Historisches Treffen Franziskus/Kyrill: Beifall aus dem Phanar

KATHPRESS-Infodienst
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Nr. 700 Fr., 5./12. Februar 2016
B E R I C H T E
Jesuit Zollner gegen Schlussstrich-Mentalität bei Missbrauch
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Der Kampf gegen sexuellen Missbrauch in der Kirche wird noch lange dauern, betont der
vatikanische Experte für Missbrauchsprävention in der "Zeit": "Gerechtigkeit für Opfer und
umfassende Prävention nicht als lästig abhaken, sobald Öffentlichkeit wieder wegschaut"
Missbrauch: Stadt Wien stellt Entschädigungszahlungen ein
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Künftig nur noch therapeutische Hilfe für Opfer von Gewalt in Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
- Nationaler Entschuldigungsakt von Staat und Kirche gefordert
Historisches Treffen Franziskus/Kyrill: Beifall aus dem Phanar
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Kommentatoren im Umfeld des Ökumenischen Patriarchats suchen aber auch nach russischen
"Hintergedanken"
Rückblick auf das Ordensjahr: Ringen um Relevanz
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Fast eine Million katholische Ordensleute zählt die Kirche - Doch sie stehen vor großen
Herausforderungen
Spannungen zwischen Theologie und Bischofsamt
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Deutsche Theologen pochen auf die Freiheit ihrer Wissenschaft und widersprechen zwei Bischöfen,
die eine Unterordnung der Theologie unter das Lehramt der Bischöfe fordern
Slowakische katholische Universität im Zwielicht
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Im Schatten der Causa Bezak vollzog sich in der Slowakei einen Konflikt um die Katholische
Universität in Ruzomberok
Neuer Nuntius in der Schweiz stößt auf Protest
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OÖ: Wertekodex für Schüler soll "christliches Fundament" betonen
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Muslimische Wissenschaftler fordern Religionsfreiheit für alle
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Evangelikale streiten über Umgang mit Homosexualität
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P R E S S E S C H A U
"Selbstzerstörerischer Hass" von Pegida und AfD
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Kirchenzeitungs-Chefredakteur Heschl warnt vor Aushöhlung von Menschenrechten und
Demokratie
I N T E R V I E W
Historisches Ereignis und Durchbruch in der Ökumene
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Kathpress-Interview mit Kardinal Koch zum Treffen von Papst Franziskus und Patriarch
D O K U M E N T A T I O N
Papst in der Synagoge Roms: Einzigartiges, besonderes Band
Ansprache beim Besuch in der römischen Synagoge am 17. Jänner
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KATHPRESS-Infodienst Nr.700, 5./12. Februar 2016
inrichtung "Weißer Ring" als Anlaufstelle für Betroffene beauftragt. Seither wurden 2.705 Fälle
bearbeitet, in 2.048 davon wurde eine finanzielle
Unterstützung beschlossen, zog Marianne Gammer, Geschäftsführerin des "Weißen Rings", bei
einem Pressegespräch am 10. Februar Bilanz.
Durchschnittlich bekam jeder Betroffene rund
17.000 Euro, insgesamt waren es 36,2 Millionen
Euro. Weitere 8,9 Millionen Euro wurden für
Psychotherapie-Leistungen in 1.583 Fällen bezahlt, 90.000 Euro für Rechtsberatungen. Die
Mehrheit der Vorfälle von psychischer und/oder
sexueller Gewalt fiel mit 60 Prozent in den Zeitraum der 1950er- und 1960er-Jahre.
Mit 31. März lässt die Stadt Wien nun die
Anmeldefrist für Entschädigungszahlungen auslaufen, während es Kostenübernahmen von Therapien weiterhin geben wird. Man habe versucht, die Betroffenen zu entstigmatisieren, ihren Erfahrungen eine Stimme zu geben und ihnen Hilfsangebote zu machen. Trotzdem müsse
man irgendwann einmal ein Fristende ansetzen,
erklärte Stadträtin Wehsely.
Zuletzt wiesen die Meldungen von
Betroffenen beim "Weißen Ring" eine rückläufige Tendenz auf. Dennoch wurden allein 2015
mehr als 30 Meldungen pro Monat registriert,
seit Jahresbeginn 2016 waren es bis dato 67. Udo
Jesionek, Präsident des Weißen Rings und auch
Mitglied der "Klasnic-Kommission", sagte zum
Fristende, dass für viele Betroffene nicht der
finanzielle Aspekt im Vordergrund stehe, sondern die Erfahrung, dass endlich jemand zuhöre
und das Erzählte ernst nehme beziehungsweise
glaube.
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Nationaler Entschuldigungsakt gefordert
SPÖ-Politikerin Wehsely erneuerte bei dem Pressegespräch auch die Forderung nach einem "formalen Akt der Entschuldigung der Republik", um
sich bei Betroffenen von gewalttätigen Übergriffen in österreichischen Heimen zu entschuldigen. Sollte das bis Ende 2017 nicht gelingen,
werde Wien selbst eine Gedenkzeremonie organisieren, kündigte Wehsely an.
Zuletzt hatte das Nachrichtenmagazin
"profil" (Ausgabe 3/2016) berichtet, dass zahlreiche ehemalige Heimkinder nach wie vor auf
ein gemeinsames Zeichen der Anerkennung von
Staat und Kirche warten, dass ihnen in den vergangenen Jahrzehnten in staatlichen und kirchlichen Internaten und Heimen Unrecht getan
wurde. "Ich hätte mir eine Geste gewünscht, wie
sie seinerzeit von Franz Vranitzky, der sich in
Israel auch für etwas entschuldigt hat, wofür er
persönlich keine Schuld auf sich geladen hat",
wurde Klasnic-Kommissionsmitglied Kurt Scholz
zitiert.
Nationalratspräsidentin Doris Bures ließ
auf "profil"-Anfrage hin ausrichten, eine würdige Geste erfordere einen "Schulterschluss", die
Möglichkeiten dafür würden ausgelotet. Im Büro
des Sozialministers signalisierte man Offenheit
für eine entsprechende Initiative, sieht aber
Kirche und Bundesländer am Zug. Ein Sprecher
von Kardinal Christoph Schönborn teilte dem
Nachrichtenmagazin mit: "Wir sind an Bord,
sehen uns aber nicht berufen, uns an die Spitze
zu stellen."
Historisches Treffen Franziskus/Kyrill: Beifall aus dem Phanar
Kommentatoren im Umfeld des Ökumenischen Patriarchats suchen aber auch nach russischen
"Hintergedanken" - Hintergrundbericht von Heinz Gstrein
12.02.2016 (KAP-ID) Am Sitz des Ökumenischen
Patriarchats sollte die plötzliche Nachricht von
der ersten Begegnung eines Oberhirten der Russischen Orthodoxen Kirche mit dem römischen
Papst eigentlich überraschen. Hatte doch Patriarch Kyrill I. soeben beim gesamtorthodoxen
Gipfeltreffen (Synaxis) in Chambesy am Genfer
See ausdrücklich dementiert, dass es bei Gelegenheit seines Kuba-Besuchs und der Pastoralreise von Franziskus nach Mexiko zu einer
persönlichen Aussprache kommen könnte.
Vom Gegenteil wurde jedoch der Ökumenische
Patriarch Bartholomaios I. schon am 3. Februar zwei Tage vor der offiziellen Bekanntgabe des
Treffens von Franziskus und Kyrill - durch einen
persönlichen Abgesandten des Papstes in Kenntnis gesetzt: Es handelte sich dabei um keinen
Geringeren als den Russlandexperten des Vatikan, den französischen Dominikaner Hyacinthe
Destivelle.
Der Ökumenische Patriarch hat darauf
mit "Zufriedenheit und Freude" reagiert. Korri-
KATHPRESS-Infodienst Nr.700, 5./12. Februar 2016
giert doch die zwar nicht wichtigste, aber an
Gläubigen sowie Mitteln jeder Art innerhalb der
orthodoxen Traditionsfamilie gewichtigste Teilkirche ihre bisherige Kontaktscheu den Päpsten
gegenüber. Konstantinopel pflegt demgegenüber
seit dem Durchbruch von 1964 zwischen Athenagoras I. und Paul VI. regelmäßige Zusammentreffen mit den jeweiligen Hausherrn im Vatikan. Zwischen Bartholomaios und Franziskus ist
das Verhältnis besonders eng und herzlich geworden. Die Moskauer Kirche hielt sich bisher
im Abseits und kritisierte oft genug das Aufeinander-Zugehen von Konstantinopel und Rom
als Verrat an der Orthodoxie. Jetzt ist es aber
auch bei den Russen soweit.
Kirchenpolitischer Schachzug
In Athen räumte dem die führende griechische
Tageszeitung "To Vima" eine ganze Seite unter
dem Titel "Von Kyrills Njet zum Ja" ein. Um das
Zustandekommen eines solchen kirchlichen Spitzentreffens zwischen dem "Papst des Alten und
dem Patriarchen des Dritten Roms Moskau"
habe sich die Kirchendiplomatie beider Seiten
seit der Wende im Ostblock von 1990/91 bemüht.
Es handele sich - zumindest auf russischer Seite aber mehr um einen kirchenpolitischen Schachzug als um einen primär religiös motivierten
Vorstoß.
Auch Kreise des Ökumenischen Patriarchats im Phanar von Istanbul weisen darauf hin,
dass die Begegnungen zwischen seinen Oberhäuptern Athenagoras I., Dimitrios I. und Bartholomaios I. mit Paul VI., Johannes Paul II.,
Benedikt XVI. und Franziskus in erster Linie als
Bestrebungen erfolgten, dem Auftrag des Evangeliums zur Einheit der Christen zu dienen. Die
Ankündigungen bei der Moskauer Pressekonferenz zur Begegnung von Havanna schlössen
aber jedes gemeinsame Gebet und alle geistlichen Aspekte aus. Es werde um eine kirchen-
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politische Aktionsgemeinschaft zur Rettung der
Christen im Orient und für den Schutz christlicher Werte vor einem besonders im westlichen
Europa aggressiv areligiösen Säkularismus gehen. In beiden Anliegen ist sich die Russische
Orthodoxe Kirche mit Politik und Doktrin von
Präsident Wladimir Putin einig.
Zeitpunkt nicht zufällig
Der Zeitpunkt von Kyrills Einlenken zum Treffen
mit dem Papst wurde - so heißt es im Umfeld von
Bartholomaios I. - nicht zufällig gewählt. Die
russische Kirche sei in ihrem Bemühen gescheitert, das Panorthodoxe Konzil zu verhindern
oder zumindest aufzuschieben, das jetzt in Kreta
stattfinden soll. Die russische Kirchenführung
wolle sich daher durch den spektakulären
Schritt des Treffens mit dem Papst wieder in den
Vordergrund schieben. Das Eintreten für die in
Syrien, dem Irak und anderswo in Nahost in
ihrer Existenz bedrohten Christen sei zweifellos
ein gemeinsames Anliegen aller Christen. Bei
Kyrill komme aber dazu, dass gleichzeitig sein
staatlicher Partner Putin die russische Militärintervention in Syrien vorantreibe.
Osteuropaexperten in der Umgebung von
Patriarch Bartholomaios sehen auch eine ukrainische Dimension in der persönlichen Kontaktnahme von Kyrill I. zu Papst Franziskus. Bei der
Ankündigung ihrer Begegnung auf Kuba hat der
russische kirchliche Außenpolitiker, Metropolit
Hilarion Alfejew, zum wiederholten Mal die
griechisch-katholische Kirche in der Ukraine als
Hindernis für jede weitere Verbesserung des
Verhältnisses zwischen Moskau und Rom bezeichnet. Diese Frage werde auf Kuba gewiss
auch zur Sprache kommen. Nach den Erwartungen im Phanar wird dabei die weitere Vorenthaltung des Patriarchentitels für den griechisch-katholischen Oberhirten in Kiew durch
Rom das Minimalanliegen von Kyrill sein.
Rückblick auf das Ordensjahr: Ringen um Relevanz
Fast eine Million katholische Ordensleute zählt die Kirche - Doch sie stehen vor großen
Herausforderungen - Von Kathpress-Korrespondent Christoph Schmidt
12.02.2016 (KAP-ID) Mit einem eigenen Themenjahr wollte der Papst den katholischen Ordensgemeinschaften mehr weltweite Aufmerksamkeit verschaffen. Anfang Februar beschloss
Franziskus, selbst ein Jesuit, das "Jahr der Or-
den" nach 14 Monaten mit einer Messe im Petersdom. Mehrere Kongresse und Treffen von
Ordensleuten in Rom und unzählige Initiativen
in der Weltkirche sollten die Bedeutung der
rund 900.000 Gottgeweihten weltweit für die