten wir zusammen mit einigen unserer
russischen Gastgeber mit einem Russian style dinner bei
dem – wie nach allgemeinem Klischee zu erwarten – bei
gutem russischen Essen der Wodka in nicht unerheblichen
Strömen floss.
An dieser Stelle bedanken wir uns für die trotz der der­
zeit angespannten politischen Lage große Gastfreundschaft,
Offenheit und Herzlichkeit, die sicherlich erheblichen An­
teil daran haben, dass die Teilnehmer der Jahrestagung 2014
ihren Besuch in Moskau in guter Erinnerung behalten.
Dr. Alfred Geibig leitet die Abteilung Historische Waffen, Münzen,
Medaillen und Fahrzeuge der Kunstsammlungen der Veste Coburg.
Er ist Mitglied des ICOMAM Executive Board;
[email protected].
Weitere Informationen:
Ausführlicher Tagungsbericht (Englisch): www.icomam.be
Die Jahrestagung 2015 findet vom 15. bis 20. September in Krakau,
Polen, statt. Titel: Ambassadors of Dialogue
INTERNATIONALE KOMITEES
Museum Collections Make Connections
Jahrestagung vom 20. bis 24. Oktober 2014 in Taipei,
Taiwan
Otto Lohr
Die Jahrestagung von ICR fand auf Einladung des chinesi­
schen Museumsverbands Taiwan, unterstützt vom Kultur­
ministerium der Republik Taiwan, in Taipei statt. Das mit
dreißig Beiträgen dichte Vortragsprogramm beleuchtete
das Tagungsthema aus verschiedenen Blickwinkeln. Disku­
tiert wurden die unterschiedlichen Wege, auf denen Muse­
umssammlungen mit Besuchern, Generationen, Kulturen,
Institutionen und Communitys in Verbindung treten.
Von internationalen Verbindungen zwischen Bayern und
China auf der Basis eines Kooperationsvertrags der staat­
lichen Sammlung für Abgüsse klassischer Bildwerke in
München mit dem Xian-Museum in China wurde berich­
tet, aber auch von den wechselseitigen historischen Bezie­
hungen der Wittelsbacher und des chinesischen Kaiser­
hauses. Weltweite Verbindungen unterhält auch die Israel
Antiquities Authority (IAA) mit ihren archäologischen Aus­
stellungen in den USA und Europa. Ein Teilnehmer be­
richtete von seinem Museum auf Kreta, das den Kontakt zu
den Besuchern über ausgewählte sprachliche Informatio­
nen mittels Audioguide sucht.
Verbindungen können nicht nur horizontal zwischen Men­
schen, Kulturen und Ländern bestehen, sondern auch ver­
tikal zwischen verschiedenen zeitlichen Perioden durch
Erforschung des Kontextes, aus dem die gesammelten Ob­
jekte stammen, wie ein Projekt in Norwegen zeigte. Das
historische Museum in Hämeenlinna etablierte 2011 das
Haus der Erinnerung, mit dem sich das Museum als Treff­
punkt für ältere oder an Demenz leidende Menschen anbie­
tet. In bayerischen Museen wurde der Kontakt zu den Be­
suchern über neue Medien wie eine Smartphone-App für
jüdische Orte in Bayern oder über einen interaktiven Christ­
baum gesucht. Von einer Brücke, die zwei Städte in Öster­
reich und Slowenien verbindet, und den Ausstellungen zu
ihrer Geschichte aus der jeweils lokalen Sicht berichtete
eine slowenische Kollegin. Museen in Taiwan bieten aus
sozialer Verantwortung einer Gesellschaft, in der es immer
mehr Senioren gibt, Programme für ältere Menschen an.
ICR hat auch 2014 ein Reisestipendium für einen jungen
Kollegen ausgeschrieben, das an Biendra Mahoto aus Ne­
pal vergeben wurde. Er berichtete über ein Kulturmuseum
mit Forschungszentrum für den Tharu-Stamm, das zum
Erhalt der ethnischen Identität und der kulturellen Werte
im Süden Nepals eingerichtet wurde. Zusätzliche Aufmerk­
samkeit erfuhr die Jahrestagung durch die Anwesenheit des
ICOM-Präsidenten Hans-Martin Hinz. Am Rande der von
Museumsfachleuten aus 16 Ländern besuchten Tagung lud
ICR zur Feier seines sechzigjährigen Bestehens ein. Wohl
1953 als Committee for Local Museums gegründet, fand
die erste Jahresversammlung 1954 in Schaffhausen in der
Schweiz statt. 1962 erfolgte die Umbenennung in Interna­
tional Comittee for Regional Museums (ICR).
Taiwan ist derzeit bemüht, im Rahmen eines Museums­
entwicklungsprogramms die Anzahl der Regionalmuseen
zu erhöhen, um zusätzliche Kulturangebote in der Region
zu schaffen. Einige dieser Neugründungen standen auf dem
Programm der ICR-Exkursionen in die Provinz Yilan.
Erste Station war das Zentrum für traditionelle Kunst, wo
die Teilnehmer eine Einführung in das immaterielle Kultur­
erbe Taiwans erhielten. Peking-Oper, taiwanesische Tee­
zeremonie und traditionelle Musik wurden erläutert.
Weiterhin fanden Besuche im im Yilan Eco-Museum, in
einem Holzschuh-Museum, einem Goldmuseum und einem
Reismuseum statt. Mit Führungen durch das berühmte
Palastmuseum in Taipei und einem Abschiedsdinner ging
die informative und erlebnisreiche Woche zu Ende.
Dr. Otto Lohr arbeitet in der Landesstelle für die nichtstaatlichen
Museen in Bayern, München. Dort ist er für die kunst- und kulturhis­
torischen Museen in Mittelfranken und der Oberpfalz sowie für die
jüdischen Museen verantwortlich; [email protected].
Weitere Informationen:
Die Jahrestagung 2015 findet vom 19. bis 23. Oktober in Jerusalem,
Israel, statt. Titel: Regional Museums and the Forging of Identities in
a Multicultural Society
Fotos: Tuulia Tuomi
ICR – International Committee for Regional Museums
ICR-Mitglieder proben für die Peking-Oper im Zentrum für traditionelle Kunst, Yilan
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
| 39
INTERNATIONALE KOMITEES
ICOM-CC – International Committee for Conservation
Building Strong Culture through
Con­servation
17. dreijährliche Tagung vom 15. bis 19. September
2014 in Melbourne, Australien
Christine Müller-Radloff
Nach 27 Jahren wurde die Tagung wieder in Australien
abgehalten, diesmal in Melbourne; das 8. Treffen im Jahre
1987 fand in Sydney statt. Zu dieser Zeit war für mich
eine Teilnahme noch undenkbar, da ich im östlichen Teil
Deutschlands lebte. Meinen ersten Kontakt zu einer ICOMCC-Tagung hatte ich als Gasthörer im Jahre 1990 in Dres­
den. Schon damals war ich sehr froh, Neuigkeiten aus der
Restaurierungsarbeit zu erfahren und mich mit internati­
onalen Fachkollegen austauschen zu können.
Die Tagung 2014 bot rund 150 Vorträge und einhun­
dert Poster-Präsentationen. Für mich hatte sie eine beson­
dere Attraktivität, da ich mehr über das Leben der austra­
lischen Bevölkerung, besonders der Ureinwohner, erfahren
wollte. Aufgrund meiner langjährigen Tätigkeit an Objek­
ten zahlreicher Völker aller Erdteile freue ich mich beson­
ders, wenn ich die Herkunftsgegenden bereisen oder deren
Menschen persönlich treffen kann – das gibt mir mehr Ver­
ständnis für meine Arbeit. Australien rundete das nun ab,
nach dem Aufenthalt in Melbourne wurde vieles wesent­
lich plastischer für mich.
Insgesamt reisten rund sechshundert Teilnehmer aus
mehr als fünfzig Ländern an, wobei der asiatische Konti­
nent mit Teilnehmern aus Jordanien, Katar, Indien, Bhutan,
Sri Lanka, China, Singapur, Thailand, Laos, Indonesien,
Malaysia und von den Philippinen besonders stark vertre­
ten war. Einen beeindruckenden Bericht trug Father Ted
Torralba (Philippinen) vor. Während eines Erdbebens der
Stärke 7,2 wurden am 15. Oktober 2013 zahlreiche barocke
Kirchen und Gebäudekomplexe sowie Wachtürme, die von
der Regierung als nationale Kulturschätze, historische Se­
henswürdigkeiten und wichtige Kulturgüter deklariert wa­
ren, erheblich beschädigt oder zerstört und es bestand die
Gefahr der Unrettbarkeit. Als Vorsitzender der Kommission
für die kirchlichen Kulturgüter in der Diözese von Tagbila­
ran hat Father Ted Torralba das Bohol-Kirchen-Wieder­
aufbau-Projekt initiiert. Anschließend belichtete Jeremy
Barns das Projekt aus der Sicht der staatlichen Behörden.
Als Direktor des Nationalmuseums hat er die Aufgabe, na­
tionale Kulturschätze auf den Philippinen zu erhalten. Er
und ein Team des National Museum of the Philippines/
Bohol Heritage Task Force waren eng in das Bohol-KirchenWiederaufbau-Projekt einbezogen.
Ida Areklett Garman (Norwegen) diskutierte in ihrem
Vortrag die Restaurierung des Wandteppichs „We Are Living
on a Star“, der bei dem Terroranschlag am 22. Juli 2011
in Oslo stark beschädigt wurde, als eine Bombe im Regie­
rungsviertel explodierte und es massive Schäden an Gebäu­
den und auch Kunstwerken gab. Darunter war die Tapisse­
rie von der norwegisch-schwedischen Künstlerin Hannah
Ryggen (1894−1970). Aufgrund der Art der Beschädigung
suchte man nach der geeignetsten Restaurierungsmethode.
40 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
Die Wahl der Methode wurde wichtig, da bis zum heuti­
gen Tag der Teppich mit dieser Tragödie verknüpft ist. Ei­
nige Leute dachten, der Schaden sollte zur Mahnung so
belassen werden, während andere wünschten, dass er so be­
handelt werden solle, dass er überhaupt nicht mehr sicht­
bar ist. Letztendlich wurde eine Lösung mit der richtigen
Balance zwischen Restaurieren der Schäden und Fokussie­
rung auf sie gefunden.
Für mich gab es auf dieser Tagung erstmalig die Chance,
ein Poster zu präsentieren. Eine Folge von historischen Fotos
zweier chinesischer Generalsuniformen aus dem 19. Jahr­
hundert der sächsischen Völkerkundemuseen veranschau­
lichte, wie sich Fehler in der Dekoration über mehr als
einhundert Jahre tradiert hatten, da man sich auf ältere
(falsche) bezog und nicht richtig recherchierte.
Meine Erwartung, einen Einblick in das Leben und die
Kunst der australischen Ureinwohner zu bekommen, er­
füllte sich bei der Besichtigung zweier Ausstellungen mit
Dotpaintings in der Galerie des Royal Melbourne Insti­
tute of Technology und während des Begrüßungsemp­
fangs der Tagung. Dieser Abend feierte mit den Künstlern
und Interpreten des Warmun Art Centre und den Wa­
layirti-Künstlern Australiens die außergewöhnliche indi­
gene Kultur des Geschichtenerzählens. Umrahmt von ver­
schiedenen Reden sangen zwei ältere Frauen und eine
ge­mischte Gruppe tanzte. Die Kultur der Aborigines hat
einen einzigartigen Platz in der Welt, denn sie ist die älte­
ste ununterbrochen existierende Zivilisation, deren kul­
turelles Erbe mindestens 50.000 Jahre zurückreicht.
Das dritte derartige Erlebnis bot die Ausstellung über das
Leben der Ureinwohner im Bunjilaka Aboriginal Cultural
Centre im Melbourne-Museum, durch die uns ein Ange­
höriger der Familie führte, über die dort sehr anschaulich
berichtet wurde. Die Ausstellung basiert auf einer engen
Zusammenarbeit zwischen dem Museum und den KoorieCommunity-Mitgliedern im Victoria-Gebiet sowie Mit­
gliedern indigener Communitys in ganz Australien. Sie
begründete eine neue Ära der Art und Weise, wie Samm­
lungen dieser einzigartigen Geschichte und des Wissens
interpretiert und gezeigt werden. Ein Schlüsselfaktor der
Partnerschaft war die Schaffung und Führung eines Yu­
lendj-Gruppe-Ältestenrats. Yulendj ist ein Wort aus der
Kulin-Sprachfamilie und bedeutet Wissen. Diese Gruppe
hat mit ihrem Wissen, mit ihren Geschichten, Objekten,
Bildern und ihrer Kultur auf einzigartige Weise zu dieser
Ausstellung beigetragen.
Christine Müller-Radloff ist Textilrestauratorin an den Staatlichen
Kunstsammlungen Dresden, Museum für Völkerkunde Dresden, und
Co-Assistant in der Textile Working Group;
[email protected].
Weitere Informationen:
Studenten der Universität Melbourne haben die Tagung 2014 in
den sozialen Netzwerken Tumblr und Facebook dokumentiert.
18. dreijährliche Tagung 2017: 4. bis 8. September in Kopenhagen,
Dänemark, Titel: Linking Past and Future
INTERNATIONALE KOMITEES
Building Strong Culture through
Conservation
17. dreijährliche Tagung vom 15. bis 19. September
2014 in Melbourne, Australien
Julia Ziegler
Die 17. Gesamtkonferenz von ICOM-CC wurde in Mel­
bourne ausgetragen. Die Stadt kann mit einer multikul­
turellen Bevölkerung aufwarten und vor allem der Anteil
asia­tischer Einwohner ist groß. Selbstredend ist es daher
eine gute Idee, sich in „Chinatown“ durch die Küchen
sämtlicher asiatischer Länder zu schlemmen. Neben der sehr
guten Museumslandschaft trägt auch die Street Art zum
besonderen Flair der Stadt bei.
Insgesamt 650 Teilnehmer aus fünfzig Ländern nahmen
an der Konferenz teil. Erstaunlich ist, dass trotz der langen
Anreise relativ viele europäische Teilnehmer anwesend wa­
ren. Die deutschsprachige Beteiligung lag bei 19 Personen.
Besonders in Erinnerung geblieben ist mir die Begrü­
ßungszeremonie durch eine Aboriginal elder der in Mel­
bourne und Umgebung ansässigen indigenen Bevölkerung.
Diese Art des Willkommensgrußes auf traditionellem Abo­
riginal-Land soll daran erinnern, dass Aboriginal people
ein wichtiger Teil von Australiens Vergangenheit und Ge­
genwart sind.
Ein deutlicher Trend zeichnete sich in den Schwerpunk­
ten der Tagung ab. Wie in Lissabon 2011 so waren auch
diesmal sehr viele Vorträge im materialübergreifenden Be­
reich der präventiven Konservierung sowie im Bereich der
modernen Materialien und zeitgenössischen Kunst anzu­
treffen. Aber auch die Arbeitsgruppe Gemälde wartete mit
vielen Beiträgen auf. Sharon Robinson (Museum of London)
wies in ihrem Vortrag über Gefahrstoffe in Sammlungen
u. a. auf radioaktive Materialien hin, die bevorzugt ab und
während des Ersten Weltkrieges eingesetzt wurden, um
Anzeigen aller Art (z. B. Kompasse, Flugzeugarmaturen)
durch ihre leuchtenden Eigenschaften auch im Dunkeln les­
bar zu machen. Aber nicht nur im Bereich Technisches Kul­
turgut kann man auf radioaktive Stoffe treffen. Neben Uran­
glas, das anscheinend u. a. für Parfümflaschen verwendet
wurde, gab es am Anfang des 20. Jahrhunderts auch viele
Kosmetikprodukte mit Radiumanteil, die als Allheilmittel
oder als genereller Jungbrunnen angepriesen wurden.
Ein Thema, das sowohl mit einem Vortrag im Bereich
Moderne Materialien als auch im Bereich Gemälde vertre­
ten war, war die Untersuchung und Rückführung des Van­
dalismusvorfalls an Mark Rothkos „Untiteled“, das 2012
während einer Ausstellung in der Tate Modern mit GraffitiTinte verunstaltet wurde. Während Bronwyn Ormsby und
ihre Ko-Autoren sich hauptsächlich den unterschiedlichen
Analysen widmeten, die die verwendete Tinte, deren Ein­
fluss auf die Malschichten und mögliche Lösungsmittel
betrafen, schilderte Rachel Barker die Durchführung der
Restaurierung und die dafür notwendige Anfertigung von
Probekörpern. Sehr interessant war für mich aber der Teil
des Vorträge, der sich nicht in den Artikeln wiederfindet:
Die unangefochtene Prominenz des Kunstwerkes zog na­
türlich die Aufmerksamkeit der Presse auf sich. Neben all
der kniffligen Arbeit direkt am Objekt wurden die Restau­
ratorinnen in Öffentlichkeitsarbeit geschult, mussten In­
terviews geben und immer wieder dem Druck der Presse
standhalten, die natürlich so schnell wie möglich Ergeb­
nisse vorliegen haben wollte.
Trotz des Tagungskontinentes Australien wurden ledig­
lich drei Vorträge mit dem Kontext Aboriginal-Kunst ge­
halten. Bei der anschließenden Diskussion nach Daniel
Kirbys und Narayan Khandekars Vortrag über Bindemit­
tel in traditionellen Baumrindengemälden wurde allerdings
deutlich, dass sich sehr viele Fachleute zu diesem Thema
im Auditorium befanden.
Ein Höhepunkt war der Besuch im Depot des VictoriaMuseums. Das Depot ist nach neuesten Standards ausge­
stattet und verfügt neben einem Barcode-System mit ver­
knüpfter Datenbank zum einfachen Auffinden von Objekten
über Spezialkühlschränke für Kunststoffe und eine Gefrier­
kammer für Quarantäne bzw. Pestmanagement. Wirklich
innovativ empfand ich allerdings die Tatsache, dass im De­
pot sämtliche Paletten und Konstruktionen zur Lagerung
von Objekten selbst gebaut werden. Das verwendete, mög­
lichst unbehandelte Holz wird zuvor hinsichtlich etwaiger
Schädlinge in der Gefrierkammer behandelt. Zudem befin­
det sich im Depot ein Spezialraum zur Dekontamination
von Objekten, die mit gefährlichen Stoffen belastet sind.
Dieser Raum ist nach dem Raum-im-Raum-System konzi­
piert und besitzt eine Schmutzschleuse zum An- und Able­
gen von Schutzkleidung, ein eigenes Abluftsystem, das durch
diverse Filter direkt nach draußen geleitet wird, und ein
spezielles Abfallmanagement mit farbig gekennzeichneten
Tonnen. Bei Bedarf kann ein leichter Unterdruck erzeugt
werden, wodurch die Raumluft über den Boden abgesaugt
wird, der aus einem begehbaren Gitter besteht.
Den Abschluss dieser sehr gelungenen Konferenz bildete
wiederum ein Aboriginal-Künstler. Sein Instrument war
lediglich ein gum leaf (Eukalyptusblatt). Er hielt sich das
Blatt vor die Lippen und versetzte es durch Luftstöße in
Vibration. Die dadurch entstehenden Töne und Melodien
hatten viele im Publikum so noch nie gehört und versetz­
ten uns alle in Begeisterung.
Julia Ziegler ist Absolventin des Studiengangs Objektrestaurierung
an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart;
[email protected].
Foto: Matthias Kästner
ICOM-CC – International Committee for Conservation
Melbourne: Innenstadt-Gasse über und über mit Graffitis besprüht
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
| 41
UMSCHAU
Ausbildungswege
Ein Praxissemester und eine Tagung des Conservation Committee in Australien
können das Studium sehr bereichern – ICOM Deutschland hat diese nicht ganz
alltägliche Kombination von Theorie und Praxis unterstützt.
Emily Müller
Foto: Marika Kocsis
Melbourne
Restaurierungswerkstatt der State Library
of Victoria, Melbourne: Gemeinsames
Montieren von Plakaten
Im Curriculum meines Studienganges
ist auch ein Praxissemester vorgesehen.
Ich hätte mir nicht vorstellen können,
es in Australien zu verbringen. Tat­
sächlich erhielt ich die einzigartige Ge­
legenheit, von Anfang September bis
Ende Dezember 2014 in drei austra­
lischen Institutionen den Arbeitsbe­
reich Papierrestaurierung kennen­
zulernen. Mit der Teilnahme an der
Ta­gung des ICOM Conservation Com­
mittee im September 2014 in Mel­
bourne konnte ich meine Praxiserfah­
rungen sogar um weitere Einblicke in
die Welt der Restaurierung ergänzen.
Am 4. September 2014 erreichte ich
Melbourne nachts bei 3 Grad Celsius.
Mein erstes, einmonatiges, Praktikum
absolvierte ich in der Papierrestaurie­
rung der State Library of Victoria.
Dort befasste ich mich mit dem Mon­
tieren großformatiger Plakate, dem Ka­
schieren von Architekturplänen und
der Restaurierung von Fotografien. Ich
erlernte neue Methoden, diskutierte
Ideen und erlebte vor allem auch die
Mentalität der Australier. Besonderer
Wert wurde darauf gelegt, sich eigen­
ständig mit neuen Materialien vertraut
zu machen und eigene Techniken und
Herangehensweisen zu entwickeln. Die
dortigen Arbeitsmethoden unterschie­
den sich nicht sehr von den europä­
ischen – Australien ist näher und ver­
netzter mit Europa, als ich erwartet
hatte.
Den Kollegen der State Libary prä­
sentierte ich in einem Probelauf mei­
nen Kurzvortrag „Conservation Path­
ways in Germany“, den ich auf dem
Student Network and Research Sym­
posium, einem Vorprogramm der Ta­
gung des ICOM Conservation Com­
mittee, halten durfte. Der Vortrag fand
großes Interesse und es ergaben sich
interessante Nachfragen zu Studien­
gängen und Ausbildungsmöglichkeiten
im Bereich Restaurierung.
42 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
Während meines Melbourne-Auf­ent­
haltes durfte ich bei einer Res­tau­rie­
rungsstudentin leben. Viele in­ter­na­­tio­
nale Studenten wurden von engagierten
ICOM-Mitgliedern an Res­tau­rie­rungs­
­studenten der Universität Melbourne
vermittelt. Dass aus einer Woche dann
ein Monat wurde, zeigt, wie offen und
hilfsbereit die Australier sind – und wie
wichtig das Networking in unse­rem
„kleinen“ Kreis der Restaurato­ren ist.
Canberra
Mein zweites Praktikum absolvierte
ich für zwei Monate in Canberra –
Unterkunft und Bekanntenkreis wur­
den mir diesmal von Freunden und
Kollegen vermittelt, die ich auf der
ICOM-Tagung kennengelernt hatte.
Bis dato besaß ich nur Erfahrungen auf
musealem Gebiet, durch meine Tätig­
keit in der Papierrestaurierung der Na­
tional Gallery of Australia erschloss
ich mir nun ein neues Feld. Mit meiner
Kollegin durfte ich selbstständig zwei
Yao Scroll Paintings untersuchen und
bearbeiten. Durch das Erlernen ver­
schiedener Techniken, so etwa den Fa­
ser-, Pigment- oder FTIR-Analysen,
machte ich mich mit Scroll Paintings
vertraut, die von den Yao-Völkern, ei­
ner Minderheitengruppe aus Nord­
vietnam und Umgebung, als rituelle
Objekte bei Zeremonien verwendet
Umschau
Foto: David Iliff, License: CC-BY-SA 3.0
Panorama des La-Trobe-Lesesaals.
Die State Library of Victoria in Melbourne
wurde 1856 gegründet und ist die älteste
öffentliche Bibliothek in Australien. Neben
Büchern sammelt und präsentiert sie Fotos,
Poster und Gemälde.
Sydney
wurden. Mittels FTIR-Analysen konn­
ten wir unsere Theorie belegen, dass
es sich bei einem der sich auf dem Ob­
jekt befindlichen Flecken um Blut han­
delte. Aus der Literatur ist bekannt,
dass bei Zeremonien oft Tieropfer
dargebracht wurden. Diese schon bei­
nahe forensische Untersuchungsme­
thode stellte einen besonders span­
nenden Punkt meiner Analysen dar.
Es war sehr lehrreich für mich, neben
den großen Behandlungsschritten wie
Kaschieren oder Wässern auch die Art
der Ausführung, kleine Fertigkeiten,
die bei jedem Restaurator verschieden
sind, zu beobachten.
Ferner durfte ich mich in den Bereich
der präventiven Konservierung einar­
beiten, insbesondere ins Pest Manage­
ment. Aufgrund der hohen Tempera­
turen und des Klimas steigt generell die
Wachstumsfähigkeit in Flora und Fau­
na. Einblicke in die für diese klima­
tischen Bedingungen entwickelten Qua­
rantäneprozesse waren einzigartig und
sehr aufschlussreich für mich.
In Sydney arbeitete ich für drei Wo­
chen in der Art Gallery of New South
Wales. Meine dortigen Kolleginnen
gaben mir die Möglichkeit, eine eige­
ne Testreihe zum Thema Lichtblei­
chen durchzuführen. Ich bearbeitete
Zeichnungen und Druckgraphiken
australischer Künstler wie Lloyd Rees,
Will Dyson und John Olsen. Es war
sehr interessant, das Wissen und die
Fähigkeiten dieser Technik zu erlernen,
auch wenn ich mit Bleichen generell
vorsichtig umgehen würde.
Fazit: Ich kann jedem empfehlen,
sich auf das Abenteuer eines neuen Ar­
beitsumfeldes einzulassen. Durch die
Praxiserfahrungen in den Kulturein­
richtungen und das Programm der
Conservation-Committee-Tagung
habe ich nicht nur viel Neues gelernt,
sondern kann nun auch meine beruf­
lichen Ziele klarer definieren.
Emily Müller studiert im fünften Semester
Präventive Konservierung und Restaurierung von Schriftgut, Buch und Graphik an
der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim;
[email protected].
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
| 43
UMSCHAU
Forschen für das Kulturerbe
Kulturschätze zu bewahren, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die langfristiges Engagement erfordert. Auf der Veranstaltung „European Cultural Heritage
Research and Innovation“ im September 2014 diskutierten Experten über Fragen
zur Zukunft der Kulturerbe-Forschung in Zeiten begrenzter Fördermöglichkeiten.
Brinda Sommer
Die Veranstaltung der Berlin-Branden­
burgischen Akademie der Wissen­
schaften in Kooperation mit der bri­
tischen Botschaft in Berlin und der
Fraunhofer-Gesellschaft nahm das
Thema Kulturerbe-Forschung mit Prä­
sentationen aus Wissenschaft und Po­
litik, einer Podiumsdiskussion und
einem Ausstellungsbereich aus ver­
schiedenen Perspektiven in den Blick.
Johanna Leissner, Fraunhofer-Ge­
sellschaft, und Rudolf Strohmeier,
Europäische Kommission, stellten
Förder­möglichkeiten für Museen in
Deutschland vor. Sie machten deutlich,
dass im Bereich des materiellen Kul­
turerbes durch Forschung und Innova­
tion herausragende und wegweisende
Leistungen erzielt werden konnten.
Klaus Sedlbauer, Fraunhofer-Gesell­
schaft, verwies beispielhaft auf eine
Software, die heute in mehr als neun­
zig Ländern für den Erhalt von Ge­
bäuden jeglicher Art genutzt wird, ur­
sprünglich aber durch den Bedarf der
Konservierung von Gestein an his­to­
rischen Bauten entstanden ist. Die Re­
ferenten betonten, dass Kooperatio­nen
zwischen Museen und Forschungsinsti­
tutionen auch künftig als äußerst pro­
duktiv und förderungswürdig einge­
schätzt werden.
Fördermöglichkeiten
Die Bundesrepublik und die Euro­
päische Union unterhalten diverse
Förderprogramme für Museen, For­
schungs- und Kulturerbe-Einrichtun­
gen. So stärkt das BMBF z. B. mit
dem Programm „Die Sprache der Ob­
jekte. Materielle Kultur im Kontext
gesellschaftlicher Entwicklungen“ die
Perspektive auf die Materialität von
Kultur und damit auch die Forschung
in und mit Museen. Die Europäische
Kommission startete 2014 das Pro­
gramm „Horizon 2020“. Mit rund
achtzig Milliarden Euro Fördersumme
ist es das größte seiner Art und führt
alle forschungs- und innovationsrele­
vanten Förderungen der Europäischen
Kommission zusammen. Für eine An­
tragstellung empfahl Rudolf Strohmeier
interessierten Einrichtungen, in ihren
Förderanträgen vor allem die Frage­
stellungen und Probleme darzulegen,
die sie angehen möchten. Im Zentrum
künftiger Förderungen sollten weniger
einzelne Techniken oder Prozessen ste­
hen, sondern es sollen Strategien zur
Lösung komplexer Probleme erarbei­
tet werden.
Ausstellung
Im Ausstellungsbereich waren Inno­
vationen auf dem Gebiet der 3D-Digi­
talisierung prominent vertreten, wobei
die einzelnen Anbieter unterschied­
liche Schwerpunkte setzten, so etwa das
Projekt Cult-Lab3D des FraunhoferInstituts Darmstadt. Es arbeitet mit
Technologien zur Massendigitalisie­
rung unter Verwendung eines Fließ­
bandes besonders effizient. Eine beson­
ders kulturgutschonende Entwicklung
zur Digitalisierung hochwertigster
Objekte mittels eines Roboters prä­
sentierte die Hochschule für Technik
und Wirtschaft Berlin mit ihrem Pro­
jekt MOSYS3D. Das University Col­
lege London erforscht hingegen inno­
vative Möglichkeiten zur Nutzung der
digitalisierten Inhalte für den Muse­
umsbesucher. Das Angebot umfasst
virtuelle Realitäten, Touch-Technolo­
gien und diverse Applikationen für mo­
bile Endgeräte wie Smartphones oder
Tablets die in und außerhalb des Mu­
seums genutzt werden können. Wäh­
rend einige Anbieter sich noch in der
Forschungs- und Testphase befanden,
war andere, wie das Cult-Lab3D be­
reits auf der Suche nach einem kom­
merziellen Anbieter.
44 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
Ein eigenes Digitalisierungsprojekt
hat das Stadtmuseum Berlin mit dem
3D Lab der Technischen Universität
Berlin realisiert, das ebenfalls mit seiner
EFRE-finanzierten Forschung „3DTechnologien für Berliner Museen“
vertreten war. In diesem Rahmen wur­
den vier historische Stadtmodelle, die
den Wandel des Berliner Stadtbilds do­
kumentieren, vom 3D-Labor des In­
stituts für Mathematik mit einem
3D-Streiflicht-Scanner erfasst: das mit­
telalterliche Berlin um 1450, die ba­
rocke Festungsstadt um 1688, Berlin
in den Grenzen der Akzisemauer von
1750 sowie „Schinkels Berlin“ um
1830. Auf Basis der gewonnenen Da­
ten sollen virtuelle Modelle entstehen,
die neue Wege für Forschung, Präsen­
tation und Vermittlung im Museum
eröffnen.
Podiumsdiskussion
In der abschließenden Diskussion warb
Ben Cowell, National Trust UK (Lon­
don), um mehr politische Unterstüt­
zung, die neben stabiler Finanzierung
die unabdingbare Voraussetzung für
eine Verankerung von Forschung und
Innovation in der Gesellschaft sei. Die
Bewahrung kulturellen Erbes wurde,
auch aufgrund der genannten Innova­
tionspotentiale, als wichtige Quelle
für zukünftigen wirtschaftlichen Er­
folg und gesellschaftliche Entwicklung
formuliert.
Brinda Sommer ist Vorstandsreferentin der
Stiftung Stadtmuseum Berlin;
[email protected].
Weitere Informationen:
Horizon 2020:
http://ec.europa.eu/programmes/horizon2020
Übersicht über europäische
Förderpro­gram­me:
www.europa-foerdert-kultur.info
UMSCHAU
Museum International
Von 1948 bis 2011 hat die UNESCO die Zeitschrift herausgegeben mit dem Ziel,
Reflexion und Dialog über die Entwicklungen in der Museumswelt zu befördern. In
dieser Tradition hat ICOM Ende 2014 seine erste Ausgabe vorgelegt. Unterdessen
bereitet das neue Editorial Board die Weiterentwicklung vor.
Rosmarie Beier-de Haan
Die Fachzeitschrift Museum Inter­
national besteht seit 1948 und hat
sich einen guten Ruf als wissenschaft­
liches Journal für Museumsfachleute
und -mitarbeiter der unterschiedlichs­
ten Disziplinen etabliert. Im Laufe ihrer
langen Karriere hat Museum International die Diskussio­nen in der Welt
des Museums mitgestaltet; auf ihren
Seiten fanden so wichtige Beiträge und
Impulse ihre internationale Veröffent­
lichung. Wurde diese traditionsreiche,
englischsprachi­ge Zeitschrift (die viel­
leicht in den anglophonen Ländern
noch deutlich bekannter ist als etwa in
Deutschland) bislang von der UNESCO
herausgegeben, ist sie seit 2013 unter
dem Schirm von ICOM. Publiziert
wird sie weiterhin in Partnerschaft mit
dem international tätigen Wissen­
schaftsverlag Wiley.
Mit dem Wechsel in der Herausge­
berschaft verbindet sich die allseiti­ge
Erwartung, dass Museum Inter­na­tio­
nal zukünftig noch näher an die aktu­
ellen Aufgaben und Herausforderun­gen
in der internationalen Museumsge­
mein­schaft rücken wird. ICOM will auf
diese Weise – so der selbstformulierte
Anspruch – in Wahrung und Fortset­
zung seiner seit langem bestehenden
engen Kooperation mit der UNESCO
das etablierte Konzept der Zeitschrift
fortführen, die Teilhabe an Wissen
durch interdisziplinäre Forschung und
Vermittlung zu befördern und Bestpractice-Beispiele zu geben für den Er­
halt und den Schutz kulturellen Erbes
in einer sich schnell wandelnden Welt.
Solcherart soll Museum International
auch weiterhin den Dialog zwischen
den vielfältigen Einrichtungen der Mu­
seumswelt und des kulturellen Erbes
befördern. Sie wird von ICOM auch
zukünftig explizit als wissenschaftli­
che Zeitschrift verstanden, die sich in
diesem Profil deutlich etwa von den
ICOM News unterscheidet, bei denen
Information und Kommunikation im
Zentrum stehen.
Editorial Board hat seine Arbeit
aufge­nommen
Unter der Leitung der ICOM-Gene­
raldirektorin Anne-Catherine RobertHauglustaine hat sich in Paris ein ei­
gener Stab gebildet, der mit Redak­tion
und Edition der Zeitschrift befasst ist.
Zudem wurde eigens ein international
besetztes Editorial Board einberufen,
dessen Aufgabe die Sicher­stellung von
Profil, Qualität und Professionalität
der Zeitschrift ist. Dieses Editorial
Board wurde vom ICOM Executive
Council für drei Jahre bestätigt. Tereza
Scheiner, Vizepräsidentin von ICOM,
wurde von ICOM-Präsident HansMartin Hinz mit dem Amt des Editorin-Chief betraut. Unter ihrer Leitung
und flankiert vom ICOM-Präsidenten
traf sich das neuberufene Editorial
Board am 10. Oktober 2014 zu seiner
konstituierenden Sitzung in Paris. Dem
Board gehören insgesamt 14 Kolle­
ginnen und Kollegen aus ebenso vielen
Ländern an. Sie arbeiten kuratierend
oder leitend in Museen beziehungs­
weise in Feldern des kulturellen Erbes
oder sind an Universitäten tätig. Im
Einzelnen gehören dem Board an: La­
ishun An, Beijing; Rosmarie Beier-de
Haan, Berlin; Marie-Paule Jungblut,
Basel; Richard Kurin, Washington;
François Mairesse, Paris; Christian
Manhart, Kathmandu; Léontine Meijervan Mensch, Berlin/Amsterdam; Eiji
Mizushima, Tsukuba; Lourdes Monges
Santos, Mexiko City; Richard Sandell,
Leicester; Tereza Scheiner, Rio de
Janeiro; Samuel Sidibé, Bamako;
Tomislav Šola, Dubrovnik.
Museum International wird sich
auch in Zukunft pro Ausgabe einer
speziellen Fragestellung widmen und
diese auf wissenschaftlichem Niveau
und aus unterschiedlichen Perspek­
tiven erörtern. Zu den Themen, die
kurz- und mittelfristig von besonderer
Relevanz sein dürften, zählen Muse­
umsethik und die Frage nach dem Stel­
lenwert von Sammlungen ebenso wie
Fragen von Bildung und Vermittlung,
Richtlinien in der Ausbildung und der
Umgang mit den neuen Medien.
Bereits im Herbst 2014 erschien un­
ter der Leitung von ICOM das Themen­
heft „Achievements and Challenges
in the Brazilian Museum Landscape“
zur aktuellen Situation in der brasi­
lianischen Museumslandschaft. Im
Mai 2015 wird die Ausgabe zum The­
ma des Museumstages 2014 „Muse­
um Collections Make Connections“
erscheinen.
Professor Dr. Rosmarie Beier-de Haan ist
Leiterin der Abteilung Alltagskultur I des
Deutschen His­­torischen Museums;
[email protected].
Weitere Informationen:
ICOM-Mitglieder haben freien Zugang über
ICOMMUNITY:
http://icommunity.icom.museum/en/
content/museum-international.
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
| 45
Umschau
70 Jahre UNESCO
Kulturarbeit über Grenzen hinweg ist die wichtigste Aufgabe der UNESCO.
ICOM Deutschland fühlt sich ihr in diesem Sinne eng verbunden – insbesondere
auch im Jubiläumsjahr, wenn das Welterbekomitee in Deutschland tagt.
Hartwig Lüdtke
Im Herbst 1945 wurde die UNESCO
als neue Institution ins Leben gerufen,
der sich alsbald viele Staaten anschlos­
sen; in diesem Jahr begeht sie ihr sieb­
zigjähriges Jubiläum, und es sind mehr
als 190 Länder als Vertragsstaaten
dabei. Das Gründungsjahr zeigt, wie
sehr in dieser Initiative das Bemühen
zum Ausdruck kommt, angesichts der
gerade erlebten Katastrophe zweier
Weltkrie­ge etwas Neues, Bindendes
entgegensetzen zu wollen. Getrieben
von dem Gedanken, den kulturellen
Austausch und Dialog über Länder­
grenzen hinweg als einen Weg zum
gegenseitigen Verständnis aufzufassen,
spiegelt sich darin das Bemühen um
die Schaffung und Bewahrung des
Friedens zwischen den Staaten. Diese
auf den Erhalt des Friedens gerichtete
Leitidee hat auch heute, siebzig Jahre
nach Ende des Zweiten Weltkrieges,
nichts an Relevanz verloren.
Die UNESCO definierte für ihre
praktische Arbeit vier Tätigkeitsbe­
reiche, in denen einzelne Program­me
zwischen den beteiligten Ländern ins
Werk gesetzt werden sollten: Bildung,
Wissenschaft, Kultur und Kom­mu­­
ni­kation. Auf jedem dieser Gebiete
wurden im Verlaufe der Jahre Ar­beits­
pro­gramme und zum Teil auch Kon­
ventionen erarbeitet und von den
Vertragsstaaten beschlossen. Ein we­
sentliches Merkmal dieser Konven­
tio­nen ist es, dass sie erst nach Ratifi­
zierung durch eine jeweils definierte
Anzahl von Staaten in Kraft gesetzt
werden und dass es dementsprechend
auch jedem einzelnen Land freisteht,
einer Konvention beizutreten oder dies
nicht zu tun. Insofern ist die Arbeit der
UNESCO geprägt von einem gewisser­
maßen einladenden Charakter, der viele
Optionen für die Teilnahme bietet.
Um die Anliegen der UNESCO in
den einzelnen Staaten bekanntzuma­
chen, zu unterstützen und auch um die
politisch Verantwortlichen fachlich zu
beraten, wurden in zahlreichen Län­
dern national tätige UNESCO-Kom­
missionen eingerichtet. Die Deutsche
UNESCO-Kommission (DUK) besteht
heute aus rund einhundert Mitglie­
dern, von denen etwa die Hälfte aus
Institutionen besteht, die auf einem
UNESCO-relevanten Gebiet tätig sind,
während sich die andere Hälfte der
Kommissionsmitglieder aus gewählten
Personen zusammensetzt. Ein haupt­
amtlich besetztes Sekretariat unter­
stützt und begleitet die Arbeit dieser
Kommission, ist zudem aber auch ei­
genständig mit verschiedenen Projek­
ten befasst. Als eine Mittlerorganisa­
tion der auswärtigen Kulturpolitik
wird die Deutsche U NESCO-Kom­
mis­sion durch das Auswärtige Amt
finanziell getragen.
Die in der Öffentlichkeit besonders
stark wahrgenommenen Aktivitäten
der UNESCO sind das Welterbepro­
gramm, mit Kulturerbe- und Natur­
erbestätten, das Programm „Memory
of the World“ und das Register des
Immateriellen kulturellen Erbes. Für
alle drei Programmlinien gilt, dass je­
weils eigene Gremien über die Aufnah­
me von Vorschlägen entscheiden. Für
die Welterbeliste sind in diesem Jahr
rund vierzig Stätten aus allen Weltre­
gionen nominiert, Deutschland hat die
Speicherstadt in Hamburg und das
Kontorhausviertel mit dem Chilehaus,
den Naumburger Dom und die hoch­
mittelalterliche Herrschaftslandschaft
an Saale und Unstrut nominiert. Auf
ihrer 39. Sitzung vom 28. Juni bis 8. Juli
2015 in Bonn wird sich die Welterbe­
kommission dazu beraten.
Es geht bei der konkreten Arbeit je­
doch nicht nur um die „schönen Seiten“
des kulturellen Erbes – die UNESCO
greift auch problematische Aspekte
auf: Bereits 1970 wurde die Konven­
tion gegen den illegalen Handel von
Kulturgütern beschlossen; dabei wur­
de nicht verkannt, dass der Beschluss
einer Konvention allein den Raub so­
wie die illegale Ausfuhr beziehungs­
46 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2015
weise Einfuhr wertvoller Kulturgüter
noch nicht verhindert. Sehr wohl aber
kommt einer derartigen Konvention
auch der Charakter eines Appells zu,
wodurch auf problematische Entwick­
lungen deutlich hingewiesen werden
kann. Die Plünderung von archäolo­
gischen Stätten in den aktuellen Kri­
sengebieten stellt in dieser Hinsicht
eine besonders dramatische Entwick­
lung dar. Auch die UNESCO kann le­
diglich verstärkt öffentlich auf diese
Problematik hinweisen und sich be­
mühen, die politisch Verantwortlichen
zu den notwendigen Handlungsschrit­
ten zu veranlassen und beispielsweise
dafür zu sorgen, dass andere Länder –
so auch Deutschland – nicht als Markt­
plätze beziehungsweise Abnehmer
die­s er Güter funktionieren und den
Handel auf diese Weise auch noch be­
fördern.
ICOM Deutschland ist seit vielen Jah­
ren Mitglied der Deutschen UNESCOKommission, und Museumsarbeit ist
in vielfacher Hinsicht mit den Themen
der UNESCO verbunden, denn gera­
de die Museen engagieren sich im Be­
reich der Bildungspolitik ebenso wie im
Bereich wissenschaftlicher Forschung.
Vor allem aber ermöglichen sie Ein­
blicke in andere Epochen und Regio­
nen dieser Welt; gerade auf diese Wei­
se wecken Museen ein Verständnis für
das jeweils Andere und für eine Mul­
ti­perspektivität. So können sie – ganz
im Sinne der Leitidee der UNESCO –
zu einem friedlichen Miteinander bei­
tragen.
Professor Dr. Hartwig Lüdtke, Direktor des
Technoseum in Mannheim, ist seit Oktober
2014 Vizepräsident der Deutschen UNESCOKommission.
[email protected]
UMSCHAU
Waentig, Friederike u. a.:
Präventive
Konser­vierung
Ein Leitfaden. Berlin: ICOM Deutschland.
2014. Beiträge zur Museologie, Band 5.
Das Natur- und Kulturerbe zu be­
wahren, ist eine Kernaufgabe der
Museen. Die Präventive Konservie­
rung dient dem langfristigen Erhalt
und der Pflege von Sammlungsgut. Ziel ist es, schädigende
Einflüsse bereits im Vorfeld zu erkennen und zu vermeiden
oder sie zu reduzieren.
Der vorliegende Leitfaden zur Präventiven Konservie­
rung zeigt Möglichkeiten auf, potentielle Gefahren für
Sammlungen zu identifizieren, Gefährdungen zu erkennen
und die Erhaltungsbedingungen durch einfache Schritte be­
reits nachhaltig zu verbessern. Er formuliert Standards und
bietet Empfehlungen für die tägliche Museumsarbeit.
Er richtet sich daher an all jene, die in einem Museum un­
mittelbare Verantwortung für eine Sammlung tragen oder
durch ihre tägliche Arbeit die Rahmenbedingungen für de­
ren Erhaltung mit bestimmen.
Der Leitfaden (Gewicht: 195 g, Maße: 15 × 21 cm) kann in der Geschäftsstelle von ICOM Deutschland kostenlos gegen Einsendung
eines ausreichend frankierten und adressierten Rückumschlags
bestellt werden.
Museen, Migration und
kulturelle Vielfalt
Handreichungen für die Museumsarbeit.
Hrsg. vom Deutschem Museumsbund e. V.
Berlin 2015.
Kulturelle Vielfalt als Leitthema
sowie die Herausforderung, Muse­
umsarbeit für eine plurale Gesell­
schaft zu leisten, erfordern neue
Sichtweisen und Narrative. Empfehlungen, wie diese im kon­
kreten Zusammenhang mit den Kernaufgaben Sammeln,
Bewahren, Erforschen, Ausstellen und Vermitteln aussehen
können, sind in diesem Leitfaden zusammengestellt. Dabei
werden gleichermaßen kleinere Maßnahmen beschrieben,
die mit überschaubarem Aufwand umzusetzen sind, wie
auch umfassende Veränderungen, die das gesamte Haus
betreffen und langfristiger Prozesse bedürfen. Das Aufga­
benspektrum unterscheidet sich je nach Möglichkeiten und
Zielsetzungen der einzelnen Häuser. Darüber hinaus werden
auch Aspekte thematisiert, die für Träger oder Förderer von
Museen ebenso von Bedeutung sind wie für politisch Ver­
antwortliche oder für Kulturinteressierte. Entsprechend der
Struktur der „Bunten Reihe“ der Leitfäden und Handrei­
chungen des Deutschen Museumsbundes handelt es sich
auch bei diesem Leitfaden um eine praktische Unterstüt­
zung für alle, die in, für und zusammen mit den Museen
arbeiten.
Download oder Bestellung:
www.museumsbund.de/de/publikationen/leitfaeden
bitte abtrennen
Bestellung | Hiermit bestelle ich folgende Publikationen von ICOM Deutschland aus der Liste der lieferbaren Schriften:
Stk. Waentig, Friederike u. a.: Präventive Konservierung. Ein Leitfaden. Berlin: ICOM Deutschland. 2014. 96 Seiten (Beiträge zur
Museologie, Bd. 5). ISBN 978-3-00-046939-8. (Gratis)
Stk. Zur Ethik des Bewahrens. Tagungsband der Jahrestagung von ICOM Deutschland 2013. Hrsg. von ICOM Deutschland. 2014.
148 Seiten (Beiträge zur Museologie, Bd. 4). ISBN 978-3-00-045736-4, 15,00 €*
Stk. 60 Jahre ICOM Deutschland. Ein Rückblick auf die deutsch-deutsche Geschichte von ICOM Deutschland 1953 bis 2013.
Hrsg. von ICOM Deutschland. 2013. 56 Seiten. (Gratis)
Stk. Die Ethik des Sammelns. Tagungsband der Jahrestagung von ICOM Deutschland 2010. Hrsg. von ICOM Deutschland. 2011.
176 Seiten (Beiträge zur Museologie, Bd. 3). ISBN 978-3-00-034461-9, 15,00 €*
Stk. Museen und Denkmäler – Historisches Erbe und Kulturtourismus. Tagungsband des Internationalen Bodensee-Symposiums 2009.
Hrsg. von ICOM Deutschland. 2010. 176 Seiten (Beiträge zur Museologie, Bd. 2). ISBN 978-3-00-028961-3, 15,00 €**
Stk. Definition des CIDOC Conceptual Reference Model. Hrsg. und übersetzt aus dem Engl. von K.-H. Lampe, S. Krause, M. Doerr.
2010. 208 Seiten (Beiträge zur Museologie, Bd. 1). ISBN 978-3-00-030907-6, 10,00 €
Stk. Ethische Richtlinien für Museen von ICOM. Hrsg. von ICOM Schweiz, ICOM Deutschland und ICOM Österreich. Dt. Fassung.
2., überarb. Aufl. 2010. 32 Seiten. ISBN 978-3-9523484-5-1, 4,00 €
Stk. Wissenschaftskommunikation – Perspektiven der Ausbildung – Lernen im Museum. Hrsg. von ICOM Deutschland,
ICOM Frankreich und Deutsches Technikmuseum. 2009. 166 Seiten. ISBN 978-3-631-58095-0, 15,00 €*
Stk. Das Museum als Global Village. Versuch einer Standortbestimmung am Beginn des 21. Jahrhunderts. Internationales Symposium
am Bodensee 2000. Hrsg. von Hans-Martin Hinz. 2001. 162 Seiten. ISBN 3-631-37692-8, 15,00 €
Stk. Museen unter Rentabilitätsdruck. Engpässe – Sackgassen – Auswege. Bericht zum internationalen Symposium am Bodensee 1997.
Hrsg. von Hans-Albert Treff. 1998. 279 Seiten. ISBN 3-00-002395-X, 20,00 €
Stk. Reif für das Museum? Ausbildung – Fortbildung – Einbildung. Bericht zum internationalen Symposium am Bodensee 1994.
Hrsg. von Hans-Albert Treff. 1995. 258 Seiten. ISBN 3-87023-050-9, 10,00 €
Stk. Museum und Denkmalpflege. Bericht über das internationale Symposium am Bodensee 1991. Hrsg. von Hermann Auer. 1992.
257 Seiten. ISBN 3-598-11107-X, 12,00 €
Alle Preise verstehen sich zuzüglich Versandkosten. Eine Mehrwertsteuer wird nicht erhoben.
* 10,00 € für Mitglieder von ICOM und für Tagungsteilnehmer ; **10,00 € für Mitglieder von ICOM und ICOMOS sowie für Tagungsteilnehmer
Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2015
17. Mai 2015
Internationaler Museumstag
Museum. Gesellschaft. Zukunft.
www.museumstag.de
network.icom.museum/internationalmuseum-day
18. bis 20. Juni 2015, St. Gallen,
Schweiz
Internationales Bodensee-Symposium
der ICOM-Nationalkomitees von
Deutschland, Österreich und der
Schweiz und Mitgliederversammlung
von ICOM Deutschland
Das Museum für alle – Imperativ oder
Illusion?
www.icom-deutschland.de
www.museums.ch/bildung/
tagungen/bodensee-symposium.html
2016
8. bis 11. November 2015, Mün­
chen, Flossenbürg
Jahrestagung von IC MEMO
Form – Architecture – Memory
network.icom.museum/icmemo
18. bis 20. November 2015, Köln
EXPONATEC COLOGNE
Internationale Fachmesse für
Museen, Konservierung und
Kulturerbe
ICOM Deutschland wird mit einem
eigenen Stand auf der Messe ver­
treten sein. ICOM-Mitglieder haben
freien Eintritt.
www.exponatec.de
1. bis 4. September 2015, München
Jahrestagung von CIPEG
From Historism to the Multimedia Age
Content – Concept – Design of
Egyptian Museums and Collections
cipeg.icom.museum/
22. Mai 2016
Internationaler Museumstag
Museums and Cultural Landscapes
Die deutsche Übersetzung des
Mottos wird demnächst bekannt­
gegeben.
www.museumstag.de
network.icom.museum/internationalmuseum-day
3. bis 9. Juli 2016, Mailand, Italien
24. Generalkonferenz von ICOM
Museums and Cultural Landscapes
www.milano2016.icom.museum
Aktuelle Termine der Tagungen der internationalen Komitees:
icom.museum/calendar.html
bitte abtrennen
Bitte im ausreichend frankierten Umschlag einsenden.
Oder Bestellung von Newsletter oder Publikationen an:
[email protected] bzw. per Fax an: +49 30 69504526
hier falzen
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Vorname
Name
Institution
Straße, Nr.
PLZ, Ort
ICOM Deutschland e. V.
In der Halde 1
14195 Berlin
Datum
Unterschrift
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E-Mail
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www.bruynzeel-storage.com/museumsdepot
Aktuelle Informationen finden Sie unter
www.icom-deutschland.de
Informationen über den Weltverband, seine Komitees
und Projekte können Sie aufrufen unter
www.icom.museum
ICOM Deutschland e. V.
In der Halde 1 · 14195 Berlin
Telefon +49 30 69504525
Fax +49 30 69504526
[email protected] · www.icom-deutschland.de
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